BFH Beschluss v. - II B 110/16

(Verzinsung von hinterzogenem Solidaritätszuschlag - Zur Übertragung eines Rechtsstreits auf einen Einzelrichter gem. § 6 FGO)

Leitsatz

Hinterzogener Solidaritätszuschlag ist zu verzinsen.

Gesetze: § 235 AO, § 6 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 1 SolZG, § 3 Abs 1 AO

Instanzenzug: Az: 1 K 9084/15 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen, soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt wurden, nicht vor.

21. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

3a) Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich bedeutsam, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Eine Rechtsfrage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2015, 1668, Rz 3).

4b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger diese Voraussetzungen in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt hat. Jedenfalls ist die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.

5aa) Nach Auffassung des Klägers ist klärungsbedürftig, ob auf den hinterzogenen Solidaritätszuschlag Hinterziehungszinsen nach § 235 der Abgabenordnung (AO) festzusetzen sind. Da es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine Ergänzungsabgabe und nicht um eine Steuer handle, sei er nicht vom Anwendungsbereich des § 235 AO erfasst.

6bb) Diese Rechtsfrage kann indes ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantwortet werden und ist offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG getan hat. Wie durch das FG ausgeführt, ist § 235 AO auf Steuern i.S. des § 3 Abs. 1 AO anwendbar; sind diese hinterzogen worden, sind sie nach dieser Vorschrift zu verzinsen. Der BFH hat bereits entschieden, dass es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine (gesondert neben der Einkommen- und der Körperschaftsteuer) zu erhebende Steuer handelt (vgl. z.B. Urteil vom II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 11). Wird er hinterzogen, ist er daher --wie durch das FG entschieden-- nach § 235 AO zu verzinsen. Die Rechtslage ist insoweit eindeutig. Die durch den Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bedarf keiner Klärung.

72. Auch soweit der Kläger Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend macht, kann dahinstehen, ob er deren Voraussetzungen in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt hat. Denn sie liegen weder vor noch kann das Urteil auf ihnen beruhen.

8a) Wenn der Kläger rügt, durch die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter (§ 6 FGO) ohne seine vorherige Anhörung und entgegen seines Antrags vom sei er in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt worden, liegt kein Verfahrensmangel vor. Die Übertragung bedarf keiner vorherigen Anhörung der Beteiligten (vgl. , BFH/NV 2009, 779). Ein Einverständnis der Beteiligten mit der Übertragung ist ebenso wenig erforderlich (vgl. , BFH/NV 2003, 1541, unter 1.).

9Außerdem verletzt die Übertragung auf den Einzelrichter auch nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 119 Nr. 1 FGO). Der Beschluss nach § 6 Abs. 1 FGO ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar und kann regelmäßig auch im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden. Eine Besetzungsrüge mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann deshalb nur ausnahmsweise Erfolg haben, so etwa dann, wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter als "greifbar gesetzeswidrig" erweist (, BFH/NV 2007, 447, unter 2.). Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat der Kläger nicht dargelegt.

10b) Die Nichteinräumung einer im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem Kläger beantragten Schriftsatzfrist verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Ausweislich des Protokolls über den Termin zur mündlichen Verhandlung am beantragte der Kläger keinen Schriftsatznachlass, um auf ein neues Vorbringen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) reagieren zu können (vgl. z.B. , BFH/NV 2013, 569), sondern um auf von Seiten des Gerichts genannte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des BFH zur Einordnung des Solidaritätszuschlags als Steuer vorzutragen. Die rechtliche Einordnung des Solidaritätszuschlags bildete jedoch die Kernfrage des Rechtsstreits. Daher konnte von dem sachkundigen Kläger erwartet werden, dass er sich hierzu bereits vor der mündlichen Verhandlung vorbereitete.

11Im Übrigen ist die Entscheidung des FG materiell rechtmäßig.

123. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 2 FGO.

134. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.030517.IIB110.16.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 1012 Nr. 8
KAAAG-48079