EuGH Urteil v. - C-78/08, C-79/08 und C-80/08

Steuervergünstigungen für Genossenschaften: Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG - Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt

Leitsatz

Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die Produktions- und Arbeitsgenossenschaften nach einer nationalen Regelung wie Art. 11 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 601 vom zur Regelung der Steuervergünstigungen in seiner von 1984-1993 geltenden Fassung gewährt werden, begründen nur dann eine "staatliche Beihilfe" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG, wenn alle Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind. In einer Situation, wie sie den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegt, ist es Sache dieses Gerichts, insbesondere die Selektivität der betreffenden Steuerbefreiungen und ihre etwaige Rechtfertigung durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des nationalen Steuersystems, in das sie sich einfügen, zu beurteilen, indem es namentlich feststellt, ob sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Genossenschaften tatsächlich in einer Lage befinden, die mit der anderer, als Rechtsgebilde mit Gewinnerzielungsabsicht errichteter Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar ist, und ob bejahendenfalls die günstigere steuerliche Behandlung dieser Genossenschaften zum einen den wesentlichen Grundsätzen des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Besteuerungssystems innewohnt und zum anderen mit den Grundsätzen der Kohärenz und der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.

Instanzenzug: Corte suprema di cassazione (Italien) - Corte suprema di cassazione (Italien) - , , ,

Gründe

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung des Art. 87 EG und des grundsätzlichen Rechtsmissbrauchsverbots im Steuerrecht.

Sie ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Ministero dell'Economia e delle Finanze und der Agenzia delle Entrate einerseits und der Paint Graphos Soc. coop. arl (im Folgenden: Paint Graphos) andererseits (C-78/08), zwischen der Adige Carni Soc. coop. arl, in Liquidation (im Folgenden: Adige Carni), einerseits und der Agenzia delle Entrate und dem Ministero dell'Economia e delle Finanze andererseits (C-79/08) und zwischen dem Ministero delle Finanze und Herrn Franchetto (C-80/08) über die Befreiung von verschiedenen Steuern, die den Produktions- und Arbeitsgenossenschaften nach dem italienischen Steuerrecht zugutekommt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Am veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. C 384, S. 3, im Folgenden: Mitteilung zur direkten Unternehmensbesteuerung), die der Klarstellung bestimmter Aspekte auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen in Form steuerlicher Maßnahmen dient.

Im Anschluss an den Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. L 207, S. 1) stellte die Kommission in ihrer Mitteilung vom an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Förderung der Genossenschaften in Europa (KOM[2004] 18 endg., im Folgenden: Mitteilung über die Förderung der Genossenschaften in Europa) vor dem Hintergrund der besonderen Merkmale der Genossenschaften Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung dieser Unternehmensform in den Mitgliedstaaten vor.

Nationales Recht

Art. 45 der italienischen Verfassung bestimmt:

"Die Republik erkennt die soziale Aufgabe des Genossenschaftswesens an, sofern es nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit und ohne Zwecke der Privatspekulation aufgebaut ist. Das Gesetz fördert und begünstigt mit den geeignetsten Mitteln seine Entfaltung und sichert durch eine zweckdienliche Aufsicht seine Eigenart und Zielsetzung. Das Gesetz trifft Vorkehrungen zum Schutz und zur Entfaltung des Handwerks."

Das Decreto del Presidente della Repubblica (Dekret des Präsidenten der Republik) Nr. 601 vom zur Regelung der Steuervergünstigungen (Ordentliche Beilage zur GURI Nr. 268 vom , S. 3) bestimmte in der Fassung, die in dem für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum, d. h. von 1984-1993, galt (im Folgenden: DPR Nr. 601/1973):

"Artikel 10 (Agrar- und Kleinfischereigenossenschaften)

(1) Von der Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und der lokalen Einkommensteuer befreit sind die Einkünfte der Agrargenossenschaften und ihrer Konsortien aus der Aufzucht von Tieren mit Hilfe von zumindest zu einem Viertel aus den Anbauflächen der Mitglieder gewonnenen Futtermitteln sowie aus der Behandlung, der Verarbeitung und dem Verkauf - in den Grenzen des Art. 28 Buchst. c des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 597 vom - von landwirtschaftlichen oder tierischen Erzeugnissen und Tieren, die von den Mitgliedern in den Grenzen der Kapazität ihrer Flächen eingebracht werden.

(2) Überschreiten die Tätigkeiten der Genossenschaft oder der Mitglieder die Grenzen des vorstehenden Absatzes und des Art. 28 Buchst. b und c des genannten Dekrets, steht die Befreiung für den Teil des Einkommens der Genossenschaft oder des Konsortiums zu, der den landwirtschaftlichen Erträgen der Flächen der Mitglieder entspricht.

(3) Die Einkünfte der Kleinfischereigenossenschaften und ihrer Konsortien sind von der Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und der lokalen Einkommensteuer befreit. Als Kleinfischereigenossenschaften gelten diejenigen, die berufsmäßig die Seefischerei unter ausschließlichem Einsatz von Booten der Kategorien 3 und 4 im Sinne des Art. 8 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 1639 vom 2. Oktober 1968 oder die Fischerei in Binnengewässern betreiben.

Artikel 11 (Produktions- und Arbeitsgenossenschaften)

(1) Die Einkünfte der Produktions- und Arbeitsgenossenschaften und ihrer Konsortien sind von der Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und der lokalen Einkommensteuer befreit, wenn der Betrag der Vergütungen, die den dauerhaft ihre Arbeit einbringenden Mitgliedern tatsächlich gezahlt werden, einschließlich der Beträge im Sinne des letzten Absatzes, 60 % des Gesamtbetrags aller übrigen Kosten mit Ausnahme der Kosten für Roh- und Hilfsstoffe nicht unterschreitet. Unterschreitet der Betrag der Vergütungen 60 %, nicht aber 40 % des Gesamtbetrags der übrigen Kosten, ermäßigen sich die Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und die lokale Einkommensteuer um die Hälfte.

(2) Für die Produktionsgenossenschaften gelten die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes unter der Voraussetzung, dass die Mitglieder sämtliche Anforderungen erfüllen, die für die Mitglieder von Arbeitsgenossenschaften gemäß Art. 23 des Decreto legislativo del Capo provvisorio dello Stato [Gesetzesvertretendes Dekret des provisorischen Staatsoberhaupts] Nr. 1577 vom mit seinen späteren Änderungen gelten.

(3) Bei der Ermittlung der Einkünfte der Produktions- und Arbeitsgenossenschaften und ihrer Konsortien können die den arbeitenden Mitgliedern als Lohnergänzung gezahlten Beträge bis zu einer Obergrenze in Höhe der laufenden Gehälter zuzüglich 20 % in Abzug gebracht werden.

Artikel 12 (Sonstige Genossenschaften)

(1) Für andere Genossenschaften als die in den Art. 10 und 11 genannten und ihre Konsortien ermäßigen sich die Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und die lokale Einkommensteuer um ein Viertel.

(2) Für die Zwecke der lokalen Einkommensteuer haben die Genossenschaft oder das Konsortium die Möglichkeit, statt der Ermäßigung im Sinne des vorstehenden Absatzes für die Anwendung der Abzüge gemäß Art. 7 Abs. 4 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 599 vom zu optieren. Die Option muss bei der Jahreserklärung ausgeübt werden, der zur Vermeidung der Nichtigkeit die Aufstellung der Mitglieder, auf die sich die Abzüge beziehen, beizufügen ist.

(3) Konsumgenossenschaften und ihre Konsortien können unbeschadet der vorstehenden Absätze die an die Mitglieder in Form einer Teilerstattung des Preises der erworbenen Waren ausgeschütteten Beträge von den Einkünften abziehen.

Artikel 13 (Kapitalzuführungen der Mitglieder)

(1) Die Zinsen auf Beträge, die natürliche Personen als Mitglieder neben ihren Kapitaleinlagen an die Genossenschaft und ihre Konsortien zahlen oder die die Genossenschaft und die Konsortien von ihnen einbehalten, sind von der lokalen Einkommensteuer befreit, wenn

a) Zahlung und Einbehaltung ausschließlich zur Verfolgung des Zwecks der Genossenschaft erfolgen und für das einzelne Mitglied den Betrag von 40 Millionen Lire nicht überschreiten. Diese Grenze wird für die Genossenschaften zur Konservierung, zur Be- und Verarbeitung und zum Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für die Produktions- und Arbeitsgenossenschaften auf 80 Millionen Lire erhöht;

b) die auf die vorstehenden Beträge gezahlten Zinsen den Höchstzins für Inhaber von Postsparbriefen nicht überschreiten.

...

Artikel 14 (Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vergünstigungen)

(1) Die Vergünstigungen gemäß diesem Titel gelten für die Genossenschaften und ihre Konsortien, die den in den Landesgesetzen vorgesehenen Grundsätzen der Gegenseitigkeit folgen und in den Präfekturregistern oder in der Allgemeinen Genossenschaftskartei eingetragen sind.

(2) Die Anforderungen der Gegenseitigkeit gelten als erfüllt, wenn in der Satzung die Bedingungen des Art. 26 des Decreto legislativo del Capo provvisorio dello Stato Nr. 1577 vom [über Regelungen für das Genossenschaftswesen (GURI Nr. 17 vom )] mit seinen späteren Änderungen [im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 1577/1947] ausdrücklich und zwingend vorgesehen sind und wenn diese Bedingungen während des Veranlagungszeitraums und in den fünf Jahren davor oder in dem etwa kürzeren Zeitraum seit der Genehmigung der Satzung tatsächlich eingehalten worden sind.

(3) Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vergünstigungen werden von der Steuerverwaltung im Benehmen mit dem Arbeitsministerium oder den anderen Aufsichtsorganen festgestellt."

In Art. 26 des Decreto legislativo Nr. 1577/1947 heißt es:

"Für steuerliche Zwecke wird die Erfüllung der Gegenseitigkeitsanforderungen vermutet, wenn in der Satzung der Genossenschaft folgende Klauseln enthalten sind:

a) Verbot der Ausschüttung von Dividenden, die höher sind als der gesetzliche Zinssatz für das tatsächlich eingezahlte Kapital;

b) Verbot der Verteilung der Rücklagen unter den Mitgliedern während der Bestandsdauer der Genossenschaft;

c) für den Fall der Auflösung der Genossenschaft Abtretung des gesamten Genossenschaftsvermögens - nach Abzug lediglich des eingezahlten Kapitals und der etwa aufgelaufenen Dividenden - zugunsten gemeinnütziger Zwecke, die im Einklang mit dem Gedanken der Gegenseitigkeit stehen.

..."

Art. 12 der Legge (Gesetz) Nr. 904 vom zur Änderung der Regelung der Steuer auf das Einkommen juristischer Personen und der Besteuerungsregelung für Dividenden und Kapitalerhöhungen, zur Anpassung des Mindestkapitals der Gesellschaften und mit sonstigen Normen auf den Gebieten des Steuerrechts und des Gesellschaftsrechts (GURI Nr. 343 vom ) sieht vor:

"Unbeschadet der Bestimmungen des Titels III des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 601 vom 29. September 1973 mit seinen späteren Änderungen und Ergänzungen fließen die für die unteilbaren Rücklagen bestimmten Beträge nicht in die steuerbaren Einkünfte der Genossenschaften und ihrer Konsortien ein, sofern die Möglichkeit ausgeschlossen ist, sie während der Bestandsdauer des Unternehmens oder bei dessen Auflösung in irgendeiner Form unter den Mitgliedern zu verteilen."

Ausgangsrechtsstreitigkeiten

Rechtssache C-78/08

Im Anschluss an Nachprüfungen der Guardia di Finanza stellte die Steuerverwaltung von Matera Paint Graphos, einer Genossenschaft italienischen Rechts, einen Steuerbescheid zu, mit dem für das Jahr 1993 die Höhe ihres Einkommens für die Zwecke der Festsetzung der Steuer auf das Einkommen juristischer Personen (IRPEG) und der lokalen Einkommensteuer (ILOR) berichtigt wurde. Mit demselben Bescheid verweigerte die Steuerverwaltung dieser Genossenschaft das Recht auf die nach italienischem Recht zugunsten von Genossenschaften vorgesehenen Steuerbefreiungen.

Paint Graphos reichte gegen diesen Steuerbescheid Klage bei der Commissione tributaria provinciale di Matera ein, mit der sie ihr Recht auf die vorgesehenen Steuerbefreiungen geltend machte. Dieser Klage wurde stattgegeben.

Die Steuerverwaltung legte gegen das ergangene Urteil Rechtsmittel bei der Commissione tributaria regionale della Basilicata ein, die die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte.

Gegen das Rechtsmittelurteil erhoben das Ministero dell'Economia e delle Finanze und die Agenzia delle Entrate Kassationsbeschwerde, mit der sie namentlich die Verletzung und fehlerhafte Anwendung der Art. 11 und 14 des DPR Nr. 601/1973 rügen.

Rechtssache C-79/08

Mit Steuerbescheid vom gab die Steuerverwaltung von Rovigo Adige Carni, einer Genossenschaft italienischen Rechts, den Wegfall ihrer Steuervergünstigungen nach den Art. 10 ff. des DPR Nr. 601/1973, die Festsetzung ihres steuerpflichtigen Einkommens für das Jahr 1993 und die daraus folgende Erhöhung der von ihr zu entrichtenden IRPEG und ILOR bekannt. Die Steuerverwaltung stellte insbesondere das Vorliegen von Ausgaben fest, die nicht abzugsfähig seien, da sie nicht dokumentiert seien oder nicht das berücksichtigte Wirtschaftsjahr beträfen. Auf der Grundlage eines Protokolls der Guardia di Finanza beanstandete sie auch die Ausstellung von Rechnungen für nicht existierende Umsätze durch die Gesellschaft Italcarni Srl und sah den entsprechenden Betrag als Einkommen an. Da dieser Betrag von Adige Carni nicht als Einkommen verbucht worden war, ging die Steuerverwaltung davon aus, dass er unter Verstoß gegen Art. 11 des DPR Nr. 601/1973 an die Mitglieder ausgeschüttet worden sei.

Dagegen erhob Adige Carni Klage bei der Commissione tributaria provinciale di Rovigo, die den streitigen Steuerbescheid für nichtig erklärte.

Gegen dieses Urteil legte die Steuerverwaltung Rechtsmittel bei der Commissione tributaria regionale ein, die den Steuerbescheid und den Wegfall der Steuerbefreiungen, in deren Genuss Adige Carni gekommen war, bestätigte.

Daraufhin erhob Letztere Kassationsbeschwerde, mit der sie u. a. eine fehlende oder unzulängliche Begründung der Entscheidung über die Verweigerung der fraglichen Steuerbefreiungen rügt.

Rechtssache C-80/08

Die Steuerverwaltung von Monfalcone berichtigte die Erklärungen der Einkünfte, die Herr Franchetto, ein italienischer Staatsbürger, für die Jahre 1984-1988 abgegeben hatte, mit der Begründung, er sei als Mitglied der Genossenschaft italienischen Rechts Cooperativa Maricoltori Alto Adriatico rl (im Folgenden: Cooperativa Maricoltori), deren Unternehmenszweck die Zucht und der Verkauf von Weichtieren sei, wie andere Mitglieder auch eigenständig auf dem Markt aufgetreten, während die Genossenschaft, auf deren Namen die Rechnungen über Kauf und Verkauf ausgestellt worden seien, bei jedem Verkauf eine Provision für jeden geleisteten Dienst erhalten und den Preisaufschlag an die Mitglieder ausgeschüttet habe, statt ihn in die dafür vorgesehenen Rücklagen einzustellen.

Hinsichtlich der Cooperativa Maricoltori wurden die Befreiungen von der IRPEG für die Jahre 1984 und 1985 zurückgenommen, und die Steuerverwaltung von Monfalcone forderte die betreffenden Beträge zurück. Die Klage dieser Genossenschaft, die das Steuerjahr 1985 betraf, wurde von der Commissione tributaria di primo grado di Trieste abgewiesen; für das Steuerjahr 1984 galt eine Steueramnestie.

Herr Franchetto focht den ihn betreffenden Steuerbescheid bei der Commissione tributaria di primo grado di Trieste an und machte geltend, es könne nicht geleugnet werden, dass die für die Anerkennung der Cooperativa Maricoltori als Genossenschaft erforderlichen Voraussetzungen vorlägen, da die in Art. 14 des DPR Nr. 601/1973 vorgesehene Stellungnahme des Arbeitsministeriums nicht eingeholt worden sei.

Die Commissione tributaria di primo grado di Trieste gab der Klage von Herrn Franchetto statt.

Auf die Berufung der Steuerverwaltung von Monfalcone hin unterlag Herr Franchetto dagegen im zweiten Rechtszug, in dem die Commissione tributaria di secondo grado di Trieste der Auffassung war, dass die Cooperativa Maricoltori keine gegenseitigen, sondern "konsortiale" Zwecke verfolge.

Die von Herrn Franchetto, der vorbrachte, dass seine Stellung die eines arbeitenden Mitglieds einer in der Satzung als solche bezeichneten Genossenschaft sei, angerufene Commissione tributaria centrale di Roma vertrat ohne inhaltliche Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Argumente die Ansicht, dass dieser Genossenschaft die Steuerbefreiungen nicht ohne vorherige Einholung der vorgeschriebenen Stellungnahme des Arbeitsministeriums verwehrt werden dürften.

Das Ministero delle Finanze beantragt mit seiner Kassationsbeschwerde die Aufhebung des Urteils dieses Gerichts und beruft sich dabei insbesondere auf die Verletzung des Art. 14 des DPR Nr. 601/1973, weil der Steuerbescheid das Mitglied der Genossenschaft und nicht diese als solche betreffe, so dass eine Einholung der Stellungnahme des Arbeitsministeriums nicht erforderlich gewesen sei.

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom sind die Rechtssachen C-78/08 bis C-80/08 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Vorlagefragen

Nach dem Hinweis, dass die bei ihr anhängigen Rechtsstreitigkeiten das Recht auf vollständige oder teilweise Befreiung von verschiedenen Steuern zum Gegenstand hätten, das nach italienischem Recht allein den Genossenschaften wegen ihres spezifischen Gesellschaftszwecks zustehe, der mit Art. 45 der italienischen Verfassung anerkannt werde, in dem die soziale Aufgabe und der im Wesentlichen auf Gegenseitigkeit beruhende Charakter dieses Gesellschaftstyps hervorgehoben würden, führt die Corte suprema di cassazione aus, dass für die Zwecke der Prüfung der Vereinbarkeit dieser Vergünstigungen mit dem Unionsrecht vorab festzustellen sei, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Umstand, dass die betroffenen Genossenschaften auf diese Weise - oft erhebliche - Steuerersparnisse erzielten, eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sei. Eine solche Unvereinbarkeit zöge nämlich aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Art. 88 Abs. 3 EG für die nationalen Behörden einschließlich der Gerichte die Verpflichtung nach sich, das DPR Nr. 601/1973 unangewandt zu lassen.

Auch hätte vorliegend ein in der Entscheidung der betroffenen Genossenschaften für diese Rechtsform liegender etwaiger Rechtsmissbrauch, der geeignet wäre, die Marktregeln, den freien Wettbewerb und den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verfälschen, zur Folge, dass die Rechtsform der Genossenschaft der Steuerverwaltung nicht entgegengehalten werden könnte, die dann diese Genossenschaften auf der Grundlage der gewöhnlichen Steuerregelung für Gesellschaften mit Gewinnerzielungszweck veranlagen könnte. Nach Ansicht der Corte suprema di cassazione drängt sich die Frage nach der Rechtfertigung und der Verhältnismäßigkeit der fraglichen Vergünstigungen auf, wenn man nicht nur die Größe und den Marktanteil mancher Genossenschaften, sondern auch die Schwächen des Aufsichtssystems, wie es im nationalen Recht vorgesehen sei, berücksichtige.

Sie weist insoweit darauf hin, dass erst der Einsatz der Polizia tributaria (Steuerfahndung) die Feststellung erlaubt habe, dass die in den Ausgangsverfahren betroffenen Genossenschaften entgegen ihren Behauptungen und den Erklärungen in ihren Satzungen keinen Gegenseitigkeitszweck verfolgten, während es den Aufsichtsorganen, die über die Einhaltung der nach dem italienischen Recht erforderlichen Voraussetzungen in Bezug auf das Gegenseitigkeitsziel zu wachen hätten, nicht gelungen sei, diese Anomalie zu erkennen. Solche Schwächen des Aufsichtssystems seien aber geeignet, Missbräuche bei der Anwendung der Kriterien, aufgrund deren die Genossenschaften in den Genuss einer günstigeren Steuerregelung kommen könnten, zu erleichtern.

Unter diesen Umständen hat die Corte suprema di cassazione beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende - in den drei Rechtssachen C-78/08 bis C-80/08 gleichlautende - Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Steuervergünstigungsmaßnahmen der Art. 10, 11, 12, 13 und 14 des DPR Nr. 601/1973 zugunsten der Genossenschaften mit den Vorschriften über den Wettbewerb vereinbar, und sind sie, vor allem angesichts eines ungeeigneten Systems der Aufsicht und der Missbrauchskorrektur, wie es im Decreto legislativo Nr. 1577/1947 vorgesehen ist, namentlich als staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 EG einzustufen?

2. Können insbesondere, was die Frage der Einstufung der in Rede stehenden Steuervergünstigungsmaßnahmen als staatliche Beihilfen anbelangt, diese Maßnahmen gemessen an den dem Genossenschaftsunternehmen zugewiesenen Zwecken als verhältnismäßig angesehen werden, und kann bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit über die einzelne Maßnahme hinaus auch der Vorteil eine Rolle spielen, der unter Verfälschung des Wettbewerbs durch die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit gewährt wird?

3. Das erkennende Gericht hält für die Beantwortung dieser Fragen den Umstand für erheblich, dass das Aufsichtssystem durch die Reform des Gesellschaftsrechts nach der Legge Nr. 311/2004 insbesondere in Bezug auf die überwiegend und nicht vollständig auf Gegenseitigkeit beruhenden Genossenschaften in bedeutendem Maße noch weiter abgeschwächt wurde.

4. Kann unabhängig von der etwaigen Einstufung der in Rede stehenden Vergünstigungsmaßnahmen als staatliche Beihilfen der Rückgriff auf die Rechtsform der Genossenschaft auch über die Fälle des Betrugs oder der Scheingestaltung hinaus als Rechtsmissbrauch angesehen werden, wenn er ausschließlich oder hauptsächlich zur Steuerersparnis erfolgt?

Zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen

Paint Graphos, Adige Carni und, mit Ausnahme der französischen Regierung, die Regierungen, die beim Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sowie die Kommission hegen Zweifel an der Zulässigkeit der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen oder zumindest der einen oder anderen Vorlagefrage. Sie haben sich deshalb nur hilfsweise in der Sache geäußert.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteil vom , Bruno u. a., C-395/08 und C-396/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom , Van der Weerd u. a., C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Randnr. 22, vom , Melki und Abdeli, C-188/10 und C-189/10, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 27, sowie Bruno u. a., Randnr. 19).

So obliegt es dem Gerichtshof nur ausnahmsweise, die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , PreussenElektra, C-379/98, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 39). Der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, impliziert nämlich, dass das nationale Gericht seinerseits die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe beachtet, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteil vom , Schmidberger, C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen möchte das vorlegende Gericht mit seinen ersten beiden Fragen wissen, ob die Steuervergünstigungen, die das einschlägige nationale Recht für Genossenschaften vorsieht, mit dem Unionsrecht vereinbar sind und ob sie insbesondere als "staatliche Beihilfen" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV zwar nicht über die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsnormen mit dem Unionsrecht oder über die Auslegung nationaler Vorschriften entscheiden; er ist aber befugt, dem vorlegenden Gericht alle Kriterien für die Auslegung des Unionsrechts an die Hand zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über eine solche Vereinbarkeit zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom , Hünermund u. a., C-292/92, Slg. 1993, I-6787, Randnr. 8, sowie vom , Lombardini und Mantovani, C-285/99 und C-286/99, Slg. 2001, I-9233, Randnr. 27).

Insbesondere hindert nach der Rechtsprechung die Zuständigkeit der Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ein nationales Gericht nicht daran, dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Begriffs der Beihilfe zur Vorabentscheidung vorzulegen (Urteil vom , DM Transport, C-256/97, Slg. 1999, I-3913, Randnr. 15). So kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht vor allem die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, aufgrund deren dieses Gericht feststellen kann, ob eine nationale Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne des Unionsrechts angesehen werden kann (vgl. Urteil vom , Fallimento Traghetti del Mediterraneo, C-140/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Daraus folgt, dass die Formulierung der ersten beiden Fragen in der Weise, dass sie sich auf die Vereinbarkeit des DPR Nr. 601/1973 mit den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts beziehen, nicht zur Unzulässigkeit dieser Fragen führt.

Gleiches gilt für den Umstand, dass die erste dieser beiden Fragen auch auf die Art. 10 und 12 des DPR Nr. 601/1973 Bezug nimmt, die andere Genossenschaften als die Produktions- und Arbeitsgenossenschaften betreffen, während die Corte suprema di cassazione die in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden Genossenschaften als "Produktions- und Arbeitsgenossenschaften" im Sinne des Art. 11 dieses Dekrets eingestuft hat. Die ersten beiden Vorlagefragen sind nämlich als zulässig anzusehen, soweit sie die Situation dieses letztgenannten Genossenschaftstyps betreffen, wie sie sich mit Blick auf Art. 11 des genannten Dekrets, gegebenenfalls in Verbindung mit dessen Art. 13 und 14, darstellt.

In Anbetracht dessen sind die ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht mit ihnen wissen möchte, ob und gegebenenfalls in welchem Maß die Steuervergünstigungen, in deren Genuss Produktions- und Arbeitsgenossenschaften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nach einer nationalen Regelung wie Art. 11 des DPR Nr. 601/1973 kommen, als "staatliche Beihilfen" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden können.

Zur dritten Frage ist festzustellen, dass die Corte suprema di cassazione darin auf Gesetzesänderungen Bezug nimmt, die nach der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit eingetreten sind. Auch kommt es für die Entscheidung der beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten nicht auf die in dieser Frage enthaltene Bezugnahme auf das Gesetz Nr. 311 aus 2004 an. Die dritte Frage ist deshalb unzulässig.

Zur vierten, einen etwaigen Rechtsmissbrauch durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Körperschaften betreffenden Frage des vorlegenden Gerichts ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rechtsbürger nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf die Bestimmungen des Unionsrechts berufen können, wenn sie dies in betrügerischer oder missbräuchlicher Absicht tun (vgl. u. a. Urteile vom , Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 68, und vom , Tum und Dari, C-16/05, Slg. 2007, I-7415, Randnr. 64).

Es steht jedoch fest, dass die nach dem DPR Nr. 601/1973 vorgesehenen Vergünstigungen für die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Genossenschaften ausschließlich durch das innerstaatliche italienische Recht und nicht durch das Unionsrecht geschaffen wurden. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass hier das grundsätzliche Rechtsmissbrauchsverbot des Unionsrechts berührt ist.

Da es bei der vierten Frage somit nicht um die Auslegung des Unionsrechts geht, ist der Gerichtshof für ihre Beantwortung nicht zuständig.

Zu den Vorlagefragen

Zur Beantwortung der ersten beiden Fragen in der oben in Randnr. 38 umformulierten Fassung sind dem vorlegenden Gericht die Hinweise zu geben, die zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale erforderlich sind, von denen Art. 87 Abs. 1 EG die Einstufung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe abhängig macht, also erstens die Finanzierung dieser Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, zweitens die Selektivität der Maßnahme und drittens die Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten sowie die Verfälschung des Wettbewerbs durch die Maßnahme. Diese drei Tatbestandsmerkmale sind somit nacheinander zu prüfen.

Zum Tatbestandsmerkmal einer Finanzierung der Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln

Art. 87 Abs. 1 EG betrifft "staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art".

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der Beihilfe weiter als der Begriff der Subvention, denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkungen gleichstehen (vgl. u. a. Urteile vom , Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, C-143/99, Slg. 2001, I-8365, Randnr. 38, vom , Spanien/Kommission, C-501/00, Slg. 2004, I-6717, Randnr. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom , Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C-222/04, Slg. 2006, I-289, Randnr. 131).

Daraus folgt, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabebefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die durch sie Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine "staatliche Beihilfe" im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ist. Ebenso kann eine Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen eine Steuersenkung oder ein Zahlungsaufschub für die sonst geschuldete Steuer gewährt wird, eine staatliche Beihilfe sein (Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 132).

Somit ist festzustellen, dass eine nationale Maßnahme wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende staatlich finanziert ist.

Zum Tatbestandsmerkmal der Selektivität der streitigen Maßnahme

Art. 87 Abs. 1 EG verbietet Beihilfen zur "Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige", d. h. selektive Beihilfen.

Die Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als "selektiv" setzt in einem ersten Schritt voraus, dass im Vorfeld die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder "normale" Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder "normalen" Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und festzustellen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Portugal/Kommission, C-88/03, Slg. 2006, I-7115, Randnr. 56).

Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben zum einen, dass für die Berechnung der Körperschaftsteuer die Besteuerungsgrundlage für die betroffenen Produktions- und Arbeitsgenossenschaften in gleicher Weise ermittelt wird wie für die anderen Gesellschaftsarten, d. h. nach Maßgabe des Betrags des Nettogewinns, der sich am Ende des Steuerjahrs aus der Ausübung der Unternehmenstätigkeit ergibt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Körperschaftsteuer die rechtliche Bezugsregelung für die Beurteilung der Frage ist, ob die in Rede stehende Maßnahme selektiven Charakter hat.

Zum anderen ist festzustellen, dass das zu versteuernde Einkommen der betroffenen Produktions- und Arbeitsgenossenschaften in Abweichung von der allgemein für juristische Personen geltenden Regel von der Körperschaftsteuer befreit ist. Diese Genossenschaften kommen somit in den Genuss einer Steuervergünstigung, auf die Gesellschaften mit Gewinnerzielungsabsicht keinen Anspruch haben.

Aus Art. 11 des DPR Nr. 601/1973 ergibt sich, dass eine Vergünstigung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht für alle Wirtschaftsteilnehmer gilt, sondern in Ansehung der Rechtsform des Unternehmens gewährt wird, nämlich je nachdem, ob es sich um eine Genossenschaft handelt oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 136).

Hinzuzufügen ist, dass eine Beihilfe selbst dann im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG selektiv sein kann, wenn sie einen ganzen Wirtschaftssektor betrifft (vgl. u. a. Urteil vom , Belgien/Kommission, C-75/97, Slg. 1999, I-3671, Randnr. 33).

Daher ist zu ermitteln, ob Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden geeignet sind, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der Körperschaftsteuerregelung verfolgte Ziel, d. h. die Besteuerung der Gesellschaftsgewinne, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

Dazu ist festzustellen, dass Genossenschaften - die Rechtsform, die die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsgebilde haben - in ihrer Funktionsweise besonderen Grundsätzen folgen, die sie klar von den anderen Wirtschaftsteilnehmern unterscheiden. Diese speziellen Eigenheiten sind sowohl vom Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Verordnung Nr. 1435/2003 als auch von der Kommission in ihrer Mitteilung über die Förderung der Genossenschaften in Europa hervorgehoben worden.

Wie insbesondere im achten Erwägungsgrund der genannten Verordnung ausgeführt wird, zeigen sich diese Eigenheiten vor allem im Grundsatz des Vorrangs der Person gegenüber dem Kapital, der seinen Ausdruck in spezifischen Regeln für den Eintritt, den Austritt und den Ausschluss der Mitglieder findet. Außerdem sollten nach dem zehnten Erwägungsgrund dieser Verordnung im Fall der Auflösung ein Vermögen und Rücklagen auf eine andere genossenschaftlich konstituierte Stelle, die vergleichbare dem Allgemeininteresse dienende Ziele verfolgt, übertragen werden.

Zur Geschäftsführung der Genossenschaften ist darauf hinzuweisen, dass sie nicht zum Nutzen externer Investoren geführt werden. Nach den Erwägungsgründen 8 und 10 der Verordnung Nr. 1435/2003 sowie Ziffer 1.1 der Mitteilung über die Förderung der Genossenschaften in Europa wird die Kontrolle der Genossenschaft von allen Mitgliedern gleichermaßen ausgeübt, worin die Regel "ein Mitglied, eine Stimme" zum Ausdruck kommt. Die Rücklagen und das Vermögen sind daher gemeinschaftliches Eigentum, sie sind unteilbar, und sie müssen dem gemeinsamen Interesse der Mitglieder dienen.

Zur Funktionsweise der Genossenschaften ist festzustellen, dass sie in Anbetracht des Vorrangs der Person gegenüber dem Kapital, wie es insbesondere im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1435/2003 und in Ziffer 1.1 der Mitteilung über die Förderung der Genossenschaften in Europa ausgeführt wird, den gegenseitigen Nutzen ihrer Mitglieder bezwecken, die gleichzeitig Nutzer, Kunden oder Lieferanten sind, so dass jedes Mitglied den Nutzen aus den Tätigkeiten der Genossenschaft zieht, der seiner Beteiligung an und seinen Transaktionen mit ihr entspricht.

Außerdem haben die Genossenschaften, wie in Ziffer 2.2.3 der genannten Mitteilung ausgeführt wird, keinen oder nur begrenzten Zugang zu den Kapitalmärkten und sind daher in ihrer Entwicklung von ihrem eigenen Kapital oder von Kreditfinanzierungen abhängig. Dies liegt daran, dass die Anteile der Genossenschaften nicht börsennotiert sind und deshalb nicht gehandelt werden können. Zudem ist, wie auch im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1435/2003 hervorgehoben wird, die Verzinsung des Fremdkapitals und der Geschäftsguthaben begrenzt, was die Anlage in eine Genossenschaft weniger vorteilhaft macht.

Folglich ist die Gewinnspanne bei dieser speziellen Art von Gesellschaften deutlich niedriger als bei Kapitalgesellschaften, die sich den Markterfordernissen besser anpassen können.

In Anbetracht der besonderen Eigenheiten der Genossenschaften ist deshalb festzustellen, dass bei Produktions- und Arbeitsgenossenschaften wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, die mit derjenigen von Handelsgesellschaften vergleichbar ist; Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie im wirtschaftlichen Interesse ihrer Mitglieder handeln und mit diesen in einer nicht rein geschäftlichen, sondern besonderen persönlichen Beziehung stehen, in deren Rahmen die Mitglieder aktiv beteiligt sind und Anspruch auf eine gerechte Verteilung der wirtschaftlichen Erträge haben.

Produktions- und Arbeitsgenossenschaften, die andere Merkmale aufweisen, als sie dieser Art von Gesellschaft innewohnen, würden nämlich keinen echten Gegenseitigkeitszweck verfolgen und müssten deshalb von dem Standardfall unterschieden werden, der in der Mitteilung der Kommission über die Förderung der Genossenschaften in Europa beschrieben wird.

Letztlich ist es Sache des vorlegenden Gerichts, in Ansehung sämtlicher Merkmale der von ihm zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten zu prüfen, ob sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Produktions- und Arbeitsgenossenschaften nach Maßgabe der oben in den Randnrn. 55 bis 62 angeführten Kriterien tatsächlich in einer Lage befinden, die mit derjenigen der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften mit Gewinnerzielungsabsicht vergleichbar ist.

Sollte das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangen, dass dies in den bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten tatsächlich der Fall ist, wäre nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch zu prüfen, ob Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems, in das sie sich einfügen, gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, Randnr. 42).

So kann eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, gerechtfertigt sein, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht (vgl. Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 81).

In diesem Zusammenhang sind dem vorlegenden Gericht folgende Hinweise zu geben, damit es über die bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten sachgerecht entscheiden kann.

Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass die mit staatlichen Maßnahmen verfolgte Zielsetzung nicht genügt, um sie von vornherein von der Einstufung als "Beihilfen" im Sinne von Art. 87 EG auszunehmen (vgl. u. a. Urteil vom , British Aggregates/Kommission, C-487/06 P, Slg. 2008, I-10505, Randnr. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Art. 87 Abs. 1 EG unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen (Urteil British Aggregates/Kommission, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Ferner kann eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, gerechtfertigt sein, wenn sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien dieses Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 81).

Demzufolge können Steuerbefreiungen, denen ein Ziel zugrunde liegt, das dem Besteuerungssystem, in das sie sich einfügen, fremd ist, den Anforderungen des Art. 87 Abs. 1 EG nicht entgehen.

Sodann ist die Kommission, wie sich aus Randnr. 25 der Mitteilung zur direkten Unternehmensbesteuerung ergibt, der Ansicht, dass die Natur oder der allgemeine Aufbau des nationalen Steuersystems als stichhaltige Rechtfertigung dafür angeführt werden können, dass Genossenschaften, die ihren gesamten Gewinn an ihre Mitglieder verteilen, nicht direkt besteuert werden, sofern die Steuer ihren Mitgliedern abverlangt wird.

Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, kann schließlich nach ihrer Auffassung eine nationale Maßnahme nicht in stichhaltiger Weise mit der Natur oder dem allgemeinen Aufbau des betreffenden Steuersystems gerechtfertigt werden, wenn sie die Befreiung von der Steuer auf die Gewinne aus Geschäften mit Dritten, die keine Mitglieder der Genossenschaft sind, oder den Abzug der den Letztgenannten als Vergütung gezahlten Beträge zulässt.

Außerdem ist dafür Sorge zu tragen, dass das Erfordernis der Kohärenz einer bestimmten Vergünstigung nicht nur mit den Merkmalen, die dem betreffenden Steuersystem innewohnen, sondern auch in Bezug auf die Durchführung dieses Systems beachtet wird.

Es obliegt somit dem betreffenden Mitgliedstaat, geeignete Kontroll- und Überwachungsverfahren zu schaffen und zur Anwendung zu bringen, um die Kohärenz der zugunsten der Genossenschaften eingeführten steuerlichen Sondermaßnahmen mit dem Grundgedanken und dem allgemeinen Aufbau des Steuersystems zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Wirtschaftsgebilde diese spezifische Rechtsform allein zu dem Zweck wählen, in den Genuss von Steuervergünstigungen zu kommen, die für diese Art von Gesellschaft vorgesehen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diesem Erfordernis in den Ausgangsverfahren genügt ist.

Jedenfalls wäre, damit Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Steuersystems des betreffenden Mitgliedstaats gerechtfertigt sein können, noch darauf zu achten, dass sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen und insofern nicht über die Grenzen des Erforderlichen hinausgehen, als das verfolgte zulässige Ziel nicht auch durch weniger weit reichende Maßnahmen erreicht werden könnte.

Das vorlegende Gericht wird anhand all dieser Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts, die der Gerichtshof in den vorstehenden Randnrn. 64 bis 75 gegeben hat, zu prüfen haben, ob die Steuervergünstigungen für die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Produktions- und Arbeitsgenossenschaften im Hinblick auf die Natur und den allgemeinen Aufbau des betreffenden Steuersystems gerechtfertigt sind.

Zu den Tatbestandsmerkmalen der Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und der Verfälschung des Wettbewerbs

Art. 87 Abs. 1 EG verbietet Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

Für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe bedarf es nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (Urteile vom , Italien/Kommission, C-372/97, Slg. 2004, I-3679, Randnr. 44, vom , Unicredito Italiano, C-148/04, Slg. 2005, I-11137, Randnr. 54, und Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 140).

Der innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann durch eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinflusst, wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt (vgl. u. a. Urteile Unicredito Italiano, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 141).

Dazu braucht das begünstigte Unternehmen nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, in den Markt dieses Mitgliedstaats einzudringen, verringern. Zudem kann die Stärkung eines Unternehmens, das bis dahin nicht am innergemeinschaftlichen Handel teilgenommen hat, dieses in die Lage versetzen, in den Markt eines anderen Mitgliedstaats einzudringen (Urteile Unicredito Italiano, Randnr. 58, und Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 143).

Eine Steuervergünstigung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende kann daher im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen.

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen in der oben in Randnr. 38 umformulierten Fassung zu antworten, dass Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die Produktions- und Arbeitsgenossenschaften nach einer nationalen Regelung wie Art. 11 des DPR Nr. 601/1973 gewährt werden, nur dann eine "staatliche Beihilfe" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG begründen, wenn alle Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind. In einer Situation, wie sie den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegt, ist es Sache dieses Gerichts, insbesondere die Selektivität der betreffenden Steuerbefreiungen und ihre etwaige Rechtfertigung durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des nationalen Steuersystems, in das sie sich einfügen, zu beurteilen, indem es namentlich feststellt, ob sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Genossenschaften tatsächlich in einer Lage befinden, die mit der anderer, als Rechtsgebilde mit Gewinnerzielungsabsicht errichteter Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar ist, und ob bejahendenfalls die günstigere steuerliche Behandlung dieser Genossenschaften zum einen den wesentlichen Grundsätzen des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Besteuerungssystems innewohnt und zum anderen mit den Grundsätzen der Kohärenz und der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.

Kosten

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Steuerbefreiungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die Produktions- und Arbeitsgenossenschaften nach einer nationalen Regelung wie Art. 11 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 601 vom zur Regelung der Steuervergünstigungen in seiner von 1984-1993 geltenden Fassung gewährt werden, begründen nur dann eine "staatliche Beihilfe" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG, wenn alle Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind. In einer Situation, wie sie den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegt, ist es Sache dieses Gerichts, insbesondere die Selektivität der betreffenden Steuerbefreiungen und ihre etwaige Rechtfertigung durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des nationalen Steuersystems, in das sie sich einfügen, zu beurteilen, indem es namentlich feststellt, ob sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Genossenschaften tatsächlich in einer Lage befinden, die mit der anderer, als Rechtsgebilde mit Gewinnerzielungsabsicht errichteter Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar ist, und ob bejahendenfalls die günstigere steuerliche Behandlung dieser Genossenschaften zum einen den wesentlichen Grundsätzen des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Besteuerungssystems innewohnt und zum anderen mit den Grundsätzen der Kohärenz und der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.

Fundstelle(n):
LAAAD-93890