Prozessrecht | Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen Steuerberater (BGH)
Eine Feststellungsklage auf Ersatz künftiger Vermögensschäden gegen einen Steuerberater ist nicht schon deshalb unzulässig, weil mangels Erlasses des maßgeblichen Steuerbescheids noch keine Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht; ein Feststellungsinteresse kann sich auch daraus ergeben, dass der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist ().
Hintergrund: Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein Feststellungsinteresse hat (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsprechung bejaht ein solches bei Vermögensschäden, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann. Hat die Verjährung etwaiger Ansprüche eines Mandanten wegen fehlerhafter Beratung mit der Beendigung des Auftrags begonnen, so folgt daraus ohne weiteres ein rechtliches Interesse des Mandanten an der alsbaldigen Klärung der Haftungsfrage (zuletzt NWB ZAAAC-78763).
Sachverhalt: Die Klägerin beauftragte den beklagten Rechtsanwalt mit einer Klage gegen ihren früheren Steuerberater, dessen Verpflichtung festgestellt werden sollte, ihr jegliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch dessen Beratungsfehler entstehen würden. Die Klage wurde vom OLG als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin noch kein Schaden entstanden sei; die Frist zur Verjährung der Ansprüche gegen den früheren Steuerberater habe mangels Erlasses eines die Klägerin belastenden Steuerbescheids noch nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz der Prozesskosten in Höhe von rund 24.000 € wegen Falschberatung; diese wären nicht angefallen, hätte sie dieser über die Unzulässigkeit der Klage aufgeklärt. LG und OLG haben ihn antragsgemäß verurteilt.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Die Revision ist begründet, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Eine Feststellungsklage gegen einen anwaltlichen oder steuerlichen Berater setzt nicht stets voraus, dass die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat.
Vielmehr ist auch in diesen Fällen maßgeblich, ob eine Vermögensgefährdung, d.h. die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens, substantiiert dargelegt wurde.
Bei einer anderen Sichtweise könnten Feststellungsklagen gegen Rechts- und Steuerberater auf Feststellung von Schadensersatzforderungen ausschließlich erhoben werden, um einem eventuellen Verjährungseintritt vorzubeugen.
Mandanten von Steuerberatern hätten vor dem Erlass sie belastender Steuerbescheide keine Möglichkeit, Feststellungsklage wegen künftig zu erwartender Schäden aufgrund pflichtwidrigen Handelns ihres Beraters zu erheben.
Für eine derartige Beschränkung der Zulässigkeit von Feststellungsklagen gegen Berater spricht nichts.
Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich auch aus anderen Gründen als dem drohenden Ablauf der Verjährungsfrist ergeben.
Insoweit ist es im Rahmen der Feststellungsklage auch nicht geboten, Art, Umfang und Ausmaß des Schadens einzeln zu belegen - erforderlich und genügend ist vielmehr ein Vortrag, aus dem sich die Kenntnis von der Vermögensbeeinträchtigung und der Verursachung in ihrer wesentlichen Gestaltung ergibt (vgl. auch NWB CAAAD-08035).
Hinweis: Die Sache war nicht endentscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird noch prüfen müssen, ob für die erhobene Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse bestand. Das erforderliche Feststellungsinteresse könnte sich - so der BGH weiter - etwa aus der aufgrund der Betriebsprüfungsberichte unmittelbar bevorstehenden nachteiligen Steuerfestsetzung ergeben haben. Sollte das Berufungsgericht zur Zulässigkeit der Feststellungsklage gelangen, wird es sich weiter mit den Erfolgsaussichten einer solchen Klage und der Frage, ob dem beklagten Rechtsanwalt insoweit eine Verletzung seiner Belehrungspflichten anzulasten ist, zu befassen haben. Ferner wird es im Fall fehlender Erfolgsaussichten und eines daraus möglicherweise abzuleitenden pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten erneut zu prüfen haben, ob die Klägerin nicht ohnehin entschlossen war, die Klage zu erheben, so dass die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens vom Beklagten entkräftet ist.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Fundstelle(n):
SAAAF-12110