BGH Beschluss v. - 6 StR 366/22

Instanzenzug: LG Rostock Az: 11 KLs 168/21 (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten T.        wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall 15/16 der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den Angeklagten B.     hat es wegen „Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren“ in zwölf Fällen (Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe) und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 13/14 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten T.       erzielt, ebenso wie das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten B.    , den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind beide Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Während die von dem Angeklagten T.       erhobenen Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts versagen, hält das Urteil der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

31. Die Strafzumessung im Fall 15/16 und die Entscheidung über die Einziehung des Motorrades Kawasaki halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

4Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:

„Doch hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den (bislang nicht festgestellten) Wert der eingezogenen ‚Kawasaki (…)‘ unberücksichtigt gelassen. Eine entsprechende Berücksichtigung wäre hier aber, gegebenenfalls unter näherer Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, zur Erzielung eines gerechten Schuldausgleichs geboten gewesen (vgl. ; Urteil vom – 1 StR 585/93, jeweils mit weiteren Nachw.), weil die auf § 74 Abs. 1 (und 3 Satz 1) StGB gestützte Einziehungsanordnung als Nebenstrafe angesichts des möglicherweise nicht unbeträchtlichen Wertes des Motorrads einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt darstellt (dazu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 369 und krit. 725).“

5Daher kann auch die Einziehungsentscheidung keinen Bestand haben, zumal die Strafkammer ihr Ermessen nicht erkennbar ausgeübt hat (§ 74 Abs. 1 StGB).

62. Dem Gesamtstrafenausspruch ist wegen des Wegfalls einer der beiden Freiheitsstrafen die Grundlage entzogen. Die Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

II.

7Die Revision des Angeklagten B.     ist ebenfalls teilweise begründet.

81. Der Strafausspruch hält in den Fällen 1, 3, 5, 9, 10, 11, 12 und 13/14 rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl betreffend Fall 13/14 und im Übrigen im Rahmen der Strafzumessung (Fälle 1, 3, 5, 9, 10, 11, 12) zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft in die Abwägung eingestellt, dass er mit der „harten Droge“ Ecstasy Handel trieb beziehungsweise diese an Minderjährige abgab (vgl. , Rn. 20; Urteil vom – 4 StR 463/18, NStZ 2019, 419 [dort nicht abgedruckt]).

10Dem Gesamtstrafenausspruch ist damit die Grundlage entzogen. Die Feststellungen zu den jeweiligen Strafaussprüchen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

112. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob gegen den Angeklagten B.      die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die zu seiner Person getroffenen Feststellungen hierzu Anlass gaben. Danach „will der Angeklagte einige Jahre Betäubungsmittel konsumiert haben, Speed und dann bis zu seiner Inhaftierung hauptsächlich Kokain, fast täglich bis zu fünfmal am Tag“.

12Auf dieser Grundlage ist das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nicht auszuschließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 251/21 und vom – 6 StR 307/21). Das Landgericht hat indessen offengelassen, ob es dieser Einlassung des Angeklagten, der keine „Grammzahlen“ genannt habe, folgt. Zwar legt die Wendung, der Angeklagte „hatte bei seiner Inhaftierung allerdings kein gesundheitliches Problem wegen seines angeblich übermäßigen Konsums und begab sich folglich auch nicht in ärztliche Behandlung“ nahe, dass die Strafkammer der Einlassung insoweit nicht hat folgen wollen. Indessen hätte das Landgericht damit nicht erkennbar bedacht, dass auch ohne eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit sowie der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden ein Hang vorliegen kann (vgl. , NStZ-RR 2020, 168); gleiches gilt für das Fehlen von Entzugserscheinungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 90/21, und vom – 3 StR 415/19, aaO), zumal sich die Feststellungen hierzu ohnehin nur auf den Zeitpunkt „bei seiner Inhaftierung“ beschränken.

13Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nach den Urteilsgründen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt (§ 246a StPO) und entschieden werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:151222B6STR366.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-30215