Online-Nachricht - Mittwoch, 25.04.2018

Verfahrensrecht | Verstoß gegen den gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage an den EuGH (BFH)

Die Beurteilung, ob die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, so dass davon abgesehen werden kann, dem EuGH eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen, obliegt allein dem nationalen Gericht (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Fortsetzung des Revisionsverfahrens XI R 23/14. Damals hatte der , dass Leistungen der 24-Stunden-Pflege von privatrechtlichen Einrichtungen zur ambulanten Pflege in den Jahren 2005 und 2006 nur dann umsatzsteuerfrei waren, wenn im Vorjahr oder im jeweiligen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Pflegefälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 06.09.2017) .

Als Wiederaufnahmegrund macht der Kläger die vorschriftswidrige Besetzung des Senats i.S. des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 134 FGO geltend. Der Senat habe seine Verpflichtung verletzt, Rechtsfragen dem EuGH und dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen und ihn dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Auslegung und Anwendung des Art. 267 Abs. 3 AEUV durch ein letztinstanzliches Gericht verletzt nur dann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse v. - 2 BvR 221/11 sowie v. - 2 BvR 63/15).

  • Die Beurteilung, ob die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, bleibt allein dem nationalen Gericht überlassen (vgl. , Rz 40, m.w.N.).

  • Insbesondere darf das nationale Gericht trotz einer abweichenden Entscheidung der Vorinstanz davon absehen, dem EuGH eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen (vgl. , Rz 40 bis 42, m.w.N.).

  • Wenn allerdings auf Unionsebene die Gefahr von Divergenzen besteht, bedarf es einer Vorlage durch das nationale Gericht (vgl. , Rz 43 f.).

  • Gemessen an diesen Grundätzen hat der Senat im Streitfall seine Vorlagepflicht nicht offensichtlich unhaltbar verneint, so dass kein Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorliegt.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB EAAAG-81787