BVerwG Urteil v. - 2 C 11/16

Altersdiskriminierende Besoldung; zeitlicher Umfang und Höhe des unionsrechtlichen Haftungs- und des AGG-Entschädigungsanspruchs

Leitsatz

1. Die altersdiskriminierende Besoldung nach §§ 27 und 28 BBesG a.F. (juris: BBesG J: 2002) begründet grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gegen den Dienstherrn als Arbeitgeber i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG sowie einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch gegen den Besoldungsgesetzgeber wegen der Aufrechterhaltung der unionsrechtswidrigen Besoldungsregelungen.

2. Sind, wie bei mittelbaren Landesbeamten, Dienstherr und Besoldungsgesetzgeber nicht identisch, so kann der Beamte gegen beide isoliert vorgehen, kann aber keinen zweifachen Ausgleich beanspruchen.

3. Wegen der Vorgaben des Art. 17 RL 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) ist § 15 Abs. 2 AGG dahingehend auszulegen, dass auch diejenigen Fälle erfasst sind, in denen der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG Folge des korrekten Vollzugs eines Besoldungsgesetzes ist, also allein auf normativem Unrecht beruht.

4. Der beim unionsrechtlichen Haftungsanspruch zur Anwendung kommende Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung hat zur Folge, dass der Anspruch erst ab dem auf die Geltendmachung folgenden Monat besteht; ihm kommt keine Rückwirkung für das gesamte Kalenderjahr zu.

5. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG und der unionsrechtliche Haftungsanspruch führen unabhängig von der Besoldungsgruppe des Beamten zu einem Zahlungsanspruch von 100 Euro/Monat. Dieser Betrag ist grundsätzlich auch bei langjähriger Aufrechterhaltung der unionsrechtswidrigen Besoldungsregelungen mangels abweichender Anhaltspunkte nicht kontinuierlich zu steigern.

Gesetze: § 24 AGG, § 15 AGG, § 6 AGG, § 7 AGG, § 28 BBesG 2002, § 27 BBesG 2002, § 839 BGB, Art 17 EGRL 78/2000, Art 16 EGRL 78/2000, Art 2 EGRL 78/2000, Art 3 EGRL 78/2000, Art 6 EGRL 78/2000, Art 9 EGRL 78/2000, § 11 RsprEinhG, § 2 RsprEinhG

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 A 1926/15 Urteilvorgehend VG Gießen Az: 5 K 3851/14.GI Urteil

Tatbestand

1Der Kläger beansprucht eine Ausgleichszahlung unter Berufung auf die altersdiskriminierende Wirkung der im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen besoldungsrechtlichen Bestimmungen.

2Der 1966 geborene Kläger wurde im August 1998 in Nordrhein-Westfalen zum Lehrer ernannt. Bei seiner Ernennung wurde unter Berücksichtigung von Zeiten mit Besoldungsansprüchen das Regelbesoldungsdienstalter festgesetzt und der Kläger in die Dienstaltersstufe 6 eingestuft. Mit Wirkung zum wurde er zum beklagten Land versetzt. Seit dem hat der Kläger das Statusamt eines Studiendirektors (Besoldungsgruppe A 15) inne.

3Am erhob der Kläger Widerspruch gegen die Höhe seiner Besoldung und beanspruchte die Bezahlung aus der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe verjährungshemmend mit voller Rückwirkung. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück.

4Die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom bis zum insgesamt einen Betrag von 2 600 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die weitergehende Berufung des Klägers hat er zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:

5Jede Bezügezahlung sei ein diskriminierender Einzelakt. Da die maßgeblichen besoldungsrechtlichen Bestimmungen für alle Betroffenen diskriminierend gewirkt hätten und es somit an einem gültigen Bezugssystem gefehlt habe, sei eine Eingruppierung eines jüngeren Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe zum Ausgleich der Benachteiligung wegen seines Alters ausgeschlossen. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch bestehe wegen der Geltendmachung im Dezember 2012 für das gesamte Kalenderjahr 2012. Der Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bestehe wegen der insoweit maßgeblichen Ausschlussfrist lediglich für den Zeitraum ab Oktober 2012. Mangels Anhaltspunkten für eine abweichende Bestimmung sei ein Betrag in Höhe von 100 €/Monat angemessen.

6Hiergegen richten sich die bereits vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revisionen der Beteiligten.

7Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2014 eine angemessene monatliche Entschädigung für die jedenfalls im Zeitraum vom bis unter Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gezahlte Besoldung, mindestens aber 100 € pro Monat für den Zeitraum bis , 200 € pro Monat im Zeitraum vom 1. Januar bis zum , 300 € pro Monat im Zeitraum vom 1. Januar bis zum und 400 € pro Monat für die Monate Januar und Februar 2014, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

und die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom in vollem Umfang zurückzuweisen

und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Gründe

9Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu seinen Lasten verletzt das Berufungsurteil nicht revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Kläger steht wegen der altersdiskriminierenden Besoldung kein über das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs hinausgehender Zahlungsanspruch zu. Demgegenüber ist die Revision des Beklagten zum Teil begründet. Soweit der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten auch für den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2012 zur Zahlung von 100 €/Monat verurteilt hat, verletzt das Urteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Kläger steht wegen seines Widerspruchs vom im Hinblick auf die altersdiskriminierende Wirkung der maßgeblichen besoldungsrechtlichen Regelungen lediglich für den Zeitraum von November 2012 bis einschließlich Februar 2014 ein Anspruch in Höhe von 100 €/Monat zu.

10Die im Zeitraum bis Ende Februar 2014 für die Besoldung des Klägers maßgeblichen Bestimmungen sind mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16 - RL 2000/78/EG) unvereinbar und benachteiligen den Kläger unmittelbar wegen seines Alters (1.). Im Hinblick hierauf kommen grundsätzlich sowohl der unionsrechtliche Haftungsanspruch als auch Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in Betracht, das auch der Umsetzung der genannten Richtlinie dient. Ausgeschlossen sind im Zeitraum von Januar 2009 bis Ende Februar 2014 allerdings der Anspruch auf Besoldung nach einer höheren oder gar der höchsten Stufe des früheren Stufensystems und der Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG (2.). Auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG steht dem Kläger aufgrund seiner schriftlichen Geltendmachung vom eine angemessene Entschädigung in Höhe von 100 €/Monat im Zeitraum von November 2012 bis Februar 2014 zu (3.). Der unionsrechtliche Haftungsanspruch, der ebenfalls eine Zahlung von 100 €/Monat zur Folge hat, ist gegenüber dem Beklagten im Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich Februar 2014 begründet (4.).

111. Im streitgegenständlichen Zeitraum richtet sich die Besoldung des Klägers gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG nach den §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3020 - BBesG a.F.). Das beklagte Land hat diese Regelungen bis zum Inkrafttreten des Hessischen Besoldungsgesetzes vom (GVBl. S. 218) am nicht durch Landesrecht (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG) ersetzt.

12Die §§ 27 und 28 BBesG a.F. begründen eine nicht gerechtfertigte unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Lebensalters im Sinne des Art. 2 Abs. 2 RL 2000/78/EG. Denn das Grundgehalt, das zwei gleichzeitig ernannte Beamte mit der gleichen oder einer vergleichbaren Berufserfahrung, aber unterschiedlichem Lebensalter erhalten, unterscheidet sich allein aufgrund ihres Lebensalters zum Zeitpunkt ihrer Ernennung, ohne dass diese Ungleichbehandlung nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt ist ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 42 ff.; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 13 ff.). Das Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am , dessen Vorschriften nach § 24 Nr. 1 AGG unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung für Beamte entsprechend gelten, hat an dieser unmittelbar diskriminierenden Wirkung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. nichts geändert ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 17).

13Auch im Hinblick auf die Person des Klägers ist von einer Diskriminierung aufgrund des Alters auszugehen. In Bezug auf den bei der Einstellung bereits 32 Jahre alten Kläger gab es Bewerber, die bei gleicher Erfahrung allein aufgrund ihres noch höheren Lebensalters einer höheren Stufe zugeordnet wurden.

14Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die diskriminierenden Handlungen seien bereits dem Land Nordrhein-Westfalen anzulasten, weil der Kläger dort erstmals zum Beamten ernannt worden ist. Die im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG unmittelbar diskriminierende Handlung ist nicht lediglich die dem Beamten nach § 28 Abs. 4 BBesG a.F. mitzuteilende Festsetzung des Besoldungsdienstalters und die hierauf gestützte Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Relevante Handlung ist vielmehr die monatliche (§ 3 Abs. 5 Satz 1 BBesG a.F.) Berechnung und Auszahlung der Dienstbezüge des Beamten auf der Basis der unmittelbar diskriminierenden §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch das beklagte Land. Diese Vorschriften hat der Beklagte nicht an die Vorgaben der Richtlinie angepasst, obwohl er hierfür die Gesetzgebungskompetenz besessen hat (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) und hierzu aufgrund von Art. 16 RL 2000/78/EG verpflichtet gewesen ist.

15Entgegen der Ansicht des Beklagten steht dem Anspruch des Klägers auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, weil der Kläger über Jahre hinweg gegenüber der Mehrheit der Beamten von dem diskriminierenden Besoldungssystem profitiert und zudem das Überleitungssystem der am in Kraft getretenen Regelung seinen Besitzstand gewahrt habe, den er durch eine rechtswidrige Bevorzugung gegenüber der Mehrheit der Beamten seiner Laufbahngruppe erlangt habe. Denn der Kläger ist ungeachtet seines bereits fortgeschrittenen Alters bei der Einstellung durch die §§ 27 und 28 BBesG a.F. wegen seines Alters gegenüber bei der Einstellung noch älteren Bewerbern unmittelbar diskriminiert worden. Für jeden Fall eines Verstoßes gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinie - das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Satz 2 RL 2000/78/EG in ihren Vorschriften eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion vorsehen.

162.a) Die nicht gerechtfertigte Altersdiskriminierung begründet grundsätzlich zwei Ansprüche, die sich im Bereich der Länder abhängig vom Dienstherrn des Beamten gegen dieselbe Körperschaft (unmittelbare Landesbeamte) oder gegen verschiedene Körperschaften (mittelbare Landesbeamte) richten: zum einen Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gegen den Arbeitgeber, die an die Anwendung der unionsrechtswidrigen §§ 27 und 28 BBesG a.F. anknüpfen, und zum anderen den unionsrechtlichen Haftungsanspruch, der das Unterbleiben der Anpassung der besoldungsrechtlichen Regelungen an die Vorgaben der RL 2000/78/EG durch den hierfür zuständigen Gesetzgeber sanktioniert. Diese beiden Ansprüche sind verschiedenen Bestimmungen der RL 2000/78/EG - Art. 16 und 17 - zugeordnet ( - ÖBB Personenverkehr AG, NZA 2015, 217 Rn. 42 f.).

17aa) Mit § 15 Abs. 1 und 2 AGG hat der Bundesgesetzgeber die Vorgaben des Art. 17 RL 2000/78/EG umfassend in nationales Recht umgesetzt ( 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 57 ff.). Die Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten selbst keine bestimmten Sanktionen vor. Die zur Umsetzung geschaffene nationale Sanktionenregelung muss aber einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet. Zugleich muss sie aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren; eine rein symbolische Sanktion genügt für eine ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung nicht (, Asociatia Accept - EuZW 2013, 469 Rn. 63 f. m.w.N.; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 33).

18Grundlage des abgestuften innerstaatlichen Sanktionensystems ist der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Jede diskriminierende Handlung des Arbeitgebers führt zu einem nach dieser Vorschrift auszugleichenden immateriellen Schaden; auf diese Weise wird der wirksame Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte gewährleistet ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 45 m.w.N.). Demgegenüber setzt die Verpflichtung zum Ersatz des regelmäßig wesentlich höheren materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG, entsprechend dem Vorbild des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, das Verschulden des Pflichtigen voraus.

19Gegner der Ansprüche aus § 15 AGG ist der Arbeitgeber (§ 6 Abs. 2 AGG) des Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 AGG). Die Richtlinie (Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG) erfasst sämtliche Arbeitgeber, private wie öffentliche. Auch die durch Gesetz festgelegten Besoldungsbedingungen der Beamten fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 LS 1 und Rn. 36 f.). Diesen Vorgaben der Richtlinie entspricht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für den Bereich der Beamten durch § 24 Nr. 1 AGG, wonach die Vorschriften des Gesetzes für Beamte unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend gelten. Arbeitgeber eines Beamten (Beschäftigter) i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG ist danach der jeweilige Dienstherr. Für die Anwendung des § 15 AGG, der Ansprüche gegen den jeweiligen Arbeitgeber einräumt, ist es im Anwendungsbereich von § 24 Nr. 1 AGG nicht von Bedeutung, ob der jeweilige Dienstherr auch die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Besoldung des Beamten durch Gesetz besitzt ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 58 und - 2 C 3.13 - juris Rn. 58).

20bb) Der unionsrechtliche Haftungsanspruch knüpft an den Verstoß des Mitgliedstaates gegen Art. 16 RL 2000/78/EG an, wonach dieser verpflichtet ist, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie (Art. 2 Abs. 1) zuwiderlaufenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzuheben. Gegenstand des Haftungsanspruchs ist hier das Aufrechterhalten der besoldungsrechtlichen Vorschriften der §§ 27 und 28 BBesG a.F., die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG unvereinbar sind. Geht es um ein Unterlassen des Gesetzgebers, besteht der unionsrechtliche Haftungsanspruch gegen diejenige Körperschaft, die insoweit innerstaatlich zur Gesetzgebung befugt und deshalb für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist.

21cc) Ist der Dienstherr des betroffenen Beamten zugleich Besoldungsgesetzgeber richten sich beide Ansprüche gegen dieselbe Körperschaft. Andernfalls - bei mittelbaren Landesbeamten (also etwa den Beamten der Gemeinden, der Gemeindeverbände, Universitäten oder Anstalten des öffentlichen Rechts) - kann der Beamte gegen seinen Dienstherrn als Arbeitgeber i.S.v. § 6 Abs. 2, § 15 und § 24 Nr. 1 AGG und gegen das Land als Besoldungsgesetzgeber getrennt vorgehen. Auch in diesem Fall gilt, dass der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz i.S.v. Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG und gegen das Benachteiligungsverbot i.S.v. § 7 Abs. 1 AGG in Gestalt der altersdiskriminierenden Besoldung des Beamten nur einmal finanziell auszugleichen ist und nicht zu einer doppelten Zahlung führt.

22b) Eine Besoldung nach einer höheren oder gar der höchsten Stufe des früheren Stufensystems kann der Kläger im Zeitraum von Januar 2009 bis Ende Februar 2014 nicht beanspruchen.

23Aus Art. 17 RL 2000/78/EG folgt unmittelbar kein Anspruch auf Besoldung nach der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 108; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 24).

24Auch unmittelbar auf §§ 27 und 28 BBesG a.F. kann ein solcher Anspruch nicht gestützt werden, weil eine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Vorschriften nicht möglich ist. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, sodass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 96; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 19 f.).

25c) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG zu.

26Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber bei einem von ihm zu vertretenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Zwar kommt hier grundsätzlich ein Vertretenmüssen in Betracht, weil es um den Zeitraum nach dem geht ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 43). Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Vereinbarkeit eines mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbaren Entlohnungssystems mit der RL 2000/78/EG ist durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom - Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai - geklärt worden ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 104; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 42 f. und vom - 2 C 20.15 - Rn. 12 ff.).

27Der Anspruch auf Schadensersatz ist aber ausgeschlossen, weil der konkrete materielle Schaden, der sich nach den §§ 249 ff. BGB bemisst, nicht bestimmbar ist. Es lässt sich nicht eindeutig klären, wie sich die Vermögenslage des Klägers ohne die Anwendung des unionsrechtswidrigen Besoldungssystems gestaltet hätte. Die Einstufung in die höchste Stufe des früheren Systems scheidet aus, weil es kein gültiges Bezugssystem gibt, an dem sich die diskriminierungsfreie Besoldung des Klägers orientieren könnte. Auch auf die Differenz zwischen dem früheren und dem jetzigen Besoldungssystem kann nicht abgestellt werden, weil die jetzige Regelung nicht die einzige Möglichkeit einer nicht altersdiskriminierenden Besoldung darstellt.

283. Wegen der Bestimmung seiner Besoldung nach den altersdiskriminierenden §§ 27 und 28 BBesG a.F. steht dem Kläger aufgrund von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG im Zeitraum von November 2012 bis Februar 2014 ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 100 €/Monat zu.

29a) Der für die Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG erforderliche immaterielle Schaden liegt bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe vor. Der Vorgabe des Art. 17 Satz 2 RL 2000/78/EG nach einer abschreckenden Wirkung der Sanktion hat der Gesetzgeber durch das Merkmal der Angemessenheit der Entschädigung Rechnung getragen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist verschuldensunabhängig. Denn das Unionsrecht gibt vor, dass die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung nicht vom Nachweis eines Verschuldens oder vom Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes abhängig gemacht werden darf (, Draehmpaehl - Slg. 1997, I-2195 Rn. 17 und 22 unter Hinweis auf das Urteil vom - Rs. C-177/88, Dekker - Slg. 1990, I-3941 Rn. 22 zur RL 76/207/EWG).

30b) Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG Folge des korrekten Vollzugs eines innerstaatlichen Gesetzes - hier §§ 27 und 28 BBesG a.F. - ist, also allein auf normativem Unrecht beruht ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 36).

31aa) Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG bestimmt ausdrücklich, dass die Richtlinie für alle Personen in öffentlichen Bereichen gilt. Die durch Gesetz festgelegten Besoldungsbedingungen der Beamten zählen als Arbeitsentgelt zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 LS 1 und Rn. 36 f.).

32Hinsichtlich der Gruppe der Beamten entsprechen die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diesen unionsrechtlichen Vorgaben. Beamte sind aufgrund von § 24 Nr. 1 AGG in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen; in sachlicher Hinsicht erfasst das Gesetz auch die gesetzlichen Regelungen zur Besoldung der Beamten, d.h. das Arbeitsentgelt i.S.v. § 2 Nr. 2 AGG. Der Beamte ist aufgrund von § 24 Nr. 1 AGG "Beschäftigter" i.S.v. § 6 Abs. 1 AGG. Der Dienstherr ist nach § 6 Abs. 2 AGG "Arbeitgeber" im Sinne des Abschnitts 2 des Gesetzes, zu dem auch § 15 AGG gehört.

33Art. 17 RL 2000/78/EG schreibt den Mitgliedstaaten die Festlegung von Sanktionen vor, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinie zu verhängen sind. Dabei müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Sanktionenregelung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte gewährleisten (, Asociatia Accept - EuZW 2013, 469 Rn. 63 f. m.w.N.).

34Die Vorgaben des Art. 17 RL 2000/78/EG werden durch § 15 AGG in innerstaatliches Recht umgesetzt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/1780, S. 38; Däubler/Bertzbach, AGG, 3. Aufl., § 15 Rn. 3; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl., § 15 Rn. 2). Unabhängig davon, welchen Anwendungsbereich der Bundesgesetzgeber beim Erlass der Regelungen zu Schadensersatz und Entschädigung für immaterielle Schäden vor Augen hatte, ist § 15 AGG jedenfalls unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass er neben Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters in individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen zum Arbeitsentgelt auch solche Verstöße in gesetzlichen Regelungen erfasst. Denn andernfalls hätte der Bundesgesetzgeber die auch für die Besoldungsbestimmungen der Beamten geltende Verpflichtung aus Art. 17 Satz 2 RL 2000/78/EG unzureichend erfüllt. Die Richtlinie erfasst nicht nur das gesetzlich bestimmte Arbeitsentgelt von Beamten (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c), sondern verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland durch ihren Art. 17 auch dazu zu bestimmen, dass ein Verstoß gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie auf die Festlegung des Arbeitsentgelts durch öffentliche Arbeitgeber eine spürbare Sanktion zur Folge hat, wobei der Handlungsform des öffentlichen Arbeitgebers - hier das Gesetz - keine Bedeutung zukommt.

35bb) Sollte das - (BGHZ 206, 260 Rn. 13 ff.) dahingehend zu verstehen sein, dass § 15 AGG als Grundlage von Ansprüchen dann ausscheiden soll, wenn der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG aus dem korrekten Vollzug eines Gesetzes resultiert, das die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Beamten regelt, so könnte sich der Senat dieser Entscheidung wegen der vorstehenden Ausführungen zu den aus Art. 17 RL 2000/78/EG folgenden Verpflichtungen nicht anschließen. Diese Auffassung hätte eine erhebliche Rechtsschutzlücke zur Folge, weil der unionsrechtliche Haftungsanspruch mit dem Erfordernis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht im Verhältnis zum Grundanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG besondere Anforderungen stellt.

36Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Buchst. a AEUV zur Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie ist nicht veranlasst. Denn der Gerichtshof hat die insoweit maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Der Gerichtshof hat Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG dahingehend ausgelegt, dass die - durch Gesetz festgelegten - Besoldungsbedingungen der Beamten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 LS 1 und Rn. 36 f.). Die für die Mitgliedstaaten aus Art. 17 RL 2000/78/EG folgenden Verpflichtungen hat der Gerichtshof ebenfalls bereits konkretisiert (, Asociatia Accept - EuZW 2013, 469 Rn. 63 f. m.w.N.).

37Auch die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach den § 2 Abs. 1 und § 11 RsprEinhG kommt nicht in Betracht. Die Rechtslage hinsichtlich der aus der Richtlinie folgenden Verpflichtungen ist durch Entscheidungen des zur verbindlichen Auslegung des Unionsrechts berufenen Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt. Ferner muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein ( 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 34 m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil die Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs zur Frage des Anwendungsbereichs des § 15 AGG in Bezug auf den Erlass eines Gesetzes ( - BGHZ 206, 260 Rn. 13 ff.) nicht entscheidungstragend sind.

38c) Der bei der Bezügestelle am eingegangene Widerspruch des Klägers gegen die Höhe seiner Besoldung wahrt die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG erst für den Zeitraum ab November 2012.

39aa) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss der Anspruch nach Absatz 2 innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt nach Satz 2 zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Die Ausschlussfrist ist mit Art. 9 der RL 2000/78/EG vereinbar; die Anforderungen des Äquivalenz- und auch des Effektivitätsgrundsatzes sind erfüllt ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 48 m.w.N.).

40Diskriminierende Handlung ist nicht die einmalige Festsetzung des Besoldungsdienstalters des Klägers durch das Land Nordrhein-Westfalen im August 1998, sondern die monatliche Berechnung und Auszahlung der Bezüge auf der Basis der altersdiskriminierenden §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch den Beklagten, der seit dem gesetzgebungsbefugt und zur Anpassung der besoldungsrechtlichen Regelungen an das Unionsrecht auch verpflichtet war. Bei einer wiederkehrenden Benachteiligung wirkt die erstmalige Geltendmachung für die Zukunft fort. Der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen ist dagegen auf den aus § 15 Abs. 2 AGG folgenden Entschädigungsanspruch nicht anwendbar ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 54 f.). Die Ausschlussfrist begann mit der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom in der Sache Hennigs und Mai. Durch dieses Urteil ist die entscheidungserhebliche Rechtslage geklärt worden ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 104; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 29 und 53 und vom - 2 C 20.15 - juris Rn. 12 ff.).

41bb) Da die monatliche Auszahlung der Dienstbezüge den jeweils monatlich entstehenden Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG begründet, kommt es hinsichtlich der Erlangung der Kenntnis von der Benachteiligung i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG auf den Eingang der Zahlungen beim Beamten an.

42Für die Berechnung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG gelten die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB (Däubler/Bertzbach, AGG, 3. Aufl., § 15 Rn. 120). Die Bezüge für Oktober 2012 sind entsprechend § 3 Abs. 5 Satz 1 BBesG. a.F. am und diejenigen für November 2012 am auf dem Konto des Klägers eingegangen. Dementsprechend wahrt der schriftliche Widerspruch des Klägers vom , mit dem er Ansprüche auf Geldleistungen wegen der altersdiskriminierenden Besoldung geltend gemacht hat, die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht mehr für den Monat Oktober 2012, sondern erst für die monatlichen Zahlungen ab November 2012.

43d) In seinen Urteilen vom - 2 C 6.13 - (BVerwGE 150, 234 Rn. 61 ff.) und - 2 C 3.13 - (Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 60 ff.) hat der Senat in Anlehnung an die gesetzgeberische Entscheidung in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sowie § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG einen Pauschalbetrag von 100 €/Monat als angemessen i.S.v. § 15 Abs. 2 AGG angesehen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt bietet auf der Basis der für die Bestimmung der angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG maßgeblichen Gesichtspunkte keinen Anlass zu einer Steigerung der monatlichen Zahlungen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der diskriminierenden Vorschriften über den hinaus (anders - juris Rn. 43 ff.).

444. Auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 100 €/Monat für den Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich Februar 2014.

45a) Der unionsrechtliche Haftungsanspruch besteht hier entgegen der Ansicht des Beklagten neben dem Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 25 bis 30). Die beiden Anspruchsgrundlagen knüpfen an verschiedene aus dem Unionsrecht folgende Verpflichtungen an ( - ÖBB Personenverkehr AG, NZA 2015, 217 Rn. 42 f.).

46Aus dem Wesen der Verträge, auf denen die Union beruht, folgt der Grundsatz der Haftung des Mitgliedstaates für Schäden, die dem Einzelnen durch die dem Staat zurechenbare Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen (stRspr, und C-9/90, Francovich - Slg. 1991, I-5357 Rn. 35). Die Richtlinie 2000/78/EG gibt den Mitgliedstaaten aber nicht nur die Schaffung eines Systems von wirksamen Sanktionen auf (Art. 17). Dieser Verpflichtung ist der Bundesgesetzgeber durch die Regelung des § 15 AGG umfassend nachgekommen, die, wie dargelegt, auch Fälle des korrekten Vollzugs von Gesetzen erfasst. Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten ferner vor, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufenden innerstaatlichen Rechtsnormen aufzuheben und an die Vorgaben der Richtlinie anzupassen. Aufgrund von Art. 16 Buchst. a RL 2000/78/EG war das zur Gesetzgebung befugte beklagte Land verpflichtet, §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch eine nicht altersdiskriminierende Regelung zu ersetzen. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist Gegenstand des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs.

47b) Die - gegenüber § 15 Abs. 2 AGG höheren - Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs sind im Zeitraum ab dem erfüllt ( 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 29).

48Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG verleiht dem Einzelnen Rechte, die er gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann. Auch besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem auf das Gesetz zurückzuführenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot und dem dem Kläger entstandenen Schaden ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 101 und 106). Ab der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom in Sachen Hennigs und Mai ist auch der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert. In diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit den §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem erläutert und verdeutlicht worden ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 104; 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 42 f. und vom - 2 C 20.15 - juris Rn. 12 ff.).

49c) Da der Kläger erst am schriftlich Widerspruch gegen die Höhe seiner Besoldung erhoben hat, steht ihm der unionsrechtliche Haftungsanspruch nach dem Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung erst ab Januar 2013 zu.

50aa) Unmittelbar sich aus dem Gesetz ergebende Ansprüche, wie etwa die Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) und Versorgung (§ 3 Abs. 1 BeamtVG), müssen vom Beamten nicht durch einen Antrag geltend gemacht werden. Dagegen bedürfen Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, einer vorherigen Geltendmachung. In diesen Fällen ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich ( 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f.).

51Wie sich auch aus Art. 9 Abs. 3 RL 2000/78/EG ergibt, sind die Modalitäten des Verfahrens, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer einschlägigen Unionsregelung nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 112). Dementsprechend ist der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung eines Anspruchs auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch anwendbar ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72; 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30).

52Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes in Bezug auf den Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung wird unterschiedslos auf sämtliche nicht unmittelbar aus dem Gesetz abzuleitende Ansprüche von Beamten angewendet. So ist der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben richterrechtlich entwickelte Ausgleichsanspruch wegen einer Zuvielarbeit nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn schriftlich geltend gemacht hat ( 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.).

53Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird ( u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 112). Auch diese Bedingung ist erfüllt. Denn die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs sind gering. Der Beamte muss in der schriftlichen Äußerung gegenüber seinem Dienstherrn lediglich zum Ausdruck bringen, dass die Berechnung seiner Besoldungsbezüge ihn unmittelbar oder mittelbar wegen seines Alters diskriminiert.

54Für das Gebot der zeitnahen Geltendmachung ist entgegen dem Vorbringen des Klägers auch unerheblich, dass bereits vor dem Kläger andere Beamte gegenüber dem beklagten Land die altersdiskriminierende Wirkung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. gerügt hatten. Denn den Anspruch hat jeder Beamte individuell für seine Person geltend zu machen. Ohne entsprechende individuelle Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die altersdiskriminierende Wirkung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. mit der möglichen Folge beanstanden, dass der Dienstherr für den Zeitraum bis zur Ersetzung dieser Vorschriften durch eine unionsrechtskonforme gesetzliche Regelung monatliche Ausgleichszahlungen zu leisten hat.

55bb) Die Geltendmachung des Haftungsanspruchs gegenüber dem beklagten Land durch den schriftlichen Widerspruch des Klägers vom wirkt nicht für das Kalenderjahr 2012 zurück, sondern hat nur Bedeutung für den Zeitraum ab Januar 2013.

56Bei den Ansprüchen auf erhöhte Besoldung für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind ist die Rechtsprechung regelmäßig davon ausgegangen, dass die Geltendmachung durch den Beamten für das gesamte Kalenderjahr wirkt (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <383 ff.> und vom - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300 <330>; 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117). Die Rückwirkung für das gesamte Kalenderjahr der erstmaligen Geltendmachung findet ihre Rechtfertigung im verfassungsrechtlichen Hintergrund dieser Ansprüche. Die damals jeweils maßgeblichen Besoldungsgesetze des Bundes entsprachen bei Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern ungeachtet des dem Besoldungsgesetzgeber zustehenden weiten Entscheidungsspielraums nicht mehr dem aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Gebot der amtsangemessenen Alimentation ( u.a. - BVerfGE 99, 300 <321 ff.>).

57Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der besoldungsrechtlichen Bestimmungen durch das Bundesverfassungsgericht erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten erfassten Zeitraum. Der Gesetzgeber darf - auch für die Vergangenheit - eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage nicht fortbestehen lassen (stRspr, - BVerfGE 131, 239 <265>). Die Verpflichtung zur Heilung eines solchen Verfassungsverstoßes auch für die Vergangenheit wird aber durch die aus dem Beamtenverhältnis als eines wechselseitig bindenden Treueverhältnisses abgeleitete Obliegenheit des Beamten eingeschränkt, die unzureichende Alimentation gegenüber dem Dienstherrn geltend zu machen. Einerseits muss der Beamte auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht nehmen; andererseits dient die Alimentation der Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs des Beamten, der aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln zu decken ist, die im regelmäßig jährlich aufgestellten Haushaltsplan vorgesehen sind (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <383 ff.> und vom - 2 BvL 19/09 u.a. - BVerfGE 140, 240 Rn. 170).

58Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der hier gegebene Anspruch nicht mit jenen Ansprüchen gleichgesetzt werden, die von Verfassungs wegen grundsätzlich einen Ausgleich auch für die Vergangenheit erfordern. Es geht nicht um den Anspruch auf Sicherstellung der amtsangemessenen Alimentation des Beamten und seiner Familie für die Vergangenheit, der durch eine Rügeobliegenheit des Beamten zeitlich eingeschränkt wird. Im Mittelpunkt steht vielmehr eine nach Maßgabe des Unionsrechts nicht gerechtfertigte Benachteiligung eines Beamten wegen seines Alters. Der Gesetzgeber hätte von Anfang an eine nicht diskriminierende Besoldungsregelung vorsehen können, die den Beamten keine höheren Dienstbezüge gewährt. Zudem hätte der Gesetzgeber eine altersunabhängige Besoldungsregelung, die nicht zu höheren Bezügen führt, auch für den Zeitraum ab Erlangung der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Besoldung der Landesbeamten am rückwirkend in Kraft setzen können ( - NVwZ 2016, 56 Rn. 18 ff.; 2 C 3.13 - BVerwGE 150, 255 Rn. 83).

59Mit dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch macht der Beamte gegen den Besoldungsgesetzgeber über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehende Ansprüche geltend. Wegen des Gesetzesvorbehalts im Besoldungsrecht (§ 2 Abs. 1 BBesG) ist das Vorbringen eines Beamten, seine Besoldung entspreche nicht den hierfür maßgeblichen unionsrechtlichen Vorgaben, damit prinzipiell auf ein Handeln des Gesetzgebers für die Zukunft, d.h. ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung ausgerichtet. Zudem spricht der Schutz der finanziellen Interessen der Allgemeinheit dagegen, dem Dienstherrn im Nachhinein mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren zu konfrontieren ( 2 C 7.06 - juris Rn. 15).

60Wirkt der schriftliche Widerspruch des Klägers vom danach nur für die Zukunft, so sind hiervon erstmals die Dienstbezüge für Januar 2013, nicht aber mehr diejenigen für Dezember 2012 erfasst. Denn diese sind dem Kläger gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BBesG a.F. bereits Ende November 2012 ausbezahlt worden.

61d) Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch nicht anwendbar.

62Bereits nach seinem Wortlaut gilt § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nur für Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/1780, S. 38; Däubler/Bertzbach, AGG, 3. Aufl., § 15 Rn. 97 m.w.N.). Ansprüche nach § 15 AGG knüpfen an andere unionsrechtlich begründete Verpflichtungen des Arbeitgebers an als der unionsrechtliche Haftungsanspruch gegen den Gesetzgeber wegen der Nichtanpassung des Besoldungsgesetzes an den Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie ( - ÖBB Personenverkehr AG, NZA 2015, 217 Rn. 42 f.). Auch der Gesetzeszweck des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG, den betroffenen Arbeitgeber davon zu entlasten, Dokumentationen über betriebliche Vorgänge bis zum Eintritt der Verjährung aufbewahren zu müssen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/1780, S. 38), spricht dafür, dass § 15 Abs. 4 AGG auf den gegen den Gesetzgeber gerichteten Anspruch nicht anwendbar ist. Denn diese Notwendigkeit besteht beim regelmäßig vollständig dokumentierten Gesetzgebungsverfahren nicht ( - BGHZ 206, 260 Rn. 13). Der gegen den Dienstherrn in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber bestehende unionsrechtliche Haftungsanspruch ist ein solcher, der sich aus anderen Rechtsvorschriften ergibt. Diese bleiben nach § 15 Abs. 5 AGG von den Bestimmungen des § 15 AGG unberührt.

63e) Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB steht hier der Geltendmachung des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs nicht entgegen.

64Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB wird auch auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch angewendet ( - BGHZ 181, 199 Rn. 23 m.w.N.). Der Begriff des Rechtsmittels ist in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen ( - BGHZ 137, 11 <23>).

65Hier hat der Kläger am den nach § 126 Abs. 3 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG gebotenen Widerspruch erhoben. Dem Kläger kann nicht vorgehalten werden, dass ein früherer Widerspruch den Eintritt des Schadens verhindert hätte ( - NJW 2004, 1241 <1242>). Wie der weitere Zeitablauf belegt, hätte auch ein früheres Vorgehen des Klägers gegen seine unionsrechtswidrige Besoldung nicht zur Ersetzung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch ein unionsrechtskonformes Besoldungsgesetz im unmittelbaren Anschluss an die Verkündung des (Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai) geführt. Denn trotz einer Vielzahl von Widersprüchen von betroffenen Beamten gegen ihre unionsrechtswidrige Besoldung ist im Bereich des beklagten Landes ein unionsrechtskonformes Besoldungsgesetz erst am in Kraft getreten (Hessisches Besoldungsgesetz vom , GVBl. S. 218).

66f) Wie auch der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG führt der gegen den Dienstherrn in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber gerichtete unionsrechtliche Haftungsanspruch zu einem Pauschalbetrag von 100 €/Monat.

67In Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorgaben ist es Sache des Mitgliedstaates, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festzustellen und zu bemessen ist, sofern der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz beachtet wird ( und C-9/90 - Francovich - Slg. 1991, I-5357 Rn. 41 bis 43 und vom - Rs. C-46/93, C-48/93 - Brasserie du pêcheur und Factortame Slg. 1996, I-1029 Rn. 67).

68Mangels eines Anhaltspunkts für eine anderweitige Bemessung geht der Senat auch hinsichtlich des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs in Anlehnung an § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG und § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG von einem Pauschalbetrag von 100 €/Monat aus. Einen materiellen Schaden kann der Kläger nicht konkret geltend machen. Zudem hat der unionsrechtliche Haftungsanspruch nicht die Funktion eines Zwangsmittels. Auch dem Effektivitätsgrundsatz ist Rechnung getragen, weil keine Anforderungen gestellt werden, die den tatsächlichen Ersatz des sich aus dem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ergebenden Schadens praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

69Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Dem Kläger war es nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand zu führen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

70Die sämtliche Instanzen erfassende Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:060417U2C11.16.0

Fundstelle(n):
JAAAG-53155