OFD Magdeburg - S 7227-13-St 243

Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG i. V. m. Nr. 52 Buchst. b der Anlage 2 zum UStG auf Umsätze mit Gehhilfe-Rollatoren

1. Warenbeschreibung

Gehhilfen/Rollatoren bestehen im Allgemeinen aus einem röhrenförmigen Metallrahmen auf drei oder vier Rädern (von denen einige oder alle drehbar sind), Griffen und Handbremsen. Sie können in der Höhe verstellbar und mit einem Sitz zwischen den Griffen sowie einem Korb zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände ausgestattet sein. Der Sitz gestattet dem Benutzer, kurze Rasten einzulegen.

Das Erzeugnis ist seiner Beschaffenheit nach als Hilfe für Personen mit Gehschwierigkeiten bestimmt. Es gestattet einer Person, sich vorwärts zu bewegen, indem sie den Gehhilfe-Rollator vor sich herschiebt, der die notwendige Stütze bietet.

2. Einreihung in den Zolltarif

Mit Urteil vom , Rs. Premis Medical, hat der EuGH entschieden, dass die Verordnung (EG) Nr. 729/2004 der Kommission vom zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur in der Fassung der am veröffentlichten Berichtigung ungültig ist, soweit zum einen durch die Berichtigung der Anwendungsbereich der ursprünglichen Verordnung auf Gehhilfe-Rollatoren erstreckt worden ist, die aus einem Aluminiumrohrrahmen auf vier Rädern, mit vorderen Drehlagerrädern, Griffen und Bremsen bestehen und ihrer Beschaffenheit nach als Hilfe für Personen mit Gehschwierigkeiten bestimmt sind, und zum anderen die Verordnung in der berichtigten Fassung diese Gehhilfe-Rollatoren in die Unterposition 8716 80 00 der Kombinierten Nomenklatur einreiht. Nach Rz. 56 des Urteils sind Gehhilfe-Rollatoren in die Position 9021 (ermäßigter Steuersatz) einzureihen.

Die EuGH-Entscheidung ist in allen offenen Fällen anzuwenden ( BStBl. 2011 I S. 824 ). Bisher anders lautende Verwaltungsauffassungen – insbesondere Tzn. 160 Nr. 10 und 162 Nr. 2 Buchst. s des BStBl. 2004 I S. 638  – sind nicht mehr anzuwenden.

Für vor dem ausgeführte Umsätze mit Gehhilfe-Rollatoren wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn sich der leistende Unternehmer auf die entgegenstehenden Regelungen des , BStBl. 2004 I S. 638, beruft und den Umsatz dem allgemeinen Steuersatz unterwirft.

3. Überlassung von Rollatoren gegen Zahlung einer Fallpauschale

Vereinbaren Unternehmer mit Krankenkassen, deren Versicherten im Bedarfsfall einen Rollator zu überlassen, erhalten sie eine vertraglich festgelegte Fallpauschale. Die Fallpauschale deckt neben der Gebrauchsüberlassung eine im Bedarfsfall notwendige Reparatur oder Ersatzgestellung innerhalb des Mietzeitraums und die Rückholung bei Entfall der medizinischen Notwendigkeit oder am Ende des Überlassungszeitraums ab.

Da mit der Reparatur bzw. der Ersatzgestellung des Rollators der Vermieter seine Pflichten, die sich kraft Gesetzes aus dem abgeschlossenen Mietvertrag ergeben, erfüllt, handelt es sich um Nebenleistungen, die in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht das Schicksal der Hauptleistung ’Gebrauchsüberlassung’ teilen.

Demzufolge unterliegen sowohl die Vermietung des Rollators als auch die gegen die Zahlung der Fallpauschale auf Grundlage von § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB erbrachten weiteren Leistungen (insbesondere Reparatur bzw. Ersatzgestellung) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.

4. Rückerstattung des ursprünglich zu viel ausgewiesenen Steuerbetrages an den Rechnungsempfänger

Die AOK Sachsen-Anhalt hat aufgrund des Premis Medical (siehe dazu auch BStBl. 2011 I S. 824 ), ihre Vertragspartner, von denen sie in der Vergangenheit Gehilfe-Rollatoren erworben hat, aufgefordert, eine Rückerstattung des Differenzbetrages zwischen dem in Rechnung gestellten Regelsteuersatz und dem ermäßigte Umsatzsteuersatz vorzunehmen. Mit dem Schreiben haben betroffene Unternehmer eine Aufstellung über ihre in den Kalenderjahren 2007 bis 2011 durchgeführten Rollatorenlieferungen erhalten, in der u. a. der Rückforderungsbetrag pro Kunde aufgeführt ist.

Eine wirksame Rechnungskorrektur setzt voraus, dass der leistende Unternehmer diese durch Übersendung eines schriftlichen Dokumentes an den Leistungsempfänger (= Rechnungsempfänger) dokumentiert. Die Finanzverwaltung akzeptiert, wenn der leistende Unternehmer der AOK Rechnungskorrekturlisten übersendet und in dem zugehörigen Übersendungsschreiben deutlich macht, dass hiermit die in der Anlage aufgeführten Rechnungen, in denen für die Lieferungen von Rollatoren der Regelsteuersatz in Rechnung gestellt worden ist, korrigiert werden.

Um einen eindeutigen Bezug zu der jeweiligen Rechnung und – da mit den jeweiligen Rechnungen unterschiedliche Leistungen abgerechnet wurden – auch zu der jeweiligen Rechnungsposition herzustellen, sollten die Rechnungskorrekturlisten folgende Angaben enthalten:


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KVNR
 
Name, Vorname
 
Leistungsdatum
 
Rechnungsnummer
 
Entgelt
z. B. 90,00 €
USt (7 %)
6,30 €
Gesamt (Einzelpreis neu)
96,30 €
Einzelpreis bisher
107,10 €
Rückerstattungsbetrag
10,80 €

Die Spalten ’Einzelpreis bisher’ und ’Rückerstattungsbetrag’ sind für eine wirksame Rechnungskorrektur entbehrlich. Sie erleichtern aber die Ermittlung des zu erstattenden Betrages.

Die Umsatzsteuer-Referatsleiter des Bundes und der Länder haben auf der Sitzung USt I/12 beschlossen, dass eine Berichtigung der Rechnungen auch dann möglich ist, wenn die jeweilige Umsatzsteuerfestsetzung für das betreffende Jahr bereits bestandskräftig ist. Es können also auch Rechnungen für in 2007 ausgeführte Leistungen berichtigt werden, wenn die Umsatzsteuerfestsetzung bestandskräftig ist.

OFD Magdeburg v. - S 7227-13-St 243

Fundstelle(n):
UR 2012 S. 415 Nr. 10
BAAAF-87552