Strafurteil: Notwendige Urteilsfeststellungen zur Person des Angeklagten bei Freispruch; Beweiswürdigung bei Teilschweigen des Angeklagten
Gesetze: § 261 StPO, § 267 Abs 5 S 1 StPO
Instanzenzug: LG Mühlhausen Az: 820 Js 30690/13 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten H. unter Freisprechung im Übrigen wegen Begünstigung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Den Angeklagten P. hat es wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen überlanger Verfahrensdauer hat es jeweils angeordnet, dass ein Monat der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelte. Den Angeklagten K. hat das Landgericht freigesprochen.
2Gegen dieses Urteil wenden sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die wirksam auf die Freisprechung der Angeklagten H. und K. vom Vorwurf Ziffer 3 der Anklage und hinsichtlich des Angeklagten P. auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
I.
3Die Anklage legt den drei Angeklagten unter Ziffer 3 zur Last, sich gemeinsam zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem und dem eine Vielzahl von hochwertigen Bekleidungsstücken und Taschen sowie mehrere Packungen Kaffee und Fertiggerichte aus einem am 21./ begangenen Einbruchsdiebstahl bei einer Firma in Ho. verschafft und einen Teil dieser Gegenstände in einer von dem Angeklagten H. genutzten Garage in He. eingelagert zu haben. Die weiteren Gegenstände aus dem Diebesgut seien von den Angeklagten in einer Garage des Angeklagten K. in N. eingelagert worden, wo sie am sichergestellt worden seien.
II.
4Zu diesen den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
51. Zwischen dem Nachmittag des und dem Abend des drangen unbekannte Täter in ein Firmengelände in Ho. ein und entwendeten nach dem Aufbrechen von sieben Lkw-Containern und zwei Lastwagen zahlreiche hochwertige Bekleidungsartikel und Accessoires sowie größere Mengen Kaffee, Kaffeepads und Fertiggerichte.
6Im Zeitraum zwischen bis einige Tage vor dem verschaffte sich der Angeklagte P. aus diesem Diebstahl 22 Kleidungsstücke und vier Taschen sowie drei Kartons mit Kaffee, einen Karton mit Fertiggerichten und weitere 11 Packungen Kaffee mit einem Einkaufswert von 1.652 Euro. Er lagerte die Gegenstände in einer ihm zugänglichen, vom Angeklagten K. genutzten Garage in N. . Einige Tage, bevor sie am im Rahmen einer Durchsuchung sichergestellt wurden, hatte der Angeklagte K. die Gegenstände zufällig vorgefunden und den Angeklagten P. aufgefordert, die Sachen aus der Garage zu entfernen. Bereits am waren bei der Durchsuchung einer vom Angeklagten H. genutzten Garage in He. eine große Anzahl von Bekleidungsstücken und Accessoires in Originalverpackung sowie 22 Packungen Kaffee und zwei Kartons mit Fertiggerichten gefunden worden, die ebenfalls aus dem Einbruch in Ho. stammten.
72. Der Angeklagte P. hat sich nicht zum Tatvorwurf eingelassen. Der Angeklagte H. hat sich dahin eingelassen, er sei einige Tage vor der Durchsuchung der Garage in He. von einem Bekannten gefragt worden, ob dieser Gegenstände aus einem Umzug bei ihm unterstellen könne. An diesem Tag seien jedoch keine Umzugsgegenstände zu ihm gekommen, sondern zum großen Teil Originalkartons, deren Inhalt er nicht gekannt habe. Zum Teil habe der Bekannte auch Jacken aufgehängt, wobei ihm zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass diese Dinge aus einer rechtswidrigen Tat stammen mussten. Insofern habe er offensichtlich einen Fehler gemacht und wisse, dass er sich hierbei strafbar gemacht habe.
8Der Angeklagte K. hat angegeben, er habe wenige Tage vor der Durchsuchung vom die von ihm genutzte Garage in N. aufgesucht und Müllsäcke sowie eine Kiste vorgefunden, deren Inhalt er sich angesehen habe. Außerdem habe er eine Einkaufstüte berührt, in der sich originalverpackte Kleidungsstücke befunden haben. Angesichts der Vielzahl der Gegenstände habe er vermutet, dass es sich um gestohlene Ware handeln müsse. Da neben ihm selbst nur der Mitangeklagte P. Zugriff auf die Garage gehabt habe, müsse dieser die Sachen dort gelagert haben. Er habe P. daher umgehend aufgefordert, die Sachen aus der Garage zu entfernen. Da dieser sich arbeitsbedingt in Bayern aufgehalten habe, sei es schwierig gewesen, einen Termin zur Abholung der Sachen zu vereinbaren. Wegen der zwischenzeitlichen Verhaftung des P. sei es dann nicht mehr zum Abtransport der Sachen gekommen.
93. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten H. und K. als unwiderlegbar angesehen. Aufgrund der Angaben des Angeklagten K. hat es sich von der Täterschaft des Angeklagten P. überzeugt. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten P. unter anderem strafschärfend gewertet, dass dieser sich Stehlgut im Wert von mindestens 1.600 Euro verschafft hat.
III.
10Die zulässig beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben, soweit sie sich gegen die Freisprüche der Angeklagten H. und K. bezüglich Ziffer 3 der Anklage richten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision betreffend den Angeklagten P. ist dagegen unbegründet.
111. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
122. Da das Urteil keine Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten K. enthält, genügt es unter den hier gegebenen Umständen bereits nicht den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO.
13a) Bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen dann zu Feststellungen zur Person des Angeklagten verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an; für eine schematische Betrachtungsweise ist kein Raum (vgl. , Rn. 8; Beschluss vom - 3 StR 514/14, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 18; Urteil vom - 2 StR 554/13, NStZ 2014, 419; Urteil vom - 4 StR 22/10, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 16 jeweils mwN).
14b) Danach waren hier Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen veranlasst. Dem Angeklagten lag gewerbsmäßige Hehlerei zur Last. Für die Beurteilung eines derartigen Tatvorwurfs kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Angeklagte in der Vergangenheit bereits durch vergleichbare Taten oder andere Vermögensdelikte in Erscheinung getreten ist.
153. Auch die Beweiswürdigung weist Rechtsfehler auf.
16a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
17Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. , NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. , Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom - 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom - 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
18b) Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
19(1) Die Erwägungen des Landgerichts zum Wahrheitsgehalt der Einlassung des Angeklagten K. begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20Die Strafkammer hat ihrer Beweiswürdigung im Wesentlichen die Einlassung des Angeklagten K. zu Grunde gelegt, ohne diese jedoch - wie geboten - einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Bei entsprechender Prüfung hätte sich die Frage ergeben, wie die Einlassung K. s, er habe P. umgehend nach der am erfolgten Durchsuchung der Garage zur Entfernung der Sachen aufgefordert, man habe aber wegen eines beruflichen Aufenthalts des P. in Bayern keinen Abholungstermin finden können, mit dem Umstand vereinbar ist, dass sich P. zwischen dem und dem in Untersuchungshaft befand (UA S. 7).
21(2) Seine Erwägungen hat das Landgericht zudem auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Die Kammer hat angenommen, es spreche für den Wahrheitsgehalt der Angaben des Angeklagten K. , dass er diese in der Hauptverhandlung wiederholte, als er sich nicht mehr in Untersuchungshaft befand. Wären seine belastenden Angaben nämlich unrichtig, wäre zu erwarten gewesen, dass er in der Hauptverhandlung von diesen abrückt, schweigt oder die Aussage verweigert (UA S. 23). Damit hat die Kammer verkannt, dass die den Mitangeklagten P. belastenden Angaben aus Sicht des Angeklagten K. auch noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geeignet und erforderlich waren, um sich selbst zu entlasten.
22(3) Die Beweiswürdigung hinsichtlich des Angeklagten H. ist bereits deshalb durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, ein „Bekannter“ habe die gestohlenen Gegenstände in der Garage in He. eingelagert, als „nicht zu widerlegen“ angesehen hat, obwohl für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23Den Bekannten hat der Angeklagte H. weder namentlich benannt noch in sonstiger Weise näher individualisiert. Die indiziell nachteilige Wirkung dieses Teilschweigens (vgl. , NStZ 2003, 45) hat das Landgericht nicht gesehen. Auch hat das Landgericht keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die für eine Einlagerung durch eine weitere Person sprechen. Dass sich der Angeklagte H. auch im Rahmen seiner Einlassung zum Tatvorwurf Ziffer 1 der Anklage mit dem Hinweis auf einen nicht näher genannten „Bekannten“ als Täter entlastet hat (UA S. 52), hat das Landgericht bei der Würdigung der Einlassung ebenfalls nicht berücksichtigt. Es hat damit die nahe liegende Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass es sich um eine bloße Schutzbehauptung handeln könnte.
24(4) Als lückenhaft erweist sich die Beweiswürdigung hinsichtlich des Angeklagten H. , weil das Landgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht in den Blick genommen hat, dass der Angeklagte H. im Vorfeld der Sicherstellung eines Teils des Diebesguts am in N. beim Einlagern von Gegenständen in der vom Angeklagten K. genutzten Garage beobachtet worden war (UA S. 19).
25(5) Die Ausführungen des Landgerichts zu den in der Einlassung offen bleibenden Fragen, ob, und wenn ja, wie und mit welcher Zielrichtung der Angeklagte H. tätig geworden ist, nachdem er von der Einlagerung von Diebesgut durch den „Bekannten“ Kenntnis erlangt hatte, lassen überdies besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet, dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2015, 255).
264. Der von der Revision angegriffene Rechtsfolgenausspruch betreffend die Verurteilung des Angeklagten P. hält rechtlicher Nachprüfung stand.
27a) Dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung lediglich auf den Einkaufswert der in der Garage in N. sichergestellten Gegenstände abgestellt hat, folgt daraus, dass sich der Angeklagte P. nach den Feststellungen nur diesen Teil des Stehlguts verschafft hat (UA S. 30, 36).
28b) Auch die vom Landgericht bei der Bewährungsentscheidung angestellte Legalprognose begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 StGB eingeräumten weiten Bewertungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 56 Rn. 11 mwN) hat die Strafkammer hier nicht überschritten, sondern alle wesentlichen, für die Entscheidung maßgeblichen Umstände erwogen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:100517U2STR258.16.0
Fundstelle(n):
QAAAG-59602