BAG Urteil v. - 1 AZR 853/13

Betriebsvereinbarung - Altersgrenze - Beendigungstermin

Leitsatz

Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres endet, sind nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters erfolgen soll.

Gesetze: § 75 Abs 1 BetrVG, § 77 Abs 3 BetrVG, § 77 Abs 4 BetrVG, § 14 Abs 1 S 1 TzBfG, § 17 S 1 TzBfG, § 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 3 Nr 5 AGG, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000

Instanzenzug: Az: 4 Ca 10452/12 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 7 Sa 83/13 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2Der am geborene Kläger war seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 20./ heißt es:

3In der bei der Beklagten als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen „Arbeits- und Sozialordnung“ (ASO) war zu diesem Zeitpunkt bestimmt:

4Die ASO wurde zum teilweise neu gefasst. Nr. 14.1 Buchst. c ASO blieb jedoch unverändert. Nach einer am zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Änderung der Altersgrenzenregelung wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats beendet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf.

5Mit Schreiben vom äußerte der Kläger gegenüber der Beklagten den Wunsch, nach Vollendung des 65. Lebensjahres seine Berufstätigkeit fortzusetzen. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die nach der ASO eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Kläger erhält seit Juli 2012 eine gesetzliche Rente sowie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten.

6Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch die in der ASO enthaltene Altersgrenzenregelung geendet. Diese sei nach § 41 Satz 2 SGB VI sowie wegen einer nach dem AGG unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters unwirksam. Sein Arbeitsvertrag sehe keine auf das Erreichen der Regelaltersgrenze bezogene Befristung vor. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache der in der ASO enthaltenen Altersgrenzenregelung vor. Wie andere Arbeitnehmer habe auch er nach Erreichen der Altersgrenze weiterbeschäftigt werden müssen. Die darauf gerichtete Weigerung der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Diese habe seine Bewerbung nicht wegen seines Lebensalters ablehnen dürfen.

7Der Kläger hat beantragt

8Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Gründe

10Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des geendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

11I. Die Klage ist zulässig. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich trotz des Antragswortlauts ausschließlich um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Berücksichtigung der Klagebegründung. Die Parteien streiten ausschließlich über die Wirksamkeit der Befristung zum . Andere Beendigungstatbestände sind nicht im Streit. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dem letzten Halbsatz des Klageantrags keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage beizumessen ist. Der zu 2. erhobene Beschäftigungsantrag ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt. Einen Antrag auf Vertragsfortsetzung oder Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses macht der Kläger nicht geltend.

12II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des geendet. Die dort normierte Altersgrenze ist wirksam. Eine für den Kläger günstigere Vereinbarung über die Dauer seines Arbeitsverhältnisses besteht nicht. Die weiteren von ihm geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum liegen nicht vor.

131. Betriebsvereinbarungen können eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze bestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenzen in freiwilligen Betriebsvereinbarungen von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst (grundlegend BAG GS - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211), müssen aber die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beachten und mit höherrangigem Recht vereinbar sein (§ 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das ist im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar ( - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

14a) Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen müssen die Betriebsparteien die Bestimmungen des TzBfG beachten (vgl.  - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ( - Rn. 27).

15Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in einer Betriebsvereinbarung die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dessen Interessen überwiegen das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, wenn dieser durch den Bezug einer Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung die Möglichkeit eines dauerhaften Bezugs von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig ( - Rn. 30).

16b) Der in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Regelrentenalters steht auch das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG nicht entgegen. Eine solche Befristung des Arbeitsverhältnisses führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters, die aber - abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung - nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein kann.

17aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. Die Vorschrift enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig ( - Rn. 14).

18bb) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Altersgrenzenvereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) ergebenden Vorgaben in nationales Recht umgesetzt (BT-Drs. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27).

19cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht ( - [Rosenbladt] Rn. 51, Slg. 2010, I-9391). Der Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (vgl.  - [Hörnfeldt] Rn. 29). Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, sei seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruhe auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betreffe die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer ( - [Rosenbladt] Rn. 44 f., aaO).

20dd) Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen. Die Betriebsparteien können daher mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen ( - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl.  - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht ( - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

212. Nach diesen Grundsätzen hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des geendet. Die dort enthaltene Altersgrenzenregelung ist nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Grundsätzen dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Kalendermonats eintritt, in dem der Arbeitnehmer das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderliche Lebensjahr vollendet hat und eine solche beanspruchen kann.

22a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt ( - Rn. 26).

23b) Bereits der Wortlaut legt ein Verständnis nahe, wonach das in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebensjahres“ auf das Erreichen des jeweils zum Bezug einer Regelaltersrente erforderlichen Lebensalters abstellt. Das Regelrentenalter wurde seit dem - und daher auch bei dem erstmaligen Abschluss der ASO bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten - von den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschäftigten mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Dies spricht dafür, die Aufnahme der auf diesen Zeitpunkt abstellenden Voraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Nr. 14.1 Buchst. c ASO als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen, in dem der Mitarbeiter nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Regelaltersrente berechtigt ist.

24c) Das auf das jeweilige Regelrentenalter bezogene Auslegungsergebnis gibt auch das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung vor.

25aa) In einer Betriebsvereinbarung enthaltene allgemeine Altersgrenzen sind nur sachlich gerechtfertigt iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, wenn der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den Bezug der Regelaltersrente hat. Nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erreichen nur noch Versicherte, die vor dem geboren sind, die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für die nach diesem Zeitpunkt geborenen Beschäftigten erhöht sich das Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente entsprechend der Regelung in § 235 Abs. 2 Satz 2, § 35 Satz 2 SGB VI bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres. Auf das 65. Lebensjahr bezogene Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen sind daher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst zu einem Zeitpunkt enden soll, ab dem der Arbeitnehmer eine Regelaltersrente beanspruchen kann. Nur so wird dem Willen der Betriebsparteien Rechnung getragen, die im Zweifel Vereinbarungen treffen wollen, die nicht im Widerspruch zu dem von ihnen nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beachtenden höherrangigen Recht stehen. Für ein gegenteiliges Verständnis müssen vielmehr eindeutige Anhaltspunkte bestehen.

26bb) Daran fehlt es vorliegend. Zwar haben es die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat bis zu der am vereinbarten Änderung der ASO unterlassen, die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO an die durch das am in Kraft getretene Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom (BGBl. I S. 554) angehobenen Altersgrenzen anzupassen. Dies allein vermag aber ein abweichendes Verständnis der Regelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO nicht zu begründen. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat keinen Vortrag gehalten, dass die zum vorgenommenen Änderungen der ASO im Zusammenhang mit der Anhebung der Altersgrenzen erfolgt sind. Allein die Beibehaltung von deren Nr. 14.1 Buchst. c lässt nicht auf einen Willen der Betriebsparteien schließen, eine Altersgrenze zu vereinbaren, die - ungeachtet des Erreichens des Regelrentenalters durch den Arbeitnehmer - auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt. Hiermit hätten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur den rentenversicherungsrechtlichen Änderungen verschlossen, sondern auch mit Wirksamwerden der Anhebung des Regelrentenalters die Unwirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO normierten Regelung für die nach dem geborenen Arbeitnehmer herbeigeführt.

273. In der vorgenannten Auslegung steht die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO in Einklang mit nationalem und dem Recht der Europäischen Union.

28a) Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vor.

29aa) Nach dieser Vorschrift können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen ( - Rn. 19).

30bb) Die für die Betriebe der Beklagten einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie sehen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenze nicht vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch die Tarifüblichkeit verneint. Für diese ist ohne Bedeutung, ob in anderen Tarifbereichen Altersgrenzen tariflich normiert sind.

31b) Das Landesarbeitsgericht hat die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO zu Recht keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegen Betriebsvereinbarungen keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB ( - Rn. 34, BAGE 142, 294). Ohne Bedeutung ist, ob in ihnen Angelegenheiten der erzwingbaren oder freiwilligen Mitbestimmung ausgestaltet werden. In § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB werden Betriebsvereinbarungen unabhängig von ihrem Regelungsgegenstand von der Inhaltskontrolle ausgenommen.

32c) Die Altersgrenze genügt den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Sie sieht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats vor, in dem der Arbeitnehmer den Bezug einer gesetzlichen Altersrente beanspruchen kann. Die für den befristungsrechtlichen Sachgrund erforderliche rentenrechtliche Anbindung liegt vor.

33d) Die durch Nr. 14.1 Buchst. c ASO bewirkte, auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der regelrentenbezugsberechtigten Arbeitnehmer ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

34aa) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit der seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Jahr 1984 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin geltenden Altersgrenze eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG.

35bb) Die in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG.

36Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. In der von der ASO erfassten betrieblichen Einheit bestand seit langer Zeit eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze. Die durch diese bewirkte Beendigung der Arbeitsverhältnisse führt nicht zu einer Zwangspensionierung der von ihr erfassten Arbeitnehmer. Die Altersgrenze enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

37cc) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

38Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als geklärt anzusehen. Dies hat der Senat in seiner vom Landesarbeitsarbeitsgericht in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung vom (- 1 AZR 417/12 - Rn. 52) ausführlich begründet, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

394. Auch die weiteren, vom Kläger gem. § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

40a) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die in der ASO normierte Altersgrenze nicht gegen § 41 Satz 2 SGB VI idF des zum in Kraft getretenen Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom . Die in der Vorschrift bestimmte Fiktion über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses betrifft nur einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen vor Vollendung des Regelrentenalters ( - zu B II 3 der Gründe, BAGE 75, 166).

41b) Unerheblich ist auch, ob anderen Personen nach Erreichen des Regelrentenalters die Begründung eines Vertragsverhältnisses angeboten wurde und sich diese Auswahlentscheidung am Gleichbehandlungsgrundsatz zu orientieren hatte. Ein solches Verhalten wäre nicht geeignet, die Wirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltenen Befristung in Frage zu stellen. Diese hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG objektiv vorlagen (vgl.  - Rn. 11, BAGE 127, 239). Dies ist hier der Fall.

42c) Ebenso führte eine mögliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bei einer entsprechenden Bewerbung erneut den Abschluss eines Arbeitsvertrags anzubieten, weder zur Unwirksamkeit der Befristung noch begründete eine solche Rechtspflicht einen gegenüber dieser aus § 242 BGB herzuleitenden Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ( - Rn. 41). Zudem ist ein hierauf gestützter Vertragsfortsetzungsanspruch nicht Gegenstand der Klage, was der Kläger noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich klargestellt hat.

435. Die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt. Nr. 2 des Arbeitsvertrags vom 20./ enthält zwar keine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung. Es bedarf aber keiner vertiefenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Parteien damit eine für den Kläger gegenüber der ASO günstigere Vereinbarung getroffen haben (dazu  - Rn. 57). In Nr. 5 des Arbeitsvertrags ist ausdrücklich ein Vorrang der in der ASO enthaltenen Regelungen vor den vertraglichen Abreden vereinbart worden.

446. Der im Jahr 1947 geborene Kläger vollendete am das 65. Lebensjahr. Nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO iVm. der Übergangsregelung in § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI endete sein Arbeitsverhältnis am .

45III. Da sich danach der Antrag zu 1. als unbegründet erweist, fällt der nur für den Fall des Obsiegens erhobene Weiterbeschäftigungsantrag dem Senat nicht zur Entscheidung an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:131015.U.1AZR853.13.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 254 Nr. 4
BB 2016 S. 52 Nr. 1
DB 2015 S. 6 Nr. 51
DB 2016 S. 240 Nr. 4
NJW 2016 S. 271 Nr. 4
NJW 2016 S. 8 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2016 S. 917
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2016 S. 542
ZIP 2016 S. 36 Nr. 1
XAAAF-18225