Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), geboren 1932, betrieb bis zum auf einem ihr gehörenden Grundstück eine Gaststätte mit Hotel. Sie verpachtete die Gaststätte und das Hotel zum mit der Verpflichtung, den Pachtbetrieb in ”gutbürgerlicher Weise” zu führen.
Am schloss sie einen neuen Pachtvertrag. Danach überließ sie den neuen Pächtern das Objekt zum ”Betrieb eines Hotels mit Restaurant und Nachtbar”. Nach § 1 des Pachtvertrages einschließlich Anlage wurde das der Klägerin gehörende Inventar mitverpachtet. Die Klägerin verpflichtete sich, den Pächtern die Umbaumaßnahmen zu genehmigen, die für einen Betrieb der vorgesehenen Art und Weise behördlich erforderlich und notwendig würden. Bei einem evtl. Auszug der Pächter musste jedoch der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden. Sollten die Pächter die notwendigen Konzessionen, einschließlich einer Sperrstundenkürzung, nicht erhalten, sollten sie mit sofortiger Wirkung vom Vertrag zurücktreten können. Die Klägerin räumte den Pächtern ferner das —dinglich nicht gesicherte— Recht zum Kauf des Objekts für ... DM ein. Das Kaufangebot musste bis zum angenommen werden. Sollte vom Kaufrecht kein Gebrauch gemacht werden, sollte der Pachtvertrag —vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung— zum auslaufen.
Die Pächter ließen in den zur Gaststätte gehörenden Saal in Leichtbauweise Trennwände einziehen, so dass im vorderen Teil des Saals eine Bar sowie in dessen hinteren Teil drei zusätzliche Räume entstanden, die mit Duschen ausgestattet wurden. Im Obergeschoss ließen sie zusätzliche sanitäre Anlagen installieren und nutzten das Pachtobjekt als bordellartigen Barbetrieb.
Die Pächter machten von ihrem Ankaufsrecht keinen Gebrauch. Der Pachtvertrag wurde verlängert. Im Jahr 1992 kam es wegen einer weiteren Vertragsverlängerung zum Streit. Die Klägerin bot den Pächtern das Objekt nochmals zum Kauf an. Auch dieses Angebot wurde nicht angenommen. Schließlich kündigte die Klägerin den Pachtvertrag zum . Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs mussten die Pächter das Objekt zum räumen. Mit Vertrag vom wurde das Anwesen, das seit dem unter Zwangsverwaltung stand, für ... DM veräußert. Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren gingen vertragsgemäß im Streitjahr 1994 mit der Zahlung des Kaufpreises über.
Die Klägerin erklärte ihre Pachteinkünfte bis einschließlich 1993 als Einkünfte aus einem ruhenden Gewerbebetrieb. Anlässlich der Ermittlung von Einkommensteuervorauszahlungen für das Streitjahr 1994 teilte sie dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) mit, den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks einer Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuführen zu wollen. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1994 vertrat sie jedoch die Auffassung, der bislang als ruhend geführte Gewerbebetrieb sei schon bei der Neuverpachtung im Jahr 1985 und der Umgestaltung der Gaststätte aufgegeben worden.
Dem folgte das FA nicht. Das Anwesen sei Betriebsvermögen geblieben, der Veräußerungsgewinn mithin —begünstigt— zu versteuern. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsaufgabe erklärt. Die baulichen Veränderungen seien nicht dergestalt gewesen, dass der Betrieb künftig nicht mehr als Gaststätte mit Hotel hätte betrieben werden können.
Die Klage, mit der die Klägerin auf weitere Umbaumaßnahmen, Inventarverkäufe und das im Pachtvertrag vereinbarte Ankaufsrecht der Pächter hinwies, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Betrieb der Klägerin sei im Jahr 1985 aufgegeben und folglich sei 1994 Privatvermögen veräußert worden. Der Betrieb der Nachtbar habe das Image des ursprünglich gutbürgerlichen Gaststättenbetriebs erheblich geschädigt. Jede Wiederaufnahme des ursprünglichen Gaststättenbetriebs würde daher einem Neuanfang gleich kommen.
Mit seiner Revision rügt das FA —vorbehaltlich zusätzlich anzuerkennender Aufwendungen und eines anteiligen Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG— Verletzung der §§ 15 und 16 EStG und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Einkommensteuer 1994 auf ... DM festzusetzen und die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Einkommensteuer ist entsprechend dem Antrag des FA festzusetzen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der Auffassung des FG, die Klägerin habe ihren Beherbergungs- und Gaststättenbetrieb mit der Neuverpachtung im Jahr 1985 aufgegeben, weil sie dem Pächter den Betrieb einer Image schädigenden Nachtbar gestattet habe, kann der Senat nicht folgen.
Wird ein Gewerbebetrieb verpachtet, so kann der Verpächter erklären, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Gegenstände seines Betriebs in sein Privatvermögen überführen oder ob er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will. Solange der Verpächter eine Erklärung im vorstehenden Sinne nicht abgibt, bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen mit der Folge, dass er weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Reserven erst mit der Veräußerung des Betriebs oder der Überführung der Betriebsgegenstände in sein Privatvermögen zu versteuern hat (ständige Rechtsprechung seit Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil des Großen Senats vom GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1422; vom X R 176/96, BFH/NV 1999, 454).
1. Nach den Feststellungen des FG wurde auf dem im Streitjahr 1994 veräußerten Grundstück zunächst von der Klägerin persönlich, anschließend von den früheren Pächtern eine Gaststätte mit Hotel, also ein Gewerbe i.S. der §§ 15, 16 EStG betrieben.
2. Die Klägerin hat —unstreitig— zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsaufgabe erklärt.
Die Erklärung eines Betriebsverpächters, mit der Verpachtung den Betrieb aufgeben zu wollen, muss aus Nachweisgründen klar und eindeutig gegenüber dem FA abgegeben werden. Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, ist der Betrieb grundsätzlich als fortbestehend anzusehen. Der Betrieb des Verpächters ist nur vorübergehend unterbrochen (vgl. , BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379; vom VIII R 2/95, BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388; vom III R 112/96, BFH/NV 1999, 1198; Beschluss vom IV B 99/98, BFH/NV 1999, 1073; Urteile in BFH/NV 1999, 1422, und in BFH/NV 1999, 454, jeweils m.w.N.).
3. Ein Verpachtungsbetrieb wird allerdings ausnahmsweise auch ohne ausdrückliche Aufgabeerklärung aufgegeben, wenn sich aus den äußerlich erkennbaren Umständen eindeutig ergibt, dass der Betrieb endgültig aufgegeben werden soll (BFH in BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379; in BFH/NV 1999, 1198; in BFH/NV 1999, 1073). Die Umstände müssen dem FA den eindeutigen Schluss nahe legen, dass der Verpächter seinen (Verpachtungs-)Betrieb aufgegeben hat (BFH in BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379). Die bloße Tatsache, dass ein bisher als ”gutbürgerlich” bezeichneter Gasthof mit Hotel durch den Einbau einer Bar und drei zusätzlichen Räumen einen ”bordellartigen” Charakter erhält, ist noch kein eindeutiger Hinweis auf die Aufgabe des Gaststätten- und Hotelbetriebs durch den Betriebsverpächter.
a) Der Betrieb der Klägerin bestand darin, Gästen Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. Nach § 2 des Pachtvertrages vom wurde das Pachtobjekt auch den Pächtern ausdrücklich ”zum Betrieb eines Hotels mit Restaurant” überlassen. Der vertraglich vorgesehene zusätzliche Einbau einer Nachtbar mag zwar den Charakter des bisherigen Beherbergungs- und Verköstigungsbetriebes verändert haben. Dies führt aber nicht zur Aufgabe des Gaststätten- und Hotelbetriebes als solchem. Der Streitfall ist —entgegen der Meinung der Klägerin— nicht mit der Entscheidung des I. Senats vom I R 84/79 (BFHE 138, 50, BStBl II 1983, 412) vergleichbar, in dem ein Bäckerei- und Konditoreibetrieb zu einer Diskothek umgestaltet und im Übrigen stillgelegt wurde.
b) Solange die wesentlichen Betriebsgrundlagen dieselben bleiben und der Betrieb vom Verpächter wieder fortgeführt werden kann, ist es steuerrechtlich unmaßgeblich, wie ein Beherbergungs- und Gaststättenbetrieb moralisch einzugruppieren ist, d.h. ob er ”gutbürgerlich” oder ”Ruf schädigend” o.ä. einzuschätzen ist. Auch wenn die Klägerin sich selbst entschieden hätte, in dem ”Hotel mit Gaststätte” zusätzlich eine Nachtbar einzubauen oder in anderer Weise das Leistungsangebot zu verändern oder zu erweitern, wäre der Betrieb nicht aufgegeben worden. Dass sich der Kundenkreis verändert, ist allein kein Kriterium, das zur Annahme einer Betriebsaufgabe zwingt (vgl. zum Wechsel von einem Groß- zu einem Einzelhandelsbetrieb BFH in BFH/NV 1999, 1198).
c) Entscheidend ist, dass die Klägerin die Möglichkeit behielt, den Betrieb in gleichartiger oder ähnlicher Weise wieder aufzunehmen (vgl. z.B. , BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561; BFH in BFH/NV 1999, 454; BFH in BFH/NV 1999, 1198). Unmaßgeblich ist, ob die Wiederaufnahme des Betriebs in seiner ursprünglichen Form durch die Klägerin wirtschaftlich sinnvoll erscheint und/oder wegen eines ”Imageschadens” besondere wirtschaftliche Risiken mit sich bringt (ähnlich , BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430).
Der Klägerin blieb es aufgrund der Vereinbarungen im Pachtvertrag unbenommen, den Betrieb, sei es in Form einer Nachtbar oder eines gutbürgerlichen Hotels mit Gaststätte, nach Pachtende fortzuführen. Der Streitfall unterscheidet sich insoweit wesentlich von der Entscheidung des IX. Senats des (BFHE 183, 413, BStBl II 1998, 373), in dem der Pächter zum Abriss der verpachteten Baulichkeiten berechtigt war.
Im Übrigen waren im Streitfall die Pächter verpflichtet, bei Pachtende den bei Pachtbeginn bestehenden baulichen Zustand wieder herzustellen. Dies war ein gewichtiges Indiz für die Absicht der Klägerin, den Verpachtungsbetrieb in derselben oder ähnlichen Form fortzuführen. Entgegen der Auffassung des FG ist der Streitfall mit dem Sachverhalt der BFH-Entscheidung vom IV R 8/67 (BFHE 90, 329, BStBl II 1968, 78) nicht vergleichbar. Der (ursprüngliche) Betrieb eines Kinos hat mit dem (späteren) Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts bzw. einer Zahnarztpraxis nichts gemeinsam. Da die Pächter den ursprünglichen Zustand wieder herstellen mussten, spielt es auch keine Rolle, dass sie einen Teil der ursprünglichen Gaststättenräume zu eigenen Wohnzwecken verwendeten.
4. Aufgrund der Feststellungen des FG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Charakter des Betriebs im Laufe der Zeit dergestalt verändert hatte, dass dieser durch eine reine Vermögensverwaltung verdrängt wurde (, BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665).
a) Ausweislich des Pachtvertrages überließ die Klägerin den Pächtern bei der Neuverpachtung im Jahr 1985 —wie auch bei der vorangegangenen Verpachtung (vgl. Vertrag vom )— einen Betrieb einschließlich Inventar. Die von der Klägerin nunmehr behauptete teilweise Veräußerung von Inventar oder Einrichtungsgegenständen führt bei einem Gaststättenbetrieb, dessen Einrichtung modischen Veränderungen unterworfen ist, nicht notwendigerweise zur Betriebsaufgabe (vgl. hierzu auch z.B. , BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181; in BFH/NV 1999, 1198, und BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1073, m.w.N.; anders bei Verkauf unerlässlicher Maschinen eines Produktionsbetriebes BFH-Urteile in BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388; vom III R 7/91, BFH/NV 1993, 358; vom I R 122/72, BFHE 111, 98, BStBl II 1974, 208). Zudem wird vom Pächter angeschafftes Inventar Eigentum des Verpächters (§ 588 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB— a.F.; heute § 582a Abs. 2 BGB) und das Inventar ist bei Beendigung des Pachtvertrages dem Verpächter zurückzugewähren (§ 589 BGB a.F.; heute § 582a Abs. 3 BGB). Im Übrigen war ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens vom das mitverpachtete Gaststättenmobiliar zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen noch vorhanden.
b) Das Angebot der Klägerin an die Pächter, das Pachtobjekt zu kaufen, lässt im Streitfall ebenfalls nicht auf eine Betriebsaufgabe schließen. Schließlich stand bei Abschluss des Pachtvertrages nicht fest, ob die Pächter die notwendigen Konzessionen erhalten und das Ankaufsrecht ausüben würden. Zudem wurde das Ankaufsrecht nicht dinglich gesichert und war zeitlich befristet. Wie die weitere tatsächliche Entwicklung zeigt, war das Kaufangebot eine Option für die Pächter, bekundete aber für den Fall, dass sie das Objekt nicht kaufen würden, keine Betriebsaufgabe durch die Klägerin (vgl. , BFH/NV 1986, 726).
Der Senat hat es für sachgerecht gehalten, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 121, § 90a FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1106 Nr. 9
OAAAA-66591