BFH Beschluss v. - VIII B 98/99

Gründe

I. Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) an, dass zwischen den Antragstellern und Beschwerdeführern (Antragsteller; Eheleute) eine Mitunternehmerschaft in Bezug auf das in den Streitjahren 1983 bis 1985 betriebene Speditionsunternehmen bestanden habe. Am erließ das FA einen entsprechenden Sammelbescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1983 bis 1985, den es in zwei gesonderten Ausfertigungen jedem der beiden Antragsteller bekannt gab. Das unterhalb des jeweils mit Namen und Anschrift der beiden Antragsteller ausgefüllten Adressenfelds befindliche umrandete Feld enthält den Vermerk ”für…GbR M. und F. X, Spedition, B-Straße 12,…W”.

Mit zwei Schreiben vom legten die beiden Antragsteller jeweils gesondert im eigenen Namen gegen diesen Sammelbescheid Einspruch ein.

Mit zwei weiteren Schreiben vom selben Tag legten die Antragstellerin und der Antragsteller jeweils getrennt gegen diesen Sammelbescheid ”für die GbR M. und F. X, Spedition B-Straße 12,…W,…Einspruch ein”.

Mit Einspruchsentscheidung vom ”in der Einspruchssache der zwischenzeitlich aufgelösten Gesellschaft bürgerlichen Rechts M. und F. X…wegen Feststellungssache 1983 bis 1985” verwarf das FA die Einsprüche der Antragsteller, soweit diese ”für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts M. und F. X” eingelegt worden waren, als unzulässig. Die Einspruchsentscheidung wurde beiden Antragstellern in gesonderten Ausfertigungen bekannt gegeben.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FA im Wesentlichen aus: Die streitigen Feststellungsbescheide richteten sich an eine vom FA angenommene GbR. Gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sei gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977; meint: in der Neufassung des Grenzpendlergesetzes) jeder Beteiligte (Gesellschafter), der an dem festgestellten Betrag beteiligt sei bzw. der durch die Feststellungen berührt werde, rechtsbehelfsbefugt. Das FA sei bei Erlass der streitigen Bescheide davon ausgegangen, dass nicht die GbR (als Gesellschafterzusammenschluss), sondern jeder Gesellschafter die Steuertatbestände verwirklicht habe. Demgemäß hätten sich die Feststellungsbescheide an jeden Gesellschafter gerichtet; und diesen gegenüber seien sie i.S. des § 124 Abs. 1 AO 1977 wirksam geworden. Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sei zu Lasten jedes einzelnen Gesellschafters und nicht zu Lasten der GbR erfolgt. Damit sei im vorliegenden Fall nur jeder Gesellschafter im eigenen Namen, nicht aber die GbR und deren Gesellschafter im Namen der GbR zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die angefochtenen Feststellungsbescheide befugt gewesen.

Dagegen richtet sich die von den Antragstellern gemeinsam erhobene Klage, mit der sie beantragen,

1. die gegen die GbR gerichteten Feststellungsbescheide 1983 bis 1985 und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und

2. festzustellen, dass sie in den Jahren 1983 bis 1990 keine GbR gebildet haben.

Das Finanzgericht (FG) hat über die Klage noch nicht entschieden.

Gleichzeitig haben die Antragsteller beim FG beantragt, ihnen für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Der Antragsteller sei behindert und erwerbsunfähig. Das Speditionsunternehmen der Antragstellerin sei insolvent geworden.

Das FG lehnte den PKH-Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom   2 K 1133/97 ab, weil die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Antragsteller seien durch die Einspruchsentscheidung vom nicht in ihren Rechten verletzt worden. Dies folge daraus, dass die Antragsteller in vier gesonderten Schreiben Einspruch erhoben hätten. Dabei hät-ten sie in zwei gesonderten Schreiben vom im eigenen Namen Einspruch eingelegt. Über diese Einsprüche habe das FA bisher noch nicht entschieden.

Soweit die Antragsteller in den hier zu beurteilenden zwei weiteren Schreiben ebenfalls vom auch ”für die GbR” Einspruch eingelegt hätten, habe das FA diese Rechtsbehelfe zutreffend als unzulässig verworfen. Zu Recht sei das FA davon ausgegangen, dass zur Einlegung von Einsprüchen gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1983 bis 1985 nur die Antragsteller im eigenen Namen, nicht dagegen die Antragsteller namens der GbR befugt gewesen seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde insoweit auf die zutreffenden Gründe in der Einspruchsentscheidung vom verwiesen. Aus diesen Gründen sei die Klage der Antragsteller unbegründet.

Aufgrund des konkret gestellten Klageantrages sei es dem FG verwehrt, sich zu den noch nicht entschiedenen Einsprüchen vom , die die Antragsteller im eigenen Namen erhoben hätten, zu äußern; denn der Senat dürfe über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Im Streitfall komme auch keine isolierte Aufhebung der angegriffenen Einspruchsentscheidung in Betracht, weil diese rechtmäßig sei.

Soweit die Antragsteller beantragt hätten, festzustellen, dass sie in den Jahren 1983 bis 1990 nicht Gesellschafter einer GbR gewesen seien, biete die Rechtsverfolgung bereits wegen § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Nach der genannten Vorschrift sei die Feststellungsklage subsidiär, soweit die Antragsteller —wie hier— ihre Rechte durch Gestaltungsklage verfolgen könnten.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr PKH-Begehren weiter.

Sie beantragen (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und ihnen PKH zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet, soweit sie sich auf das Klagebegehren der Antragsteller bezieht, die gegen die GbR gerichteten Gewinnfeststellungsbescheide 1983 bis 1985 und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben. Insoweit wird der angefochtene aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Die Beschwerde ist hingegen unbegründet, soweit sie den Klageantrag der Antragsteller betrifft, festzustellen, dass in den Jahren 1983 bis 1990 keine GbR bestanden habe.

1. Zu Unrecht hat sich das FG der in der Einspruchsentscheidung vom vertretenen Ansicht des FA angeschlossen, dass die von den Antragstellern ”für die GbR” eingelegten Einsprüche mangels Rechtsbehelfsbefugnis der GbR unzulässig gewesen seien.

a) Da die angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1983 bis 1985 bereits vor dem erlassen wurden, richtet sich die Rechtsbehelfsbefugnis gemäß Art. 97 § 18 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) noch nach § 352 AO 1977 i.d.F. vor In-Kraft-Treten des ”Grenzpendlergesetzes” vom (BGBl I 1994, 1395, 1400; vgl. z.B. von Wedel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 352 AO 1977 Rz. 2, m.w.N.). Danach konnten einen ”Einspruch in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb…betreffen, die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter ...” einlegen (§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F.). Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die letztgenannte Bestimmung ebenso wie die entsprechende, die Klagebefugnis betreffende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. in dem Sinne ausgelegt, dass das Rechtsbehelfsrecht von der Personengesellschaft wahrgenommen werde, die hierbei durch ihre nach Gesellschaftsrecht vertretungsberechtigten Gesellschafter handele (vgl. z.B. , BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, unter 1. b der Gründe, betreffend die Parallelvorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 352 AO 1977 Rdnr. 36 f., m.w.N.). Die Personengesellschaft wird dabei in Verfahrensstandschaft (im Klageverfahren: in Prozessstandschaft) für ihre Gesellschafter, d.h. die betroffenen Feststellungsbeteiligten, tätig (BFH-Urteil in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, unter 1. b der Gründe, m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen war die vom FA angenommene und für das Rechtsbehelfsverfahren als existent zu unterstellende GbR, vertreten durch ihre beiden (mutmaßlichen) Gesellschafter-Geschäftsführer (vgl. §§ 714, 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 352 AO 1977 Rdnr. 69; von Wedel in Beermann, a.a.O., § 352 AO 1977 Rz. 8), d.h. die beiden Antragsteller, jedenfalls bei Einlegung der Einsprüche (am ) rechtsbehelfsbefugt. Die von beiden Antragstellern zeitgleich namens der GbR erhobenen Einsprüche waren daher zunächst einmal zulässig (zur umfassenden Einspruchsbefugnis der Personengesellschaft als Verfahrensstandschafterin vgl. z.B. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 352 AO 1977 Rdnr. 40 und 94; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 48 FGO Tz. 17, m.w.N., betreffend die Klagebefugnis der Gesellschaft i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.; jetzt: § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F.).

c) Der beschließende Senat kann die weder vom FA noch vom FG geprüfte Frage offen lassen, ob die GbR, ihr ursprüngliches Bestehen unterstellt, im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung vom bereits voll beendet war.

aa) Geht man davon aus, dass die vom FA angenommene und für das Einspruchsverfahren als bestehend zu behandelnde GbR bei Erlass der Einspruchsentscheidung noch existierte, d.h. noch nicht voll beendet war, so war die GbR auch noch zu diesem Zeitpunkt rechtsbehelfsbefugt. In diesem Falle durfte das FA die von den Antragstellern für die GbR eingelegten Einsprüche nicht als unzulässig verwerfen. Vielmehr hätte das FA die Einsprüche sachlich bescheiden müssen. Da in diesem Fall neben der GbR auch die Antragsteller persönlich gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 a.F. (jetzt: § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 n.F.) einspruchsbefugt waren (vgl. z.B. von Wedel in Beermann, a.a.O., § 352 AO 1977 Rz. 24; Szymczak in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 352 Rdnr. 31), hätten die Einspruchsverfahren der GbR entweder mit den von den Antragstellern im eigenen Namen eingeleiteten Einspruchsverfahren verbunden werden müssen, oder die beiden Antragsteller hätten zum Einspruchsverfahren der GbR notwendig hinzugezogen werden müssen (§ 360 Abs. 3 Satz 1 AO 1977); denn über die Einsprüche der GbR und die in eigenem Namen von den Antragstellern eingelegten Einsprüche konnte gemäß § 365 Abs. 1 i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nur einheitlich entschieden werden (vgl. z.B. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 352 AO 1977 a.F. Anm. 4).

bb) Aber auch wenn man annimmt, dass die zunächst als existent zu unterstellende GbR bei Erlass der Einspruchsentscheidung am bereits voll beendet war, hätte das FA die von ihr als Verfahrensstandschafterin ihrer Gesellschafter (Antragsteller) erhobenen Einsprüche nicht als unzulässig verwerfen dürfen. In diesem Fall erlosch zwar mit der Vollbeendigung der GbR deren Beteiligtenfähigkeit und Einspruchsbefugnis i.S. von § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F. (vgl. für die parallele Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. z.B. Senatsurteil vom VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 352 AO 1977 Rdnr. 106, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH; das dem entgegenstehende , BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15 ist überholt).

Jedoch waren dann die durch die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide beschwerten Feststellungsbeteiligten —hier also die beiden Antragsteller— als ”Rechtsnachfolger” der GbR im Einspruchsverfahren anzusehen (Senatsurteil in BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 2., a.E. der Gründe, betreffend Klageverfahren; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 352 AO 1977 Rdnr. 106, m.w.N., betreffend Einspruchsverfahren). Grundsätzlich tritt in diesem Fall, wenn —wie auch hier— die Gesellschaft nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten war (vgl. § 246 der Zivilprozeßordnung —ZPO—), eine Unterbrechung des Einspruchsverfahrens analog § 155 FGO i.V.m. § 239 ZPO ein, bis die betroffenen Feststellungsbeteiligten (ehemaligen Gesellschafter) —auf Aufforderung durch das FA hin— das (Einspruchs-)Verfahren aufnehmen (für das Klageverfahren vgl. Senatsurteil in BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 2. und 3. der Gründe). Im hier vorliegenden Fall bedurfte es allerdings einer solchen Verfahrensunterbrechung ausnahmsweise deshalb nicht, weil die beiden Feststellungsbeteiligten (Antragsteller) bereits durch die Einlegung jeweils eigener Einsprüche, mit denen dasselbe Ziel wie mit den namens der GbR erhobenen Einsprüchen verfolgt wurde, unmissverständlich bekundet hatten, das Verfahren auch anstelle der wegfallenden GbR fortsetzen zu wollen.

d) Folglich hätte das FG die für die begehrte PKH erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten des hier in Rede stehenden Klageantrages nicht mit der Erwägung verneinen dürfen, dieser Antrag sei schon mangels zulässiger Einsprüche unbegründet.

Der Senat hält es nicht für zweckmäßig, abschließend über den PKH-Antrag der Antragsteller in Bezug auf das hier in Rede stehende Klagebegehren zu entscheiden. Er macht vielmehr, um den Beteiligten den Verlust einer Instanz zu ersparen, von der auch im Beschwerdeverfahren (§ 128 Abs. 1, § 132 FGO) bestehenden Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das FG Gebrauch (vgl. auch , BFH/NV 1996, 105, 106; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 132 Rz. 10, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Dieses wird für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht insbesondere der bislang nicht geprüften Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1983 bis 1985 nachgehen müssen.

2. Die Beschwerde wird insoweit als unbegründet zurückgewiesen, als sie das Klagebegehren der Antragsteller betrifft, festzustellen, dass in den Jahren 1983 bis 1990 keine GbR bestanden habe. Zutreffend hat das FG in dem angefochtenen Beschluss (unter II. 2.) darauf hingewiesen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht in Bezug auf dieses Begehren schon im Hinblick auf die in § 41 Abs. 2 FGO statuierte Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungsklage (Anfechtungsklage) zu verneinen ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1444 Nr. 12
DStRE 2001 S. 45 Nr. 1
AAAAA-66198