OFD Frankfurt/M. - S 2706 A - 82 - St 55

Buchführungspflicht für Betriebe gewerblicher Art (BgA) nach dem Gemeindewirtschaftsrecht und dem Eigenbetriebsgesetz (EigBGes)

1. Eigenbetriebe – Buchführungspflicht nach § 140 AO

1.1 Gemeinden

Einrichtungen, die als wirtschaftliche Unternehmen einer Gemeinde ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu den Eigenbetrieben i. S. d. § 1 Abs. 1 EigBGes rechnen, sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EigBGes verpflichtet, ihr Rechnungswesen nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung oder einer entsprechenden Verwaltungsbuchführung zu führen. Die Buchführung muss zusammen mit der Bestandsaufnahme die Aufstellung von Jahresabschlüssen gestatten, die aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang bestehen (§ 20 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 22 Satz 1 EigBGes). Die allgemeinen Vorschriften, die Ansatzvorschriften, die Vorschriften über die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bewertungsvorschriften und die Vorschriften über den Anhang für den Jahresabschluss der großen Kapitalgesellschaften im Dritten Buch des Handelsgesetzbuchs finden sinngemäß Anwendung, soweit sich aus dem EigBGes nichts anderes ergibt (§ 22 Satz 2 EigBGes).

Gem. § 140 AO ist diese Buchführungspflicht auch für die Besteuerung zu erfüllen.

1.2 Entsprechende Anwendung bei anderen jPöR

Eine entsprechende Buchführungspflicht nach § 140 AO ergibt sich auch für die Tätigkeiten der nachfolgend genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR).

1.2.1 Landkreise, Landeswohlfahrtsverband Hessen, Regionalverband FrankfurtRheinMain

Die Vorschriften des EigBGes sind gem. § 30 EigBGes auf wirtschaftliche Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit eines Landkreises, des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen und des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Organe der Gemeinde (Gemeindevertretung, Gemeindevorstand, Bürgermeister) die entsprechenden Organe dieser Gemeindeverbände treten.

1.2.2 Zweckverbände

Ist die Hauptaufgabe eines Zweckverbandes der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens, kann die Verbandssatzung bestimmen, dass auf die Wirtschafts- und Haushaltsführung des Zweckverbandes die Vorschriften über die Eigenbetriebe sinngemäß anzuwenden sind (§ 18 Abs. 2 Satz 1 des hessischen Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit – KGG). Dies gilt auch für Gemeindeverwaltungsverbände (§ 30 Abs. 2 KGG).

1.2.3 Wasser- und Bodenverbände

Ist die Hauptaufgabe eines Wasser- und Bodenverbandes der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens oder die Beschaffung und Bereitstellung von Wasser für mehr als 10.000 Einwohner, sind für die Wirtschafts- und Haushaltsführung die Vorschriften über Eigenbetriebe sinngemäß anzuwenden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz – HWVG). In den übrigen Fällen kann die Verbandssatzung bestimmen, dass für die Wirtschafts- und Haushaltsführung des Verbandes die Vorschriften über Eigenbetriebe sinngemäß anzuwenden sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 HWVG).

Hinweis: § 2 Abs. 2 HWVG ist zum geändert worden. Die sinngemäße Anwendung bestimmter Vorschriften des EigBGes kann danach nur noch erfolgen, wenn dies in der Verbandssatzung bestimmt ist. Die Maßgeblichkeit der Vorschriften über Eigenbetriebe für Fälle des Betriebes eines wirtschaftlichen Unternehmens oder der Beschaffung und Bereitstellung von Wasser für mehr als 10.000 Einwohner ist damit entfallen.

2. Einrichtungen, die nicht unter das EigBGes fallen

Gem. § 121 Abs. 2 Satz 1 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) gelten folgende Tätigkeiten nicht als wirtschaftliche Betätigung:

  1. Tätigkeiten, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist,

  2. Tätigkeiten auf den Gebieten des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens, der Kultur, des Sports, der Erholung, der Abfall- und Abwasserbeseitigung und der Breitbandversorgung sowie

  3. Tätigkeiten zur Deckung des Eigenbedarfs.

Diese Einrichtungen können entsprechend den Vorschriften über die Eigenbetriebe geführt werden (§ 121 Abs. 2 Satz 2 HGO); eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nur dann, wenn es der Minister des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt (§ 121 Abs. 3 HGO) oder eine entsprechende spezialgesetzliche Regelung existiert (z. B. § 13 Abs. 1 des Hessischen Krankenhausgesetzes – HKHG 2011 – i. V. m. § 7 Abs. 1 der hierzu ergangenen Verordnung zur Regelung von Angelegenheiten im Bereich des Krankenhauswesens – Krankenhausverordnung –).

Wird eine Einrichtung i. S. d. § 121 Abs. 2 HGO nicht entsprechend den Vorschriften über die Eigenbetriebe geführt, unterliegt sie den Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts (§§ 92 ff. HGO). Gem. § 95 HGO und der – aufgrund der Ermächtigung in § 154 Abs. 3 und 4 HGO erlassenen – Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) ist sie in dem Haushaltsplan der betreffenden Gemeinde zu erfassen und findet damit auch Berücksichtigung in deren Jahresabschluss. Dies gilt auch dann, wenn die Einrichtung einen eigenen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i. S. d. § 1 Abs. 2 HGB darstellt. Landesrechtliche Vorschriften, die von den Buchführungsvorschriften der §§ 238 – 261 HGB abweichen, bleiben bei Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit einer Gemeinde, eines Gemeindeverbands oder eines Zweckverbands unberührt (§ 263 HGB).

Erfüllt eine solche Einrichtung die Voraussetzungen für die Annahme eines BgA, sind aus der nach den Vorschriften der GemHVO und der Gemeindekassenverordnung (GemKVO) erstellten doppelten Buchführung (§§ 32 ff. GemHVO) die Werte für die Überschussermittlung nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 3 EStG abzuleiten.

Dies gilt auch für Betriebe gewerblicher Art, die von den Landkreisen, dem Regionalverband FrankfurtRheinMain, den Zweckverbänden, den Gemeindeverwaltungsverbänden und den Wasser- und Bodenverbänden unterhalten werden (§ 52 Abs. 1 S. 1 der Hessischen Landkreisordnung – HKO –, § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main – MetropolG –, § 18 Abs. 1 und § 30 Abs. 2 KGG, § 2 Abs. 1 HWVG; jeweils i. V. m. § 92 Abs. 3 HGO), soweit für diese nicht das EigBGes anzuwenden ist.

Hinsichtlich der Auswirkungen der doppelten Buchführung (Doppik) auf die Buchführungspflicht einzelner BgA verweise ich auf das (BStBl 2013 I, 59.

3. Buchführungspflicht nach § 141 AO

Erfüllt die Tätigkeit einer als BgA zu beurteilenden Einrichtung die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, Tätigkeit weder im Sinne von § 13 noch von § 18 EStG) und überschreitet die Einrichtung die Umsatz- oder die Gewinngrenze des § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 4 AO (bis 2016: mehr als 500.000 € Umsatz im Kalenderjahr – Kj – bzw. mehr als 50.000 € Gewinn im Wirtschaftsjahr – Wj –; ab 2017: mehr als 600.000 € Umsatz im Kj bzw. mehr als 60.000 € Gewinn im Wj), ist der Träger der Einrichtung verpflichtet, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen. Die Buchführungsverpflichtung ist vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat (§ 141 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Gewinn ist dann durch Bestandsvergleich gem. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln.

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Fundstelle(n):
KAAAG-37604