Verfahrensrecht | Kein erneuter Einspruch nach (Teil)Einspruchsentscheidung möglich (BFH)
Erlässt das Finanzamt vor Ablauf der Einspruchsfrist eine (Teil)Einspruchsentscheidung, ist ein nochmaliger Einspruch gegen die Steuerfestsetzung nicht statthaft, auch wenn er innerhalb der noch währenden Einspruchsfrist eingelegt worden ist (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten der Einspruch statthaft. Soweit das Einspruchsverfahren durch eine wirksame Einspruchsentscheidung abgeschlossen wird, können Verwaltungsakte jedoch nur noch mit der Klage angefochten werden (§§ 40 ff. FGO); ein erneuter Einspruch gegen die Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig.
Sachverhalt: Der Kläger machte u.a. Kosten Reisekosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte nur 80% dieser Kosten. Gegen den Steuerbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Der Einspruch richtete sich zunächst (nur) gegen die Kürzung der außergewöhnlichen Belastungen um die zumutbare Eigenbelastung. Hierzu seien, so der Kläger, mehrere finanzgerichtliche Verfahren anhängig. Daraufhin erließ das Finanzamt - vor Ablauf der Einspruchsfrist - eine Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a AO). Es wies den Einspruch, soweit er nicht die Kürzung der außergewöhnlichen Belastungen betraf, als unbegründet zurück. Im Übrigen stellte es das Einspruchsverfahren ruhend. Noch innerhalb der Einspruchsfrist legten die Kläger erneut Einspruch ein, den er zunächst nicht begründete. Erst einige Zeit später reichte er eine Begründung nach und beantragte die erklärungsgemäße Berücksichtigung der Fahrtkosten. Dem Einwand des Finanzamtes, dass ein erneuter Einspruch nicht zulässig sei, hielt der Kläger entgegen, dass die Einspruchsfrist durch eine vorzeitige Teileinspruchsentscheidung nicht verkürzt werden dürfe.
Hierzu führte der BFH weiter aus:
Ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren - wie vorliegend - durch eine (wirksame) Rechtsbehelfsentscheidung abgeschlossen worden, liegen zwei Verwaltungsakte vor, der ursprüngliche Verwaltungsakt (hier: der Einkommensteuerbescheid) und die (Teil)Einspruchsentscheidung.
Verfahrensrechtlich bilden ursprünglicher Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung jedoch eine Verfahrenseinheit in der Weise, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt "in der Gestalt" (mit dem Inhalt) zu beurteilen ist, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO).
Diese verfahrensrechtliche Einheit hat zum einen zur Folge, dass die Einspruchsentscheidung - obwohl Verwaltungsakt - nicht nochmals mit dem Einspruch (§ 348 Nr. 1 AO) und in der Regel auch nicht "isoliert" angefochten werden kann.
Zum anderen entfällt wegen des "Verbundes" die Möglichkeit, den Ausgangsbescheid nach dem Ergehen einer Einspruchsentscheidung nochmals - in seiner ursprünglichen Gestalt - zum Gegenstand eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zu machen. Denn in seiner ursprünglichen Form existiert der Ausgangsbescheid verfahrensrechtlich in einem solchen Fall nicht (mehr).
§ 44 Abs. 2 FGO behandelt das zweistufige Verwaltungshandeln insoweit vielmehr als Einheit. Ein erneuter Einspruch gegen die nämliche Steuerfestsetzung nach dem Ergehen einer Einspruchsentscheidung ist deshalb ausgeschlossen, auch wenn er innerhalb der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO) eingelegt wird.
Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: Die Teileinspruchsentscheidung ist im Streitfall wirksam ergangen. Allein der Umstand, dass sie vor Ablauf der Einspruchsfrist ergangen ist, führt nicht einem schweren offenkundigen Mangel (§ 125 AO). Denn selbst wenn das Finanzamt verpflichtet sein sollte, eine Einspruchsentscheidung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist zu erlassen - was der BFH hier offen gelassen hat -, führt ein Verstoß dagegen nur zur Rechtswidrigkeit, die der Steuerpflichtige im Rahmen einer Klage geltend machen müsste. Im Streitfall bestand nach Ansicht des BFH auch kein Anlass, den nicht statthaften (nochmaligen) Einspruch als beim Finanzamt angebrachte Klage gegen die Steuerfestsetzung in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung auszulegen. Denn eine solche Auslegung des Schreibens der fachkundig vertretenen Kläger sei vorliegend nicht möglich. Schließlich lagen im Streitfall auch die Voraussetzungen für eine schlichte Änderung nicht vor (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Ein wirksamer Antrag auf "schlichte" Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen müsse auf eine bestimmte Änderung gerichtet sein und deshalb das verfolgte Änderungsbegehren innerhalb der Einspruchsfrist oder der Klagefrist seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen zu erkennen geben. Ein dergestalt bestimmbares Änderungsbegehren haben die Kläger erstmals mit der Einspruchsbegründung nach Ablauf der Frist für eine Klage vorgetragen.
Fundstelle(n):
EAAAF-12239