BGH Beschluss v. - 2 StR 202/13

Gesamtstrafenbildung bei Betäubungsmitteldelikten: Härteausgleich in Ansehung der Nichteinbeziehung einer ausländischen Strafe

Gesetze: § 55 StGB, § 29a Abs 1 BtMG

Instanzenzug: LG Aachen Az: 64 KLs 23/11nachgehend Az: III-2 Ws 293/17 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

2den Angeklagten X.     wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Verabredung eines Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren,

3den Angeklagten A.     wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Verabredung eines Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren,

4den Angeklagten M.     wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren,

5den Angeklagten K.    wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren,

6den Angeklagten C.    wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen versuchter unerlaubter Einfuhr eines Grundstoffes, der zur Herstellung von Betäubungsmitteln bestimmt ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren.

7Außerdem hat es Wertersatzverfallentscheidungen gegen die Angeklagten X.    , A.     und C.    getroffen. Die Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet.

8I. Die Revision des Angeklagten X.

91. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen ohne Erfolg.

102. Die Sachrüge führt hinsichtlich des Schuldspruchs zu einer Berichtigung der Verurteilung im Fall II.6; im Übrigen bleibt auch sie ohne Erfolg.

11Die Feststellungen zu Fall II.6 tragen - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat - nicht den Schuldspruch wegen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich hinzutretender Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Haupttat der Zeugen L.     und G.   , die 20 km von P. entfernt auf dem Weg nach Deutschland angehalten wurden und daher noch nicht zur Einfuhr unmittelbar angesetzt hatten. Das festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch die Voraussetzungen der versuchten Anstiftung gemäß § 30 Abs. 1 StGB zu einem Verbrechen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, das in Tateinheit zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht. Der Senat stellt den Schuldspruch um. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders hätte verteidigen können.

123. Der Rechtsfolgenausspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten lediglich bei der Gesamtstrafenbildung und bei der Verfallsanordnung auf; im Übrigen ergeben sich keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

13a) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II.6 erfordert keine Aufhebung des hierfür erfolgten Strafausspruchs. Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen und die Erfüllung eines weiteren Tatbestands lediglich strafschärfend berücksichtigt. Dies bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt; im Übrigen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer unter Zugrundelegung des richtigen Schuldspruchs eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.

14b) Die Einzelstrafaussprüche erweisen sich auch ansonsten nicht als rechtsfehlerhaft. Insbesondere hat die Strafkammer hinsichtlich der Taten im Zusammenhang mit der Herstellung von Amphetamin nicht - wie bei den anderen Angeklagten - berücksichtigt, dass es sich insoweit um "gefährliche und harte" Drogen handelte. Zutreffend ist sie hinsichtlich des Angeklagten X. vielmehr davon ausgegangen, dass es sich um eine Droge mittlerer Gefährlichkeit handelt (UA S. 141).

15c) Der Gesamtstrafausspruch begegnet hingegen durchgreifenden Bedenken, weil die Verurteilung des Angeklagten vom durch ein belgisches Gericht in den Strafzumessungserwägungen eine unzureichende Würdigung erfahren hat. Ausländische Strafen sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit zwar nicht gesamtstrafenfähig (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Härteausgleich 8); liegen aber ansonsten die Voraussetzungen einer Gesamtstrafenbildung vor, muss der Tatrichter regelmäßig einen Härteausgleich vornehmen, dies insbesondere dann, wenn es in der Addition beider Strafen zu einer Überschreitung der gesetzlichen Höchstgrenzen kommt (vgl. BGH StV 2000, 196). Zwar berücksichtigt die Strafkammer, dass die in Belgien verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren als ausländische Verurteilung nicht gesamtstrafenfähig ist, und nimmt auch einen nicht näher ausgeführten Härteausgleich vor. Der Senat besorgt jedoch, dass die Strafkammer dem im vorliegenden Fall nicht das erforderliche Gewicht beigemessen hat, vor allem auch deshalb, weil sie nicht ausdrücklich in den Blick nimmt, dass beide Strafen zusammen zu einer Gesamtverbüßungsdauer von insgesamt 18 Jahren führen.

16d) Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 1.000.000 € hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Berechnung der Kammer, die von einer Menge von 90 kg Amphetaminsulfat mit einem Wirkstoffanteil von 66% Am-phetaminbase ausgeht, zur Erreichung eines Wirkstoffgehalts von 10% eine Verlängerung mit Streckmitteln auf die 6-fache Menge, 540 kg, für möglich hält und so bei einem Verkaufspreis von 2.000 € pro Kilogramm zu einem Betrag von mindestens 1.000.000 € gelangt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Feststellungen gehen - wie der Generalbundesanwalt zu Recht hervorhebt - davon aus, dass die ölige Amphetaminbase von 68 kg (und nicht das Amphetaminsulfat von 90 kg) einen Wirkstoffgehalt von 66% reiner Ampheta-minbase aufweist, weshalb ein niedrigerer Betrag (von 880.000 €) für den Wertersatzverfall anzunehmen wäre. Der Senat nimmt diesen Widerspruch zum Anlass, die Verfallsanordnung aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu einer neuen, in sich stimmigen Berechnung zu geben.

17II. Die Revision des Angeklagten A.

181. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge ergibt mit Ausnahme einer Schuldspruchberichtigung im Fall II.6, hinsichtlich der auf die Revision des Angeklagten X.     verwiesen wird, keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

192. Der Rechtsfolgenausspruch weist durchgreifende Rechtsfehler in den Einzelstrafaussprüchen II.2, II.4, II.5, II.7 - auf, was die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich zieht. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

20a) Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass sich seine Taten auf große Mengen gefährlicher und harter Drogen erstreckten (UA S. 143). Dies erweist sich als fehlerhaft, soweit Fälle betroffen sind, die die Herstellung von Amphetamin betreffen II.2, II.4, II.5, II.7 - bzw. darauf gerichtet sind (Fall II.8). Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei Amphetamin (und Ecstasy) im Vergleich zu Heroin und Kokain nicht um "harte" Drogen (BGH NStZ-RR 2013, 150; StV 1997, 75). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die rechtsfehlerhafte Berücksichtigung dieser Erwägung zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen gekommen wäre.

21b) Dieser Rechtsfehler zieht gemäß § 357 StPO die Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen II.7 - (sowie des Gesamtstrafenausspruchs) hinsichtlich des nicht revidierenden früheren Mitangeklagten V.   nach sich; auch insoweit berücksichtigt die Strafkammer, dass dessen Taten sich auf ganz erhebliche Mengen als "gefährlich einzustufender" Drogen bezogen (UA S. 144). Auch wenn die Kammer in diesen auf die Herstellung von Amphetaminbase bezogenen Fällen insoweit nicht von "harten" und gefährlichen Drogen wie bei dem Angeklagten A.     spricht, lässt die gleichlautende Bezeichnung als "gefährlich" einzustufende Droge besorgen, dass der Strafzumessung des Landgerichts auch insoweit eine fehlerhafte Einschätzung zugrunde liegt, die die Höhe der betroffenen Einzelstrafen zu Lasten des Mitangeklagten V.     beeinflusst hat (vgl. dazu näher die weitere Begründung im Rahmen der Revision des Angeklagten C.   ).

22III. Die Revision des Angeklagten M.

23Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche sowie des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet.

24Auch hinsichtlich dieses Angeklagten berücksichtigt die Strafkammer zu seinen Lasten, dass er "als gefährlich einzustufende Drogen in großen Mengen" hergestellt hat. Der Senat besorgt auch insoweit, dass dem eine unzutreffende Einschätzung der hergestellten Amphetaminbase zugrunde liegt (s. dazu schon oben II. a.E.), und hebt die Strafaussprüche auf. Im Übrigen weist die Strafe im Fall II.10 einen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht berücksichtigt nicht, dass das Betriebsgrundstück an diesem Tag von Ermittlungskräften observiert wurde, die die Tatbeteiligten festnahmen und die Betäubungsmittel sicherstellten. Es liegt nahe, dass es sich bei dieser Überwachung der Tat um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund handelt, den das Landgericht bei der Strafzumessung ausdrücklich hätte anführen müssen (vgl. zuletzt BGH NStZ 2013, 662). Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

25IV. Die Revision des Angeklagten K.

26Während die Überprüfung des Schuldspruchs keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO), begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat wie schon bei den Mitangeklagten M.    und V.    die hergestellten Betäubungsmittel als "gefährliche Drogen" eingestuft (s.o.) und nicht berücksichtigt, dass die Tat II.10, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, überwacht war (vgl. BGH NStZ 2013, 662). Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs.

27V. Die Revision des Angeklagten C.

281. Die Verfahrensrügen bleiben aus vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen ohne Erfolg.

292. Der Schuldspruch, der Strafausspruch im Fall II.3 sowie die Verfallsanordnung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Dagegen weisen die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.4 und II.8 Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

30a) Im Rahmen des Strafausspruchs zu Fall II.4 hat die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass sich die Tat auf die Herstellung einer "gefährlichen" Droge in einer erheblichen Menge bezog (UA S. 146), und hat die gleiche Strafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt wie gegen den Angeklagten A.    . Bei diesem hat das Landgericht von "harter und gefährlicher" Droge gesprochen, weshalb der Senat besorgt, dass der Bezeichnung "gefährliche" Droge im Rahmen der Strafzumessung für den Angeklagten C.    die gleiche fehlerhafte Wertung zugrunde liegt wie bei dem Angeklagten A. (s. oben zu II.2 a). Im Übrigen hätte sich in der Strafbemessung niederschlagen müssen, dass der Angeklagte lediglich 5.000 € aus der Tat erlangt hat, während A.    15.000 € daraus verblieben sind.

31b) Der Strafausspruch im Fall II.8 erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil eine Begründung für die Anwendung des Strafrahmens gemäß § 19 Abs. 3 GÜG fehlt. Das Landgericht ist offenbar davon ausgegangen, dass der Angeklagte C.    "gewerbsmäßig" gehandelt habe (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 GÜG), begründet dies aber nicht. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte C.    schon bei und während der hier gescheiterten versuchten Einfuhr von Grundstoffen von einer wiederholten Tatbegehung ausgegangen ist, mit der er sich eine nicht nur vorüber gehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen wollte. An der ursprünglichen Verbrechensabrede war der Angeklagte C.    , der lediglich einen Auftrag für eine Einfuhr mit einer beabsichtigten Entlohnung über 50.000 € erhalten hatte, nicht beteiligt (UA S. 44). Dass er zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens für diesen Auftrag bereits von weiteren Containerlieferungen ausging, ist nicht festgestellt und kann auch nicht daraus entnommen werden, dass nach dem Scheitern des ersten Einfuhrversuchs über erneute Lieferungen gesprochen worden ist. Im Übrigen hätte die Strafkammer bei angenommener Gewerbsmäßigkeit im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung erörtern müssen, ob nicht insbesondere mit Blick auf das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes nach § 23 Abs. 2 StGB die Regelwirkung des besonders schweren Falles gemäß § 19 Abs. 3 GÜG entfallen kann.

Fischer                      Appl                         Krehl

                 Ott                         Zeng

Fundstelle(n):
UAAAE-67280