Online-Nachricht - Montag, 16.09.2013

Umsatzsteuer | Haftung und grobes Verschulden bei Geschäftsveräußerung im Ganzen (FG)

Das Finanzgericht Köln hat u.a. entschieden, dass ein Geschäftsführer eine grob fahrlässige Pflichtverletzung i.S.d. § 69 AO vermeiden kann, wenn er bei der Entscheidung, ein Veräußerungsgeschäft als nicht umsatzsteuerbar zu behandeln - nach steuerlicher Beratung - mit der Vertragspartei eine Netto-Kaufpreisvereinbarung abschließt und der Gesellschaft ein zivilrechtliches Nachforderungsrecht für die Umsatzsteuer verschafft, die bei abweichender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzamt eingreifen kann (; Revision anhängig).

Hintergrund: Ein gesetzlicher Vertreter einer jur. Person haftet, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden § (69 Satz 1 AO).
Sachverhalt: Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Geschäftsgegenstand der GmbH war der Vertrieb und die Vermietung von Hardware und Software aller Art. Im Streitzeitraum veräußerte er den Geschäftsbereich IT-Vermietung unter Einschluss des Kunden- und Warenbestandes an eine schweizerische Gesellschaft. Die Veräußerung behandelte der Kläger als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. In der Rechnung findet sich die Erläuterung, der Rechnungsbetrag enthalte keine Umsatzsteuer, da der Umsatz von den Vertragsparteien als nicht steuerbar betrachtet werde. Soweit sich nachträglich herausstellen sollte, dass eine Umsatzsteuerpflicht bestehe, gelte der Rechnungsbetrag als Nettobetrag und die geschuldete Umsatzsteuer könne nachgefordert werden.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) sind im Streitfall zu verneinen. Denn die Vertragsparteien hatten hier unmittelbar im Anschluss an die Übertragung vereinbart, dass der Erwerber für einen ungewissen Zeitraum selbst nicht als Vermieterin von IT-Komplettpaketen am Markt auftreten solle. Hiermit hat der Erwerber den Geschäftsbereich IT Vermietung nicht in der erforderlichen Weise fortgeführt.

  • Eine Haftung des Geschäftsführers für die unzutreffende Behandlung der Veräußerung kommt im Streitfall jedoch nicht in Betracht, da den Kläger insoweit jedenfalls kein grobes Verschulden trifft. Denn der Kläger hat durch eine vorher eingeholte rechtliche Beratung und der in der Rechnung enthaltenen „Steuerklausel“ ausreichend Vorsorge für den Fall getroffen, dass die Veräußerung des Geschäftsbereichs später zu Lasten der GmbH als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig angesehen werden könnte.

  • Ein Vertreter i.S.d. §§ 34, 69 AO handelt nach den jeweils maßgeblichen Umständen des Einzelfalls nicht grob fahrlässig, wenn er bei herausgehobenen Sachverhalten einen sorgfältig ausgewählten Steuerberater über den geplanten Lebenssachverhalt zutreffend und umfassend informiert, sich von diesem eine Rechtsauskunft geben lässt und sich auf diese Auskunft verlässt.

  • Zwar hat der Kläger kein schriftliches Gutachten des steuerlichen Beraters vorgelegen können, er hat aber aufgrund der in Anspruch genommenen Beratung mit Aufnahme der Steuerklausel in die Rechnung das Risiko der GmbH, die Umsatzsteuer bei abweichender Würdigung durch das Finanzamt allein aus dem vereinnahmten Nettokaufpreis abführen zu müssen, ausreichend Rechnung getragen und etwaige Versäumnisse bei der Information des Beraters über den gesamten Sachverhalt, wenn solche vorliegen sollten, kompensiert.

Anmerkung: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen (BFH-Az. V R 33/13). Der Streitfall werfe u.a. die Frage auf, ob ein Geschäftsführer bei der Entscheidung, ein Veräußerungsgeschäft als nicht umsatzsteuerbar zu behandeln, eine grob fahrlässige Pflichtverletzung i.S.d. § 69 AO vermeiden kann, wenn er - nach steuerlicher Beratung - mit der Vertragspartei eine Netto-Kaufpreisvereinbarung abschließt und der Gesellschaft ein zivilrechtliches Nachforderungsrecht für die Umsatzsteuer verschafft, die bei abweichender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzamt eingreifen kann. Zudem hält es der Senat für klärungsbedürftig, innerhalb welchen Zeitraums nach Veräußerung eines Teilvermögens auf Grundlage der vorzunehmenden Gesamtwürdigung feststehen muss, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt und ob der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Erwerber über dessen - zwischenzeitliche - Stellung als Kommissionär im Rahmen einer Leistungsverkaufskommission die Anwendung der Regelungen über Geschäftsveräußerung im Ganzen in Frage stellt. 
Quelle: FG Köln online
Hinweis: Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze. 
 

Fundstelle(n):
NWB CAAAF-10274