BFH Beschluss v. - XI B 38/00

Gründe

1. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) hat die grundsätzliche Bedeutung der Sache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht ausreichend dargelegt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist einer Sache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V B 64/86, BFHE 148, 10, BStBl II 1987, 95, und vom VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 7). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (, BFHE 163, 495, BStBl II 1991, 465). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein.

Die grundsätzliche Bedeutung der Sache muss gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden. Aus der Beschwerdebegründung muss hervorgehen, warum die Bedeutung der streitigen Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinausgeht und warum sie zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedarf (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 61 f.). Die Begründung muss darüber hinaus substantiierte Ausführungen zur Klärungsfähigkeit enthalten; aus der Begründung muss die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Rechtsfrage hervorgehen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 59).

Die Ausführungen des FA erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Es ist nicht erkennbar, weshalb die ertragsteuerliche Behandlung ”vagabundierender Gelder” klärungsbedürftig ist und insoweit nicht die allgemeinen Regeln über die Qualifikation und die Zurechnung von Betriebsvermögen gelten.

Auch für die Fragen des Verhältnisses von Strafverfahren und Besteuerungsverfahren ist nicht dargelegt, weshalb sie einer —weiteren— Klärung bedürfen. Durch Urteil vom III R 194/84 (BFHE 155, 232, BStBl II 1989, 216) ist entschieden: ”Hängt die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden davon ab, dass der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung begangen hat, so müssen zur Bejahung der Rechtmäßigkeit der Bescheide die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen (, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273). Das FA trägt insoweit die Feststellungslast. Obwohl auch im finanzgerichtlichen Verfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz 'in dubio pro reo' zu beachten ist, ist das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale nicht nach der Strafprozeßordnung, sondern nach den Vorschriften der AO 1977 und Finanzgerichtsordnung (FGO) zu prüfen. Deshalb ist für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, kein höherer Grad von Gewißheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt (Beschluß des Großen Senats des , BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570).” Der X. Senat hat sich diesen Ausführungen in dem Urteil vom X R 86/88 (BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 129, 131) angeschlossen. Soweit sich das FA zur Begründung der Ansicht, dass die Frage noch nicht eindeutig entschieden sei, auf den Beschluss vom VII B 62/92 (BFH/NV 1994, 149) beruft, reicht dies im Hinblick auf den Beschluss vom VII B 14/96 (BFH/NV 1996, 934) nicht aus; denn danach ist hinsichtlich des steuerstrafrechtlichen Hintergrundes der Inanspruchnahme nach § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als bei einer andersartigen, nicht strafrechtlichen Grundlage.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Zwar kann der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung geben (, 9/99, BFH/NV 1999, 1365). Im Streitfall indes kann die grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht aus diesem Gesichtspunkt hergeleitet werden, weil die unterschiedliche Beurteilung der Betätigung des Klägers nicht auf einer materiell-rechtlich abweichenden Beurteilung des Begriffs der Steuerhinterziehung beruht, sondern auf den Besonderheiten des Steuerfestsetzungsverfahrens einerseits und des Strafbefehlsverfahrens andererseits.

Schließlich hat das FA nicht dargelegt, dass die Klärung dieser Rechtsfragen für die Entscheidung des Streitfalls notwendig ist; denn das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung letzten Endes (auch) darauf gestützt, dass der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nicht gegeben war.

2. Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das FG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH. Das FG muss seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden rechtlichen Erwägungen einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 17). Bei einer auf Divergenz gestützten Beschwerde muss die Divergenzentscheidung des BFH genau bezeichnet werden. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung des BFH so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2000, 712).

Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht. Das FA zitiert zwar mehrere Urteile des BFH, legt aber nicht in der gebotenen Weise dar, von welchen konkreten Rechtssätzen dieser Urteile diejenigen des anzufechtenden Urteils abweichen. Die Aussagen, dass das Vorgehen des FG nicht mit der BFH-Rechtsprechung vereinbar sei, dass das FG eine mit der Rechtsprechung des BFH nicht vereinbare Verfahrensweise praktiziert habe oder die Aussage, dass das FG bestimmte Entscheidungen nicht berücksichtigt habe, reichen für die Bezeichnung einer Abweichung nicht aus.

3. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (, BFH/NV 1999, 1617). Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, u.a. , noch nicht veröffentlicht).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das FA rügt lediglich, dass das FG im Wege des Amtsermittlungsgrundsatzes die einzelnen Punkte hätte voll aufklären müssen; es legt aber weder im Einzelnen dar, welche konkreten Sachverhalte vom FG hätten aufgeklärt werden müssen, noch geht es auf die weiteren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht ein.

4. Der Beschluss ergeht im Übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 478 Nr. 4
YAAAA-66553