BBK Nr. 2 vom Seite 49

Die selbständigen Buchhalter und die USt-Voranmeldung: Ein Fall für das BVerfG

Matthias Pruns | Rechtsanwalt, Schiffer & Partner, Bonn

[i]BFH, Urteil v. 7.6.2017 - II R 22/15 NWB XAAAG-50622 Der BFH hatte mit Urteil vom entschieden, dass eine selbständige Buchhalterin für ihre Kunden nicht die Umsatzsteuer-Voranmeldung erstellen darf. Das will die betroffene Buchhalterin nicht auf sich sitzen lassen, weshalb sie nunmehr Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BFH eingelegt hat (1 BvR 2288/17 BVerfG). Sie könnte dadurch [i]Pruns, BC 1/2017 S. 37 und BC 2/2017 S. 75 Rechtsgeschichte schreiben, denn ihre Verfassungsbeschwerde hat aus meiner Sicht gute Aussichten auf Erfolg.

In Deutschland selbständig tätige Buchhalter, geprüfte Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte dürfen für ihre Kunden zwar die laufenden Geschäftsvorfälle buchen und damit umsatzsteuerlich erhebliche Entscheidungen treffen. Das Erstellen der Umsatzsteuer-Voranmeldung ist ihnen aber nach der aktuellen Gesetzeslage verboten (§§ 5, 6 StBerG).

Das stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des durch das Grundgesetz gewährten Grundrechts auf Berufsfreiheit dar (Art. 12 Abs. 1 GG) und ist in der Praxis häufig Anlass für Abmahnungen durch die Steuerberaterkammern und (zum Teil bußgeldbewehrte) Ordnungsverfügungen durch die Finanzbehörden. Dabei ist es in den Steuerberatungskanzleien absolut üblich, dass die Umsatzsteuer-Voranmeldung durch die dort angestellt tätigen Buchhalter, geprüften Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirte erstellt wird, und zwar ohne dass der Steuerberater noch einmal „draufschaut “.

Um diese widersinnige und praxisferne Gesetzeslage nachzuvollziehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit: Bis Anfang der 1980er Jahre war es selbständigen Buchhaltern durch das StBerG größtenteils untersagt, überhaupt im Bereich der Hilfe in Steuersachen tätig zu werden. Erlaubt war ihnen allein „die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind“ (§ 6 Nr. 3 StBerG).

Erst [i]BVerfG, Beschluss v. 18.6.1980 - 1 BvR 697/77, BStBl 1980 II S. 706 NWB SAAAG-69583 und BVerfG, Beschluss v. 27.1.1982 - 1 BvR 807/80, BStBl 1982 II S. 281 NWB PAAAG-69999aufgrund von zwei erfolgreichen Verfassungsbeschwerden war der traditionell steuerberaterfreundlich eingestellte Gesetzgeber dazu gezwungen, selbständigen Buchhaltern das Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen zu erlauben. Das Bundesverfassungsgericht hatte in beiden Verfahren insbesondere auf die Ausbildung der Buchhalter verwiesen und festgestellt, dass sie durchaus in der Lage sind, die jeweiligen Tätigkeiten ohne fachliche Aufsicht durchzuführen.

Das Interesse der Kunden am Schutz vor unqualifizierter Hilfe in Steuersachen beeinträchtigt das nicht, wie das Bundesverfassungsgericht deutlich machte. Buchhalter sind, so das Bundesverfassungsgericht, in der Lage, schwierige Einzelfälle als solche zu erkennen und dann, soweit erforderlich, Steuerberater einzuschalten.S. 50

Nicht [i]BFH, Urteil v. 1.3.1983 - VII R 27/82, BStBl 1983 II S. 318 NWB AAAAB-02635 anders ist es bei der Erstellung der Umsatzsteuer-Voranmeldung: Auch hier sind schwierige Fälle die Ausnahme, und Buchhalter sind in der Lage, solche Fälle zu erkennen. Trotzdem meinte der BFH im Jahr 1983, sich mit Blick auf die Umsatzsteuer-Voranmeldung über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen zu können. Die damals gegen das Urteil des BFH eingelegte Verfassungsbeschwerde kam dann leider nicht zur Entscheidung. Der Beschwerdeführer hatte seine berufliche Tätigkeit aus Altersgründen inzwischen eingestellt.

Sensibler für die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG ist der BFH seitdem leider nicht geworden. Die Begründung seines nun ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteils aus dem Jahr 2017 liest sich wie eine bloße Wiederholung seiner Begründung aus dem Jahr 1983. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1980 und 1982 zitiert der BFH, man kann es leider nicht anders sagen, äußerst „selektiv“.

Wir dürfen deshalb sehr gespannt darauf sein, wie das Bundesverfassungsgericht hierzu Stellung nehmen wird!

RA Matthias Pruns

Matthias Pruns

Fundstelle(n):
BBK 2018 Seite 49 - 50
NWB TAAAG-69736