BGH Beschluss v. - XII ZB 640/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Mit Beschluss vom , der dem Antragsgegner (richtig:) am zugestellt worden ist, hat das Familiengericht ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Antragstellerin und an den Landkreis A. verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Mit einem am Freitag, dem um 12:29 Uhr beim Familiengericht eingegangenen Telefax hat der Antragsgegner das Rechtsmittel begründet. Die Akte befand sich zu der Zeit noch beim Familiengericht. Am Montag, dem hat der Abteilungsrichter des Familiengerichts die Weiterleitung der Akte an das Beschwerdegericht verfügt, wo sie am eingegangen ist.

2 Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei versäumt, weil die Akte mit der Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da die Frist nicht schuldlos versäumt sei. Das Familiengericht habe den Antrag im ordentlichen Geschäftsgang an das Beschwerdegericht weitergeleitet. Zu einer besonderen Beschleunigung der Aktenübersendung sei das Familiengericht nicht verpflichtet gewesen.

II.

3 Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

4 Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).

5 1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag bei dem Beschwerdegericht eingegangen war.

6 2. Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist.

7 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 559/12 - FamRZ 2013, 695 Rn. 6). In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

8 Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 117 Abs. 1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Auch darüber konnte bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Zweifel bestehen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 10).

9 An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 19 mwN). Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die Rechtsmittelschrift und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. - NJW 2011, 683 Rn. 16 mwN). Dieselben Maßstäbe gelten für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung. Bei Unterzeichnung hat der Rechtsanwalt sie auf ihre Richtigkeit, insbesondere auf korrekte Adressierung hin zu überprüfen.

10 3. Die Sorgfaltspflichtverletzung wurde auch für die Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist kausal. Ein Rechtsuchender darf zwar darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 mwN). Das ist im vorliegenden Fall jedoch geschehen. Die am eingegangene Beschwerdebegründung ist vom Abteilungsrichter bereits am darauffolgenden Werktag, dem , bearbeitet worden, indem er die Übersendung der Akte nebst Beschwerdebegründung an das Beschwerdegericht verfügt hat. Am nächsten Tag, dem , hat die Geschäftsstelle die Aktenübersendung an das Beschwerdegericht veranlasst. Diese Vorgehensweise bewegt sich im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs.

11 Eine Verpflichtung, die Rechtsmittelschrift von der Akte zu trennen und sie dem Oberlandesgericht vorab per Briefpost oder Telefax zu senden, bestand auch im vorliegenden Fall nicht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 221/12 - [...] Rn. 11).

12 4. Weil der Antragsgegner die Frist zur Begründung seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 233 ZPO der Sache nach zu Recht versagt. Dass die Entscheidung über die Wiedereinsetzung nicht in die Beschlussformel aufgenommen worden ist, sondern nur in den Beschlussgründen erfolgte, ist unschädlich (RGZ 67, 186, 190; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 238 Rn. 2; BeckOK ZPO/Wendtland [Stand: ] § 238 Rn. 10).

13 Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden. Sie ist unter Hinzunahme des in Bezug genommenen Hinweisbeschlusses vom auch mit einer hinreichenden Begründung versehen und enthält ausreichende tatsächliche Feststellungen, die das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzen, die prozessuale Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. - [...] Rn. 6, 8 mwN).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
FAAAE-57095