BAG Urteil v. - 3 AZR 100/11

Betriebliche Altersversorgung - Höchstaltersgrenze

Leitsatz

Die Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung, wonach ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann, ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts.

Gesetze: § 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG, § 10 S 3 Nr 4 AGG, § 1b BetrAVG, § 262 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 2 EGRL 78/2000

Instanzenzug: Az: 54 Ca 15438/09 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 14 Sa 1328/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren.

2Die im Februar 1942 geborene Klägerin war in der Zeit vom bis zum bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin tätig. Die Beschäftigung erfolgte zunächst auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Vor der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin schlossen die Parteien am für die Zeit vom bis zum einen befristeten Arbeitsvertrag.

3Im Dezember 1999 hatte der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber den damals 90 Arbeitnehmern bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, künftig Betriebsrenten zu zahlen. Gegenüber der Klägerin und einem weiteren Mitarbeiter äußerte der Geschäftsführer, dass sie die bei einer Versicherung abgeschlossene Betriebsrente nicht erhielten, weil sie zu alt seien.

Die Beklagte gründete zur Durchführung der Altersversorgung im Jahr 1999 eine Unterstützungskasse, den D Versorgungswerk e.V. Allgemeine Regelungen der betrieblichen Altersversorgung wurden in einem Leistungsplan getroffen. Dieser bestimmt ua.:

5Die Leistung der betrieblichen Altersversorgung wird für den betreffenden Arbeitnehmer vom Versorgungswerk individuell berechnet.

6In der Folgezeit erteilte die Beklagte denjenigen Mitarbeitern Einzelzusagen für die betriebliche Altersversorgung, die bestimmte, von der Beklagten formlos aufgestellte Voraussetzungen erfüllten; danach war der Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten am und die Erreichbarkeit einer 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich.

7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen ab dem . Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihr im Dezember 1999 mitgeteilt, dass sie zwar keine Betriebsrente aus der abgeschlossenen Versicherung erhalte, er sich aber für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen werde. Diese Erklärung habe sie so verstanden, dass sie eine anteilige Direktzahlung durch die Beklagte erhalten werde. Im April oder Mai 2000 habe der Geschäftsführer gegenüber den Mitarbeitern geäußert, sie müssten sich keine Gedanken über ihr Alter machen, da niemand weniger haben werde als das, was er jetzt bekomme. Außerdem habe er erklärt, Voraussetzung für eine Betriebsrente sei eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren. Diese Voraussetzung erfülle sie. Von einer erreichbaren Betriebszugehörigkeitszeit von mindestens 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung sei nicht die Rede gewesen. Eine solche Wartezeitregelung sei im Übrigen unzulässig. Sie sei sachwidrig und bewirke eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters und des Geschlechts. Die Beklagte schulde mindestens eine monatliche Rente iHv. 1.102,35 Euro brutto. Dies entspreche 50 vH ihrer zuletzt bezogenen Nettovergütung.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Klägerin stehe keine betriebliche Altersversorgung zu. Voraussetzung für die Gewährung einer Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sei ua. die Erreichbarkeit einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze. Diese Voraussetzung habe die Klägerin nicht erfüllen können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

11Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. Der zweite Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12I. Der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag sind als Feststellungsanträge zulässig.

131. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Versorgungsverpflichtung der Beklagten ab dem (Hauptantrag) bzw. dem (Hilfsantrag). Sie hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die Beklagte die geltend gemachte Pflicht zur Versorgung der Klägerin durch Gewährung einer laufenden Betriebsrente oder einer einmaligen Kapitalzahlung leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl.  - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 27; - 3 AZR 655/02 - zu A der Gründe).

142. Der Haupt- und der erste Hilfsantrag sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten die Wahl zwischen der Zahlung einer laufenden monatlichen Rentenleistung einerseits und der Zahlung einer einmaligen Kapitalleistung andererseits erhalten werden soll. Nach dem Leistungsplan des D Versorgungswerk e.V. hat die Beklagte eine Wahlschuld iSd. § 262 BGB. Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist. Auch eine Wahlschuld kann eine bestimmte Leistung sein, weil nur ein einheitlicher Anspruch besteht, der jedoch einen alternativen Inhalt hat ( - Rn. 24, BAGE 138, 68; Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 262 Rn. 1). Der Gläubiger muss in diesem Fall eine Klage mit alternativen Anträgen erheben (Palandt/Grüneberg § 264 Rn. 2). Dem hat die Klägerin mit ihrer Antragstellung entsprochen.

15II. Die Klage ist mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht mit Erfolg auf eine ihr erteilte Versorgungszusage stützen kann. Die Klägerin erfüllt auch die von der Beklagten aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht, da sie keine 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen konnte. Die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist wirksam; sie verstößt weder gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters noch bewirkt sie eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

161. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass sich aus den Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten im Dezember 1999 kein Anspruch der Klägerin auf Versorgungsleistungen ergibt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat der Klägerin und einem weiteren Mitarbeiter ausdrücklich erklärt, dass sie keine betriebliche Altersversorgung erhielten, da sie wegen ihres Alters nicht zum Kreis der begünstigten Arbeitnehmer zählten. Die weitere von der Klägerin behauptete Erklärung, er werde sich für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen, hat das Landesarbeitsgericht als unverbindliche Absichtserklärung ausgelegt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

17a) Bei der Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten handelt es sich um eine nichttypische Willenserklärung. Deren Auslegung obliegt in erster Linie dem Gericht der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat ( - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; - 9 AZR 819/06 - Rn. 19, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (vgl.  - aaO;  - Rn. 26 ff., BGHZ 170, 152).

18b) Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Klägerin behauptete Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, er werde sich für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen, sei nicht als verbindliche Zusage zu verstehen. Es handele sich lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung, entsprechende Überlegungen anstellen zu wollen. Folglich fehle es an einem Bindungswillen. Damit ist das Landesarbeitsgericht zu einem denkbaren Auslegungsergebnis gelangt. Revisible Rechtsfehler sind weder erkennbar noch von der Klägerin aufgezeigt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten nicht als „Scherzerklärung“ iSv. § 118 BGB gewürdigt. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr angenommen, aus der Erklärung lasse sich kein rechtsgeschäftlicher Bindungswille im Sinne der Erteilung einer Versorgungszusage ableiten.

192. Auch aus den von der Klägerin behaupteten Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten im April oder Mai 2000, dass sich niemand Gedanken über sein Alter machen müsse, weil die Beklagte eine Betriebsrente für alle Angestellten vorgesehen habe und es allen so gut gehen werde wie jetzt, folgt kein Anspruch der Klägerin auf Versorgungsleistungen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass sich diese Erklärungen erkennbar auf den Personenkreis bezogen haben, der die von der Beklagten aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung einer Versorgungszusage erfüllte. Zudem habe einer solchen Äußerung nur entnommen werden können, dass in der Folgezeit Versorgungszusagen erteilt würden. Auch insoweit zeigt die Revision keine revisiblen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Auslegung dieser nichttypischen Erklärungen auf.

203. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht unmittelbar auf eine von der Beklagten erteilte Gesamtzusage oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

21a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war Voraussetzung für die Erteilung einer Versorgungszusage neben einem am bestehenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten die Erreichbarkeit einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar hatte die Beklagte zunächst erstinstanzlich vorgetragen, die Erteilung einer Versorgungszusage habe eine mögliche 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zum voraussichtlichen altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt. Erst in zweiter Instanz hat sich die Beklagte auf eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung berufen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass auch mit dem voraussichtlichen altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze gemeint war. Von einem altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses kann nur dann gesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Vollendung eines bestimmten Lebensjahres beendet wird. Typischerweise werden nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in der betrieblichen Altersversorgung keine weiteren Versorgungsanwartschaften erworben und die Mehrzahl der Arbeitnehmer scheidet spätestens mit Erreichen dieser Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis aus. Deshalb ist es unerheblich, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine sonstige Altersgrenze vorsah. Im Übrigen ging auch die Klägerin zunächst erkennbar davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis bei Erreichen der Regelaltersgrenze mit der Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 2007 enden würde; ansonsten hätte keine Veranlassung dafür bestanden, für die Zeit vom bis zum einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Beklagten abzuschließen.

22b) Die Klägerin konnte eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erreichen. Sie ist am in das Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingetreten und hat die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres im Februar 2007 erreicht. Dies ist ein Zeitraum von weniger als 15 Jahren.

234. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht deshalb zu, weil die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam wäre. Dies ist nicht der Fall. Die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts.

24a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters und des Geschlechts, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ( - Rn. 17; - 3 AZR 23/08 - Rn. 33, BAGE 131, 298).

25b) Das Erfordernis einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Es kann dahinstehen, ob die Festlegung einer erreichbaren 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Zugangsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ältere Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt, weil sie ab einem bestimmten Lebensalter von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden, oder ob lediglich eine mittelbare Diskriminierung denkbar ist. Selbst eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters wäre nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Dies schließt auch eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters aus (vgl.  - Rn. 40 mwN, BAGE 131, 61; - 3 AZR 23/08 - Rn. 35, BAGE 131, 298).

26aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und damit auch zur betrieblichen Altersversorgung und für den Bezug von Altersrente grundsätzlich als ein von einem legitimen Ziel getragenes Mittel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein soll. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein.

27bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 S. 16, im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. ausführlich  - Rn. 37 ff., BAGE 131, 298).

28(1) Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Mitgliedstaaten sind demnach, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist somit unionsrechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt (vgl.  - Rn. 40, BAGE 131, 298).

29(2) Diesen Vorgaben genügt § 10 AGG. Der nationale Gesetzgeber hat Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu unverändert in das nationale Recht übernommen. Indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet und somit § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG für anwendbar erklärt hat, ist er über die Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Zwar findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Einschränkung „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, nicht wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes führen (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Dies ergibt sich auch daraus, dass eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt, nicht iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein kann. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer betrieblichen Altersversorgung oder die Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Der Gesetzgeber muss die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln, sondern kann Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen (vgl.  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8531;  - Rn. 37, BAGE 131, 61; - 3 AZR 23/08 - Rn. 41, BAGE 138, 298).

30cc) Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu fördern, hat der Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung das Mittel der Festsetzung von Altersgrenzen in Versorgungsordnungen zur Verfügung gestellt. Von dieser Möglichkeit kann grundsätzlich auch der einzelne Arbeitgeber bei der Schaffung von Versorgungsregelungen Gebrauch machen. Allerdings muss die konkret festgelegte Altersgrenze nach § 10 Satz 2 AGG angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer von der betrieblichen Altersversorgung ausnimmt, die von ihrem Eintritt in das Arbeitsverhältnis bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit nicht erreichen können.

31(1) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählen - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl.  - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 4; - 3 AZR 656/00 - zu 2 a der Gründe, BAGE 99, 53; - 3 AZR 194/07 - Rn. 23, BAGE 127, 260). Dies ist seiner Bereitschaft geschuldet, sich freiwillig zu einer von ihm zu finanzierenden betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten. Durch die Festlegung der Voraussetzungen für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung bestimmt der Arbeitgeber zudem seinen Dotierungsrahmen. Diese Gestaltungsfreiheit eröffnet dem Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit, einen Zeitraum festzulegen, den ein Arbeitnehmer mindestens im Arbeitsverhältnis zurückgelegt haben muss, um einen Versorgungsanspruch zu erwerben (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

32(2) Allerdings darf der Arbeitgeber bei der Festlegung einer Höchstaltersgrenze oder einer Mindestbetriebszugehörigkeit als Voraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat (vgl. hierzu etwa  - Rn. 107, BVerfGE 124, 199;  - zu I 1 der Gründe, BAGE 62, 345;  - Rn. 17, BGHZ 169, 122) und eine anspruchsausschließende Wartezeit in Form einer Mindestbetriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine Höchstaltersgrenze dazu führt, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer für die gesamte von ihnen geleistete Betriebstreue keine betriebliche Altersversorgung erhalten. Damit dürfte etwa eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, nicht zu vereinbaren sein. Eine Höchstaltersgrenze oder die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Anspruchsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung darf auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung von Frauen führen. Deshalb ist bei einer solchen Regelung darauf Bedacht zu nehmen, dass Frauen häufig nach einer familiär bedingten Unterbrechung der Berufstätigkeit zur Kinderbetreuung und -erziehung in das Erwerbsleben zurückkehren und ihnen auch in der Folgezeit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden soll, noch Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben.

33(3) Danach werden die Interessen der Arbeitnehmer durch die Festlegung einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unangemessen beeinträchtigt. Zwar können Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter beginnt, keine Versorgungsanwartschaften erwerben. Im Hinblick darauf, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre und mehr umfasst, ist dies jedoch noch hinnehmbar, zumal diese Arbeitnehmer bereits in vorangegangenen Arbeitsverhältnissen die Möglichkeit hatten, Betriebsrentenanwartschaften zu erdienen.

34Das Erfordernis einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung führt auch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen. Bei typisierender Betrachtung ist mit dem Wiedereintritt in das Berufsleben nach Zeiten der Kindererziehung bereits vor der Vollendung des 50. Lebensjahres zu rechnen. Ob an der vom Senat bislang vertretenen Auffassung, wonach leistungsausschließende Wartezeiten von 20 Jahren zulässig sind (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354) festgehalten werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

35(4) Der Zulässigkeit der Festlegung einer bis zum gesetzlichen Rentenalter erreichbaren Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren in einer Versorgungsregelung stehen entgegen der Auffassung der Klägerin die kürzeren gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen nach § 1b BetrAVG - ggf. iVm. § 30f BetrAVG - nicht entgegen. Diese sind von Wartezeitregelungen in Versorgungsordnungen grundlegend zu unterscheiden.

36Mit den gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen hat der Gesetzgeber im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats (vgl.  - BAGE 24, 177) aufgrund des schützenswerten Vertrauens der von einer Versorgungszusage begünstigten Arbeitnehmer in das privatautonome Versorgungsversprechen eingegriffen und schon demjenigen eine rechtlich geschützte Rechtsposition zuerkannt, der zwar nicht die für die Versorgungsleistung erwartete Gegenleistung - Betriebstreue bis zum Versorgungsfall - wohl aber einen Teil hiervon erbracht hat, den der Gesetzgeber als so wesentlich eingeschätzt hat, dass nach seinem Ablauf ein rechtlich zu schützendes Vertrauen der begünstigten Arbeitnehmer darauf entstanden ist, die auch im Hinblick auf die in Aussicht gestellten Versorgungsleistungen erbrachte Arbeitsleistung werde selbst bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht gänzlich ohne Gegenleistung in Form von Versorgungsentgelt bleiben (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

37Nach § 1b Abs. 1 Satz 5 BetrAVG wird der Ablauf einer in einer Versorgungsordnung festgelegten Wartezeit durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der für die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft erforderlichen Beschäftigungszeit nicht berührt. Eine unverfallbare Anwartschaft und der sich daraus nach § 2 BetrAVG ergebende Teilanspruch besteht daher auch dann, wenn die in der Versorgungsordnung bestimmte Wartezeit beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch nicht abgelaufen ist; dabei wird der (Teil-)Anspruch entsprechend der Versorgungszusage frühestens dann fällig, wenn die Wartezeit abgelaufen ist ( - AP BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 1 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 2; - 3 AZR 1263/79 - BAGE 42, 312). Umgekehrt erwirbt ein Arbeitnehmer, der aus der Sicht bei Vertragsbeginn die Wartezeit als Voraussetzung für den Vollanspruch bis zur voraussichtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erreichen kann, keine unverfallbare Anwartschaft, wenn er die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen im Betrieb zurückgelegt hat. Wer aufgrund der privatautonom festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nie darauf vertrauen durfte, dass er einen vollen Versorgungsanspruch erwerben würde, kann auch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erwerben (vgl.  - BAGE 29, 227; - 3 AZR 5/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

38Die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen sind daher kein Maßstab für die Angemessenheit einer in einer Versorgungsregelung vorgesehenen Wartezeit.

39(5) Der Senat kann über die Vereinbarkeit der Regelung mit Unionsrecht selbst entscheiden. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 Abs. 3 AEUV).

40Die Auslegung des den Vorschriften des AGG zugrunde liegenden unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG zu dessen Konkretisierung ist durch die Entscheidungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Kücükdeveci“ ( - Slg. 2010, I-365) und in der Rechtssache „Prigge ua.“ ( - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl.  283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982 S. 3415). Ob ein Grund iSd. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gegeben ist, der eine Diskriminierung wegen des Alters ausschließt, ist von den nationalen Gerichten zu prüfen ( - [Age Concern England] Rn. 47 ff., Slg. 2009, I-1569).

41III. Der zweite Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem ersten Hilfsantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

IV. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1267 Nr. 21
BB 2013 S. 436 Nr. 8
DB 2013 S. 1245 Nr. 22
DB 2013 S. 16 Nr. 20
DB 2013 S. 26 Nr. 7
DStR 2013 S. 12 Nr. 8
GmbHR 2013 S. 89 Nr. 6
NJW 2013 S. 2540 Nr. 34
NJW 2013 S. 8 Nr. 21
ZIP 2013 S. 1090 Nr. 22
ZIP 2013 S. 6 Nr. 8
UAAAE-65861