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Online-Nachricht - Mittwoch, 29.04.2015

Differenzkindergeld | Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen (BFH)

Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist nach dem dahin auszulegen, dass diese Vorschrift dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften ein Ruhen des Anspruchs auf Familienleistungen vorzusehen, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist. § 65 EStG in unionsrechtskonformer Auslegung erfüllt die Voraussetzungen für die in Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorgesehene Ermächtigung (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird kein Kindergeld für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind.
Sachverhalt: Die Klägerin, Mutter des S, ist deutsche Staatsangehörige und arbeitet in Deutschland. Ihr Mann - Vater des S - ist Belgier. Er arbeitete seit November 2006 bei einer belgischen Zeitarbeitsfirma. Die Familie lebte zunächst in Deutschland, zog im Juni 2006 nach Belgien um und hat seitdem dort ihren Wohnsitz. Für S bezog die Klägerin fortlaufend in Deutschland Kindergeld. Ihr Ehemann hatte in Belgien kein Kindergeld beantragt und deswegen auch kein Kindergeld erhalten. Als die Familienkasse vom Umzug der Familie nach Belgien erfuhr, hob sie die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab Juli 2006 auf und forderte den über das Differenzkindergeld hinausgehenden Betrag zurück. Dass die in Belgien vorgesehenen Familienleistungen nicht beantragt worden seien, sei nach Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 unschädlich. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Nachdem der BFH das vorliegende Verfahren bis zur Beantwortung seiner Vorlagefragen an den EuGH zunächst ausgesetzt hatte (Vorlagebeschluss v. - NWB HAAAE-25892; Entscheidung des EuGH: Urteil v. - NWB RAAAE-81138), wies der BFH die Klage nun ab.
Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Ein über das Differenzkindergeld hinausgehender Anspruch der Klägerin ist gemäß Art. 76 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VO Nr. 1408/71 i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.

  • Nach dem o.g. NWB RAAAE-81138 ist Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er es dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist.

  • Zum Ruhenlassen ist der zuständige Träger, falls der Beschäftigungsmitgliedstaat ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf Familienleistungen vorsieht, auch verpflichtet, ein Ermessen besteht insoweit nicht.

  • § 65 EStG ist Ermächtigungsvorschrift für das Ruhenlassen, die Vorschrift erfüllt die in Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 vorgesehenen Voraussetzungen.

  • Die Vorschrift ist nach der EuGH-Rechtsprechung lediglich insoweit unionsrechtswidrig, als sie zum Ausschluss des Kindergeldanspruchs und nicht zu einer Kürzung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung führt (EuGH, Hudzinski und Wawrzyniak, NWB DAAAE-13933).

Quelle: NWB Datenbank
 

Fundstelle(n):
XAAAF-47019