Online-Nachricht - Mittwoch, 24.09.2014

Verfahrensrecht | Organisationsverschulden hinsichtlich Fristversäumnis (BFH)

Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter wegen Versäumung der Einspruchsfrist auf ein Büroversehen, gehört zum schlüssigen Vortrag der Wiedereinsetzungsgründe die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist. Wird die nur versehentlich unterlassene Übermittlung eines fristwahrenden Einspruchs im Telefax-Verfahren geltend gemacht, indizieren die gleichwohl erfolgte Dokumentation eines entsprechenden Einspruchsschreibens im Postausgangsbuch wie auch die Löschung der Einspruchsfrist ohne einen die Übermittlung bestätigenden Sendebericht einen Organisationsmangel (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und zu begründen (§ 110 Abs. 2 AO).
Sachverhalt: Dem Rechtsstreit liegt ein Schätzungsbescheid vom zur Einkommensteuer für 2009 für die zusammen veranlagten Kläger zu Grunde. Gegen diesen Bescheid legte die Steuerberatungsgesellschaft (Z) der Klägerin mit Schriftsatz vom Einspruch ein, der erst am beim FA zusammen mit dem Ausdruck einer elektronisch erstellten Einkommensteuererklärung nebst Anlagen einging. Nach Hinweis des FA auf den Ablauf der Einspruchsfrist beantragte die Z mit Schreiben vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Steuererklärung sei am 11.3. fertig gestellt worden. Da eine Vollziehungsaussetzung bei Schätzungsbescheiden nur bei Abgabe der Steuererklärung erfolge, sei das gleichzeitig erstellte Einspruchsschreiben auf die Steuererklärung geheftet worden. Die ansonsten sehr zuverlässige Angestellte habe den Einspruch zuvor an das FA faxen sollen. Dies sei jedoch unterblieben, da sie offenbar die Telefaxnummer nicht sofort zur Hand gehabt habe. Auf diesen Sachverhalt sei man erst durch das Schreiben des FA aufmerksam geworden. Das FA lehnte die Wiedereinsetzung wegen schuldhafter Fristversäumnis ab, die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Kläger haben die Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO versäumt.

  • Unstreitig ist, dass der Einspruch erst später als einen Monat nach Bekanntgabe des ursprünglich angefochtenen Bescheids vom eingelegt worden ist.

  • Eine Hemmung des Fristablaufs liegt nicht etwa deswegen vor, weil eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden wäre. Denn eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht deshalb unrichtig oder unvollständig, weil sie nicht auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung auf elektronischem Weg hinweist (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. u.a. NWB NAAAE-52247 sowie v. - NWB EAAAE-65006).

  • Wird im Antrag auf Wiedereinsetzung ein reines Büroversehen geltend gemacht, gehört zum erforderlichen schlüssigen Vortrag des "Kerns" der Wiedereinsetzungsgründe (vgl. NWB XAAAA-66027) die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist. Es müssen also die Organisationsmaßnahmen vorgetragen werden, die den konkreten Fehler als Büroversehen erkennen lassen.

  • Der Vortrag der Kläger genügt diesen Anforderungen nicht, da es an substantiierten und in sich schlüssigen Ausführungen dazu fehlt, auf welche Weise die Fristen im Büro der Z überwacht wurden.

  • Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, wann, wie und von wem nach Maßgabe der Büroorganisation im Falle eines per Telefax übermittelten Schriftstücks die Absendung dokumentiert wird und ob und ggf. welche Vorgaben und Belehrungen die Berufsträger innerhalb der Z insoweit erteilt hatten.

  • Die Darstellung im Antragsverfahren bietet insbesondere keine schlüssige Erklärung dafür, dass der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Postausgangsbuch unter dem Datum des ein Einspruchsschreiben in Sachen der Kläger an das FA ausweist, wenn gerade für diesen Tag ein versehentliches Unterlassen der Telefax-Übermittlung geltend gemacht wird.

  • Daraus ist zu ersehen, dass dort - und nach Angaben der Z auch im Dokumenten-Management-System - fälschlich ein tatsächlich so nicht erfolgter Postausgang dokumentiert worden ist, was auf einen Organisationsmangel hinweist.

  • Zudem darf nach der Rechtsprechung bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks durch Telefax die betreffende Frist erst gelöscht werden, wenn ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (vgl. etwa BFH, Beschlüsse v. - NWB MAAAB-38476; v. - NWB KAAAB-24516).

  • Die Büroabläufe müssen also so organisiert sein, dass Fristversäumnisse grundsätzlich ausgeschlossen sind – und dies setzt u.a. voraus, dass der Ausgang eines Schriftstücks, das eine gesetzliche Frist wahren soll, nicht dokumentiert wird, solange die zur Absendung erforderlichen Arbeitsschritte nicht vollständig getan sind und eine Frist nicht vorher gelöscht wird. Die Gründe dafür, warum im Streitfall offensichtlich anders verfahren wurde, sind nicht erkennbar.

Quelle: NWB Datenbank

Fundstelle(n):
NWB HAAAF-11950