BGH Urteil v. - I ZR 204/13

Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Musikwerke im Rahmen einer Theateraufführung: Verantwortlichkeit des Theaterbetreibers als Veranstalter für die Einholung der Einwilligung der Verwertungsgesellschaft - Trassenfieber

Leitsatz

Trassenfieber

1. Unabhängig von der Möglichkeit der Programmgestaltung kann die Verantwortlichkeit als Veranstalter im Sinne von § 13b UrhWG für die Einholung der Einwilligung der Verwertungsgesellschaft anzunehmen sein, wenn Umfang und Gewicht der vorgenommenen Tätigkeiten die Annahme rechtfertigen, dass eine Mitwirkung an der Aufführung vorliegt.

2. Stellt ein Theaterbetreiber den Saal für die Aufführung zur Verfügung, bewirtet die Veranstaltungsbesucher, vereinnahmt die Bewirtungserlöse und wirbt für die Aufführung in seinem Veranstaltungskalender, so wirkt er als Veranstalter an der Aufführung mit.

Gesetze: § 15 Abs 2 UrhG, § 19 Abs 2 UrhG, § 97 UrhG, § 13b UrhWahrnG

Instanzenzug: Az: 23 S 60/13vorgehend Az: 57 C 9913/12

Tatbestand

1Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahr.

2In dem von der Beklagten in Wuppertal betriebenen Theater "Forum Maximum im Rex" fand am die Veranstaltung "Trassenfieber: Die Nordbahnrevue" mit S.   G.   statt. Die Beklagte wies in ihrem Veranstaltungskalender auf diese Veranstaltung hin, stellte für deren Durchführung den Saal zur Verfügung und sorgte für die Bewirtung der Veranstaltungsgäste. Die Einnahmen aus der Bewirtung behielt die Beklagte, während die Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten der ausübende Künstler erhielt. Eine Anmeldung der Veranstaltung bei der Klägerin erfolgte nicht.

3Die Klägerin hat die Beklagte wegen unerlaubter Wiedergabe von Musikwerken in Anspruch genommen und einen Betrag in Höhe von 302,50 € zuzüglich Kontrollkosten in gleicher Höhe in Rechnung gestellt. Sie meint, die Beklagte hafte hierfür jedenfalls als Mitveranstalterin.

4Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 605 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

5Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.

6Die ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Gründe

7I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Hierzu hat es ausgeführt:

8Die Beklagte hafte nicht als Störerin auf Schadensersatz und sie sei auch nicht Täterin oder Mittäterin einer Urheberrechtsverletzung, weil sie die streitgegenständliche Aufführung nicht veranstaltet oder mitveranstaltet habe. Veranstalter sei lediglich derjenige, der die Veranstaltung angeordnet habe und durch dessen ausschlaggebende Tätigkeit sie ins Werk gesetzt worden sei oder der für sie organisatorisch oder finanziell verantwortlich sei. Dies treffe auf die Beklagte nicht zu, die keinen maßgeblichen Einfluss auf den Ablauf und die Programmgestaltung gehabt habe. Das bloße Bereitstellen von Räumlichkeiten und die Bewirtung der Gäste der Veranstaltung reichten für die Annahme einer Stellung als Mitveranstalter nicht aus. Die Beklagte hafte auch nicht als Gehilfin. Es sei nicht erkennbar, dass sie mit dem Unterbleiben einer Anmeldung der Veranstaltung bei der Klägerin habe rechnen müssen und dies billigend in Kauf genommen habe.

9II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten.

101. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom - I ZR 34/12, GRUR 2014, 298 Rn. 14 = WRP 2014, 164 - Runes of Magic I).

112. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG. Danach ist derjenige, der ein Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich und schuldhaft verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beklagte im Streitfall.

12a) Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist die Klägerin aktivlegitimiert. Die Beklagte hat sich insbesondere nicht gegen die zugunsten der Klägerin bestehende Vermutung gewandt, dass die Klägerin zur Wahrnehmung der Aufführungsrechte aus §§ 15 Abs. 2, 19 Abs. 2 UrhG befugt ist und die genutzten Musikwerke urheberrechtlich geschützt sind (vgl. , BGHZ 95, 274, 276 - GEMA-Vermutung I; Urteil vom - I ZR 35/83, BGHZ 95, 285, 288 - GEMA-Vermutung II; Urteil vom - I ZR 137/83, NJW 1986, 1249, 1250 - GEMA-Vermutung III; Urteil vom - I ZR 96/85, GRUR 1988, 296, 297 - GEMA-Vermutung IV). Streitig ist zwischen den Parteien lediglich die Passivlegitimation der Beklagten.

13b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

14aa) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht eine täterschaftliche Haftung der Beklagten verneint. Diese hat die urheberrechtlich geschützten Musikwerke zwar nicht selbst aufgeführt (§ 19 Abs. 2 UrhG). Dies steht ihrer Haftung für die unmittelbar durch den ausübenden Künstler begangenen Eingriffe in fremde Urheberrechte aber nicht entgegen. Die Beklagte haftet als Veranstalterin für die Mitwirkung an der urheberrechtswidrigen Aufführung.

15(1) Die Frage, ob sich jemand als Täter oder Teilnehmer in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an der deliktischen Handlung eines Dritten - hier der Aufführung durch den ausübenden Künstler - beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (st. Rspr.; vgl. nur , BGHZ 201, 344 Rn. 13 - Geschäftsführerhaftung; Urteil vom - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 35 = WRP 2015, 577 - Kinderhochstühle im Internet III). Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft ist gegeben, wenn mehrere Personen bei der Herbeiführung eines Erfolgs bewusst und gewollt zusammenwirken (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB).

16(2) Als Mittäter einer urheberrechtsverletzenden Aufführung wird - neben dem aufführenden Künstler, der den Verletzungserfolg durch die Aufführung im Sinne des § 19 Abs. 2 UrhG unmittelbar herbeiführt - auch der Veranstalter angesehen, der nach § 13b Abs. 1 UrhWG verpflichtet ist, vor der Veranstaltung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft einzuholen. Veranstalter ist derjenige, der die Aufführung angeordnet und sie durch seine Tätigkeit ins Werk gesetzt hat; dies ist insbesondere derjenige, der für die Veranstaltung organisatorisch und finanziell verantwortlich ist (RG, Urteil vom - IV 231/08, RGSt 41, 287, 289; Urteil vom - I 148/10, RGZ 78, 84, 86 f.; , GRUR 1956, 515, 516 - Tanzkurse; Urteil vom - I ZR 61/58, GRUR 1960, 253, 255 - Auto-Skooter; Urteil vom - I ZR 75/58, GRUR 1960, 606, 607 - Eisrevue II; Urteil vom - I ZR 71/60, GRUR 1962, 256, 258 - Im weißen Rößl; Urteil vom - I ZR 120/69, GRUR 1972, 141, 142 - Konzertveranstalter). Ein Anhaltspunkt für die Stellung als Veranstalter folgt aus der Möglichkeit, auf die Auswahl der aufzuführenden Stücke einzuwirken (RGZ 78, 84, 86 f.; BGH, GRUR 1956, 515, 516 - Tanzkurse; GRUR 1960, 253, 255 - Auto-Skooter; GRUR 1960, 606, 607 - Eisrevue II; KG, GRUR 1959, 150, 151; LG Köln, ZUM 2010, 906, 908; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2011, 105, 106; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rn. 146; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97 UrhG Rn. 18). Dass die Beklagte Einfluss auf den Inhalt des Programms nehmen könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.

17(3) Die Möglichkeit, auf den Inhalt des Programms einzuwirken, ist allerdings nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme, die Beklagte sei Veranstalterin im Sinne von § 13b Abs. 1 UrhWG und habe an der Aufführung im Sinne von § 19 Abs. 2 UrhG mitgewirkt. Auch ohne Einfluss auf den Inhalt des Programms können organisatorische Beiträge zu der Veranstaltung nach ihrer Art, ihrem Umfang und ihrem Gewicht so bedeutsam sein, dass sie die Annahme rechtfertigen, der Dritte sei Veranstalter (OLG München, GRUR 1979, 152; OLG Hamburg, GRUR 2001, 832; BeckOK UrhR/Freudenberg, Stand: , § 13b WahrnG Rn. 4; ders. in Möhring/Nicolini, Urheberrecht, 3. Aufl., § 13b WahrnG Rn. 4; Gerlach in Wandtke/Bullinger aaO § 13b WahrnG Rn. 1; Zeisberg in HK-UrhR aaO § 13b WahrnG Rn. 3; zu § 81 UrhG auch Büscher in Wandtke/Bullinger aaO § 81 UrhG Rn. 8; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 81 UrhG Rn. 28). In die erforderliche Gesamtbetrachtung einzubeziehen sein können die Beauftragung des ausübenden Künstlers, die Überlassung eines Veranstaltungsraums und technischer Vorrichtungen, die Einlass- und Auslasskontrolle der Besucher, die Aufbewahrung der Garderobe, die Bewerbung der Veranstaltung, der Kartenverkauf sowie die Übernahme begleitender Dienstleistungen wie der Bewirtung der Veranstaltungsgäste (vgl. für die Veranstaltung von Boxkämpfen , GRUR 1971, 46, 47 - Bubi Scholz; ferner die Zusammenstellung bei Dünnwald/Gerlach, Schutz des ausübenden Künstlers, 2008, § 81 Rn. 6).

18Dagegen ist nicht als Veranstalter anzusehen, wer lediglich die für das Konzert erforderlichen äußeren Vorkehrungen trifft, indem er etwa allein den Saal - und sei es mietweise - zur Verfügung stellt (RG, Urteil vom - II 161/08, JW 1908, 605, 608; Urteil vom - III 504/09, JW 1910, 682, 683; KG, GRUR 1959, 150; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2012, 598).

19bb) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte über die bloße Bereitstellung ihres Veranstaltungssaales hinausgehende Leistungen erbracht, deren Gewicht sie bei der gebotenen Gesamtschau zur Veranstalterin macht.

20Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Klägerin die Bewirtung der Veranstaltungsbesucher übernommen und die daraus erzielten Erlöse vereinnahmt. Mit der Übernahme der Bewirtung steigerte die Beklagte die Attraktivität der Aufführung. Auch ohne dass ihr die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern zuflossen, war sie am wirtschaftlichen Erfolg der Veranstaltung beteiligt und hatte ein erhebliches eigenes Interesse an deren erfolgreicher Durchführung. Zu der Überlassung des Veranstaltungssaals und der gastronomischen Verpflegung der Veranstaltungsbesucher kommt im Streitfall hinzu, dass die Beklagte in ihrem Veranstaltungskalender auf die fragliche Veranstaltung "Trassenfieber: Die Nordbahnrevue" hingewiesen, diese inhaltlich beschrieben und durch Anfügung zahlreicher Pressestimmen beworben hat. Zudem enthielt der Veranstaltungskalender der Beklagten einen Hinweis auf die Möglichkeit des Bezugs von Eintrittskarten. In der Zusammenschau sind die Beiträge der Beklagten von solchem Gewicht, dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Beklagte gemeinsam mit dem ausführenden Künstler die Aufführung ins Werk gesetzt hat. Bei dieser Sachlage kommt es nicht weiter darauf an, ob die Beklagte zusätzliche organisatorische Leistungen - etwa die Bereitstellung technischer Einrichtungen, den Ein- und Auslass der Besucher oder die Aufbewahrung ihrer Garderobe - übernommen oder ergänzend Karten für die Veranstaltung verkauft hat.

21c) Die Beklagte handelte als Veranstalterin der urheberrechtswidrigen Aufführung auch schuldhaft, nämlich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem aufführenden Künstler.

22Die Beklagte kannte das Programm "Trassenfieber: Die Nordbahnrevue" und war sich mithin der Aufführung urheberrechtlich geschützter Werke bewusst. Ihr Verschulden wird nicht durch eine etwaige Zusicherung des ausübenden Künstlers, die erforderliche Einwilligung bei der Klägerin einzuholen, ausgeschlossen. Sie hatte als Veranstalterin das Vorliegen dieser Einwilligung sicherzustellen.

23d) Die Klägerin hat Anspruch auf die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 605 €. Nach der Rechtsprechung des Senats beläuft sich der Schadensersatz im Falle der ungenehmigten öffentlichen Musikaufführung auf den im Falle der ordnungsgemäßen Meldung bei der Klägerin fälligen Tarifbetrag zuzüglich eines 100%igen Verletzer- oder Kontrollzuschlags (, BGHZ 59, 286, 287 ff. - Doppelte Tarifgebühr; Urteil vom - I ZR 194/83, BGHZ 97, 37, 49 - Filmmusik). Die Klägerin hat schlüssig dargetan, dass sich der einfache Tarif, dem der Kontrollzuschlag in gleicher Höhe hinzuzurechnen ist, in der vorliegenden Konstellation auf 302,50 € beläuft. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben.

243. Die Zinsforderung ist gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB begründet.

25III. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ist nicht erforderlich, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst beurteilen kann, ob die Klage begründet ist, und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte ist danach unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils antragsgemäß zu verurteilen.

26IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 ZPO.

27Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Büscher                      Schaffert                      Kirchhoff

               Schwonke                    Feddersen

Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 3380 Nr. 46
SAAAE-99180