Online-Nachricht - Donnerstag, 31.03.2011

Einkommensteuer | Widerlegung des Anscheinsbeweises einer Privatnutzung (FG)

Das Hessische Finanzgericht hatte darüber zu entscheiden, ob das Finanzamt hinsichtlich eines betrieblichen Pkws zu Recht eine teilweise Privatnutzung angenommen und diese nach der sog. 1%-Regelung der Einkommensbesteuerung unterworfen hat ().


Sachverhalt: Die Ehefrau war als leitende Angestellte tätig. Der Ehemann erzielte in geringem Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für seine gewerbliche Tätigkeit schaffte er einen Pkw Citroën Berlingo an. Die Versteuerung der privaten Nutzung erfolgte zunächst nach der 1%-Regelung. Nachdem die Ehefrau von ihrem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekam, zeigte sie dem Finanzamt an, dass der Berlingo nun nicht mehr für Privatfahrten genutzt werde. Ausweislich der Nutzungsbedingungen des Arbeitgebers durfte der Dienstwagen auch vom Ehepartner privat genutzt werden. Die Kraftfahrzeugkosten, einschließlich Kraftstoff, trug der Arbeitgeber. Bei dem zur Verfügung gestellten Fahrzeug handelte es sich um einen Pkw BMW 530 DEA. Neben dem Citroën Berlingo und dem Dienstwagen verfügten die Eheleute im Streitjahr auch über einen Kraftroller sowie über einen BMW Z 3 3.0, der in der Zeit von April bis einschließlich Oktober zugelassen war. Das Finanzamt vertrat der Ansicht, dass der Beweis des ersten Anscheins, wonach bei betrieblichen Kraftfahrzeugen grds. auch von einer privaten Mitbenutzung auszugehen sei, im Streitfall nicht erschüttert sei.

Hierzu führte das Gericht weiter aus: Das Finanzamt ist zu Unrecht von einer privaten Mitbenutzung des Citroën Berlingo ausgegangen. Die Kläger haben den Anscheinsbeweis der Privatnutzung des Firmenfahrzeugs im Streitfall zur Überzeugung des Gerichts widerlegt. Ist die private Mitbenutzung eines betrieblichen Pkw möglich, so besteht zwar ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass eine private Mitbenutzung auch tatsächlich erfolgt. Dieser auf Erfahrungssätzen beruhende Anscheinsbeweis kann jedoch entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Der Auffassung des Finanzamts, wonach der Anscheinsbeweis nur dann erschüttert ist, wenn Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich der betriebliche Zweck jeder Fahrt sowie der Kilometerstand ergibt, schließt sich das Gericht nicht an. Faktisch würde die Aufzeichnung der vorgenannten Daten auf die Führung eines Fahrtenbuchs hinauslaufen. Das Fehlen einer Privatnutzung kann jedoch auch anders bewiesen werden.

Quelle: Hessische Finanzgericht online

Hinweis: Mit Urteil v. (Az. NWB FAAAD-47874) entschied der Lohnsteuersenat des BFH, dass die Anwendung der 1%-Regelung voraussetzt, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt. Der BFH begründet seine Ansicht damit, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Zugleich zieht der BFH aber auch eine Grenze für diese allgemeine Lebenserfahrung und damit für den Anscheinsbeweis selbst. Denn er stellt fest, dass es keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers stets Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen oder dass Arbeitnehmer Dienstwagen unbefugt privat nutzen (vgl. hierzu ausführlich Schneider, 1-%-Regelung und Anscheinsbeweis bei privater Dienstwagennutzung, NWB DAAAD-52262). 

 

Fundstelle(n):
NWB WAAAF-16893