BFH Beschluss v. - IV B 27/00IV B 28/00

Gründe

I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rentner und erzielte nach den Feststellungen des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen B (FA B) in den Jahren 1991 bis 1993 (Streitjahre) Einkünfte als Berater ehemaliger landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Danach hatte der Kläger in den Steitjahren mindestens folgende Einnahmen:

1991 237 693 DM

1992 131 548 DM

1993 77 047 DM.

Das FA B leitete 1995 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren u.a. wegen Verdachts der Steuerhinterziehung für die Jahre 1990 bis 1993 gegen den Kläger ein und führte umfangreiche Ermittlungen einschließlich einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume durch.

Der Beklagte (das Finanzamt —FA—) kürzte die für die Streitjahre festgestellten Einnahmen um die Umsatzsteuer und einen pauschalen Betriebsausgaben-Abzug von 30 %. Auf dieser Grundlage ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerfestsetzungen. Über beide Verfahren hat das FG noch nicht entschieden. Zugleich beantragte der Kläger für beide Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH). Nachdem zunächst vorgetragen worden war, die im Fahndungsbericht genannten Beträge wären bei der A-GmbH oder bei der B-GmbH steuerlich zu erfassen gewesen, das FA B habe aber auf die Strohmanneigenschaft dieser Firmen hingewiesen, legte der Kläger im März 1999 neu erstellte Gewinnermittlungen mit den folgenden Ergebnissen für die Streitjahre vor:

1991 ./. 57 231 DM

1992 ./. 7 498 DM

1993 37 981 DM.

Durch Beschlüsse vom wies das FG die Anträge des Klägers auf PKH für das Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1991 bis 1993 und das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide als unbegründet zurück, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheine. Dabei könne dahinstehen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, denn die Mutwilligkeit der Klageerhebung ergebe sich aus dem Umstand, dass der Kläger unzutreffende Steuererklärungen abgegeben und damit steuerstrafrechtliche Ermittlungen veranlasst habe, dass er sich im Einspruchsverfahren nicht konkret geäußert und dass er die Klagebegründung nur sehr allgemein gehalten habe. Dahinstehen könne ferner, ob der Kläger noch weit höhere Einnahmen erzielt habe und ob die Strohmanneigenschaft der genannten Firmen zu bejahen sei. Die Mutwilligkeit der Klageerhebung folge im finanzgerichtlichen Verfahren bereits daraus, dass der Kläger das kostenfreie außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nicht genutzt habe, auf die Schätzungen einzugehen. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach allein die Verletzung vorprozessualer Mitwirkungspflichten den Vorwurf mutwilliger Klageerhebung nicht begründen könne (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 114/86, BFH/NV 1988, 804; vom X B 53/89, BFH/NV 1990, 260, und vom VII B 63/92, BFH/NV 1994, 336), sei nicht zu folgen (gl.A. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1989, 646, rkr., und Beschluss desselben , EFG 1999, 988; Beschlüsse des , EFG 1986, 413, des , EFG 1986, 303, und des , EFG 1982, 478; auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 142 FGO Tz. 10, und Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rz. 41).

Dagegen richten sich die Beschwerden, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen vorträgt, er habe seine Bereitschaft zu konstruktiver Mitwirkung in einem Gespräch mit dem Amtsleiter des FA bekundet. Seine Bereitschaft zu konstruktiver Mitwirkung sei jedoch durch das Eingreifen der Steuerfahndung des FA B beendet worden. Ihm sei kein rechtliches Gehör zu den Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndung gewährt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Verfahren auf Gewährung von PKH wegen Einkommensteuer 1991 bis 1993 und Aussetzung der Vollziehung dieser Einkommensteuerbescheide zu verbinden und den Anträgen auf PKH stattzugeben.

Das FA beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Es führt aus, die Anträge des Klägers auf Gewährung von PKH seien abzulehnen, weil der Kläger in der Hauptsache keinen Erfolg haben könne. Die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993 sei unzulässig, weil der Kläger innerhalb der Klagefrist keine ladungsfähige Anschrift angegeben habe, sondern nur über seinen Zustellungsbevollmächtigten erreichbar gewesen sei.

II. 1. Der Senat hält es für sachgerecht, die Verfahren über die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf PKH für die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993 (IV B 27/00) und für das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide (IV B 28/00) zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden (§ 128 Abs. 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Mangels einer entsprechenden Zuständigkeit des erkennenden Senats scheidet eine weitergehende Verbindung mit den die Umsatzsteuer 1991 bis 1993 betreffenden Verfahren aus (vgl. dazu den Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 2000, BStBl II 2000, 107). Auf den Beschluss des V. Senats des und V B 37/00 wird verwiesen.

2. Die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf Bewilligung von PKH (§ 128 Abs. 1 FGO) für die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 und für das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide sind unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach der für das PKH-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung (vgl. , BFH/NV 1993, 262) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung —ZPO—).

Dabei kann dahinstehen, ob Klage und Aussetzungsbegehren schon deswegen unzulässig sind, weil der Kläger innerhalb der Klagefrist nur die Adresse seines Zustellungsbevollmächtigten, aber keine eigene ladungsfähige Anschrift angegeben und damit möglicherweise die Anforderungen des § 65 Abs. 1 FGO nicht erfüllt hat (vgl. dazu , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1999, 2608).

Jedenfalls sprechen derzeit kaum Gründe für eine Erfolgsaussicht der Klage oder des Aussetzungsbegehrens. Dabei ist der Senat nicht darauf beschränkt, allein die vom FG bejahte Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu überprüfen, denn im Beschwerdeverfahren entscheidet der BFH als Tatsachengericht (, BFH/NV 2000, 56, m.w.N.; s. auch Senatsbeschluss vom IV B 83/99, BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298). Der Senat kann als Beschwerdegericht unabhängig von der vom FG vertretenen Würdigung entscheiden (, BFH/NV 1999, 378). Er kann für die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache wegen des im PKH-Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (, BFH/NV 1997, 433) neues tatsächliches Vorbringen heranziehen und außer der Darstellung des Streitverhältnisses und der Angabe von Beweismitteln durch den Antragsteller (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) auch den übrigen Akteninhalt und präsente Beweismittel (vgl. , BFH/NV 1996, 375) heranziehen. Nach Würdigung dieser Grundlagen hält es der erkennende Senat nicht für wahrscheinlich, dass die angefochtenen Steuerfestsetzungen rechtswidrig sind.

Der Kläger hat durch seine Erklärungen während des Klageverfahrens selbst eingeräumt, dass er in den Streitjahren eine selbständige Beratungstätigkeit ausgeübt hat. Seine Einnahmen aus dieser Tätigkeit hat er nicht umfassend erklärt. Die von ihm während des Klageverfahrens —mehr als 2 Jahre nach Klageerhebung— vorgelegten Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nach seinem eigenen Bekunden unvollständig, weil ihm die Unterlagen der B-GmbH ebenso wie die Abschlussbuchungen der A-GmbH nicht vorgelegen haben und sich daraus noch ein ”Änderungsbedarf” bei den vorgelegten Einnahmeüberschussrechnungen ergeben könnte. Diese aus wenigen Positionen zusammengestellten Gewinnermittlungen sind kaum geeignet, die detaillierten Feststellungen der Fahndungsprüfung zu erschüttern. Durch bloßes in Frage stellen der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen (vgl. , BFH/NV 2000, 205) und durch pauschale Behauptungen ohne nähere Konkretisierung genügt der Kläger aber seiner Mitwirkungspflicht insoweit nicht (vgl. z.B. , BFH/NV 1997, 435).

Dem FG ist im Ergebnis auch darin zuzustimmen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig ist. Denn mutwillig i.S. von § 114 ZPO handelt ein Beteiligter schon dann, wenn ein nicht Hilfsbedürftiger seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der verfolgte Zweck auf einfachere, billigere Weise erreicht werden könnte (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 1988, 804, und vom IV B 105/95, BFH/NV 1997, 58, jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FG wird dabei allerdings allein auf innerprozessuales Verhalten abgestellt, d.h. auf die Situation, in der sich der Rechtsuchende im Zeitpunkt der Klageerhebung befindet (Senatsbeschluss in BFH/NV 1988, 804). Für die Berücksichtigung zurückliegender Umstände, die zu dieser Situation geführt haben, ist dabei grundsätzlich kein Raum (, BFH/NV 1995, 429). Deshalb reicht für die Versagung der PKH regelmäßig nicht aus, dass ein Kläger im Steuerfestsetzungsverfahren seine Mitwirkungspflicht gegenüber dem FA nicht erfüllt und die notwendigen Belege und Unterlagen diesem nicht eingereicht hat (Senatsbeschluss in BFH/NV 1988, 804). Ob das auch gilt, wenn er im Steuerfestsetzungsverfahren sich dieser Pflicht hartnäckig verweigert (so , BFH/NV 1993, 324), kann hier dahinstehen.

Jedenfalls hat der Kläger —wie dargestellt— auch im Klageverfahren nur unzureichend mitgewirkt, den Sachverhalt aufzuklären. Unter diesen Umständen ist auch eine Zurückverweisung der Sachen an das FG zur weiteren Aufklärung der Erfolgsaussicht (§§ 132, 155 FGO i.V.m. §§ 538 bis 540 ZPO analog) nicht geboten.

Fundstelle(n):
XAAAA-65619