BGH Beschluss v. - IX ZA 33/15

Restschuldbefreiungsverfahren: Rücknahme des Versagungsantrags nach Rechtskraft des Versagungsbeschlusses; Fristenlauf bei Unvollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung

Gesetze: § 4 InsO, § 233 ZPO, § 298 InsO, § 569 Abs 1 S 1 ZPO, § 569 Abs 1 S 2 ZPO

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 4 T 2513/15vorgehend AG Rosenheim Az: 603 IN 388/10

Gründe

I.

1Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner während der Wohlverhaltensperiode auf Antrag des weiteren Beteiligten die Restschuldbefreiung nach §298 InsO versagt, weil die Mindestvergütung des Treuhänders durch die an ihn abgeführten Beträge nicht gedeckt war und der Schuldner den Betrag trotz Aufforderung nicht eingezahlt hatte. Der Beschluss wurde am dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners und eine Beschlussabschrift am dem Schuldner persönlich zugestellt. Am legte ein vom Schuldner für das Beschwerdeverfahren bevollmächtigter Rechtsanwalt sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Restschuldbefreiung ein. Mit Schreiben vom nahm der weitere Beteiligte seinen Versagungsantrag zurück, weil der Schuldner zwischenzeitlich den angeforderten Betrag für die Mindestvergütung gezahlt hatte.

2Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Schuldner beantragt Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.

II.

3Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

41. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts unterliegt nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art.101 Abs. 1 Satz 2 GG der Aufhebung. Dieses verbietet eine Entscheidung durch den Einzelrichter des Beschwerdegerichts, wenn der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (, NZI 2015, 563 Rn. 4 mwN). Im Streitfall ist in der Eingangsformel des angefochtenen Beschlusses zwar angegeben, der Beschluss sei durch den Einzelrichter ergangen. Dabei handelt es sich jedoch um eine offenbare Unrichtigkeit, denn der Beschluss ist von der entscheidenden Kammer in der vollen Besetzung von drei Richtern unterzeichnet.

52. Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die sofortige Beschwerde des Schuldners verfristet und deshalb unzulässig war. Die Frist von zwei Wochen, innerhalb der eine sofortige Beschwerde einzulegen ist, begann mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners (§ 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO; , nv Rn. 2). Er hatte für den Schuldner unter Vorlage einer von diesem unterzeichneten Vollmacht den Insolvenzeröffnungsantrag gestellt und ihn seither durchgängig vertreten. Eine Beendigung des Mandats vor der Zustellung des Beschlusses über die Versagung der Restschuldbefreiung wird vom Schuldner nicht behauptet und wurde gegenüber dem Gericht nicht angezeigt. Der Beschluss war daher gemäß § 4 InsO, § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend dem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten zuzustellen. Der Umstand, dass eine Abschrift des Beschlusses kurze Zeit später auch dem Schuldner persönlich zugestellt wurde, führt nicht zu einem späteren Beginn des Fristlaufs. Maßgeblich ist schon wegen der Bestimmung des § 172 Abs.1 Satz 1 ZPO die Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten. Sie setzte aber als zeitlich frühere Zustellung den Lauf der Beschwerdefrist selbst dann in Gang, wenn die Zustellung an den Schuldner in gleicher Weise wirksam wäre (vgl. für Zustellungen an mehrere Prozessbevollmächtigte: , BGHZ 112, 345, 347; für den Fall einer persönlichen Zustellung an den Schuldner nach einer öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 9 InsO: , WM 2013, 2372 Rn. 5).

63. In der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wird über den Fristbeginn bei mehrfacher Zustellung nicht belehrt. Ob dies geboten gewesen wäre, kann dahinstehen. Denn eine Unvollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen Einfluss auf den Lauf der Beschwerdefrist. Sie kann allenfalls einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen (, WM 2016, 803 Rn. 11 f). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §233 ZPO liegen im Streitfall aber nicht vor, weil der Schuldner anwaltlich vertreten war (vgl. , MDR 2010, 1073, 1074).

74. Die Rücknahme des Antrags auf Versagung der Restschuldbefreiung mit Schreiben vom hat keine Auswirkungen. Das durch den Versagungsantrag eingeleitete Verfahren war mit dem Ablauf der Beschwerdefrist am rechtskräftig abgeschlossen. Die nachfolgende Rücknahme des Antrags berührte die Wirksamkeit des Beschlusses über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht (, WM 2010, 1662 Rn. 4).

Kayser                        Gehrlein                        Grupp

                Möhring                    Schoppmeyer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:120516BIXZA33.15.0

Fundstelle(n):
VAAAF-76502