BAG Urteil v. - 7 AZR 153/15

Befristung - Feststellungsklage des Arbeitgebers

Leitsatz

Eine Feststellungsklage des Arbeitgebers, die die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags oder - im Fall einer Zweckbefristung - den Streit über den Eintritt der Zweckerreichung oder dessen Zeitpunkt klären soll, ist unzulässig.

Gesetze: § 256 Abs 1 ZPO, § 17 S 1 TzBfG

Instanzenzug: ArbG Siegburg Az: 1 Ca 3054/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 13 Sa 557/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis am geendet hat.

2Die klagende Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus. Die im Juni 1951 geborene Beklagte war seit dem bei der Klägerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom finden auf ihr Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweiligen Fassung Anwendung. § 19 Abs. 3 des Allgemeinen Teils der AVR lautet:

3Mit Schreiben vom teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Arbeitsverhältnis werde am enden, weil sie wegen ihrer Schwerbehinderung ab dem eine ungekürzte Altersrente beziehen könne. Die Beklagte erwiderte daraufhin mit Schreiben vom , ihr Dienstverhältnis bestehe bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am fort. Sie werde erst zu diesem Zeitpunkt einen Rentenantrag stellen.

4Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am geendet habe. Es sei ihr aufgrund des Annahmeverzugsrisikos und des Erfordernisses einer verlässlichen Personalplanung nicht zuzumuten, die Erhebung einer Befristungskontrollklage durch die Beklagte abzuwarten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe nach § 19 Abs. 3 AVR mit Ablauf des geendet. Eine ungekürzte Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 3, § 236a SGB VI sei eine „abschlagsfreie Regelaltersrente“ iSv. § 19 Abs. 3 AVR.

5Die Klägerin hat beantragt

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis ende erst mit Erreichen des Regelrentenalters. Es sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien der AVR dem Begriff „Regelaltersrente“ dieselbe Bedeutung beigemessen hätten wie der Gesetzgeber. Dieser unterscheide zwischen der Regelaltersrente und sonstigen Altersrenten. Andernfalls sei § 19 Abs. 3 AVR wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Behinderung unwirksam.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.

9I. Eine Feststellungsklage des Arbeitgebers, die die Wirksamkeit einer Befristung oder - im Fall einer Zweckbefristung - den Streit über den Eintritt einer Zweckerreichung oder dessen Zeitpunkt klären soll, ist unzulässig. Zur Klärung dieser Fragen sieht § 17 Satz 1 TzBfG die Befristungskontrollklage vor, die ausschließlich für den Arbeitnehmer eröffnet ist. Für eine allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers nach § 256 Abs. 1 ZPO ist daneben kein Raum.

101. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Danach kann grundsätzlich auch eine Klage auf Feststellung der Beendigung eines Rechtsverhältnisses zulässig sein. Eine solche Klage ist auf die Feststellung der zeitlichen Begrenzung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet (vgl. zu einer Klage auf Feststellung der Beendigung eines Mietverhältnisses  - Rn. 12).

11Für den Fall der Befristung eines Arbeitsverhältnisses sieht jedoch § 17 Satz 1 TzBfG eine besondere Klageart vor. Danach muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist, wenn er geltend machen will, dass die Befristung des Arbeitsvertrags unwirksam ist. Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarten Befristung zu dem in dieser Vereinbarung vorgesehenen Termin ( - zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72). Die Befristungskontrollklage erfasst nicht nur den Streit über die Wirksamkeit einer Befristung, sondern - im Falle einer Zweckbefristung - auch den Streit über den Eintritt der Zweckerreichung sowie den Streit über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ( - zu I 1 a der Gründe, aaO; vgl. für die Bedingungskontrollklage  - Rn. 16). Dem steht der Wortlaut des § 17 Satz 1 TzBfG nicht entgegen. Die Formulierung in § 17 Satz 1 TzBfG erklärt sich daraus, dass bei sog. Kalenderbefristungen iSv. § 15 Abs. 1 TzBfG der Ablauf der vereinbarten Zeit regelmäßig feststeht und daher typischerweise kein Streit über das Befristungsende, sondern „nur“ über die Wirksamkeit der Befristung besteht ( - Rn. 21, BAGE 137, 292). Die Klagefrist ist nach ihrem Zweck, die Interessen des Arbeitgebers und des Rechtsverkehrs an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schützen, auch bei einem Streit über den vorgesehenen Beendigungszeitpunkt anzuwenden. Der Beendigungszeitpunkt hängt in der Regel von der Auslegung der tariflichen oder einzelvertraglichen Befristungsabrede ab. Die Frage des Beendigungszeitpunkts kann deswegen mit der Beurteilung der Wirksamkeit der Befristungsabrede verknüpft sein. So kann insbesondere bei Altersgrenzen eine einschränkende Auslegung geboten sein. Sie dient der Wirksamkeit der Befristungsabrede. Die Auslegung und die Prüfung der Wirksamkeit der Befristung sind damit ineinander verschränkt. Die Wirksamkeit der Befristungsabrede und der in ihr vorgesehene Beendigungszeitpunkt können daher nicht unabhängig voneinander, ggf. in einem gesonderten Rechtsstreit, beurteilt werden. Wegen dieses untrennbaren Zusammenhangs sind beide Fragen Gegenstand einer Befristungskontrollklage (vgl. zum Gegenstand einer Bedingungskontrollklage:  - Rn. 16; - 7 AZR 827/13 - Rn. 14, BAGE 155, 1; - 7 AZR 851/13 - Rn. 16; - 7 AZR 880/13 - Rn. 13; - 7 AZR 771/12 - Rn. 18, BAGE 148, 357; - 7 AZR 602/11 - Rn. 12 f.; - 7 AZR 704/09 - Rn. 18 ff., aaO).

122. § 17 TzBfG stellt eine abschließende Regelung für Streitigkeiten der Arbeitsvertragsparteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer vereinbarten Befristung dar. Die Vorschrift schließt nach der gesetzlichen Konzeption für ihren Regelungsbereich eine allgemeine Feststellungsklage aus.

13a) Der Gesetzgeber hat die Befristungskontrollklage von § 256 Abs. 1 ZPO gelöst und in § 17 TzBfG gesondert geregelt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zulässigkeit einer Klage, deren Streitgegenstand die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer vereinbarten Befristung zu einem bestimmten Termin ist, allein nach § 17 TzBfG richten soll. Nach § 17 TzBfG kann nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber eine Befristungskontrollklage erheben. Dies schließt eine Klage des Arbeitgebers auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund einer vereinbarten Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt geendet, aus. Eine solche Klage hat denselben Streitgegenstand wie eine Befristungskontrollklage (vgl. zur Identität des Streitgegenstands bei positiver und negativer Feststellungsklage  - zu II 1 der Gründe, BGHZ 123, 137).

14b) Daraus, dass nach § 17 Satz 1 TzBfG nur der Arbeitnehmer Befristungskontrollklage erheben kann, nicht aber der Arbeitgeber, kann nicht geschlossen werden, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer allgemeinen Feststellungsklage verbleiben soll, damit er beizeiten eine Klärung darüber herbeiführen kann, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung endet. Die Interessen des Arbeitgebers an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit werden durch die in § 17 Satz 1 TzBfG bestimmte Klagefrist gewahrt (vgl.  - Rn. 21, BAGE 137, 292). Dieser Regelung lässt sich die gesetzgeberische Wertung entnehmen, dass es insoweit eines weitergehenden Schutzes des Interesses des Arbeitgebers nicht bedarf. Mit dieser Wertung wäre die Möglichkeit einer vorzeitigen Feststellungsklage des Arbeitgebers nicht vereinbar.

15c) Darüber hinaus könnte ein Nebeneinander von Befristungskontrollklage iSv. § 17 Satz 1 TzBfG und allgemeiner Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu Widersprüchen führen. So wäre unklar, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung geendet hat, wenn die auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers rechtskräftig abgewiesen wird und der Arbeitnehmer die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG verstreichen lässt mit der Folge, dass die Befristung nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 7 KSchG als wirksam gilt.

16d) Eine Klage des Arbeitgebers auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt nur dann in Betracht, wenn zwischen den Parteien die Vereinbarung einer Befristung streitig ist. Dieser Sachverhalt wird von einer Befristungskontrollklage nicht erfasst. Macht der Arbeitnehmer gerichtlich geltend, eine Befristung sei nicht vereinbart, hat dies nicht mit einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG zu geschehen, sondern mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO (vgl.  - Rn. 15, BAGE 136, 270; - 7 AZR 132/07 - Rn. 10, BAGE 126, 295; vgl. zur Bedingungskontrollklage:  - Rn. 17; - 7 AZR 662/05 - Rn. 13; - 7 AZR 440/03 - zu I 2 a und b, 3 der Gründe, BAGE 111, 148). Deshalb kann auch der Arbeitgeber zur Klärung der Frage, ob eine Befristung vereinbart worden ist, eine allgemeine Feststellungsklage erheben. § 17 Satz 1 TzBfG findet insoweit keine Anwendung und schließt daher nicht die Möglichkeit des Arbeitgebers aus, zur Klärung dieser Frage eine allgemeine Feststellungsklage zu erheben. Für eine solche Klage besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn der Arbeitnehmer die Vereinbarung einer Befristung in Abrede stellt.

17II. Danach ist die vorliegende Feststellungsklage unzulässig. Der Streit der Parteien, ob das Arbeitsverhältnis nach § 19 Abs. 3 AVR am geendet hat, ist im Rahmen einer Befristungskontrollklage zu klären.

18Die Parteien streiten nicht darüber, ob überhaupt eine Befristung vereinbart wurde, sondern über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass § 19 Abs. 3 AVR auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Im Streit ist lediglich die Auslegung dieser Bestimmung zur Ermittlung des Zeitpunkts, zu dem das Arbeitsverhältnis aufgrund der darin geregelten Befristung endet. Die Klägerin vertritt die Auffassung, nach § 19 Abs. 3 AVR ende das Arbeitsverhältnis bereits dann, wenn der Mitarbeiter eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 33 Abs. 2 Nr. 3, § 236a SGB VI beanspruchen könne. Die Beklagte meint hingegen, § 19 Abs. 3 AVR sehe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit Erreichen des Regelrentenalters iSv. § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 235 SGB VI vor. Andernfalls sei die Regelung unwirksam.

19III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:150217.U.7AZR153.15.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1395 Nr. 24
DB 2017 S. 7 Nr. 23
DStR 2017 S. 12 Nr. 27
NJW 2017 S. 2573 Nr. 35
KAAAG-46070