NWB Nr. 17 vom Seite 1217

Umgestaltung der deutschen Organschaftsregelung?

Beate A. Blechschmidt | Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Bewegung im Steuerrecht

Bewegung hält fit. Mit den ersten Sonnenstrahlen sind die Straßen wieder voller Jogger, Nordic Walker und Fahrradfahrer – und es werden Muskeln bewegt, die lange nicht bewegt wurden. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Rechtsprechung diesem Trend folgt und ebenfalls für etwas Bewegung in Bereichen sorgt, in denen es zwischenzeitlich etwas ruhiger zugegangen ist.

Bewegung kommt zum einen in die Thematik der umsatzsteuerlichen Organschaft. Genauer gesagt, in ein beim EuGH anhängiges Verfahren. In diesem hat der BFH u. a. die Fragen vorlegt, ob die Beschränkung des Tatbestandsmerkmals „Organgesellschaft“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG auf juristische Personen sowie das von dieser Vorschrift geforderte Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Organträger und Organgesellschaft mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Ende März hat der Generalanwalt dazu Stellung genommen. Schließt sich der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts an – wie er es zuletzt in 90 % der Fälle in Umsatzsteuerfragen getan hat – könnte eine grundlegende Umgestaltung der deutschen Organschaftsregelung die Folge sein. Hartmann beleuchtet ab der Seite 1249 mögliche Perspektiven und Konsequenzen für die deutsche Organschaftsregelung.

Bewegung könnte zum anderen aber auch in den Zinssatz der Verwaltung kommen – seit 50 Jahren ist der Zinssatz nach § 238 AO unverändert bei 6 %. 50 Jahre, so lange hat dieser Zinssatz auch – mehr oder weniger – in die allgemeine Zinslandschaft gepasst. Seit der Finanzkrise 2007 und dem durch die EZB herbeigeführten niedrigen Zinsniveau, könnte dies jedoch inzwischen anders zu beurteilen sein. Denn 6 % lassen sich heute mit kaum noch einer (legalen) Anlage erzielen. Und 6 % Sollzinsen dürften wohl auch eher eine unrühmliche Ausnahme als die Regel sein. Zwar hat der BFH diesen Zinssatz noch bis März 2011 für verfassungsgemäß befunden. Ein weiteres Verfahren, in dem es um den Zeitraum bis Dezember 2011 geht, ist derzeit jedoch noch anhängig. Und auch vor dem FG Düsseldorf sind zwei weitere Verfahren anhängig. Heidenreich stellt ab der Seite 1231 die Frage: „Ist der Zinssatz der Finanzverwaltung von 6 % noch verfassungsgemäß?“. Auch wenn man sich nicht allzu viel Hoffnung machen sollte, Einspruch einlegen sollte man in entsprechenden Fällen auf jeden Fall. Man weiß ja nie ...

Bewegung hat der EuGH seit einigen Jahren ebenfalls in das Urlaubsrecht gebracht. Arbeitgeber sind daher gut beraten, die Entscheidungen des EuGH im Auge zu behalten. Denn die nationalen Gerichte haben ihre Rechtsprechung angepasst und setzen die Vorgaben der europäischen Ebene um. Eine aktuelle BAG-Entscheidung bestätigt dies. Seel bespricht ab der Seite 1259 eine Entscheidung, die Fragen der Urlaubsgewährung durch Freistellung nach einer (fristlosen) Kündigung zum Gegenstand hat.

In diesem Sinne: Bewegte Grüße

Beate Blechschmidt

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 1217
NWB DAAAE-88386