BGH Beschluss v. - 2 StR 374/14

Beschleunigungsgebot: Entscheidung über den strafrechtlichen Teil eines Revisionsverfahrens bei nicht erledigtem Anfrage- und Vorlageverfahrens hinsichtlich einer Frage zur Adhäsionsklage

Gesetze: § 132 GVG, Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 Abs 1 S 1 MRK

Instanzenzug: Az: 220 Js 347/13 - 23 KLs 3/14nachgehend Az: 2 StR 374/14 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin 5.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

2Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet (1.); im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Revision des Angeklagten einer abschließenden Entscheidung des Senats nach Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens (2 StR 137/14 und 2 StR 337/14) vorbehalten (2. und 3.).

31. Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

42. Nach Ansicht des Senats begegnet auch die Entscheidung über die Entschädigung der Verletzten (§ 406 StPO) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5Das Landgericht hat bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder allein auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigte abgestellt und dabei weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten noch diejenigen der Nebenklägerin berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können indes sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten als auch die des Schädigers auf die Bemessung der Entschädigung Einfluss gewinnen (grundlegend BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 159 f.).

6Auf Basis dieser Rechtsprechung wäre der Adhäsionsausspruch aufzuheben, denn der Senat vermag angesichts der im vorliegenden Fall festgestellten Vermögensverhältnisse des Angeklagten eine Erörterungspflicht, die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 325/14, NStZ-RR 2014, 350, und vom - 4 StR 217/14; Senat, Urteil vom - 2 StR 503/13, NStZ 2015, 49 f.). Eine Beschwer des Angeklagten kann auch im Hinblick auf die fehlende Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Nebenklägerin nicht ausgeschlossen werden, da schon entsprechende Feststellungen zu deren Lebens- und Vermögensverhältnissen, die diesen Schluss zulassen könnten, fehlen.

7Der Senat beabsichtigt jedoch, diese Rechtsprechung aufzugeben, da es seiner Auffassung nach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) weder auf die Vermögenslage des Geschädigten noch auf die des Schädigers ankommen darf. Danach wären die Adhäsionsaussprüche hier nicht zu beanstanden. Der Senat kann aber die Revision insoweit nicht als unbegründet verwerfen, ohne von der geschilderten Rechtsprechung abzuweichen. Er hat deshalb mit Beschluss vom 8. Oktober (2 StR 137/14 und 2 StR 337/14), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, bei den anderen Strafsenaten sowie dem Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

83. Da auf Grund des Vorlageverfahrens über die Revision des Angeklagten, soweit sie die Adhäsionsentscheidung betrifft, voraussichtlich nicht in absehbarer Zeit entschieden werden kann, ist aber eine Entscheidung über den "entscheidungsreifen" strafrechtlichen Teil des angefochtenen Urteils zulässig und geboten (vgl. dazu Beschlüsse vom - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Die Dauer des Anfrage- und Vorlageverfahrens ist - zumal bei Beteiligung des Großen Senats für Zivilsachen - nicht absehbar. Zwar stellt die Durchführung eines Anfrage- und Vorlageverfahrens nach § 132 GVG keine prozessordnungswidrige, rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ausdrücklich normierte Beschleunigungsgebot hält es der Senat indes nicht für vertretbar, das Verfahren, obwohl es zum - für den Angeklagten im Vordergrund seines Rechtsmittels stehenden - Schuldspruch und Strafausspruch entscheidungsreif ist, bis zum Abschluss des Anfrage- und Vorlageverfahrens nicht weiter zu betreiben. Er entscheidet daher über den Schuldspruch und den Strafausspruch vorab und wird entsprechend § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO eine isolierte Entscheidung über den Adhäsionsausspruch treffen, sobald das Vorlageverfahren abgeschlossen ist.

Appl                         Schmitt                       Krehl

            Eschelbach                       Zeng

Fundstelle(n):
SAAAE-86372