BVerwG Beschluss v. - 4 B 20/14

Versagung der Baugenehmigung trotz Einvernehmen der Gemeinde

Gesetze: Art 28 Abs 2 S 1 GG, § 36 Abs 1 S 1 BauGB, § 31 Abs 2 BauGB, § 42 Abs 2 VwGO

Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 5 S 1667/12 Urteil

Gründe

1Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2Die Beschwerde verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus ( BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 unter Bezugnahme auf BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde lässt zwar erkennen, dass es ihr um die „Klagebefugnis einer Gemeinde hinsichtlich eines belastenden Verwaltungsakts zu Lasten eines Bürgers der Gemeinde" geht. Sie möchte ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung anstoßen, wonach eine Verletzung der Planungshoheit einer Gemeinde in einem Baugenehmigungsverfahren nur dann möglich ist, wenn die Gemeinde ihr nach § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen versagt, die Bauaufsichtsbehörde die beantragte Baugenehmigung aber gleichwohl erteilt hat, nicht hingegen im umgekehrten Fall, in dem die Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt, die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung jedoch versagt hat. Eine genau formulierte, auf den konkreten Fall bezogene Rechtsfrage fehlt indes.

3Nur ergänzend sei deshalb angemerkt, dass die Revision selbst dann nicht zuzulassen wäre, wenn man zugunsten der Beschwerde eine hinreichend genau formulierte Rechtsfrage unterstellte, etwa des Inhalts, dass geklärt werden soll, ob eine Gemeinde - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Senats - im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO eine eigene Rechtsverletzung auch dann geltend machen kann, wenn sie ihr nach § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen erteilt, die Bauaufsichtsbehörde die beantragte Baugenehmigung jedoch versagt hat. Diese Frage wäre nicht entscheidungserheblich, weil für die angegriffene Entscheidung nicht tragend. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) wird - wie die Beschwerde selbst einräumt - durch einfachgesetzliche Rechtsnormen konkretisiert und ausgestaltet. Im Rahmen der Vorschriften über die bauplanungs-rechtliche Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 ff. BauGB) sichert § 36 BauGB die Planungshoheit der Gemeinden (so bereits BVerwG 4 C 184.65 - BVerwGE 22, 342 <343>; vgl. auch BVerwG 4 B 25.08 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 59 S. 1 <LS>). Das in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB näher geregelte Einvernehmenserfordernis knüpft tatbestandlich an die Entscheidung über die „Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB" an. Hierum geht es vorliegend nicht. Gegenstand der angegriffenen Entscheidung ist eine bauaufsichtliche Abbruchanordnung, die die Beklagte als zuständige Bauaufsichtsbehörde auf landesrechtlicher Grundlage (§ 65 LBO BW) gegenüber einem Gemeindebürger der Klägerin erlassen hat. § 36 BauGB findet hierauf keine Anwendung, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift unzweifelhaft ergibt (Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 36 Rn. 12). Soweit die Beschwerde Bauplanungsrecht (§ 31 Abs. 2, § 36 BauGB) gleichwohl berührt sieht, weil die bauordnungsrechtliche Rechtsgrundlage tatbestandlich auch an bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsfragen anknüpft, führt dieser Gedanke vorliegend schon deshalb nicht weiter, weil das Baugenehmigungsverfahren (zur nachträglichen Legalisierung des illegal errichteten Gartenhauses) nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 9) rechtskräftig abgeschlossen worden und die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens damit bestandskräftig festgestellt ist.

4Abgesehen davon wäre die Frage auch nicht klärungsbedürftig. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass die sich aus § 36 BauGB ergebenden subjektiven Rechtspositionen der Gemeinde in der Rechtsprechung des Senats geklärt sind: Entscheidet die Bauaufsichtsbehörde im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ohne Beteiligung der Gemeinde, führt allein die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde auf Beteiligung auf deren Klage zur Aufhebung der Baugenehmigung (Beschluss vom a.a.O. Rn. 4 f.). Ist das Beteiligungsrecht der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB verletzt, weil ein Baugenehmigungsverfahren, das unter Beteiligung der Gemeinde hätte durchgeführt werden müssen, rechtswidrig unterblieben ist, hat der Senat ( BVerwG 4 C 31.89 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 46 S. 10 <LS>) der Gemeinde überdies einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung ihres Antrags auf Anordnung der Beseitigung des Vorhabens zugebilligt. Das Beteiligungsrecht der Gemeinde ist schließlich verletzt, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung für ein Vorhaben erteilt, zu dem die Gemeinde ihr Einvernehmen versagt hat ( BVerwG 4 C 20.84 - Buchholz 406.11 § 36 BBauG/BauGB Nr. 40 S. 3 <4> m.w.N.), sofern das Einvernehmen nicht ersetzt wird oder als erteilt gilt (§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Demgegenüber ist die Bauaufsichtsbehörde durch die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nicht gehindert, die beantragte Baugenehmigung zu versagen ( BVerwG 4 B 121.69 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 4 S. 1 <LS>). Die gegenteilige Ansicht wäre schon mit dem Begriff des Einvernehmens nicht in Einklang zu bringen; sie widerspräche der in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderten Willensübereinstimmung zwischen Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde als Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung, die einem „Zwei-Schlüssel-Prinzip" gleicht (Jäde, a.a.O. § 36 Rn. 49 f.). Infolgedessen kann die Gemeinde im Fall der Einvernehmenserteilung auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Soweit die Beschwerde unabhängig von § 36 BauGB eine „grundrechtsintendierte" Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO für geboten hält, gibt dies schon deshalb keinen Anlass, die dargestellte ständige Rechtsprechung des Senats zu überdenken, weil sich die Beschwerde insoweit nicht mit den Gründen der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzt (zu diesem Erfordernis BVerwG 1 B 145.97 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67). Der abstrakte Hinweis auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen (Planungshoheit, Finanzhoheit) und gesetzgeberische Zielsetzungen (Verhinderung von Popularklagen) genügt hierfür nicht.

5Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
UAAAE-74330