BGH Beschluss v. - 4 StR 21/15

Strafverfahren: Revisionsrüge der Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits gehörten Zeugen

Gesetze: § 344 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 25 KLs - 253 Js 27231/09 - 11/13

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „gewerbsmäßigen Betruges in 18 Fällen, davon in 14 Fällen tateinheitlich mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und bestimmt, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen sowie materiell-rechtliche Beanstandungen gerichtete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

21. Die Revisionsbegründungen sämtlicher Verteidiger der Angeklagten sind rechtzeitig bei Gericht eingegangen (§ 345 Abs. 1 StPO).

3Hat ein Angeklagter mehrere Verteidiger, genügt zwar die Zustellung des Urteils an einen von ihnen (vgl. [juris Rn. 7]; jeweils mwN). Wird das Urteil aber mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Revisionsbegründungsfrist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde ( [juris Rn. 23] mwN). Stellt das Gericht das Urteil daher mehreren Verteidigern zu, so läuft die Revisionsbegründungsfrist für jeden dieser Verteidiger ab der letzten Zustellung, sofern diese innerhalb der bereits zuvor in Lauf gesetzten Frist erfolgt ist. Nur wenn die Revisionsbegründungsfrist aufgrund der ersten Zustellung(en) bei einer der weiteren Zustellungen bereits abgelaufen war, wird durch diese keine neue Frist in Gang gesetzt (, wistra 2012, 435, 436 mwN).

4Da hier sämtliche Zustellungen innerhalb der am in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist erfolgten, sind auch die am eingegangenen Begründungen rechtzeitig zu Gericht gelangt.

5Des von Rechtsanwalt K.    mit Schriftsatz vom „hilfsweise" gestellten Wiedereinsetzungsantrages bedurfte es daher nicht.

62. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

7a) Die Verfahrensrügen, die die nochmalige Vernehmung der Zeugin J.    zum Gegenstand haben, greifen - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom ausgeführt hat - nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:

8Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit dieser Rügen. Wird in der Revision die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits angehörten Zeugen geltend gemacht, muss nämlich mitgeteilt werden, dass und wozu der Zeuge in der Hauptverhandlung bereits ausgesagt hat (; vom - 5 StR 566/01; vgl. auch ). Denn nur dann kann geprüft werden, ob es sich nicht um einen bloßen Antrag auf Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme oder auf Feststellung ihres Inhalts handelte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 211/01, NStZ-RR 2002, 257, 258 f. - bei Becker; vom - 2 StR 462/03, NStZ 2004, 630, 631; Urteil vom - 3 StR 338/04) und ob der Antrag als Beweisantrag zu verbescheiden war oder als Beweisanregung abgelehnt werden durfte (vgl. , BGHSt 46, 73, 80).

9Ob hierfür - auch angesichts der Besonderheiten des Falles (vgl. UA S. 35 f.) - der bloße Vortrag ausreicht, die Zeugin sei in ihrer früheren Vernehmung weder zu den nunmehr behaupteten Tatsachen befragt worden noch habe sie sich hierzu geäußert, kann dahinstehen. Die Rügen sind nämlich jedenfalls wegen fehlenden Beruhens (§ 337 Abs. 1 StPO) unbegründet. Denn die Verurteilung im Fall 4 der Urteilsgründe wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil der Bank für die Finanzierung des fingierten Verkaufs des Pkws Mercedes an   K.    auch gefälschte Kfz-Papiere vorgelegt wurden und der von M.     als „Geschäftswagen“ genutzte Pkw bereits kreditfinanziert erworben worden war, anschließend der Einkauf nochmals unter Übergabe (anderer) gefälschter Fahrzeugpapiere betrügerisch finanziert wurde (Fall 2 der Urteilsgründe) und erst dann die Finanzierung für den fingierten Ankauf durch   K.    erfolgte. Es kommt deshalb für die rechtliche Würdigung nicht darauf an, dass die Strafkammer - zusätzlich - eine Täuschung über die wahren finanziellen Verhältnisse des Darlehensnehmers durch Vorlage von Lohnbescheinigungen für   K.    bejaht hat. Dass die Angeklagte den Betrug durch mehrere unwahre Angaben bewirkt hat, hat die Strafkammer der Angeklagten auch nicht strafschärfend angelastet. Entsprechendes gilt im Fall 5. Dort liegt eine Täuschung bereits darin, dass die Finanzierung dem tatsächlich nicht beabsichtigten Einbau einer Gasanlage dienen sollte.

10b) Auch im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Soweit sich die Revisionsführerin gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung sowie die Annahme von (Mit-)Täterschaft und tatmehrheitlicher Begehung wendet, nimmt der Senat ebenfalls Bezug auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom und bemerkt ergänzend:

11aa) Zwar reicht ein mittelbarer Vorteil des Täters zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 262/11, StV 2012, 339; vom - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 jeweils mwN). Für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit ist aber weder erforderlich, dass der Täter seinen Lebensunterhalt allein oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten bestreiten will (, BGHR StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Gewerbsmäßig 2), noch dass er tatsächlich auf die betrügerisch erlangten Vermögenswerte zugegriffen hat; denn maßgeblich und ausreichend ist eine dahingehende Absicht (, NStZ-RR 2011, 373). Daher reichen betrügerisch erlangte Betriebseinnahmen für den Arbeitgeber zur Begründung gewerbsmäßigen Handelns eines Angestellten aus, wenn diese dem Täter mittelbar - etwa über das Gehalt oder Beteiligung an Betriebsgewinnen - zufließen sollen (, NStZ 2008, 282, 283 mwN; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 364).

12Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob das Autohaus neben den betrügerischen auch über „legale Einkünfte" verfügte und ob das Gehalt der Angeklagten tatsächlich bezahlt wurde und - falls ja - ob diese Gelder aus den betrügerischen Geschäften herrührten. Die Absicht der - nach den Feststellungen (trotz UA S. 46 Mitte) - nicht als faktische Geschäftsführerin des Autohauses handelnden - Angeklagten, durch die Taten ihre und ihres Ehemannes Existenz zu sichern, genügt vielmehr. Dies hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 13).

13Hinsichtlich des Schuldspruchs verweist der Senat darauf, dass das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere oder minder schwere Fälle nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist und die Kennzeichnung des Betrugs als "gewerbsmäßig" daher entbehrlich war (vgl. etwa ).

14bb) Auch die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und deren vom Landgericht vorgenommene Kompensation hält im Ergebnis der Überprüfung stand.

15Zwar hat der Tatrichter Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (, BGHSt 52, 124, 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf aber mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält (vgl. ).

16Dem werden die Urteilsausführungen (insbesondere auf UA S. 25) noch gerecht. Eine (zulässige) Verfahrensrüge ist nicht erhoben.

Sost-Scheible                                  Roggenbuck                             Franke

                           Mutzbauer                                    Quentin

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
wistra 2015 S. 356 Nr. 9
BAAAE-93552