Treuhändervergütung im vereinfachten Insolvenzverfahren: Beginn der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde nach Veröffentlichung des Festsetzungsbeschlusses im Internet
Leitsatz
Der Lauf der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen die Vergütung festsetzenden Beschluss ist nach Veröffentlichung des Beschlusses im Internet und der dadurch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO bewirkten Zustellung nach § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Fall 2 BGB zu berechnen.
Gesetze: § 4 InsO, § 9 Abs 1 S 3 InsO, § 9 Abs 3 InsO, § 64 Abs 2 InsO, § 222 Abs 1 ZPO, § 569 Abs 1 S 1 ZPO, § 569 Abs 1 S 2 ZPO, § 187 Abs 2 BGB, § 188 Abs 2 Alt 2 BGB
Instanzenzug: LG Essen Az: 7 T 241/10vorgehend AG Essen Az: 162 IK 43/06
Gründe
I.
1Auf Eigenantrag der Schuldnerin eröffnete das Insolvenzgericht nach Verfahrenskostenstundung am das vereinfachte Insolvenzverfahren über deren Vermögen. Nach Vorlage des Schlussberichts setzte es mit Beschluss vom die Vergütung des Treuhänders zu Lasten der Staatskasse antragsgemäß auf 800,40 € fest. Mit Beschluss vom wurde der Schuldnerin Restschuldbefreiung angekündigt. Die dem Treuhänder gegenüber angekündigte Aufhebung des Insolvenzverfahrens unterblieb. Mit Zwischenbericht vom teilte der Treuhänder mit, dass die Schuldnerin eine Erbschaft in Höhe von ca. 400.000 € gemacht und er das Geld vereinnahmt habe. Möglicherweise sei aber ein Miterbe vorhanden. Mit neuerlichem Schlussbericht vom beantragte er, seine Vergütung auf 61.169,76 € festzusetzen zuzüglich Auslagen von 12.000 € und Umsatzsteuer, insgesamt 87.072,01 €.
2Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung mit Beschluss vom auf insgesamt 62.808,01 € fest, wovon die von der Staatskasse erhaltene Vergütung abzuziehen sei. Der Beschluss wurde zum Zwecke der Bekanntmachung am um 22.37.04 Uhr im Internet eingestellt und der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am zugestellt. Am legte die Schuldnerin, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht setzte die Vergütung auf insgesamt 23.050,80 € herab. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Treuhänders.
II.
3Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 6, 7, 313 Abs. 1 Satz 3, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und zur Verwerfung der sofortigen Beschwerde als unzulässig.
41. War die sofortige Beschwerde zwar statthaft, jedoch unzulässig, weil sie verfristet war, und hat das Beschwerdegericht über die unzulässige Beschwerde gleichwohl sachlich entschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (, ZIP 2009, 1495 Rn. 6 mwN). Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen, weil es andernfalls an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht fehlt (, ZIP 2012, 1779 Rn. 5 mwN).
52. Die am beim Insolvenzgericht per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom war verfristet. Die Notfrist von zwei Wochen, innerhalb der die sofortige Beschwerde nach § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzulegen war, begann gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 InsO zwei Tage nach der am erfolgten öffentlichen Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung im Internet und endete am . Der Umstand, dass der Festsetzungsbeschluss der Schuldnerin nach der Bekanntmachung im Internet auch noch persönlich zugestellt wurde, hatte auf den Lauf der Frist keinen Einfluss (, ZInsO 2009, 2414 Rn. 9; vom , aaO Rn. 6). Die Anknüpfung des Fristlaufs an die öffentliche Bekanntmachung im Internet ohne Veröffentlichung der festgesetzten Beträge (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO) verletzt nicht den Anspruch des Schuldners auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4, Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ( aaO Rn. 7). Dies gilt jedenfalls, wenn eine solche Festsetzung von Rechts wegen erfolgen durfte und dem Schuldner rechtliches Gehör gewährt worden ist.
6a) Die Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO begann mit der Zustellung der Entscheidung. Gemäß § 9 Abs. 3 InsO genügt die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligte, auch wenn das Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorsieht.
7b) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO gilt die Bekanntmachung als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Vorliegend erfolgte die Veröffentlichung im Internet am . Der zweite Tag nach Veröffentlichung fiel auf einen Samstag. Gemäß § 4 InsO, § 222 Abs. 2 ZPO endete die Frist deshalb mit Ablauf des nächsten Werktages, also des Montags, (Graf-Schlicker/Kexel, InsO 3. Aufl., § 9 Rn. 4; HmbKomm-InsO/Rüther, 4. Aufl., § 9 Rn. 8; HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 9 Rn. 7).
8c) Die zweiwöchige Beschwerdefrist berechnet sich sodann nach § 4 InsO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Fall 2 BGB und endet mit Ablauf des Montags, .
9aa) Die Frist begann gemäß § 187 Abs. 2 BGB mit Beginn des zu laufen. Maßgebend ist, ob die gesetzliche Regelung den Fristbeginn an ein bestimmtes Ereignis oder an einen in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt knüpft (dann ist § 187 Abs. 1 BGB anwendbar) oder ob sie den Fristbeginn in anderer Weise regelt (dann kommt § 187 Abs. 2 BGB zur Anwendung). Das entspricht ständiger Rechtsprechung (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, GmS-OGB 2/71, BGHZ 59, 396, 397 f; , WM 1989, 826, 827; vom - IX ZR 33/04, ZIP 2005, 310).
10Im vorliegenden Fall ist zwar ein Ereignis, die Veröffentlichung im Internet, maßgeblich für den Beginn der Bewirkungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO. Hier gilt deshalb § 187 Abs. 1 BGB. Mit dem Ablauf des zweiten auf die Veröffentlichung folgenden Tages ist die Bekanntmachung bewirkt.
11Für den Beginn der Frist der sofortigen Beschwerde ist demgegenüber kein Ereignis maßgebend, dass in den Lauf eines Tages fällt, sondern der Ablauf der Frist des § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO. Demnach ist § 187 Abs. 2 BGB einschlägig (vgl. aaO Rn. 6). Der von der Rechtsbeschwerdeerwiderung herangezogene Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zum Zeitpunkt 0.00 Uhr eines bestimmten Tages (vgl. aaO) ist hiermit nicht vergleichbar, denn dort fällt gerade ein bestimmtes Ereignis, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in den Lauf eines Tages. Solches ist hier nicht der Fall.
12bb) Der Lauf der Frist berechnet sich demgemäß nach § 188 Abs. 2 Fall 2 BGB. Sie endet mit Ablauf desjenigen Tages, welcher dem Tag vorangeht, der durch seine Benennung dem Anfangstag der Frist entspricht. Da die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde mit Beginn des begann, endete sie mit Ablauf des .
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2013 S. 9 Nr. 50
NJW 2013 S. 6 Nr. 51
NJW-RR 2014 S. 162 Nr. 3
WM 2013 S. 2372 Nr. 50
ZIP 2013 S. 2425 Nr. 50
JAAAE-50689