Online-Nachricht - Donnerstag, 26.06.2014

Umsatzsteuer | Zum Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (BFH)

Schließen die Vertragsparteien im Anschluss an die Übertragung eines selbständigen Unternehmensteils für einen ungewissen Zeitraum aus, dass der Erwerber selbst am Markt auftreten soll, stellt dies die Anwendung der Regelungen über die Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht automatisch in Frage. Im Streitfall sollte wegen ungeklärter steuerrechtlicher Fragen der Veräußerer bis auf weiteres "wie bisher" den übertragenen Geschäftsbereich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fortführen (, NV; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Nach der Rechtsprechung muss der Erwerber die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht.
Sachverhalt: Der Kläger war alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Geschäftsgegenstand war der Vertrieb und die Vermietung von Hardware und Software aller Art. Das Finanzamt erließ gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid. Der Haftungsanspruch beruhte im Wesentlichen auf der Veräußerung des Geschäftsbereichs IT-Vermietung an eine schweizerische Gesellschaft. Die Veräußerung behandelte der Kläger als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Später wurde eine Ergänzungsvereinbarung getroffen. Da rechtlich ungeklärt sei, ob die Erwerberin in Deutschland für die Vermietung Umsatzsteuer ausweisen müsse oder ob die Umsatzsteuerpflicht von deren Leistungsempfängern zu tragen sei, dürfe bis zu einer endgültigen Klärung der Veräußerer kommissarisch und stellvertretend im eigenen Namen und auf eigene Rechnung wie bisher seine Tätigkeiten ausüben. Ca. 4 Monate später nahm die Erwerberin den Geschäftsbetrieb tatsächlich auf. Finanzamt und Finanzgericht behandelten diesen Vorgang als umsatzsteuerbar. Die Vertragsparteien hätten die Übertragung des Geschäftsbereichs hier im Nachhinein „angehalten” und bis auf weiteres unter einen Vorbehalt gestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass das spätere Vorliegen einer zwischenzeitlich in Frage gestellten Fortführungsabsicht auf den Zeitpunkt der steuerpflichtigen Lieferung zurückwirken könne.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Im Streitfall liegt eine Geschäftsveräußerung vor. Aus der Ergänzungsvereinbarung ergibt sich nicht, die Geschäftsveräußerung als Unternehmensübertragung sei in dem Sinne "aufgehalten" worden, dass unklar war, ob die Erwerberin die Geschäftstätigkeit fortsetzt.

  • Die Ergänzungsvereinbarung diente vielmehr nur dazu, der Erwerberin die Möglichkeit zu verschaffen, steuerrechtliche Frage klären zu lassen. Aus diesem Grund ist die Ergänzungsvereinbarung nicht geeignet, die Beurteilung der Lieferung als Geschäftsveräußerung in Frage zu stellen.

Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: Das Finanzgericht hatte in der Vorinstanz u.a. entschieden, dass ein Geschäftsführer eine grob fahrlässige Pflichtverletzung i.S.d. § 69 AO vermeiden kann, wenn er bei der Entscheidung, ein Veräußerungsgeschäft als nicht umsatzsteuerbar zu behandeln - nach steuerlicher Beratung - mit der Vertragspartei eine Netto-Kaufpreisvereinbarung abschließt und der Gesellschaft ein zivilrechtliches Nachforderungsrecht für die Umsatzsteuer verschafft, die bei abweichender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzamt eingreifen kann ( NWB DAAAE-46985; s. hierzu NWB-Nachricht v. 16.9.2013). Dieses Urteil hatte im Ergebnis auch vor dem BFH bestand. Allerdings scheiterte eine Haftung des Klägers bereits daran, dass es sich - entgegen dem Urteil des FG - um eine Geschäftsveräußerung gehandelt hat, so dass es auf die Frage, ob der Kläger grob fahrlässig i.S. von § 69 AO gehandelt hat, nicht mehr ankam.
 

Fundstelle(n):
NWB EAAAF-11562