BGH Beschluss v. - IV ZR 230/14

Privater Rentenversicherungsvertrag mit Kostenausgleichsvereinbarung: Kündigung einer Kostenausgleichsvereinbarung bei unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers; Umdeutung des Widerrufs in eine Kündigung

Gesetze: § 140 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB

Instanzenzug: LG Stendal Az: 22 S 7/14 Urteilvorgehend AG Burg Az: 3 C 557/13

Gründe

1I. Die Klägerin, ein liechtensteinischer Lebensversicherer, fordert von dem Beklagten Zahlung aus einer Kostenausgleichsvereinbarung. Am stellte der Beklagte einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". Als monatlicher Beitrag für die Rentenversicherung waren 100 € vorgesehen. In Abschnitt B ist hierzu unter der Rubrik "Vertragsdaten/Beitrag" vermerkt:

"In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die Teilzahlungen für die Kostenausgleichsvereinbarung reduziert, ..."

2In dem die Kostenausgleichsvereinbarung betreffenden Abschnitt C findet sich folgender fettgedruckter Hinweis:

"Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung."

3Weiter ist geregelt, dass die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Die Abschluss- und Einrichtungskosten sind mit einem Gesamtpreis von 2.699,42 € angegeben, zahlbar in 48 monatlichen Raten von 56,29 €. Als nominaler und effektiver Jahreszins ist 0% angegeben.

4In Abschnitt E zur Beratungsdokumentation heißt es ferner:

"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu tilgen."

5Unmittelbar über dem Unterschriftsfeld für die Kostenausgleichsvereinbarung findet sich die vorformulierte Erklärung:

"Ich beantrage die unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung gemäß dieses Antrages. ...

Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann."

(letzter Satz im Original fettgedruckt)

6Der Beklagte zahlte von Februar 2011 bis Juli 2012 monatlich je 100 € an die Klägerin. Hiervon entfallen auf die Kostenausgleichsvereinbarung 1.013,22 € (18 x 56,29 €). Ab August 2012 stellte er die Zahlungen ein. Nachdem die Klägerin ihn mit Schreiben vom vergeblich zur Zahlung des Rückstandes aufgefordert hatte, stellte sie am den Restbetrag fällig. Unter Berücksichtigung des Rückkaufswerts der Versicherung von 458,52 € hat die Klägerin mit der Klage Zahlung von 1.058,47 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Kosten begehrt. Der Beklagte ließ mit seiner Klageerwiderung vom , der Klägerin zugegangen am , seine "Vertragserklärungen zum Vertrag" widerrufen.

7Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 176,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem sowie weitere 46,41 € zu zahlen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Zahlungsbegehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

8II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

91. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13, juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 23-25).

102. Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (, VersR 2014, 567 Rn. 26-35; IV ZR 255/13, juris Rn. 21-30). Hieran hat der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Klägerin in seinen späteren Entscheidungen festgehalten (vgl. Urteile vom - IV ZR 79/14, Rn. 7; vom - IV ZR 100/14, Rn. 12; vom - IV ZR 1/14, juris Rn. 16).

11a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Umdeutung des mit Schriftsatz vom erklärten Widerrufs in eine Kündigung vorgenommen. Sinn und Zweck des § 140 BGB ist es, die Absicht der handelnden Person, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihr gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen vermag (, NJW 1998, 896 unter 3). Soweit das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Widerrufserklärung in eine Kündigung umgedeutet hat, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 140 BGB vorliegen, ist ebenso wie die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen in erster Linie Sache des Tatrichters. Seine Auslegung kann mit der Revision nur erfolgreich angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen oder in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden (, juris Rn. 29 zu § 140; ferner , VersR 2014, 1189 Rn. 14; vom - IV ZR 224/12, BGHZ 198, 32 Rn. 12; vom - IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357, 363; Senatsbeschluss vom - IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311 Rn. 12).

12Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich im Einzelnen mit der Frage befasst, ob der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom in eine Kündigungserklärung umgedeutet werden kann und dies bejaht. Hierbei hat es rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass es erkennbares Ziel des Beklagten ist, nicht weiter an die Kostenausgleichsvereinbarung gebunden zu bleiben. Wenn dies schon nicht rückwirkend durch einen Widerruf in Betracht kommt, so ist es naheliegend, dass der Beklagte jedenfalls eine Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung ex nunc erstrebte (vgl. zur Umdeutung einer fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung , NJW 2013, 3361 Rn. 17 f.; zur Umdeutung einer Anfechtung in einen Rücktritt , BGHZ 168, 64 Rn. 27). Einer Umdeutung steht ferner nicht entgegen, dass die umzudeutende Willenserklärung von einem Rechtsanwalt der betroffenen Partei abgegeben wurde (, BGHZ 78, 216, 221).

13b) Der Beklagte hat daher mit dem Schriftsatz vom wirksam die Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung erklärt. Weitere Ansprüche für die Zeit nach Zugang der Kündigungserklärung am stehen der Klägerin nicht zu. Entgegen der Auffassung der Revision führen die Zahlungseinstellung und die spätere wirksame Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung durch den Versicherungsnehmer auch nicht dazu, dass hierdurch die gesamten Abschluss-und Einrichtungskosten wegen einer zuvor gewährten Stundung in voller Höhe sofort fällig würden. Wie der Senat mittlerweile entschieden hat, führt die wirksame Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung zu ihrem Erlöschen für die Zukunft mit der Folge, dass die Klägerin hieraus keine weiteren Ansprüche geltend machen kann (vgl. , Rn. 14; vom - IV ZR 1/14, juris Rn. 16). Hieran vermag auch die Regelung in § 2 Abs. 2 der Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung nichts zu ändern. Anderenfalls würde das Recht des Versicherungsnehmers zur fristlosen Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung unterlaufen und von dem zufälligen Umstand abhängig gemacht, ob sich der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Kündigung mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen in Verzug befand. Die Klägerin kann, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, keine Zahlungen über den nächstmöglichen Kündigungstermin des Beklagten hinaus verlangen (vgl. Xa ZR 48/09, NJW 2011, 1438 Rn. 32; Palandt/Grüneberg, BGB 73. Aufl. § 314 Rn. 11).

Mayen                          Harsdorf-Gebhardt                                  Dr. Karczewski

                Lehmann                                      Dr. Brockmöller

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Fundstelle(n):
HAAAE-82028