Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. - S 7198 A - 25 - St 111

Ausübung einer vorsorglichen Option nach § 9 Abs. 1 UStG bei angenommener Geschäftsveräußerung im Ganzen

Vertragsparteien eines notariellen Grundstückskaufvertrags gehen häufig vom Vorliegen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG aus. In derartigen Fällen kann der Vertrag eine Klausel enthalten, dass der Veräußerer für den Fall, dass die Finanzverwaltung das Vorliegen der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen in diesem Fall endgültig verneinen sollte, nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuerpflicht der Grundstücksveräußerung optiere. Damit soll eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zuungunsten des Veräußerers aufgrund der Steuerfreiheit der evtl. steuerbaren Grundstücksveräußerung nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG vermieden werden.

Wird in einem solchen Fall nach Eintritt der formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Jahr des Vertragsabschlusses das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen durch die Finanzverwaltung tatsächlich verneint, ist die im Grundstückskaufvertrag enthaltene bedingte Option erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts, also erst im Jahr der abschließenden rechtlichen Beurteilung und somit nicht rückwirkend bereits im Zeitpunkt der Erklärung der bedingten Option erfolgt. Ist zu diesem Zeitpunkt die Steuerfestsetzung des Jahres des Vertragsabschlusses bereits formell bestandskräftig, liegt unter Berücksichtigung der Regelung des Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE keine wirksame Option vor.

Beispiel:

Die Vertragsparteien schließen im Jahr 2006 einen notariellen Grundstückskaufvertrag ab. Sie gehen vom Vorliegen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG aus. Der Vertrag enthält eine bedingte Option zur Umsatzsteuerpflicht. Der Umsatzsteuerbescheid 2006 für den Veräußerer wird am formell bestandskräftig. Nach Abschluss einer im Jahre 2011 durchgeführten Außenprüfung verneint das Finanzamt das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen.

Die bedingte Option tritt erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts, also nach der abschließenden rechtlichen Beurteilung im Jahr 2011 ein. Da die Steuerfestsetzung für das Jahr 2006 im Jahr 2011 bereits formell bestandskräftig ist, liegt keine fristgerechte Option vor.

Nur im Falle einer unbedingten Steuerklausel kann von einer im Zeitpunkt des Vertrags wirksam erklärten Option ausgegangen werden. Dies ist anzunehmen, wenn im notariellen Kaufvertrag die unbedingte Option zur Steuerpflicht gemäß § 9 UStG erklärt wird und die Parteien gleichzeitig vereinbaren, die Grundstückslieferung als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu behandeln. Umsatzsteuerrechtlich muss dann entsprechend dieser Vereinbarung verfahren werden (Behandlung als Geschäftsveräußerung im Ganzen), wobei den Finanzämtern alle Informationen offen zu legen sind, die diese – bei einer Ablehnung der Geschäftsveräußerung im Ganzen – zur Festsetzung der Umsatzsteuer benötigen würden.

Mit einer solchen vertraglichen Ausgestaltung ist die Option bereits vor Eintritt der formellen Bestandskraft wirksam erklärt. Liegt tatsächlich eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, gilt die vorstehende Option als von vornherein nicht ausgeübt.

Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. v. - S 7198 A - 25 - St 111

Fundstelle(n):
DB 2013 S. 967 Nr. 18
VAAAE-32920