BFH Beschluss v. - VII R 2/99

Gründe

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—), hat die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Schiffsausrüsterunternehmen, mit dem angefochtenen Steuerbescheid (vom , Einspruchsentscheidung vom ) für Zoll und Tabaksteuer in Höhe von ... DM in Anspruch genommen, die auf Zigaretten ruhten, deren Verbleib im Freihafen ungeklärt geblieben sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage durch den Einzelrichter, auf den die Sache übertragen worden war, durch Urteil vom abgewiesen, obwohl in der mündlichen Verhandlung, zu der die Klägerin nach den Feststellungen des FG über ihren Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden war, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie entschieden werden könne, für die Klägerin niemand erschienen war. Einen Antrag auf Ergänzung des Urteils vom hat das abgewiesen.

Mit ihrer nicht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) einen Vertretungsmangel (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO) und einen Begründungsmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

II. Die gegen das Urteil vom gerichtete Revision ist unzulässig und deshalb gemäß § 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss zu verwerfen.

1. Der Senat lässt dahingestellt, ob sie schon deshalb unzulässig ist, weil die Klägerin keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat (§ 120 Abs. 2 FGO). Unter Umständen könnte der Antrag aus der Revisionsbegründung entnommen werden (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Rdnr. 27, m.w.N.).

2. Die Revision ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht zugelassen ist und keiner der geltend gemachten Revisionsgründe, die zu einer zulassungsfreien Revision führen würden, ordnungsgemäß dargelegt ist (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).

a) Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass das FG bei der Vorentscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1 FGO). Das FG war berechtigt, den Rechtsstreit unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zu übertragen. Eine namentliche Benennung des Einzelrichters war nicht erforderlich (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschluss vom IX R 22/95, BFH/NV 1998, 720). Dass er nicht aus dem senatsinternen Mitwirkungsplan zu ersehen war, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Dass der Mitwirkungsplan im Laufe des Jahres zahlreichen Änderungen unterlag, wie die Klägerin behauptet, macht ihn allein nicht unwirksam. Eine Anhörung der Beteiligten vor Übertragung der Sache auf den Einzelrichter ist in § 6 Abs. 1 FGO nicht vorgesehen. Ihre Unterlassung könnte im Übrigen die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht eröffnen (vgl. , BFH/NV 1998, 1488).

Ob die in § 6 Abs. 1 FGO genannten Voraussetzungen für die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter vorlagen, ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen, weil der Beschluss des FG, mit dem die Sache dem Einzelrichter übertragen wird, gemäß § 6 Abs. 4 FGO unanfechtbar ist (vgl. , BFH/NV 1997, 860). Ob insoweit eine Ausnahme zu machen ist, wenn die Übertragung greifbar gesetzwidrig ist (zu den Voraussetzungen vgl. , BFH/NV 1996, 908), kann im Streitfall dahingestellt bleiben, weil der Vortrag der Klägerin dafür nichts hergibt. Der Umstand, dass das FG vor seiner Entscheidung angeblich die Akten nicht beigezogen hat, rechtfertigt eine solche Annahme schon deshalb nicht, weil dem Klageverfahren bereits ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung vorausging, in dem die Sache von der Klägerin vorgetragen war, und die Klägerin ihre Klage trotz Aufforderung durch das Gericht nicht näher begründet hat.

Der Vortrag der Klägerin, dass sie nach der mündlichen Verhandlung vom , aber vor Zustellung des Urteils (§ 104 Abs. 2 FGO) einen Antrag auf Rückübertragung der Sache an den Senat gestellt habe, der vom FG nicht beschieden worden sei, rechtfertigt die Besetzungsrüge ebenfalls nicht. Denn nach § 6 Abs. 4 FGO kann das Urteil nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die Zurückübertragung auf den Senat zu Unrecht unterblieben sei. § 6 Abs. 4 Satz 2 FGO schließt die Besetzungsrüge auch insoweit ausdrücklich aus (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 6 Rdnr. 27).

b) Der behauptete Vertretungsmangel (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, § 119 Nr. 4 FGO) ist dem Vortrag der Klägerin ebenfalls nicht zu entnehmen. Zwar kann in dem Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte oder die Klägerin nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen war, ein Mangel in der Vertretung liegen (vgl. , BFHE 175, 507, BStBl II 1995, 64). Im Streitfall ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber mit dem von einem Justizbeamten unterschriebenen Schreiben der Geschäftsstelle vom ordnungsgemäß geladen worden. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 216 der Zivilprozeßordnung ist es zwar Aufgabe des Vorsitzenden, hier des Einzelrichters, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen; sobald dies —wie im Streitfall durch Verfügung vom — geschehen ist, gehört es aber zu den Aufgaben der Geschäftsstelle, die Beteiligten gemäß § 91 FGO zu laden (vgl. , BFH/NV 1998, 459; Gräber/ Koch, a.a.O., § 91 Rdnr. 9).

Die Ladung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch hinfällig geworden, dass die Klägerin deren angebliche Gesetzwidrigkeit vor der mündlichen Verhandlung gerügt hat und darauf angeblich keine begründete Antwort durch das FG erhalten hat. Denn solange die Ladung zu dem anberaumten Termin nicht ausdrücklich aufgehoben wurde, mussten die Beteiligten davon ausgehen, dass dieser stattfindet. Im Übrigen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aber auch, wie sich aus den Akten ergibt, auf richterliche Anordnung durch Telefax am mitgeteilt worden, dass dem Antrag auf Aufhebung bzw. Verlegung des Termins nicht entsprochen werden könne und das Gericht die Ladung zum Termin für ordnungsgemäß halte.

c) Der von der Klägerin schließlich gerügte Begründungsmangel (§ 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO) ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin bemängelt, das angefochtene Urteil enthalte zu der Frage der von ihr beanstandeten Ordnungsmäßigkeit der Ladung nur den Satz, das Gericht könne der Auffassung der Klägerin insoweit nicht folgen. Angesichts der klaren Rechtslage, nach der die Ladung von der Geschäftsstelle vorzunehmen ist (s.o. unter Buchst. b), war eine weitere als die durch das FG gegebene Begründung im Streitfall nicht erforderlich. Von einer ”autoritativen Willensentscheidung” des Gerichts kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 599 Nr. 5
VAAAA-66100