BGH Beschluss v. - 1 StR 662/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und in der Sache den erweiterten Wertersatzverfall des in seinem Eigentum stehenden Motorrollers angeordnet.

2Sein auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

31. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat eine georgische Tätergruppierung, zu der auch der Angeklagte gehörte, in wechselnder personeller Zusammensetzung zahlreiche Einbrüche in Tankstellen begangen und Tabakwaren und Bargeld entwendet. Die Angehörigen der Gruppierung bestritten mit dem Erlös aus dem Verkauf der Tabakwaren, dem erbeuteten Bargeld und den ihnen als Asylbewerbern gewährten staatlichen Leistungen ihren Lebensunterhalt. Dem Angeklagten konnte lediglich eine Beteiligung an fünf Einbrüchen nachgewiesen werden. Bei diesen wurden insgesamt 675 € und Tabakwaren im Wert von über 33.522 € erbeutet. Die Höhe des Erlöses aus dem Verkauf der Tabakwaren und dessen konkrete Verteilung einschließlich des erbeuteten Bargelds unter den Tatbeteiligten sind nicht bekannt.

4Nach Überzeugung des Landgerichts hat der Angeklagte das Eigentum an dem Motorroller im Wert von 2.790 € mit Geldern deliktischer Herkunft erworben. Er bezog als Asylbewerber nur geringfügige staatliche Leistungen und hatte auch keine sonstigen legalen Einkünfte, so dass der Kaufpreis nur aus erbeutetem Geld und aus dem Verkaufserlös der Tabakwaren bestritten werden konnte. Da nicht festzustellen war, aus welchen der von der Gruppierung begangenen Taten das für die Anschaffung benötigte Geld stammte, hat das Landgericht, abweichend vom Tenor in der Sache, den erweiterten Wertersatzverfall des Motorrollers gemäß § 73d StGB angeordnet und ausgeführt, für die Annahme einer unbilligen Härte sei kein Raum.

52. Die Anordnung des (erweiterten) Verfalls des Motorrollers hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

6a) Bei der Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein (vgl. , NStZ-RR 2010, 255). Dem Verfall unterliegt dabei das, was unmittelbar für die oder aus der abgeurteilten Tat erlangt worden ist. Soweit ein Zugriff auf das unmittelbar Erlangte nicht (mehr) möglich ist und von einem Verfall eines Ersatzgegenstandes gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen wird, ist nach § 73a Satz 1 StGB der Verfall eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall).

7Findet der erweiterte Verfall Anwendung, erstreckt sich der Verfall auf Vermögensgegenstände des Angeklagten, die unmittelbar für oder aus rechtswidrigen Taten erlangt worden sind, ohne dass diese Taten im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. , BGHSt 40, 371, 373). Als Verfallsgegenstände erfasst werden alle im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB aus rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände oder deren Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB, die bei Begehung der den erweiterten Verfall eröffnenden Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Strafrechtsänderungsgesetz - Erweiterter Verfall -, BT-Drucks. 11/6623 S. 8; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 226/04, StraFo 2004, 394; vom - 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422, 423; Urteil vom - 3 StR 541/00, BGHR StGB § 73d Gegenstände 4).

8Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Anknüpfungstat ganz oder teilweise unmöglich geworden, ist nach § 73d Abs. 2 StGB in entsprechender Anwendung des § 73a StGB auf Wertersatzverfall in Höhe des Wertes des ursprünglich dem erweiterten Verfall unterliegenden Gegenstandes zu erkennen (vgl. , aaO).

9Im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach § 73 StGB ist der erweiterte Verfall gemäß § 73d Abs. 1 StGB subsidiär. Die Anordnung des § 73d StGB setzt daher voraus, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden kann, dass die aus oder für rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände aus solchen Taten herrühren, die Gegenstand der Verurteilung sind (vgl. , BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3 [Gründe]; Beschluss vom - 4 StR 76/12, NStZRR 2012, 312 f.).

10b) Bei dem Motorroller handelte es sich um einen Gegenstand, den der Angeklagte als Surrogat im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB erworben hat. Hierzu zählen auch solche Gegenstände, die der Täter unter Verwendung (deliktisch) erlangter Geldbeträge angeschafft hat (, NStZ-RR 2016, 83 f. mwN). Sollte das erbeutete Bargeld bzw. der Verkaufserlös mit den staatlichen Unterstützungsleistungen vermischt worden sein, wären die Voraussetzungen des § 73a Satz 2 StGB (Verfall von Wertersatz) gegeben.

11Das Landgericht ist daher in den Urteilsgründen zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Verfalls nach § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB vorliegen, weil der Angeklagte den Motorroller mit dem durch den Verkauf der erbeuteten Tabakwaren erzielten Erlös oder möglicherweise mit erbeutetem Bargeld bezahlt hat.

12c) Nach den Feststellungen blieb indes die Möglichkeit offen, dass das Bargeld bzw. der Verkaufserlös nicht, nicht vollständig oder überhaupt nicht aus den abgeurteilten Taten stammten, da die konkrete Verteilung der Beute unter den Tatbeteiligten nicht bekannt ist und die Gruppierung noch weitere Einbrüche begangen hatte. Daher waren die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls nach §§ 73 Abs. 2 Satz 2, 73d Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben (vgl. Rn. 6 und 7 mwN).

13d) § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB musste das Landgericht nicht erörtern, da der erlangte Motorroller noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist.

14e) Für eine nähere Erörterung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, der eine Anordnung des Verfalls ausschließt, soweit er für den Betroffenen eine "unbillige Härte" wäre, bestand aus denselben Gründen keine Veranlassung.

15f) Aufzuheben ist die Verfallsanordnung allein deshalb, weil ihr Ansprüche von Verletzten entgegenstehen, das Landgericht aber keine Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen hat.

16Da das Landgericht das ihm für Ausnahmefälle eingeräumte Ermessen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BT-Drucks. 16/700, S. 16; Johann in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 111i Rn. 17; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) rechtsfehlerhaft nicht ausgeübt hat, war die Entscheidung insoweit aufzuheben (); die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben. Die vom Generalbundesanwalt angeregte eigene Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1 StPO war deshalb nicht angezeigt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
OAAAF-73921