BAG Urteil v. - 6 AZR 49/12

(Sonderliquidationsverfahren für öffentliche Unternehmen nach griechischem Recht - ordre public - keine Zurückweisung der Betriebsratsanhörung nach § 174 S 1 BGB - Betriebsübergang - Vollmachtsstatut)

Gesetze: Art 3 Abs 1 EGV 1346/2000, Art 19 Abs 1 GG, § 343 Abs 1 S 2 Nr 2 InsO, § 174 S 1 BGB, § 177 Abs 1 BGB, § 613a Abs 1 S 1 BGB, § 613a Abs 4 S 1 BGB, § 102 Abs 1 BetrVG, § 102 Abs 2 S 1 BetrVG, § 5 KSchG, § 7 KSchG, § 17 Abs 1 S 1 KSchG, § 180 S 1 BGB, § 180 S 2 BGB

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 2 Ca 2422/10 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 17 Sa 761/11 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 3634/13 Stattgebender Kammerbeschlussnachgehend Az: 6 AZR 442/16 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin und die Beklagte zu 1. streiten noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung beendet wurde oder fortbesteht. Die Klägerin hat ursprünglich vorrangig gegenüber der Beklagten zu 2. das Klageziel der Feststellung verfolgt, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist und fortdauert. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Revision hat sie jedoch im Verlauf des Revisionsverfahrens zurückgenommen.

2Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, ist eine ehemalige Fluggesellschaft, deren Hauptanteilseigner der griechische Staat ist. Sie unterhielt in Deutschland eine Niederlassung in F mit 36 Arbeitnehmern. Daneben beschäftigte sie weitere 33 Arbeitnehmer in den Stationen B, D, M und S. Keiner dieser Arbeitnehmer war im Flugbetrieb eingesetzt. Sie betreuten vielmehr den Bodenbetrieb des Flugverkehrs der Beklagten zu 1. von und nach Deutschland. Dazu gehörte ein Teil der Aufgaben der flughafenbezogenen Abfertigung von Passagieren und Fracht. Die Arbeitnehmer gaben zB Tickets aus, reservierten Sitzplätze, betreuten die Passagiere und Reisebüros und rechneten gegenüber Frachtkunden ab. An allen Standorten bestand ein Betriebsrat, zudem war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

3Der griechische Staat erbrachte gegenüber der Beklagten zu 1. wiederholt Leistungen, um den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Europäische Kommission leitete deshalb mehrere Verfahren wegen unionsrechtswidriger Beihilfen ein. Im Jahr 2008 unterrichtete Griechenland die Europäische Kommission nach Art. 88 Abs. 3 EG (jetzt: Art. 108 Abs. 3 AEUV) über Pläne, bestimmte Vermögenswerte ua. der Beklagten zu 1. an die P A S.A. zu verkaufen und danach die Beklagte zu 1. zu liquidieren. Im September 2008 entschied die Europäische Kommission, dass die gemeldete Maßnahme keine staatliche Beihilfe iSv. Art. 87 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 107 Abs. 1 AEUV) sei.

4Der griechische Gesetzgeber verabschiedete mit Wirkung vom das Gesetz 3710/2008. Mit dessen Art. 40 wurde in das Gesetz 3429/2005 Art. 14 A eingefügt. Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 lautet in der beglaubigten Übersetzung auszugsweise:

5Im Rahmen des Privatisierungsverfahrens stellte die Beklagte zu 1. den Flugbetrieb weltweit Ende September 2009 ein. Anschließend nahm die P A S.A. den Flugbetrieb in Griechenland auf, ohne Ziele von und nach Deutschland anzusteuern. Die P A S.A. firmierte Anfang Oktober 2009 in Ol S.A. - die Beklagte zu 2. - um. Die Beklagte zu 2. beschäftigt in Deutschland keine Arbeitnehmer und unterhält in der Bundesrepublik keine Betriebsräume. Sie bietet auch keine Flugverbindungen von, in und nach Deutschland an, bediente jedoch seit einige der zuvor von der Beklagten zu 1. im Ausland angebotenen Flugverbindungen. Die Beklagte zu 2. erwarb vom griechischen Staat die Lizenzrechte an der Marke „O“. Der Flughafenkoordinator hatte ihr Anfang September 2009 auf ihren Antrag sog. Slots - dh. Zeitnischen für das Starten und Landen - für den Flughafen in F von der Beklagten zu 1. übertragen. Diese Slots wurden ihr am wieder entzogen, weil inzwischen bekannt geworden war, dass sie keine Flüge von und nach Deutschland anbieten würde. Die Slots wurden einer anderen Fluggesellschaft zugewiesen.

6Auf Antrag der Griechischen Republik vom unterstellte das Berufungsgericht Athen (Efeteio) die Beklagte zu 1. mit Beschluss vom der Sonderliquidation nach dem durch Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 eingefügten Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005. Das Gericht setzte die E S.A., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, als Liquidatorin ein. Bereits am war in der Zeitung der Regierung der Griechischen Republik (Band Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Bl. Nr. 3847) ein Protokoll des Verwaltungsrats der E S.A. veröffentlicht worden. Danach hatte dieser entschieden, dem Direktor T und dem geschäftsführenden Ratsmitglied Ma die volle Verwaltungs- und Vertretungsmacht der Gesellschaft zu übertragen. Das sollte für alle Fragen außer denjenigen gelten, die nach dem Gesetz eine kollektive Handlung des Verwaltungsrats erforderten. Die beiden Verwaltungsratsmitglieder sollten jeder getrennt handeln können. Im Rahmen ihrer Handlungsmacht sollten sie das Recht haben, unter Gewährung von notariellen Vollmachten oder Vollmachtsurkunden die Ausführung konkreter Aufträge zur Vertretung der Gesellschaft vor Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden oder gegenüber Dritten an Angestellte der Gesellschaft oder andere zu übertragen.

7Von August bis Dezember 2009 fanden in Deutschland zwischen der Beklagten zu 1. und dem Gesamtbetriebsrat Interessenausgleichsverhandlungen vor der Einigungsstelle statt. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheiterten, der Sozialplan vom kam durch Spruch der Einigungsstelle zustande.

8Die Klägerin war seit Februar 1992 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin, der O A S.A., in der Station F beschäftigt, zuletzt als Ticketing/Reservation Agent. In dieser Station waren 36 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter mehr als fünf schon vor dem . Die maßgeblichen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Beschäftigungsbedingungen. Nach Nr. 20 dieser Bestimmungen galten sie für die im Anhang 1 aufgeführten Personengruppen, die örtlich in Deutschland durch die Beklagte zu 1. angestellt wurden. Dazu gehörte auch die Funktion als Ticketing/Reservation Agent.

9Mit Schreiben vom leitete Rechtsanwalt G, der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1., die Anhörung des Betriebsrats der Station F zu der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin ein. In diesem Schreiben ist ua. ausgeführt:

10Der Betriebsrat der Station F widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom . Er rügte ua. nach § 174 BGB das Fehlen einer Originalvollmacht für Rechtsanwalt G, Kündigungen zu „betreiben“.

11Am erstattete die Beklagte zu 1. bei der Agentur für Arbeit F eine Massenentlassungsanzeige zur Beendigung aller 36 Arbeitsverhältnisse in dieser Station. Mit Schreiben vom bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige „vom der O S.A.“ und teilte mit:

12Mit weiterem Schreiben vom teilte die Agentur für Arbeit darüber hinaus mit:

13Mit Schreiben vom , die den Arbeitnehmern am zugingen, kündigte Rechtsanwalt G die Arbeitsverhältnisse mehrerer Arbeitnehmer, die in der Station F beschäftigt wurden, zum . Weitere Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern dieser Station kündigte Rechtsanwalt G unter dem zum .

14Zum entzog die griechische Luftfahrtbehörde der Beklagten zu 1. die Fluggenehmigung.

15Das Regierungspräsidium Darmstadt erklärte die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf Antrag von Rechtsanwalt G vom mit Bescheid vom nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig.

16Mit Schreiben vom , das der Klägerin am zuging, kündigte Rechtsanwalt G „namens und in Vollmacht des Sonderliquidators“ das Arbeitsverhältnis mit ihr zum . Der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom , mit dem die Kündigung für zulässig erklärt worden war, wurde der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zeitgleich bekannt gegeben. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

17Dem Kündigungsschreiben war eine von Herrn Ma für die E S.A. unterzeichnete Originalvollmacht vom zugunsten von Rechtsanwalt G beigefügt. Darin heißt es:

18Rechtsanwalt G kündigte auch alle anderen Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland.

19Mit nicht unterzeichnetem Telefax vom , das in vollständiger Form am Abend des - dem Dienstag nach Ostern - beim Arbeitsgericht eingegangen ist und 109 Seiten umfasst, hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Das vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebene Original der Klageschrift vom ist am beim Arbeitsgericht eingegangen. In der Klageschrift ist als Beklagte die „E S.A. … als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A.“ angegeben. Der Klageschrift sind ua. Ablichtungen des Kündigungsschreibens vom und der zugunsten von Rechtsanwalt G erteilten Vollmacht vom beigefügt. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin und die Beklagte zu 1. unter dem auf die fehlende Unterschrift auf dem zunächst eingegangenen Telefax der Klageschrift hingewiesen. Dieser Hinweis ist der Klägerin und der Beklagten zu 1. am zugestellt worden. Die Klägerin hat mit am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom beantragt, die Klage nachträglich zuzulassen. Dieser Antrag ist der Beklagten zu 1. am zugestellt worden. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat den Antrag mit einem im Einzelnen dargestellten Büroversehen seiner langjährigen Kanzleiangestellten K begründet und ihm eine eidesstattliche Versicherung dieser Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten beigefügt. Frau K hatte das Telefax der Klageschrift im Auftrag des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt. Er hat die Zuverlässigkeit der Angestellten ergänzend mit Schreiben vom anwaltlich versichert und hierfür eine eidesstattliche Versicherung angeboten. Die Beklagte zu 1. hat die Verspätung der Klage mit Schriftsatz vom - beim Arbeitsgericht eingegangen am  - gerügt und ist dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage entgegengetreten.

20Die Klägerin wendet sich noch gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung vom . Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei nachträglich zuzulassen. Das Original der Kündigungsschutzklage sei am - Gründonnerstag - auf den Postweg gebracht worden. Unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten habe sie damit rechnen dürfen, dass das Original der Kündigungsschutzklage spätestens am - dem Tag nach Ostermontag - und damit rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingehen werde. Im Fall des rechtzeitigen Eingangs hätte sich die Frage der Übermittlung einer nicht unterschriebenen Klageschrift per Telefax am erübrigt. Der Klägerin sei aber auch insoweit kein Organisationsverschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Er habe seine Fachangestellte gebeten, die von ihm gefertigte und unterschriebene Klageschrift vorab per Telefax an das Arbeitsgericht zu übermitteln. Die Kündigung der Beklagten zu 1. sei unwirksam. Die E S.A. sei nicht zur Kündigung berechtigt gewesen. Ob die Kündigung genehmigungsfähig sei, beurteile sich nach griechischem Recht. Auch nach deutschem Recht könne einer Genehmigung keine Rückwirkung zukommen, weil es sich bei einer Kündigung um die Ausübung eines Gestaltungsrechts handle. Jedenfalls verstoße das griechische Sonderliquidationsverfahren gegen den deutschen ordre public. Die Klägerin hat die Betriebsratsanhörung und die Massenentlassungsanzeige als nicht ordnungsgemäß gerügt. Die Kündigung verletze zudem das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. sei zum , oder zu einem späteren Zeitpunkt auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Es habe der weltweite Unternehmensübergang einer weltweit tätigen Fluggesellschaft stattgefunden. Die Kündigung sei auch sozialwidrig.

21Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,

22Die Beklagte zu 1. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe das Sonderliquidationsverfahren anerkannt, indem sie die Klage ausweislich der Klageschrift gegen die E S.A. gerichtet habe. Jedenfalls fänden §§ 335 ff. und insbesondere § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO Anwendung. Die Beklagte zu 1. hat die Betriebsratsanhörung und die Massenentlassungsanzeige für ordnungsgemäß gehalten. Eine Betriebsratsanhörung könne nicht mangels Vollmachtsnachweises analog § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden. Die Betriebsorganisation der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland sei vollständig aufgelöst worden. Ob die Beklagte zu 2. im Ausland Flugverkehr betreibe, sei für die Frage des Betriebsübergangs unerheblich. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einem übergegangenen Betriebsteil angehört habe und ihre Tätigkeit im Betriebsteil „Boden“ fortbestehe.

23Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kündigung nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam gelte. Die Kündigungsschutzklage sei nicht nachträglich zuzulassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen werde. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin zunächst an allen ihren Anträgen gegen die Beklagten zu 1. und zu 2. festgehalten. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat sie die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Revision vollständig und die Revision gegen die Beklagte zu 1. hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3. zurückgenommen. Der Senat hat in der Revisionsverhandlung vom darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin möglicherweise nicht zu einer Massenentlassung gehöre, weil der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG innerhalb der Frist von 30 Kalendertagen nicht erreicht worden sei. Die Parteivertreter haben Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äußern. Einer der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat beantragt, ihm zu diesem Gesichtspunkt eine Schriftsatzfrist einzuräumen. Der Senat hat das Urteil am Ende der Sitzung verkündet, ohne dem Klägervertreter eine Schriftsatzfrist einzuräumen.

Gründe

24Die noch verbliebene, gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1. zu Recht zugelassen. Die Kündigungsschutzklage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. wurde mit dem beendet. Über den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten allgemeinen Feststellungsantrag hat der Senat deshalb nicht zu entscheiden (Antrag zu 4.). Auch der allgemeine Feststellungsantrag im früheren Prozessrechtsverhältnis mit der Beklagten zu 2. (Antrag zu 2.) und der gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Antrag auf Feststellung, dass die E S.A. nicht zur Kündigung berechtigt war (Hilfsantrag zu 3.), fallen aufgrund der Rücknahme der Revision gegenüber der Beklagten zu 2. und der Teilrücknahme der Revision gegenüber der Beklagten zu 1. nicht zur Entscheidung des Senats an.

25A. Die deutschen Gerichte sind auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu  - [Lindner] Rn. 29) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1. ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat (vgl.  - [Owusu] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Der Kündigungsschutzantrag ist kein Annexverfahren iSv. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Bei einem Annexverfahren wäre die internationale Zuständigkeit aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO den Gerichten des Staats der Verfahrenseröffnung, hier also den griechischen Gerichten, zugeordnet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das über das Vermögen der Beklagten zu 1. mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom eröffnete Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 idF des Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 (Sonderliquidationsverfahren) ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO ist. Kündigungsschutzklagen gegen eine - wie hier - nach deutschem Recht erklärte Kündigung fehlt der spezifische Insolvenzbezug, um den für ein Annexverfahren erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu bejahen. Das gilt auch dann, wenn die kurze Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO maßgeblich sein soll. Solche Klagen haben ihren Rechtsgrund nicht im Insolvenzrecht, sondern im Arbeitsrecht. Für sie bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deswegen nach der EuGVVO und nicht nach der EuInsVO (vgl. zB  - Rn. 24; ausführlich - 6 AZR 253/11 - Rn. 16 ff.). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aufgrund der rügelosen Einlassung der Beklagten zu 1. jedenfalls aus Art. 24 EuGVVO, wenn sie nicht schon nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts folgt.

26B. Die noch gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig.

27I. Die Zulässigkeit der Revision bestimmt sich nach deutschem Prozessrecht. Nach den Regeln des deutschen Internationalen Prozessrechts richtet sich das Verfahren auch in Fällen mit Auslandsberührung nach der lex fori, also dem Recht des angerufenen Gerichts und damit nach den inländischen Prozessvorschriften (vgl.  - Rn. 19 mwN).

28II. Die beiden Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind postulationsfähig.

291. Rechtsanwalt P tritt in Deutschland mit dem Zusatz „Rechtsanwalt in Athen“ und damit als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt nach §§ 25 ff. des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) auf. Nach § 28 EuRAG darf er in gerichtlichen Verfahren mit Anwalts- und Vertretungszwang als Vertreter seines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem zugelassenen Rechtsanwalt (Einvernehmensanwalt) handeln. Dieses Einvernehmen ist nach § 29 Abs. 1 EuRAG bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Dem dienstleistenden europäischen Anwalt fehlt ohne diesen Nachweis die Postulationsfähigkeit. Seine Handlungen sind nach § 29 Abs. 3 EuRAG auf Dauer unwirksam (vgl.  - Rn. 21 mwN).

302. Der nach § 29 Abs. 1 EuRAG erforderliche Nachweis ist zwar nicht durch gesondertes Schreiben eines Einvernehmensanwalts erfolgt. Für den Nachweis genügt es aber, dass schon die Berufungsschrift nicht nur von Rechtsanwalt P, sondern zudem von Rechtsanwalt R unterzeichnet worden ist. Das gilt auch für alle späteren Schriftsätze der Klägerin. Damit hat ein in der Bundesrepublik Deutschland zugelassener Rechtsanwalt die Gewähr dafür übernommen, dass die Vorschriften des deutschen Prozessrechts sowie die geltenden Berufs- und Standesregeln beachtet werden (vgl.  - [Kommission/Deutschland] Rn. 23, Slg. 1988, 1123). Das Verlangen, ein gesondertes Schreiben vorzulegen, aus dem sich das Einvernehmen ergäbe, wäre eine bloße Förmelei, die mit dem Zweck des EuRAG nicht zu vereinbaren wäre. Dem europäischen dienstleistenden Rechtsanwalt soll im Interesse des freien Dienstleistungsverkehrs für Rechtsanwälte eine Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglicht werden (vgl.  - Rn. 22).

313. Aus dem Akteninhalt geht nicht hervor, dass der Tätigkeitsschwerpunkt von Rechtsanwalt P in der Zeit seiner Bevollmächtigung durch die Klägerin nicht mehr außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegen hätte und er seine Tätigkeit deshalb in Deutschland nicht nur vorübergehend iSv. § 25 Abs. 1 EuRAG erbracht hätte (vgl.  - Rn. 23 mwN).

32C. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage ist unbegründet.

33I. Die O S.A. als Schuldnerin ist, vertreten durch die E S.A. als Sonderliquidatorin, als Beklagte zu 1. passivlegitimiert. Die Auswirkungen der Bestellung der E S.A. zur Sonderliquidatorin über das Vermögen der Beklagten zu 1. als Schuldnerin sowie ihre Befugnisse und ihre Rechtsstellung als Liquidatorin beurteilen sich nach griechischem Recht. Das gilt unabhängig davon, ob das Sonderliquidationsverfahren ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO ist. Der Senat musste den Gerichtshof der Europäischen Union daher nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Vorabentscheidung ersuchen, um die Frage zu klären.

341. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 1 des Gesetzes 3429/2005 hat die Sonderliquidation nicht die Auflösung des Schuldnerunternehmens zur Folge. Der Liquidator wird nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens. Vielmehr werden die Geschäfte dieses Unternehmens nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 von dem Liquidator, der das Unternehmen vertritt, lediglich geführt. Anders als im deutschen Recht verbleibt damit die Arbeitgeberstellung bei dem Schuldnerunternehmen (vgl. zB  - Rn. 25; - 6 AZR 752/11 - Rn. 23).

352. Diese Rechtsstellung von Schuldnerunternehmen und Liquidator nach griechischem Recht ist hier maßgeblich.

36a) Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und 17 EuInsVO anzuerkennen sein, weil für Griechenland das Sonderliquidationsverfahren im Anhang A zur EuInsVO und der Sonderliquidator im Anhang C aufgeführt sind (in diesem Sinn wohl Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877), wäre für die Befugnisse der Beklagten zu 1. als Schuldnerin und der E S.A. als Liquidatorin nach Art. 4, 18 Abs. 1 EuInsVO als lex fori concursus griechisches Recht anzuwenden (vgl.  - Rn. 27; - 6 AZR 752/11 - Rn. 25).

37b) Wäre das Sonderliquidationsverfahren vom closed-list-system der EuInsVO nicht erfasst und damit der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eröffnet, bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin ebenfalls nach griechischem Recht, § 335 InsO (vgl.  - Rn. 28; - 6 AZR 752/11 - Rn. 26).

38aa) In diesem Fall käme eine Anerkennung des Verfahrens nach dem in §§ 335 ff. InsO normierten deutschen autonomen Internationalen Insolvenzrecht in Betracht (vgl.  - Rn. 11, BGHZ 188, 177; Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877; ders. WM 2011, 1201, 1202; Stephan in HK-InsO 6. Aufl. Vor §§ 335 ff. Rn. 18 ff.; HambKomm/Undritz 4. Aufl. Vorbemerkungen zu §§ 335 ff. InsO Rn. 15). Die EuInsVO verdrängt das autonome nationale Recht außerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht. Wird ein nationales Insolvenzverfahren von den Anhängen der EuInsVO nicht erfasst, bleibt ein Spielraum, den das nationale Internationale Insolvenzrecht nutzen kann (vgl. Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877). Das nimmt den Definitionen der EuInsVO als speziellerer Regelung des europäischen Internationalen Insolvenzrechts und deren Anhängen nicht die praktische Wirksamkeit (aA Cranshaw DZWIR 2012, 133, 134). Für die von ihren Anhängen nicht erfassten Verfahren reklamiert die EuInsVO keine Geltung und entfaltet daher keine Regelungssperre für das nationale autonome Internationale Insolvenzrecht. Insoweit gilt nichts anderes als für die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO (vgl.  - Rn. 29; - 6 AZR 752/11 - Rn. 27; MünchKommBGB/Kindler 5. Aufl. Bd. 11 Vor §§ 335 ff. InsO Rn. 3).

39bb) Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, bestimmten sich die Befugnisse der Schuldnerin und der Liquidatorin aufgrund von § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht als der lex fori concursus (vgl.  - Rn. 30; - 6 AZR 752/11 - Rn. 28; MünchKommInsO/Reinhart 2. Aufl. § 335 Rn. 65; LSZ/Smid Internationales Insolvenzrecht 2. Aufl. InsO § 335 Rn. 8).

40cc) Sollte das Sonderliquidationsverfahren dagegen nicht als Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO zu qualifizieren sein, sodass eine Anerkennung nach § 343 InsO ausschiede, wäre die gesellschaftsrechtliche Frage, wie die Beklagte zu 1. als Schuldnerin (organschaftlich) vertreten ist, gleichwohl nach griechischem Recht zu beantworten. Das Gesellschaftsstatut richtet sich nach dem Gründungsstatut und damit für die in Griechenland gegründete Beklagte zu 1. nach griechischem Recht. Nach allgemeiner Auffassung, die sich auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Sachen Centros ( - C-212/97 - Slg. 1999, I-1459), Überseering ( - C-208/00 - Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art ( - C-167/01 - Slg. 2003, I-10155) stützt, richtet sich das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind, nicht nach ihrem Verwaltungssitz, sondern nach ihrem Gründungsort. Die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit kann nur auf diese Weise gewahrt werden (vgl.  - Rn. 31; - 6 AZR 752/11 - Rn. 29;  - Rn. 22, BGHZ 190, 364).

41c) Der deutsche ordre public steht der Anerkennung der Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens nicht entgegen. Die Anerkennung führt nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts - insbesondere mit Grundrechten - offensichtlich unvereinbar ist (vgl. Art. 26 EuInsVO, § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO). Die Rügen der Klägerin greifen nicht durch.

42aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte auch auf der Grundlage des deutschen ordre public nicht zu überprüfen haben, ob Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 und damit die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens durch das Athener Berufungsgericht der griechischen Verfassung widerspricht.

43(1) Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und 17 EuInsVO anzuerkennen sein, folgt dieses Ergebnis aus dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der in Satz 3 der 22. Begründungserwägung der EuInsVO niedergelegt ist.

44(a) Dieses gegenseitige Vertrauen hat es ermöglicht, im Anwendungsbereich der EuInsVO ein für die Gerichte verbindliches Zuständigkeitssystem zu schaffen und auf die innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Anerkennung und die Vollstreckbarerklärung zugunsten eines vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens für im Rahmen von Insolvenzverfahren ergangene Entscheidungen zu verzichten. Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens ist es, dass das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht wird, seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 EuInsVO überprüft, dh. untersucht, ob der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in diesem Mitgliedstaat hat. Eine solche Prüfung ist unter Beachtung der wesentlichen Verfahrensgarantien, die ein faires Verfahren erfordert, vorzunehmen. Im Gegenzug dazu verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, dass die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anerkennen, ohne die Zuständigkeitsbeurteilung des ersten Gerichts überprüfen zu können (vgl.  - [Eurofood IFSC] Rn. 40 ff., Slg. 2006, I-3813). Nimmt ein Beteiligter an, dass der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen hat, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, hat er bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wurde, die im nationalen Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen die Eröffnungsentscheidung einzulegen (vgl.  - [Eurofood IFSC] Rn. 43, aaO).

45(b) Nach diesen Grundsätzen darf der Senat nicht überprüfen, ob Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 gegen die griechische Verfassung verstößt. Das Athener Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit für die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens bejaht und das Gesetz damit schlüssig für verfassungskonform gehalten. Die zu akzeptierende Entscheidung des Gerichts des Eröffnungsstaats erfasst wegen des im Erwägungsgrund 22 der EuInsVO ausgedrückten uneingeschränkten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nicht nur die Frage des Mittelpunkts der Interessen des Schuldners, sondern die gesamte Eröffnungsentscheidung als solche. Die Prüfung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 ist den griechischen Gerichten - ggf. mit den dortigen verfassungsrechtlichen Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen - vorbehalten.

46(2) Sollte die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens § 343 InsO unterfallen, führten die von der Klägerin gerügten Verstöße des Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 gegen die griechische Verfassung dennoch nicht zu einer Verletzung des deutschen ordre public (§ 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO).

47(a) Die Klägerin beanstandet verschiedene Verstöße gegen die griechische Verfassung. Sie hält die Fristen in Art. 14 A Nr. 3 des Gesetzes 3429/2005 für zu kurz, um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes in Art. 20 der griechischen Verfassung gerecht zu werden. Entsprechendes nimmt sie für die Unanfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses an. Die weiten Befugnisse des Liquidators, die Außerkraftsetzung des Zivilgesetzbuchs und das Verbot von einstweiligen Verfügungen für die Dauer von 18 Monaten ab Verkündung des Eröffnungsbeschlusses in Art. 14 A Nr. 20 des Gesetzes 3429/2005 verletzen nach Auffassung der Klägerin die zu beachtende Menschenwürde (Art. 2 der griechischen Verfassung), die wirtschaftliche Freiheit (Art. 5 der griechischen Verfassung) und das Recht der Arbeit (Art. 22 der griechischen Verfassung). Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen mit anderen griechischen Arbeitnehmern, die von Arbeitsgesetzen, Kollektiv- und Einzelverträgen geschützt sind, verstößt aus Sicht der Klägerin gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 4 der griechischen Verfassung.

48(b) Diese Rügen führen selbst dann nicht zu einer Verletzung des deutschen ordre public, wenn Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 tatsächlich gegen die griechische Verfassung verstoßen sollte. Mit dem deutschen ordre public ist eine Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er über die Frage entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint (vgl.  - zu B I 5 der Gründe, BGHZ 123, 268). Für den deutschen ordre public kommt es nicht auf das griechische, sondern auf das deutsche Recht an. Und auch insoweit ist der Verstoß gegen eine Vorschrift mit Verfassungsrang für sich allein noch keine Verletzung des deutschen ordre public, solange kein Grundrecht des Betroffenen berührt wird (vgl.  - zu B I 5 b der Gründe, aaO).

49bb) Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 verletzt weder den verfahrensrechtlichen noch den materiellen deutschen ordre public.

50(1) Bei der Sonderliquidation handelt es sich um ein Gesamtverfahren. Das Verfahren dient ua. der gemeinsamen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Dabei wird ein Insolvenzereignis vorausgesetzt. Die Eröffnung des Verfahrens verlangt neben in der Vergangenheit bezogenen staatlichen Beihilfen und einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (heute: Unionsrecht) bei Gewährung weiterer Beihilfen alternativ, dass schwere wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Probleme bei der Strukturierung des Eigenkapitals auftreten oder das öffentliche Unternehmen offensichtlich nicht in der Lage ist, gesetzte Zahlungsfristen einzuhalten. Die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens hat den vollständigen oder zumindest teilweisen Vermögensbeschlag zur Folge.

51(2) Ein Verstoß gegen den ordre public ist nur ausnahmsweise anzunehmen (vgl. zu Art. 26 EuInsVO  - [MG Probud] Rn. 34, Slg. 2010, I-417; s. auch  - Rn. 19, BAGE 121, 309). Erforderlich ist eine offensichtliche Verletzung wesentlicher Grundsätze deutschen Rechts. Bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht. In erster Linie ist darauf abzustellen, ob bereits die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen ordre public verstößt (anerkennungsrechtlicher oder auch verfahrensrechtlicher ordre public). Eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public führt grundsätzlich dazu, dass der Verfahrenseröffnungsakt nicht anerkannt wird. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann aber auch dadurch begründet sein, dass die Anwendung ausländischen Rechts aufgrund von Kollisionsnormen nachgeordnete Folgewirkungen erzeugt (materiell-rechtlicher ordre public). Das entzieht der Anerkennung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht insgesamt die Grundlage, sondern führt dazu, dass die entsprechenden ausländischen Rechtsnormen nicht angewandt werden (vgl.  - Rn. 24).

52(a) Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 ist kein Einzelfallgesetz iSv. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

53(aa) Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird ua. durch das Verbot der Einzelfallgesetzgebung in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt (vgl.  - Rn. 39, BVerfGK 14, 357). Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist. Dass der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass der Regelung nimmt, macht die Bestimmung nicht zu einem Einzelfallgesetz, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln. Die abstrakt-generelle Formulierung darf nicht dazu dienen, eine einzelfallbezogene Regelung zu verschleiern (vgl. für die st. Rspr.  - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 99, 367).

54(bb) Nach diesen Grundsätzen ist Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 kein Einzelfallgesetz iSv. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich allenfalls um ein Anlassgesetz handelt. Die Regelung ist abstrakt formuliert und bezieht sich auf eine nicht abschließend bestimmte Zahl öffentlicher Unternehmen. Das zeigt die von der Klägerin zitierte Parlamentsdebatte über die Geltung für andere öffentliche Unternehmen (sog. D.E.K.O.). Der Umstand, dass die Regelung auf sie derzeit nicht anzuwenden ist, bedeutet nicht, dass künftige Anwendungsfälle bei einer veränderten wirtschaftlichen Situation von vornherein ausgeschlossen sind. Nur dann wäre ungeachtet der abstrakt-generellen Formulierung ein verdecktes Einzelfallgesetz anzunehmen (vgl.  - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 99, 367).

55(b) Der nach Art. 14 A Nr. 2 des Gesetzes 3429/2005 eingeschränkte Kreis der Antragsberechtigten führt nicht zu einem Verstoß gegen den deutschen ordre public im Sinn einer Ungleichbehandlung der Gläubiger im Rahmen der grundsätzlich gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO). Der griechische Gesetzgeber hielt sich auch nach deutschem Verständnis innerhalb der Grenzen seiner Gestaltungsmacht, indem er die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens für öffentliche Unternehmen an ein bestimmtes Gläubigerquorum band und von einer bestimmten Beteiligung der darin vertretenen öffentlichen Hand abhängig machte. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass private Gläubiger vom Antragsverfahren nicht ausgeschlossen sind, sondern nur mit der öffentlichen Hand insgesamt mindestens 51 % der Forderungen repräsentieren müssen. Davon muss die öffentliche Hand ihrerseits mindestens die Hälfte repräsentieren. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO ist die Antragsberechtigung zwar nicht auf bestimmte Gläubiger beschränkt. Die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens dennoch anzuerkennen, ist nach inländischen Vorstellungen aber jedenfalls kein untragbares Ergebnis (vgl.  - Rn. 20, 22; s. auch - IX ZB 82/90 - zu B I 5 der Gründe, BGHZ 123, 268). Dem steht nicht entgegen, dass das Insolvenzverfahren unmittelbar den Schutz und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen zum Ziel hat (vgl.  - Rn. 34, BVerfGE 116, 1). Private Gläubiger sind vom Antragsrecht bei öffentlichen Unternehmen nach Art. 14 A Nr. 2 des Gesetzes 3429/2005 nicht vollständig ausgenommen. Ihr Antragsrecht ist wegen des Quorums der öffentlichen Hand lediglich beschränkt. Das löst den Ausnahmetatbestand eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public nicht aus.

56(c) Entsprechendes gilt für die kurzen Fristen im Eröffnungsverfahren nach Art. 14 A Nr. 3 des Gesetzes 3429/2005.

57(aa) Die Voraussetzungen und Förmlichkeiten, die für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verlangt werden, unterliegen dem nationalen Recht und unterscheiden sich beträchtlich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In manchen Mitgliedstaaten wird das Verfahren sehr kurz nach der Antragstellung eröffnet, die erforderlichen Nachprüfungen werden erst später vorgenommen. In anderen Mitgliedstaaten müssen bestimmte wesentliche Feststellungen, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen können, vor der Eröffnung des Verfahrens getroffen werden. In manchen nationalen Rechtsordnungen kann das Insolvenzverfahren für einige Monate „vorläufig“ eröffnet werden (vgl.  - [Eurofood IFSC] Rn. 51, Slg. 2006, I-3813).

58(bb) Die kurzen Fristen im Eröffnungsverfahren widersprechen nicht dem deutschen ordre public. Eine bestimmte Länge der Frist gehört nicht zu den grundlegenden Verfahrensgarantien der deutschen Rechtsordnung. Selbst ein nach ausländischem Recht völlig fehlender Eröffnungsbeschluss und eine Eröffnung des Verfahrens auf bloßen Antrag des Schuldners lösen den Ausnahmetatbestand einer Verletzung des ordre public nicht aus (vgl.  - Rn. 20, 22).

59(d) Ein Verstoß gegen den ordre public ist auch nicht darin zu sehen, dass der Eröffnungsbeschluss des Athener Berufungsgerichts unanfechtbar ist.

60(aa) Das deutsche Recht sieht nach § 34 Abs. 2 InsO ebenfalls nur eine sofortige Beschwerde des Schuldners, nicht aber der Gläubiger gegen den Eröffnungsbeschluss vor (vgl.  - zu II der Gründe). Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung das ausdrücklich vorschreibt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Grundgesetz garantiert umfassenden Rechtsschutz lediglich zu dem Zweck des Schutzes subjektiver Rechte und daher auch nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt. Hingegen genügt weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkungen haben, weil der Einzelne in ihnen allein aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird (vgl.  - Rn. 29, BVerfGE 116, 1). Die Forderungen der Gläubiger werden von Art. 14 Abs. 1 GG zwar auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung geschützt (vgl.  - Rn. 34, aaO). Das erfordert aber weder ein Rechtsmittel noch einen Rechtsbehelf zugunsten einzelner Gläubiger. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dient der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger. Deshalb kommt nach deutschem Recht nur dem Schuldner ein Beschwerderecht gegen den Eröffnungsbeschluss zu.

61(bb) Der Ausschluss eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs verstößt auch nach deutschem Verfassungsrecht nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (vgl.  - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 107, 395). Der Gläubiger ist nach der Insolvenzordnung nicht berechtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mit der sofortigen Beschwerde anzugreifen. Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers ist hinzunehmen (vgl.  - Rn. 6 mwN).

62(e) Auch Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005, wonach bei Pflichtverletzungen auf Antrag die Absetzung des Liquidators und die Bestellung eines neuen Liquidators vorgesehen sind, verletzt nicht den deutschen ordre public.

63(aa) Zum Teil wird angenommen, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit des Verwalters verletze den ordre public, weil bei einem vom Schuldner abhängigen Verwalter die Gefahr der Verletzung von Gläubigerrechten bestehe (vgl.  8004 IN 1326/06 ua. - zu II der Gründe). Die Unbefangenheit der Amtsführung, die § 56 Abs. 1 InsO unter dem Aspekt der Unabhängigkeit von den Gläubigern und dem Schuldner anspricht, ist nicht sichergestellt, wenn der Insolvenzverwalter jederzeit gewärtig sein muss, aufgrund von Rechtsfehlern bei seiner Bestellung entlassen zu werden. Darunter kann angesichts der vielfältigen und komplexen Aufgaben die Qualität der Abwicklung des Insolvenzverfahrens leiden. Der Insolvenzverwalter wird weder allein im Interesse der Gläubiger noch allein im Interesse des Schuldners tätig, sondern hat vielfältige Aufgaben wahrzunehmen, für deren Erfüllung er allen Verfahrensbeteiligten gegenüber verantwortlich ist (vgl.  - Rn. 54, BVerfGE 116, 1).

64(bb) Das Absetzungsrecht widerspricht gleichwohl nicht dem deutschen ordre public. Auch das deutsche Recht kennt mit § 57 InsO die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters. Zudem ist die Absetzung des Liquidators an enge Voraussetzungen gebunden. Der Kreis der antragsberechtigten Personen ist beschränkt. Es muss sich entweder um Gläubiger oder Gesellschafter bzw. Aktionäre des öffentlichen Unternehmens handeln. Zugunsten der öffentlichen Hand besteht ein qualifiziertes Quorum. Eine Absetzung ist nur aus triftigen Gründen möglich, insbesondere bei Pflichtverletzungen. Mit der Absetzung muss zugleich ein neuer Liquidator ernannt werden. Die Regelung in Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005 ist angesichts dieser engen Vorgaben nicht offensichtlich unvereinbar mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Insolvenzrechts. Bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht (vgl.  - Rn. 24).

65(f) Die fehlenden Befugnisse zur Insolvenzanfechtung verletzen weder den verfahrensrechtlichen noch den materiellen deutschen ordre public. Das zeigt sich schon an den beiden in Betracht kommenden Kollisionsnormen, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO regelt das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. § 339 InsO bestimmt, dass eine Rechtshandlung angefochten werden kann, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfüllt sind, es sei denn, der Anfechtungsgegner weist nach, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen Staats maßgebend und die Rechtshandlung nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist. Das deutsche Recht akzeptiert damit fehlende Anfechtungsmöglichkeiten.

66(g) Soweit die Revision die Weite der Befugnisse des Sonderliquidators nach Art. 14 A Nr. 4 des Gesetzes 3429/2005 beanstandet, verletzt diese ebenfalls nicht den deutschen ordre public.

67(aa) Das deutsche Recht sieht nicht nur eine Vertreterstellung vor, wie sie der Liquidator innehat, sondern einen Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 kennt zwar keine allgemeine Aufsicht des Athener Berufungsgerichts über den Liquidator, wie sie für den Insolvenzverwalter in § 58 Abs. 1 InsO geregelt ist. Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005 enthält aber das bereits beschriebene Absetzungsverfahren.

68(bb) Die Weite der Befugnisse des Liquidators im Zusammenhang mit der Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach griechischem Recht könnte im Übrigen ebenso wenig wie die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen die griechische Verfassung dazu führen, dass die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen anerkennungsrechtlichen ordre public verstieße. Werden solche Verstöße unterstellt, verletzten sie allenfalls den deutschen materiell-rechtlichen ordre public, entzögen der Anerkennung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch nicht insgesamt die Grundlage. Sie führten nur dazu, dass die entsprechenden griechischen Rechtsnormen nicht angewandt würden (vgl.  - Rn. 24). Dieses Problem stellt sich hier schon deshalb nicht, weil auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin deutsches Recht anzuwenden ist, das mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

69II. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten zu 1., die mit dem Kündigungsschutzantrag geklärt werden soll, bestimmt sich nach deutschem Arbeitsrecht. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das Sonderliquidationsverfahren der EuInsVO unterfällt. Der Senat braucht den Gerichtshof der Europäischen Union daher nicht anzurufen, um diese Frage zu klären.

701. Ist der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet, ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis nach Art. 10 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist (lex causae). Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, wäre nach § 337 InsO ebenfalls das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich. Die Bestimmung des § 337 InsO ist Art. 10 EuInsVO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 15/16 S. 18). Das Recht des Staats, dem das Arbeitsverhältnis unterliegt, soll auch die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diese Rechtsbeziehung bestimmen (vgl. Braun/Tashiro InsO 5. Aufl. § 337 Rn. 3). Handelte es sich überhaupt nicht um ein anzuerkennendes Insolvenzverfahren, wäre nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zu bestimmen, welches Recht Anwendung fände.

712. In allen drei denkbaren Konstellationen ist nach den hier noch maßgeblichen Art. 27, 30 und 34 EGBGB zu ermitteln, welches Recht Anwendung findet. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass nach diesen Kollisionsregeln des Internationalen Privatrechts deutsches Arbeitsrecht für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblich ist. Rechtsfehler sind auf der Grundlage von Art. 30 Abs. 2 EGBGB nicht ersichtlich. Die mögliche Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen bei Kündigungen von Arbeitsverhältnissen mit Bezug zu unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen ist der zentrale Regelungsmechanismus des Internationalen Privatrechts, obwohl dieselbe Rechtspersönlichkeit - ggf. auf der Grundlage derselben unternehmerischen Entscheidung - gekündigt hat. Da deutsches Recht anzuwenden ist, kommt es nicht darauf an, ob die von Art. 14 A Nr. 4 Satz 6 und Satz 7 des griechischen Gesetzes 3429/2005 begründeten Voraussetzungen für die Kündigung in Form sozialer Schutzmaßnahmen erfüllt sind. Ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wirksam ist, beurteilt sich nach deutschem Recht und den in dieser Rechtsordnung vorgesehenen Schutzmechanismen.

72III. Die Kündigung der Beklagten zu 1. gilt nicht bereits nach § 7 Halbs. 1 KSchG als rechtswirksam.

731. Dass sich die Kündigungsschutzklage gegen die „E S.A. … als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A.“ als Beklagte zu 1. richtete, ist unschädlich. Sie war - wie auch die allgemeine Feststellungsklage (Antrag zu 4.) - von vornherein gegen die O S.A. gerichtet. Entsprechendes gilt für den zu 1. gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

74a) Ist eine Parteibezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Ergibt sich aus den gesamten Umständen, wer als beklagte Partei gemeint ist, kann das Rubrum unbedenklich „berichtigt“ werden. Das gilt vor allem dann, wenn der Klageschrift das Kündigungsschreiben beigefügt ist, aus dem sich ergibt, von wem die Kündigung erklärt wurde. Entscheidend ist, dass die rechtliche Identität gewahrt bleibt. Bleibt die Partei nicht dieselbe, handelt es sich um eine Parteiänderung. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung kann dagegen jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden. Das kann auch noch durch das Revisionsgericht geschehen (vgl. für die st. Rspr.  - Rn. 41; - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 f. mwN). Die Parteibezeichnung ist rechtsschutzgewährend auszulegen (vgl.  - zu II 4 e der Gründe, BFHE 198, 1). Die Vorschriften des Verfahrensrechts sind kein Selbstzweck. Art. 19 Abs. 4 GG verbietet, den Zugang zu den Gerichten in einer aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (vgl.  - zu II 1 der Gründe;  - zu B I 1 a cc (1) der Gründe, BAGE 109, 47).

75b) Nach diesen Grundsätzen ist die unrichtige Bezeichnung der Beklagten zu 1. in der Klageschrift dahin auszulegen, dass sich die Klage von vornherein gegen die O S.A. unter Sonderliquidation, vertreten durch die Liquidatorin E S.A., richtete. Für die O S.A. war erkennbar, dass die Kündigungsschutzklage gegen sie erhoben werden sollte. Dafür spricht insbesondere das der Klageschrift beigefügte Kündigungsschreiben. Daraus geht hervor, dass die Kündigung unter dem Betreff „O S.A. ./. ... hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ erklärt wurde und der unterzeichnende Rechtsanwalt G den Geschäftsführer der Sonderliquidatorin E S.A. vertrat. Damit konnten bei objektiver Würdigung keine berechtigten Zweifel bestehen, dass sich die Klage von Anfang an gegen die O S.A. als Beklagte zu 1. und nicht gegen die E S.A. richten sollte, die die Kündigung nur als Vertreterin erklären ließ. Der Senat hat die ungenaue Parteibezeichnung daher richtiggestellt.

762. Die Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht eingetreten. Die Kündigungsschutzklage ist verspätet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedoch zu Recht nachträglich zugelassen.

77a) Der Senat hat zu prüfen, ob die Klagefrist versäumt und die Klage ggf. nachträglich zuzulassen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Das Gericht darf über den Antrag nur entscheiden, wenn es der Ansicht ist, der Kläger habe verspätet Klage erhoben (vgl.  - Rn. 14; - 2 AZR 732/08 - Rn. 17, BAGE 131, 105).

78b) Die Klagefrist ist versäumt. Das unterzeichnete Original der Klageschrift, das am beim Arbeitsgericht einging, wahrte weder die Frist des § 4 Satz 1 KSchG noch die des § 4 Satz 4 KSchG.

79aa) Der Senat kann offenlassen, ob für den Beginn der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG auf den Zugang der Kündigung am oder nach § 4 Satz 4 KSchG auf die Bekanntgabe des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom abzustellen ist. Die Klagefrist begann in beiden Fällen am (vgl.  - Rn. 21, BAGE 137, 113; - 2 AZR 286/07 - Rn. 23, 27; - 2 AZR 864/06 - Rn. 46, 48, BAGE 125, 345; s. auch - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, BAGE 133, 249). Das Landesarbeitsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der Zugang der Kündigung und die Bekanntgabe des Bescheids, mit dem die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig erklärt wurde, zeitgleich erfolgten. Zu welchem der beiden Ereignisse es zumindest eine logische Sekunde früher kam, ist für den Beginn der Klagefrist am unerheblich (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB).

80bb) Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Kündigungsschutzklage war verspätet. Die dreiwöchige Klagefrist endete am , dem Dienstag nach Ostern (§ 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB; vgl. nur  - Rn. 38). Das unterzeichnete Original der Klageschrift ging erst am beim Arbeitsgericht ein (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO). Die Beklagte zu 1. rügte die Verspätung der Klage vor der nächsten mündlichen Verhandlung am mit Schriftsatz vom , der am beim Arbeitsgericht einging. Deshalb kann auf sich beruhen, ob sich die Beklagte zu 1. nach dem Hinweis des rügelos iSv. § 295 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auf den Mangel der innerhalb der prozessualen Klageerhebungsfrist nicht unterschriebenen Klageschrift hätte einlassen können (so  - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 52, 263; bestätigt von - 2 AZR 553/86 - zu II 2 d und e der Gründe; offengelassen von  - Rn. 15, 20).

81c) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht nachträglich zugelassen. Seine Würdigung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

82aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben.

83bb) Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet.

84(1) Der Zulassungsantrag ist zulässig.

85(a) Die Fristen des § 5 Abs. 3 KSchG sind eingehalten.

86(aa) Die zweiwöchige Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist gewahrt.

87(aaa) Die Antragsfrist beginnt, wenn das Hindernis, das der rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstand, behoben ist. Der Begriff des Hindernisses in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG knüpft an den der Verhinderung in § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG an. Ist die fortbestehende Unkenntnis nicht länger unverschuldet, beginnt die Zweiwochenfrist. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wird dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet (vgl.  - Rn. 41; - 2 AZR 548/08 - Rn. 12 ff.; - 2 AZR 472/08 - Rn. 20 ff., BAGE 129, 32). Es kommt darauf an, wann der Prozessbevollmächtigte erkannt hat oder unter Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass die Klage verspätet ist.

88(bbb) Nach diesen Grundsätzen ist die zweiwöchige Antragsfrist eingehalten. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin erfuhr erst durch den gerichtlichen Hinweis vom , der ihm am zugestellt wurde, davon, dass das am an das Arbeitsgericht versandte Telefax seine Unterschrift nicht abbildete. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ging am beim Arbeitsgericht ein und wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. am zugestellt.

89(bb) Die sechsmonatige Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist eingehalten. Sie begann mit dem Ende der Klagefrist des § 4 KSchG am (§ 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB). Sie endete am (vgl.  - Rn. 10 f., BAGE 133, 149). Der am beim Arbeitsgericht eingegangene und der Beklagten zu 1. am zugestellte Zulassungsantrag wahrte damit die Sechsmonatsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

90(b) Der Zulassungsantrag genügt auch den formellen Erfordernissen des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG.

91(aa) Danach muss der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Angabe der die Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Zwischen der Verfahrensvoraussetzung der Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung und der Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulassung begründen, ist zu unterscheiden. Um der Verfahrensanforderung des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG gerecht zu werden, genügt die Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung. Die Glaubhaftmachung selbst ist eine besondere Art der Beweisführung, die auch noch später erfolgen kann.

92(bb) Der Antrag vom wird diesen Erfordernissen gerecht. Er nennt mit dem detailliert geschilderten Büroversehen der Kanzleiangestellten K die Umstände, die die Zulassung begründen sollen. Als Mittel der Glaubhaftmachung ist konkludent die eidesstattliche Versicherung dieser Arbeitnehmerin angegeben, die dem Antrag beigefügt war.

93(2) Der Zulassungsantrag ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat Tatsachen festgestellt, die es ihm erlaubten, darauf zu schließen, dass die Klägerin unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG gehindert war, die Klage gegen die Kündigung vom rechtzeitig zu erheben. Der von der Beklagten zu 1. mit der Berufungserwiderung bestrittene Vortrag der Klägerin ist nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts schlüssig und durch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten K glaubhaft gemacht. Dagegen hat die Beklagte zu 1. auch keine Gegenrügen erhoben.

94(a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom dargelegt, dieser habe die Klageschrift am gefertigt. Er habe die seit vielen Jahren in Vollzeit bei ihm beschäftigte Kanzleiangestellte K gebeten, dem Arbeitsgericht den zweiseitigen Schriftsatz vorab per Telefax zu übermitteln und ihn danach mit dem umfangreichen Anlagenkonvolut mit normaler Post zu versenden. In der Akte sei für die Telefaxübermittlung eine weitere unterzeichnete Fassung der Klageschrift zurückbehalten worden. Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei in der Folge verreist und am zurückgekehrt. Frau K habe ihn nach seiner Rückkehr darüber informiert, dass sie die Klageschrift am per Telefax nicht mehr erfolgreich habe versenden können. Sie habe mehrere Stunden versucht, den Schriftsatz zu übermitteln, jedoch keine positive Rückbestätigung im Sendeprotokoll erhalten. Ständig seien Fehlermeldungen eingegangen. Sie habe deswegen am , dem Tag des Fristablaufs, bei der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts angerufen und nachgefragt, ob der Schriftsatz dort im Original eingegangen sei. Nachdem das verneint worden sei, habe sie dem Arbeitsgericht den Schriftsatz am - nun erfolgreich - per Telefax übersandt und versehentlich eine nicht unterschriebene Fassung verwandt. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ferner ausgeführt, Frau K sei sonst absolut zuverlässig. Er könne sich nicht erinnern, wann ihr zuvor jemals ein solcher Fehler passiert sei.

95(b) Nach diesem durch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten K vom glaubhaft gemachten Vorbringen trifft die Klägerin nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts kein Verschulden an der Versäumung der Klagefrist. Ihr fällt weder ein eigenes noch ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes fremdes (Organisations-)Verschulden ihres früheren Prozessbevollmächtigten zur Last. Das Verschulden von dessen Kanzleiangestellter, die als Telefaxvorlage eine nicht unterschriebene Fassung der Klageschrift verwandte, ist der Klägerin nicht zuzurechnen.

96(aa) Das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl.  - Rn. 41; - 2 AZR 548/08 - Rn. 18; - 2 AZR 472/08 - Rn. 23 ff., BAGE 129, 32). Ein Arbeitnehmer, der sich zur Klageerhebung eines Prozessbevollmächtigten bedient, haftet demgegenüber nicht für das Verschulden von Hilfspersonen seines Prozessbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt darf einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen. Versehen dieses Personals, die nicht auf eigenes Verschulden des Rechtsanwalts zurückzuführen sind, hat die Partei nicht zu vertreten. Solche einfachen Tätigkeiten sind die Überprüfung bestimmender Schriftsätze auf die erforderliche Unterschrift und das Absenden eines Telefaxes. Der Rechtsanwalt muss allerdings durch eine allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen haben, dass bei normalem Lauf der Dinge Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift vermieden werden (vgl.  - zu B I 2 a der Gründe mwN). Den Prozessbevollmächtigten darf kein eigenes Organisationsverschulden an der Fristversäumung treffen, etwa bei der Auswahl oder Überwachung der Hilfsperson (vgl.  - Rn. 19).

97(bb) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein Organisationsverschulden traf. Die Klägerin hat die tatsächlichen Abläufe am 1. und in der Kanzlei ihres früheren Prozessbevollmächtigten verständlich und geschlossen geschildert. Aus ihnen ergibt sich, auf welchen Umständen die Fristversäumung beruht und dass ihr kein Organisationsverschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugrunde liegt (vgl.  - Rn. 21).

98(aaa) Soweit das Landesarbeitsgericht es für plausibel gehalten hat, dass wegen des zu versendenden Telefaxes eine weitere unterschriebene Fassung der Klageschrift vom in der Handakte des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin verblieb, hat es sich damit in seinem tatrichterlichen Wertungsspielraum gehalten (vgl.  - Rn. 36).

99(bbb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt ist hier über eine allgemeine Anweisung hinaus eine konkrete Anweisung des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber Frau K zur Übermittlung einer unterschriebenen Fassung der Klageschrift vom per Telefax erfolgt. Sie ergibt sich schon daraus, dass der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorgetragen hat, er habe die Angestellte K gebeten, dem Arbeitsgericht die Klageschrift vorab per Telefax zu übermitteln und sie erst danach mit gewöhnlicher Post zu versenden. Er ging demnach vorrangig vom Versand derselben Fassung der Klageschrift sowohl per Telefax als auch mit der Post aus. Auf die ergänzenden Ausführungen des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu einer allgemeinen Organisationsanweisung mit Schreiben vom braucht deshalb nicht zurückgegriffen zu werden.

100(c) Das vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem Zulassungsantrag vom nach der nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts schlüssig wiedergegebene Geschehen am 1. und sowie die konkrete Anweisung am sind durch die eidesstattliche Versicherung der Angestellten K vom glaubhaft gemacht.

101(aa) Die Glaubhaftmachung braucht dem Richter nicht die volle Überzeugung des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vermitteln, sondern lässt einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit - die überwiegende Wahrscheinlichkeit - ausreichen. Das ist der Fall, wenn bei umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen die Behauptung spricht (vgl.  - Rn. 40). Diese Würdigung ist - ebenso wie die Beweiswürdigung - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht darf die tatrichterliche Würdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen (vgl.  - Rn. 7). Für die Glaubhaftmachung kann sich der Antragsteller aller Beweismittel einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294 Abs. 1 ZPO).

102(bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der vom damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschilderte Geschehensablauf am 1. und sei aufgrund der Plausibilität des Vortrags und der eidesstattlichen Versicherung von Frau K überwiegend wahrscheinlich, ist frei von Rechtsfehlern. Die glaubhaft gemachten Vorgänge schließen ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden an der Versäumung der Klagefrist aus.

103(cc) Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste die Verlässlichkeit der bei ihm langjährig beschäftigten Arbeitnehmerin K nicht glaubhaft machen, um ein der Klägerin zuzurechnendes Organisationsverschulden seinerseits auszuschließen.

104(aaa) Im Zusammenhang mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung müssen nur bestrittene Umstände glaubhaft gemacht werden (vgl.  - zu II 3 a und b der Gründe). Der Prozessgegner hat die Möglichkeit, Kenntnis von den vorgebrachten Zulassungstatsachen zu nehmen und sie zu bestreiten. Der Zulassungsantrag ist dem Gegner anders als zB der Arrestantrag (§ 920 Abs. 1 und Abs. 2, § 922 Abs. 3 ZPO) stets zuzustellen, wie sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 KSchG ergibt.

105(bbb) Die Beklagte zu 1. hat die bisherige Verlässlichkeit der Fachangestellten K nicht bestritten. Sie brauchte deshalb nicht glaubhaft gemacht zu werden.

106IV. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Kündigungsschutzklage ist nicht unschlüssig, weil die Klägerin vorrangig behauptet, ihr Arbeitsverhältnis sei im Weg eines Betriebsübergangs bereits am 29. September oder , also vor Zugang der Kündigung am , auf die frühere Beklagte zu 2. übergegangen. Die Klägerin hat sich hilfsweise darauf berufen, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs, der erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden habe, erklärt worden. Höchst hilfsweise hat sie sich das Vorbringen der Beklagten zu 1. und der früheren Beklagten zu 2. zu eigen gemacht, es sei nicht zu einem Betriebsübergang gekommen, und ihre Klage auch darauf gestützt. Damit ist die Klage jedenfalls nach dem Hilfsvorbringen schlüssig (vgl.  - Rn. 20).

107V. Der Hauptantrag zu 3. ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin und der Beklagten zu 1. wurde durch die Kündigung vom mit dem beendet. Daher kann auch nicht festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1. über den hinaus fortbesteht. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob der gegen die Beklagte zu 1. mit dem Antrag zu 4. gerichtete allgemeine Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Er ist nach gebotener Auslegung nur für den Fall gestellt, dass die Klägerin mit dem Kündigungsschutzantrag obsiegt.

1081. Es ist nicht unklar, durch wen und in wessen Namen die Kündigung erklärt wurde. Die Auslegung der Vollmachtsurkunde ergibt, dass Rechtsanwalt G von der E S.A. als Sonderliquidatorin der Beklagten zu 1. bevollmächtigt wurde, die Kündigung zu erklären.

109a) Die Erteilung einer Vollmacht ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, deren Inhalt durch Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln ist (vgl.  - zu I 1 a bb der Gründe). Maßgeblich ist bei einer in einer Urkunde verlautbarten Vollmacht die Verständnismöglichkeit des Geschäftsgegners, hier der Klägerin. Dabei können auch Inhalt und Zweck des zugrunde liegenden Geschäfts berücksichtigt werden, sofern es sich um Umstände handelt, die dem Geschäftsgegner bekannt sind (vgl.  - zu 2 a der Gründe).

110b) In der Vollmachtsurkunde vom heißt es unmissverständlich, dass die E S.A., vertreten durch den Vorstand, als „Sonderliquidator“ über das Vermögen der Beklagten zu 1. Rechtsanwalt G bevollmächtige, die Kündigung zu erklären. Der Name der E S.A. ist durch Großbuchstaben hervorgehoben. Sie wird bereits dadurch eindeutig als Vollmachtgeberin gekennzeichnet.

111c) Selbst wenn das Verwaltungsratsmitglied der E S.A. Ma nach griechischem Gesellschaftsrecht im Verhältnis zu Dritten nicht alleinvertretungsberechtigt gewesen sein sollte mit der Folge einer mängelbehafteten Bevollmächtigung von Rechtsanwalt G, konnte die E S.A. die Kündigung genehmigen.

112aa) Welches Recht auf die Probleme einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anzuwenden ist (Vollmachtsstatut), ist gesetzlich nicht geregelt. Auch die hier noch nicht anwendbare Rom I-Verordnung bestimmt dazu nichts. Zum Schutz des Verkehrsinteresses muss das Vollmachtsstatut nach eigenen Anknüpfungsregeln ermittelt werden. Die Vollmacht wird nicht generell dem Recht, das für das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft gilt, unterstellt (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 5; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 1). Die Vollmacht ist nicht Bestandteil des Hauptgeschäfts, sondern in ihren Voraussetzungen und Wirkungen von diesem unabhängig. Sie kann deswegen Gegenstand eigenständiger kollisionsrechtlicher Interessen sein (vgl. Heinz aaO S. 14 mwN). Das Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht des Staats, in dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird oder werden soll, also nach dem Recht des Wirkungsorts (vgl.  - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 128, 41; - VII ZR 218/89 - zu II 1 c der Gründe).

113bb) Das Vollmachtsstatut bestimmt sich hier nach deutschem Recht. Die auf Rechtsanwalt G lautende Vollmacht wurde zwar in Athen ausgestellt. Von ihr sollte aber Gebrauch gemacht werden, um in der Bundesrepublik Deutschland eine Kündigung zu erklären. Die Kündigungserklärung sollte mit Wirkung für und gegen die E S.A. als gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben werden und erfolgte auch dort.

114cc) Das Vollmachtsstatut ist für alle Fragen maßgeblich, die die Vollmacht selbst betreffen. Es erstreckt sich auf das Bestehen der Vollmacht, insbesondere die Frage der wirksamen Erteilung der Vollmacht, auf ihren Inhalt, ihren Umfang und ihre Auslegung sowie ihre Dauer und Beendigung. Auch die Wirksamkeit erteilter Untervollmachten und die Frage, ob die Vollmacht überschritten oder missbraucht wurde, richtet sich nach dem Vollmachtsstatut (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 28 f.; Leible IPRax 1998, 257, 258; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 3).

115dd) Die Rüge der unwirksamen Erteilung der Vollmacht an Rechtsanwalt G allein durch das Verwaltungsratsmitglied Ma greift jedenfalls wegen einer wirksamen, konkludent durch die Prozessführung der Sonderliquidatorin für die Beklagte zu 1. erteilten Genehmigung nicht durch.

116(1) Die organschaftliche Vertretung der E S.A. richtet sich als gesellschaftsrechtliche Frage nach dem Gesellschaftsstatut und damit nach griechischem Recht. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 vertritt der Liquidator das Unternehmen nach seiner Einsetzung. Die gesetzliche Bestimmung regelt die organschaftliche Vertretung der Aktiengesellschaft O S.A. im Rahmen der Sonderliquidation, mit anderen Worten eine gesellschaftsrechtliche Frage. Das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurden, bestimmt sich nach dem Gründungsort, um die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit zu wahren (vgl.  - Rn. 22, BGHZ 190, 364; - II ZR 28/10 - Rn. 17, BGHZ 190, 242; s. auch  - [Inspire Art] Rn. 58 ff., Slg. 2003, I-10155; - C-208/00 - [Überseering] Rn. 52 ff., Slg. 2002, I-9919). Die Beklagte zu 1. ist eine in Griechenland gegründete Gesellschaft.

117(2) Die Klägerin hat geltend gemacht, Herr Ma sei für die E S.A. nicht alleinvertretungsberechtigt gewesen. Damit hat sie sich auf ein Rechtsgutachten bezogen, das vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main in den Sachen - 2 Ca 399/10 - bis - 2 Ca 402/10 - eingeholt wurde. Das Rechtsgutachten ist unter dem von dem Athener Professor für Arbeits- und Sozialrecht Prof. Dr. Nikitas Aliprantis erstellt worden. Das Gutachten kommt zu mehreren Ergebnissen. Die unterbliebene Veröffentlichung der geänderten Zusammensetzung des Vorstands der E S.A. und der Alleinvertretungsberechtigung von Herrn Ma verletze das im einfachen griechischen Gesetzesrecht verankerte, unionsrechtlich determinierte materielle Publizitätsprinzip. Das habe zur Folge, dass die Beklagte zu 1. Kündigungen gekündigten Personen nicht entgegenhalten könne. Eine sog. Bestätigung der Kündigung habe den Mangel nach griechischem Recht nicht heilen können.

118(3) Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin eine Gegenrüge im engeren Sinn, also eine Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO erheben musste, um die unterbliebene Ermittlung ausländischen Rechts zu beanstanden.

119(a) Dagegen spricht, dass das Bundesarbeitsgericht annimmt, das Revisionsgericht sei verpflichtet, nach § 293 ZPO im Weg des Freibeweises eigene Ermittlungen hinsichtlich des ausländischen Rechts anzustellen, weil es sich um die Ermittlung von Recht und nicht um Tatsachenfeststellungen handle (vgl. schon  - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; s. auch - 8 AZR 216/91 - zu III 2 b der Gründe). Ggf. verlangt das Bundesarbeitsgericht Anhaltspunkte im Vortrag der Parteien, um eine weitere Ermittlungspflicht zu begründen (vgl.  - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297; s. auch - 2 AZR 5/84 - zu A II 3 der Gründe). Allerdings ist das Gericht an die rechtliche Einschätzung der Parteien nicht gebunden (vgl.  - zu III 2 a der Gründe).

120(b) Der Bundesgerichtshof geht demgegenüber davon aus, dass ausländisches Recht jedenfalls nach § 545 Abs. 1 ZPO in der bis geltenden Fassung nicht revisibel ist. Zulässig ist nach seiner Auffassung jedoch eine auf § 293 ZPO gestützte Verfahrensrüge, mit der die unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts durch das Tatsachengericht geltend gemacht wird (vgl. nur  - Rn. 33; - I ZR 144/09 - Rn. 11; - VIII ZB 47/08 - Rn. 17).

121(c) Der Senat kann zugunsten der Klägerin annehmen, dass diese die fehlerhafte Ermittlung des griechischen Rechts nicht durch Rüge des § 293 ZPO beanstanden musste oder sie eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben hat. Auf die Frage der Genehmigung der Kündigung ist deutsches Recht anzuwenden.

122(aa) Der Senat lässt offen, ob die Genehmigung eines vollmachtlos vorgenommenen Rechtsgeschäfts dem Vollmachtsstatut oder dem Geschäftsstatut unterliegt. Nach überwiegender Auffassung entscheidet das Geschäftsstatut über die Zulässigkeit einer Vertretung ohne Vertretungsmacht sowie über die Genehmigungsfähigkeit, das „Wie“ und die Wirkungen einer Genehmigung. Das wird damit begründet, dass die Genehmigung nicht die Vollmacht nachträglich heilen oder ergänzen solle, sondern die Heilung des Hauptgeschäfts anstrebe. Eine andere Auffassung will auch das für die Genehmigung vollmachtloser Rechtsgeschäfte maßgebliche Recht nach dem Vollmachtsstatut bestimmen (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 31 f.; Leible IPRax 1998, 257, 259, jeweils mwN zum Streitstand). Die Frage braucht nicht beantwortet zu werden, weil auf die Kündigung deutsches Recht anzuwenden ist. Wird nicht auf das Vollmachtsstatut, sondern auf das Geschäftsstatut abgestellt, bestimmt sich die Genehmigung vollmachtlosen Handelns also ebenfalls nach deutschem Recht.

123(bb) Die Sonderliquidatorin E S.A. genehmigte durch ihre Prozessführung für die Beklagte zu 1. und insbesondere durch die sog. Bestätigung vom konkludent Handlungen von Herrn Ma ohne Vertretungsmacht und damit zugleich Handlungen von Rechtsanwalt G ohne rechtsgeschäftliche Vollmacht.

124(aaa) Die Kündigung ist nach deutschem Recht ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist (§ 180 Satz 1 BGB). Nach § 180 Satz 2 BGB findet aber § 177 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht nicht „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ beanstandet (vgl.  - Rn. 14; - 2 AZR 485/08 - Rn. 13; aA außerhalb der Kündigung von Arbeitsverhältnissen  - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 143, 42; - VIII ZR 214/90 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 114, 360). Die Genehmigung wirkt dann nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück (vgl.  - aaO). Will der Erklärungsgegner diese Rechtsfolge abwenden, muss er die Vertretungsmacht unverzüglich iSv. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB rügen (vgl.  - zu B I der Gründe). Geschieht das nicht, ist die Kündigung dem Arbeitgeber mit Zugang der Genehmigung beim Arbeitnehmer zuzurechnen (vgl.  - aaO; - 2 AZR 403/07 - Rn. 21 mwN).

125(bbb) Die Klägerin rügte die Vollmacht von Rechtsanwalt G nicht unverzüglich, sondern frühestens mit der Klageschrift vom und damit deutlich über eine Woche nach Zugang der Kündigung am .

126(aaaa) Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche nicht unverzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB, wenn keine besonderen Umstände vorliegen. Diese Grundsätze gelten auch für die Rüge der Vollmacht „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ iSv. § 180 Satz 2 iVm. § 177 Abs. 1 BGB. Beanstandet der Gekündigte die Vollmacht nicht unverzüglich, kann der Vertretene die Kündigung genehmigen. Die Wochenfrist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung. Es soll schnell geklärt werden, ob er die Wirksamkeit der Kündigung unter formalen Gesichtspunkten infrage stellt. Die Rüge ist an keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtsverhältnisse gebunden und erfordert auch keinen schwierigen Abwägungsprozess. Eine Zeitspanne von einer Woche ist deshalb unter gewöhnlichen Umständen ausreichend, um die Entscheidung über die Rüge zu treffen (vgl.  - Rn. 67; für § 174 Satz 1 BGB - 6 AZR 354/10 - Rn. 33).

127(bbbb) Die Klägerin hat hier nicht vorgebracht, von der Kündigung nicht bereits am Tag ihres Zugangs am Kenntnis erlangt zu haben. Sie hat auch keine besonderen Umstände für die Überschreitung der Wochenfrist geltend gemacht. Die Kündigung war damit nach § 177 Abs. 1, § 180 Satz 2 BGB genehmigungsfähig.

128(cccc) Eine solche Genehmigung erteilte die E S.A. als Sonderliquidatorin im Verlauf des Rechtsstreits durch ihren gesamten Verwaltungsrat konkludent durch ihre Prozessführung für die Beklagte zu 1. Dass der gesamte Verwaltungsrat der Sonderliquidatorin das Handeln von Herrn Ma genehmigte, ergibt sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. Aliprantis. Es behandelt auf S. 4 die sog. Bestätigung des Verwaltungsrats der Sonderliquidatorin vom , mit dem alle Verwaltungsratsmitglieder auf die durchgehend bestehenden Einzelvertretungsbefugnisse von Herrn Ma für die Sonderliquidatorin hinwiesen. Die Genehmigung einer Kündigung kann durch schlüssiges Handeln erfolgen (vgl.  - zu B I der Gründe). Diese Genehmigung der Kündigung durch das Prozessverhalten der E S.A. für die Beklagte zu 1. ging der Klägerin im Prozessverlauf zu (vgl.  - aaO;  - zu II 1 a (2) der Gründe). Damit war die Kündigung der Beklagten zu 1. als Arbeitgeberin zuzurechnen (vgl.  - Rn. 68).

1292. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 102 BetrVG.

130a) Der Betriebsrat der Station F konnte das Anhörungsschreiben nicht zurückweisen, weil ihm keine Originalvollmacht vorgelegt wurde. Die Anhörung wurde ordnungsgemäß eingeleitet. § 174 BGB erfasst weder unmittelbar noch analog eine solche Konstellation.

131aa) Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Für solche Handlungen ist die analoge Anwendung des § 174 BGB grundsätzlich geboten (vgl.  - Rn. 72; - 6 AZR 608/11 - Rn. 71; s. auch schon  - zu II 2 der Gründe; Soergel/Leptien 13. Aufl. § 174 Rn. 7).

132(1) Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen nicht wie bei Willenserklärungen kraft des ihnen innewohnenden Willensakts, sondern kraft Gesetzes eintreten. Regelmäßig ermöglichen oder verhindern sie den Eintritt gesetzlich angeordneter Folgen des Tätigwerdens oder Untätigbleibens (vgl.  - zu B IV 1 b cc der Gründe, BAGE 101, 298; s. zB auch - 7 ABR 138/09 - Rn. 48; - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, BAGE 130, 1). In erster Linie handelt es sich dabei um Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet sind oder gerichtet sein müssen (vgl.  - zu II 1 b bb der Gründe, BGHZ 145, 343).

133(2) Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat offengelassen, ob die Mitteilung iSv. § 102 Abs. 1 BetrVG wegen ihres fristauslösenden Charakters bereits eine Willenserklärung oder (nur) eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist (vgl.  - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 40, 95). Im Hinblick darauf, dass eine ohne Anhörung des Betriebsrats erklärte Kündigung nach der gesetzlichen Anordnung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist, ist zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung anzunehmen (vgl.  - Rn. 74; - 6 AZR 608/11 - Rn. 73).

134bb) Eine analoge Anwendung des § 174 BGB auf die Anhörung des Betriebsrats ist nach dem Zweck des Anhörungserfordernisses in § 102 Abs. 1 BetrVG und dem Zweck der Zurückweisungsmöglichkeit des § 174 Satz 1 BGB gleichwohl ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - eine betriebsfremde Person als Botin des Arbeitgebers das Anhörungsverfahren eingeleitet hat.

135(1) Die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (vgl.  - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Sinn des Anhörungserfordernisses ist es, dem Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Ermittlungen Gelegenheit zu geben, dem Arbeitgeber seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht zur Kenntnis zu bringen. Der Arbeitgeber soll die Stellungnahme des Betriebsrats - insbesondere dessen Bedenken und dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung - bei seiner Entscheidung über die Kündigung berücksichtigen können (st. Rspr., vgl. nur  - zu II 1 der Gründe). Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist kein formalisiertes, an bestimmte Formvorschriften gebundenes Verfahren. Deswegen genügt auch eine mündliche oder fernmündliche Anhörung des Betriebsrats den Anforderungen des § 102 BetrVG (vgl.  - Rn. 37 mwN, BAGE 131, 155).

136(2) § 174 BGB dient dem Gewissheitsinteresse des Gegners eines einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfts oder einer geschäftsähnlichen Handlung. Die Bestimmung soll klare Verhältnisse schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung berechtigt, wenn er keine Gewissheit hat, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Vertretene dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung oder geschäftsähnlichen Handlung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (vgl.  - Rn. 23, BAGE 137, 347).

137(3) Bei einer Gesamtschau dieser Zwecke ergibt sich, dass der Zweck des § 174 BGB seine analoge Anwendung auf das Anhörungsschreiben iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfordert.

138(a) Der Gesetzgeber misst dadurch, dass er das Anhörungsverfahren nicht formalisiert ausgestaltet und eine mündliche Anhörung nicht ausgeschlossen hat, dem Gewissheitsinteresse im Zusammenhang mit § 102 BetrVG keine schützenswerte Bedeutung bei. Bei einer telefonischen Anhörung ist ein Nachweis iSv. § 174 BGB ausgeschlossen. Dennoch soll durch eine solche Anhörung die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt werden können. Der Gesetzgeber geht ersichtlich davon aus, dass das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit iSv. § 2 Abs. 1 BetrVG, das auch im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zu beachten ist, ausreicht, um den Betriebsrat zu schützen, wenn er Zweifel daran hat, ob die ihm gegenüber Auftretenden berechtigt sind, für den Arbeitgeber tätig zu werden (vgl.  - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 52, 346). Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Offenheit und Ehrlichkeit gewährleisten. Beide Seiten sind verpflichtet, ihre Rechte so auszuüben, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich bleibt. Daraus folgt die Verpflichtung, sich bei der Verfolgung der uU unterschiedlichen Interessen an die Regeln zu halten, die Vertrauen erst ermöglichen (vgl.  - Rn. 79; - 6 AZR 608/11 - Rn. 78; Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 2 Rn. 13, 15).

139(b) Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat bei Fehlen näherer Anhaltspunkte davon ausgehen muss, dass sich der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG nur ordnungsgemäß bevollmächtigter oder beauftragter Personen bedient. Jedenfalls ist dem Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG auch genügt, wenn der Bote oder Vertreter des Arbeitgebers keinen Nachweis seiner Botenmacht oder keine Vollmacht vorlegt. Der Betriebsrat ist auch in einem solchen Fall nicht gehindert, seine Auffassung zu der Kündigung zu äußern und Einfluss auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers zu nehmen (vgl.  - zu B II 1 d bb (2) (v) der Gründe). Hat er Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung desjenigen, der ihm gegenüber bei der Anhörung aufgetreten ist, oder bezweifelt er, dass dieser seine Einwände zur Kenntnis nimmt und/oder an den Arbeitgeber weiterleitet, kann er seine Einwände dem Arbeitgeber unmittelbar mitteilen und den (betriebsfremden) Dritten umgehen. Ein abstrakt schützenswertes Interesse daran, klare Verhältnisse zu schaffen und sicher zu sein, dass die Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen beginnt oder begonnen hat, hat der Betriebsrat vor dem Hintergrund des Zwecks des § 102 BetrVG nicht (vgl.  - Rn. 80; - 6 AZR 608/11 - Rn. 79; aA  - zu II 1 b bb (1) der Gründe).

140b) Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte zu 1. ihren Kündigungsentschluss im Zeitpunkt der Anhörung abschließend gefasst hatte, wie sich aus dem Anhörungsschreiben ergibt. Es genügt, dass die Kündigung den Einflussbereich der Beklagten zu 1. bei der Anhörung noch nicht verlassen hatte. Damit war nicht auszuschließen, dass es dem Betriebsrat gelingen konnte, auf den Kündigungswillen der Arbeitgeberin einzuwirken (vgl. die st. Rspr. seit  - zu 3 a der Gründe, BAGE 27, 331).

141c) Die Betriebsratsanhörung genügt inhaltlich den Anforderungen des § 102 BetrVG.

142aa) Die Betriebsratsanhörung ist nicht inhaltlich fehlerhaft, weil die Beklagte zu 1. dem Betriebsrat den Kündigungstermin des nannte. Dem steht nicht entgegen, dass die Kündigung wegen der aufgrund der Elternzeit der Klägerin noch einzuholenden Zulässigerklärung des Regierungspräsidiums Darmstadt erst zum erklärt wurde. Die fehlerhafte Angabe des Kündigungstermins führt nicht zur Unwirksamkeit der Unterrichtung des Betriebsrats.

143(1) Es reicht aus, dass der Betriebsrat über die für die Berechnung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins erforderlichen Kenntnisse verfügt. Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und mit welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden soll (vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 103). Der Arbeitgeber kann keinen ungefähren Endtermin nennen, wenn er vor Erklärung der Kündigung - wie hier - noch die Zustimmung oder Zulässigerklärung einer anderen Stelle einzuholen hat. In diesem Fall genügt es, wenn er den Betriebsrat auf die noch einzuholende Zustimmung oder Zulässigerklärung hinweist oder sie dem Betriebsrat bekannt ist. In diesem Fall braucht der Arbeitgeber den Betriebsrat bei unverändertem Kündigungssachverhalt nicht erneut zu beteiligen, selbst wenn das Zustimmungs- oder Zulässigerklärungsverfahren jahrelang andauert (vgl. KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 60 mwN). Die Betriebsratsanhörung kann bereits vor der Zustimmung oder Zulässigerklärung der zuständigen Behörde erfolgen (vgl.  - Rn. 32; - 2 AZR 276/99 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 94, 313; - 2 AZR 626/93 - zu B II 2 a der Gründe).

144(2) Nach diesen Grundsätzen ist die Betriebsratsanhörung mit Blick auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin ordnungsgemäß. Die Beklagte zu 1. täuschte den Betriebsrat nicht über die zu wahrende Kündigungsfrist und den richtigen Kündigungstermin. Der Betriebsrat wusste aufgrund der Anhörung vom , dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen der aus Sicht der Beklagten zu 1. gegebenen Betriebsstilllegung ordentlich gekündigt und die Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO eingehalten werden sollte. Dem Betriebsrat war auch bekannt, dass die Klägerin bis in Elternzeit sein würde. Daraus konnte er schließen, dass die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig erklärt werden musste. Damit genügte die Beklagte zu 1. ihren Mitteilungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG, obwohl sie - wie bei anderen Arbeitnehmern der Station F - den als beabsichtigten Kündigungstermin mitteilte und dieser Kündigungstermin im Fall der Klägerin tatsächlich nicht zutraf.

145bb) Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht inhaltlich ungenügend, weil der Betriebsrat nicht über den von der Klägerin behaupteten Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. unterrichtet wurde und ihm keine Informationen über eine soziale Auswahl gegeben wurden.

146(1) Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination war eine Information über einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. nicht erforderlich, weil die Beklagte zu 1. subjektiv davon ausging, dass es nicht zu einem solchen Betriebsübergang gekommen sei oder kommen werde.

147(2) Die Beklagte zu 1. hat vorgetragen, dass Abwicklungsarbeiten nur von Arbeitnehmern der Buchhaltung und dem Finanzdirektor durchgeführt worden seien, die mit der Klägerin nicht vergleichbar gewesen seien. Eine Sozialauswahl war bezogen auf die Klägerin in F deswegen aus Sicht der Beklagten zu 1. nicht zu treffen.

1483. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin war nicht nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts, das durch den Bescheid der Agentur für Arbeit geheilte Verstöße gegen die Anzeige- und Konsultationspflicht angenommen hat, wirkt sich auf das Ergebnis der abzuweisenden Klage nicht aus. Die Entscheidung stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 561 ZPO).

149a) Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen, dh. Kündigungen, im Verhältnis zu der Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend (vgl.  - Rn. 13, BAGE 134, 176). Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der §§ 1, 4 BetrVG (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 85; - 6 AZR 41/11 - Rn. 33 mwN).

150aa) Der Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Gilt ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als selbständig, müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um die Anzeigepflicht auszulösen (vgl.  - Rn. 74).

151bb) Damit ist für die Berechnung des Schwellenwerts auf die Station F abzustellen (vgl.  - Rn. 84; - 6 AZR 608/11 - Rn. 85). Nichts anderes folgt aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für den Begriff des „Betriebs“ nicht entscheidend, ob die fragliche Einheit eine Leitung hat, die selbständig Massenentlassungen vornehmen kann (vgl.  - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28 f., Slg. 2007, I-1499). Auch das Unionsrecht lässt es zu, die Station F als Betrieb im Sinn des Massenentlassungsanzeigerechts zu betrachten.

152b) Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war in F bei Zugang der Kündigung am nicht erreicht.

153aa) Unter dem Begriff der „Entlassung“ in § 17 KSchG und in § 18 Abs. 1, Abs. 2 KSchG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben die Erklärung der Kündigung zu verstehen (vgl.  - [Junk] Rn. 39, Slg. 2005, I-885). Eine Kündigung kann deswegen schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht vor Ablauf der Fristen des § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG ausscheiden (vgl.  - Rn. 25 ff., BAGE 128, 256). Ob der Begriff der „Entlassung“ auch in § 18 Abs. 4 KSchG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass darunter die Kündigungserklärung zu verstehen ist, kann dahinstehen (offengelassen auch von  - Rn. 18, BAGE 134, 176; - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, aaO).

154bb) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wurde entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Revision nicht im Zusammenhang mit der Massenentlassung der übrigen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in der Station F erklärt. Sie fiel nicht in die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG und war nicht anzeigepflichtig. Die im Anzeige- und Konsultationsverfahren aufgetretenen Fehler führen deshalb anders als bei den anderen in der Station F beschäftigten Arbeitnehmern nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl.  - Rn. 38 ff.; - 6 AZR 772/11 - Rn. 36 ff.; - 6 AZR 5/12 - Rn. 38 ff.; - 6 AZR 48/12 - Rn. 38 ff.).

155(1) Die letzten anderen Kündigungen wurden in der Station F mit Ausnahme der gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung unter dem zum erklärt (vgl.  - Rn. 13; - 6 AZR 48/12 - Rn. 13). Auch die für die Anzeige- und Konsultationspflicht darlegungsbelastete Klägerin hat nicht behauptet, dass diese Kündigungen nicht noch im Januar 2010 zugingen. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der anderen Arbeitnehmer in der Station F wurden bereits Ende Dezember 2009 erklärt und gingen noch im Dezember 2009 zu (vgl.  - Rn. 13; - 6 AZR 772/11 - Rn. 13). Die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG endete deshalb spätestens am (§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 1 BGB; vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 50; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54). Sie war daher bei Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am und ihrem Zugang am schon verstrichen.

156(2) Der fehlenden Anzeige- und Konsultationspflicht stehen Sinn und Zweck der richtlinienkonform auszulegenden §§ 17, 18 KSchG nicht entgegen, obwohl die Beklagte zu 1. die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf denselben Kündigungsgrund - dieselbe Stilllegungsentscheidung - stützte wie die übrigen Kündigungen, die in der Station F erklärt wurden.

157(a) §§ 17, 18 KSchG sollen Massenentlassungen vermeiden oder ihre Folgen mildern (vgl. für Art. 2 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG  - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 46, Slg. 2009, I-8163; zu §§ 17, 18 KSchG zB  - Rn. 18, BAGE 134, 176). Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die Massenentlassung zu vermeiden oder einzuschränken (vgl. ua. - [Claes] Rn. 56; - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, 64, aaO;  - Rn. 42; - 6 AZR 155/11 - Rn. 60).

158(b) Fällt eine Kündigung - wie hier - nicht mehr in den zeitlichen Zusammenhang einer Massenentlassung, muss diesen Zwecken nicht genügt werden (vgl.  - Rn. 21, BAGE 134, 176). Das ist keine Umgehung der Anzeige- und Konsultationspflicht aus § 17 KSchG, sondern eine aus arbeitsmarktpolitischer Sicht eher verträgliche Verteilung der Kündigungen über einen längeren Zeitraum (vgl. KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 53; s. auch ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 17; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 49c).

159c) In der Beurteilung des Senats, der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG sei im Streitfall in der Frist von 30 Kalendertagen nicht erreicht worden, liegt keine unzulässige sog. Überraschungsentscheidung.

160aa) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staats. Er soll einen angemessenen Verfahrensablauf sichern. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Damit hängt das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von Überraschungsentscheidungen eng zusammen. Von einer solchen Überraschungsentscheidung ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. für die st. Rspr.  - Rn. 18 mwN;  - Rn. 17).

161bb) Die Voraussetzungen einer unzulässigen Überraschungsentscheidung sind nicht erfüllt. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben das Problem der für eine Massenentlassung erforderlichen Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zwar erkennbar - ebenso wie das Landesarbeitsgericht - übersehen (§ 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Jedenfalls gilt das für die beiden Prozessbevollmächtigten der Klägerin (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Senat hat aber beide Seiten in der Revisionsverhandlung auf die Frage hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

162d) Der Senat musste den Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht ermöglichen, nach der mündlichen Verhandlung durch Schriftsatz zu dem Problem der Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG Stellung zu nehmen.

163aa) Ist es einer Partei nicht möglich, sich zu einem gerichtlichen Hinweis sofort zu erklären, soll das Gericht nach § 139 Abs. 5 ZPO auf Antrag der Partei eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Ein Gericht verletzt jedoch nicht das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es einer Partei kein Schriftsatzrecht einräumt, die es in der mündlichen Verhandlung versäumt, dem Prozessgegner und dem Gericht Sachvortrag oder rechtliche Argumente mitzuteilen. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist genügt, wenn sich die Partei das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung in zumutbarer Weise mithilfe ihrer prozessualen Möglichkeiten verschaffen kann (vgl.  - Rn. 25 mwN).

164bb) Nach diesen Maßstäben musste der Klägerin keine Schriftsatzfrist eingeräumt werden, obwohl der Senat erst in der Revisionsverhandlung auf das Problem der Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG hingewiesen hatte. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin war es möglich, zu der Frage mit rechtlichen Argumenten Stellung zu nehmen. Das belegt ua. die Äußerung eines der beiden Prozessbevollmächtigten, wonach der Massenentlassungstatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zur Anwendung kommen müsse, wenn die verschiedenen Kündigungen auf ein und derselben unternehmerischen Entscheidung beruhten, eine Kündigung wegen behördlicher Zustimmungserfordernisse aber erst später erklärt werden und erst zu einem späteren Zeitpunkt wirken könne. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben nicht begründet, weshalb die Klägerin Zeit brauche, um weitere rechtliche Argumente zu ermitteln. Das gilt erst recht für ergänzenden, im Revisionsverfahren ohnehin nur in besonderen Ausnahmefällen zu berücksichtigenden Sachvortrag.

1654. Die Kündigung vom ist nicht unwirksam, weil sie gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB verstößt. Sie wurde nicht wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils erklärt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war keinem ggf. übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen (vgl.  - Rn. 33). Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

166a) § 613a BGB ist grundsätzlich auch bei Betriebsübergängen in das Ausland anwendbar. Die Geltung der Norm ist nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Das Territorialitätsprinzip wird durch das Internationale Privatrecht verdrängt. Bei Betriebsübergängen mit Auslandsbezug können sachgerechte Lösungen nur über die Regelungen des Arbeitsvertragsstatuts erzielt werden. Allerdings ändert sich regelmäßig das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Arbeitsverhältnis keine Rechtswahl getroffen ist, bei einem Wechsel von der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland aufgrund eines Betriebsübergangs. Regelmäßig wird nach dem Betriebsübergang das Recht des Staats zur Anwendung kommen, in dem das Arbeitsverhältnis nach dem Betriebsübergang besteht. Eine solche Änderung tritt aber erst ein, nachdem das Arbeitsverhältnis übergegangen ist. Für die Frage, ob es zu einem Betriebsübergang gekommen ist, ist eine solche Statutänderung ebenso wie für die Frage der Wirksamkeit einer vor dem Betriebsübergang erklärten, nach deutschem Recht zu beurteilenden Kündigung noch ohne Belang (vgl.  - Rn. 40; - 8 AZR 37/10 - Rn. 41 ff.).

167b) Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines Übergangs des Betriebs(-teils) der Beklagten zu 1. in F auf die Beklagte zu 2. nicht dargelegt.

168aa) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt, dass die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen, die auf Dauer angelegt wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung ausüben soll.

169(1) Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Bestand beim früheren Betriebsinhaber nach der durchzuführenden Gesamtbetrachtung eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde, muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Der übertragene Betriebsteil muss seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber allerdings nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass der Betriebsteilerwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und ihm dadurch ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl.  - [Klarenberg] Rn. 47 f., Slg. 2009, I-803;  - Rn. 33 mwN).

170(2) Handelt es sich nach diesen Grundsätzen um einen Betriebs(-teil)übergang, betrifft er nur Arbeitnehmer, die in den übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich eingegliedert waren. Es genügt nicht, dass sie Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichteten, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein (st. Rspr., vgl. zB  - [Watson Rask und Christensen] Rn. 16, Slg. 1992, I-5755;  - Rn. 75, jeweils mwN). Für die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Arbeitnehmer zugeordnet ist, kommt es zunächst auf den Willen der Vertragsparteien an (vgl.  - Rn. 35).

171bb) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2. den Flugbetrieb der Beklagten zu 1. iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übernahm. Dieser wirtschaftlichen Einheit war die Klägerin nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach ihrem Willen und dem der Beklagten zu 1. nicht zugeordnet. Die Klägerin betreute gemeinsam mit den übrigen Arbeitnehmern der Station F und zusammen mit den anderen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. in Deutschland im Bodenbetrieb den Flugverkehr der Beklagten zu 1. von Deutschland aus und nach Deutschland. Sie gab zB Tickets aus, reservierte Sitzplätze und war für die Kommunikation mit den Passagieren und Reisebüros sowie die Abrechnung und Abwicklung gegenüber Frachtkunden zuständig. In die Struktur des Flugbetriebs war sie nicht eingebunden.

172cc) Die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.

173(1) Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche der im Bodenbetrieb von ihr und den übrigen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland verrichteten Tätigkeiten unter Wahrung der bisherigen wirtschaftlichen Einheit von der Beklagten zu 2. übernommen worden sein sollen.

174(a) Sie hat trotz ihres detaillierten Vortrags zu dem Wechsel verschiedener Arbeitnehmer aus anderen Einheiten der Beklagten zu 1. außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, der behaupteten Kooperation mit der A AG und der geplanten Fusion der Beklagten zu 2. mit der Ae S.A. nicht im Einzelnen ausgeführt, in welcher Weise der Kontakt mit den Kunden im Sinn einer Fortführung des Bodenbetriebs als strukturierte und identitätswahrende wirtschaftliche Einheit beibehalten worden sein soll. Sie hat auch keine Kundennamen genannt. Es genügt nicht, die Beförderung von Passagieren durch automatische Umbuchung von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. sowie die Übernahme von Markenzeichen („brand name“) und Logo „O“ vorzubringen, um eine Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung der bisherigen Identität - etwa durch funktionelle Verknüpfung der übertragenen Funktionsfaktoren - darzustellen. Das hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt. Aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Mitteilung unter dem Logo „O“ ergibt sich im Übrigen, dass automatische Umbuchungen nur dort erfolgten, wo die Beklagte zu 2. den Flugbetrieb aufnahm.

175(b) Die Klägerin hat nicht vorgetragen, die Beklagte zu 2. nutze - ggf. unter „Einschaltung“ der A AG oder auch der Ae S.A. - die von der Beklagten zu 1. für den Bodenbetrieb in F geschaffene Arbeitsorganisation. Diese Arbeitsorganisation diente dazu, den Flugbetrieb von und nach F abzufertigen und zu verwalten. Auch aus der Darstellung der Klägerin folgt nicht, dass die Beklagte zu 2. materielle oder immaterielle Betriebsmittel des für den Bodenbetrieb zuständigen Betriebs oder Betriebsteils in F übernahm. Sie übernahm weder das Bodenpersonal noch die Räume oder Mietverträge und sonstige Dauerschuldverhältnisse der Beklagten zu 1. Soweit sich das Vorbringen der Klägerin auf den Flugbetrieb bezieht, werden diese Tätigkeiten von der Beklagten zu 2. für den deutschen Markt nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht fortgeführt.

176(2) Auch die Argumentation der Klägerin mit einem weltweiten Unternehmensübergang lässt keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erkennen.

177(a) Die Klägerin macht geltend, auf ein international operierendes Dienstleistungsunternehmen, dessen maßgebliche wirtschaftliche Aktiva sich einer örtlichen Verankerung entzögen, passe der übliche Betriebs- oder Betriebsteilbegriff nicht mehr. Die wirtschaftliche Einheit eines solchen Unternehmens sei nicht durch eine örtliche Bezugnahme auf den Grund und Boden eines bestimmten Staats zu erfassen. Bei einem solchen Unternehmen bestehe die wirtschaftliche Einheit im Betrieb eines weltweiten Flugverkehrs unter einer bestimmten Firma, mit bestimmten Flugzeugen, erfahrenem Personal, bestehendem Kundenstamm und übernommenem Know-how. Diese Einheit habe die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. übernommen und die A AG - ggf. auch die Ae S.A. - „zwischengeschaltet“.

178(b) Diese Argumentation lässt Tatbestand und Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs außer Acht. Kommt es zu einem Betriebsübergang, tritt der Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Nichts anderes bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Die Bestimmung gibt vor, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen. Das Arbeitsverhältnis wird inhaltlich durch die Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer und der wirtschaftlichen Einheit bestimmt, der er zur Erfüllung seiner Aufgaben angehört (vgl.  - [Watson Rask und Christensen] Rn. 16, Slg. 1992, I-5755; - C-186/83 - [Botzen ua.] Rn. 15, Slg. 1985, 519).

179(aa) Das Erfordernis der Zuordnung zu einer bestehenden wirtschaftlichen Einheit ist durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. zB  - Rn. 20 ff.; - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff.; s. auch  - Rn. 33 ff.). Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht erforderlich.

180(aaa) Die Frage der Zuordnung zu einem übergegangenen Betriebsteil ist auch nicht wieder klärungsbedürftig geworden mit Blick auf die erste Vorlagefrage in dem Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Trento (Italien), das beim Gerichtshof am eingereicht wurde (ABl. EU C 389 vom S. 6, beim Gerichtshof anhängig unter - C-458/12 - [Amatori ua.]). Dort fragt der Tribunale di Trento den Gerichtshof, ob die Regelung über den „Übergang eines Unternehmensteils“ insbesondere in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b iVm. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, die den Eintritt des Erwerbers in die Arbeitsverhältnisse des Veräußerers auch dann zulässt, ohne dass es der Zustimmung der durch die Veräußerung betroffenen Arbeitnehmer bedarf, wenn der Unternehmensteil, der Gegenstand des Übergangs ist, keine bereits vor dem Übergang bestehende, funktionell selbständige wirtschaftliche Einheit in der Weise darstellt, dass sie als solche von Veräußerer und Erwerber im Zeitpunkt des Übergangs identifiziert werden kann.

181(bbb) Die Fragestellung unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der dem Streitfall zugrunde liegt. Die Klägerin war hier stets dem Bodenbetrieb als einer identifizierbaren wirtschaftlichen Einheit zugeordnet. Die Entscheidung über den nicht eingetretenen Betriebsübergang ist aufgrund der fehlenden Zuordnung der Klägerin zu einem ggf. übergegangenen Betriebsteil zu treffen, nicht aufgrund dessen, dass der Bodenbetrieb vor einem etwa erfolgten Betriebs(-teil)übergang nicht identifizierbar gewesen wäre. Der Bodenbetrieb in F bzw. Deutschland ging nach den insoweit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Beklagte zu 2. über.

182(bb) Gehört der Arbeitnehmer einer übernommenen wirtschaftlichen Einheit nicht an, auch nicht durch funktionelle Verknüpfung der übertragenen Funktionsfaktoren, besteht deshalb kein Grund, sein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen zu lassen. Das gilt auch für Unternehmen, die einen weltweiten Flugbetrieb unterhalten. Auch bei solchen Unternehmen gibt es Aufgaben, die nur in einer örtlich begrenzten wirtschaftlichen Einheit anfallen und die sich nur dieser begrenzten Einheit zuordnen lassen. Dazu gehören die Aufgaben, die die für Deutschland eingestellten Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in Deutschland im Bodenbetrieb versahen und die die Beklagte zu 2. nicht übernahm.

183(3) Aus den Entscheidungen des - 8 AZR 37/10 - Rn. 34) und (- 8 AZR 326/09 - Rn. 28 ff.) folgt nichts anderes. Erst bei identitätswahrender Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit stellt sich die weitere Frage, ob der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den übertragenen Betriebsmitteln sowie den sonstigen Faktoren, die den Betrieb ausmachen, beibehalten wurde. Dabei ist unerheblich, ob die bisherige Organisationsstruktur beibehalten wird. Zu diesem zweiten Prüfungsschritt kommt es hier nicht, weil der Bodenbetrieb der Beklagten zu 1. weder in der gesamten Bundesrepublik Deutschland noch in F identitätswahrend auf die Beklagte zu 2. übertragen wurde.

1845. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Die Betriebe der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland wurden stillgelegt. Der Fall bietet keinen Anlass, die Frage der Verpflichtung zum Angebot von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in ausländischen Betrieben zu klären. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie in einem anderen Betrieb der Beklagten (ggf. in Griechenland) hätte weiterbeschäftigt werden müssen. Der Arbeitnehmer wird seiner im Ausgangspunkt bestehenden Darlegungslast erst gerecht, wenn er konkrete Vorstellungen zu Möglichkeiten anderweitiger Beschäftigung äußert und deutlich macht, wie er sich seine weitere Tätigkeit vorstellt, an welche Art der Beschäftigung er denkt. Erst dann hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, weshalb diese Vorstellungen nicht zu realisieren sind (vgl. für die st. Rspr.  - Rn. 89; - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN). Eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG war nicht zu treffen, weil die Arbeitsverhältnisse aller anderen Arbeitnehmer des Betriebs der Beklagten zu 1. in F schon zu früheren Zeitpunkten gekündigt worden waren.

1856. Das Arbeitsverhältnis wurde mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO am beendet.

186a) Die Klägerin nimmt an, bei dem Sonderliquidationsverfahren handle es sich nicht um ein Verfahren iSd. EuInsVO.

187b) Dieser Angriff ist nicht geeignet, ein Insolvenzverfahren und damit die abgekürzte Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO infrage zu stellen. Dabei kann offenbleiben, ob das in Griechenland eröffnete Sonderliquidationsverfahren ein Verfahren ist, das in den Anhängen A und C der EuInsVO erwähnt ist. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, läge ein Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO vor, dessen Wirkungen in Deutschland von den deutschen Gerichten nach § 343 InsO anzuerkennen sind.

188aa) Ob es sich um ein Insolvenzverfahren iSv. §§ 335 ff. InsO handelt, ist im Weg der Qualifikation zu bestimmen. Voraussetzung ist, dass das ausländische Verfahren im Wesentlichen den gleichen Zielen wie das deutsche Insolvenzverfahren verpflichtet ist (vgl.  - Rn. 9). Das lässt sich jedenfalls durch den Rückgriff auf die Vorgaben in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO überprüfen (vgl. Kölner Schrift/Paulus 3. Aufl. Kap. 46 Rn. 34, 71). Das Leitbild der EuInsVO ist zwar nicht als zwingende Anforderung an ausländische Insolvenzverfahren in Drittstaaten anzusehen (vgl.  - Rn. 19, BAGE 121, 309). Insolvenzverfahren iSv. §§ 335 ff. InsO sind aber jedenfalls Gesamtverfahren, die die Insolvenz, dh. die Zahlungsunfähigkeit, die Zahlungseinstellung oder die Krediterschütterung des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen ihn sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben (vgl. Kölner Schrift/Mankowski Kap. 47 Rn. 5 f.). Vermögensbeschlag bedeutet, dass der Schuldner die Befugnisse zur Verwaltung seines Vermögens verliert (vgl.  - [Eurofood IFSC] Rn. 54, Slg. 2006, I-3813).

189bb) Diese Voraussetzungen sind nach dem durch Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 eingefügten Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 erfüllt. Erforderlich für die Bestellung eines Liquidators sind nach Art. 14 A Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b des Gesetzes 3429/2005 wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zumindest eine Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit nach sich ziehen. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 führt der Liquidator die Geschäfte, er verwaltet und vertritt das Unternehmen. Das führt zu einem Vermögensbeschlag, weil die Schuldnerin die Befugnis zur Verwaltung ihres Vermögens verliert. Nicht sie oder ihre Geschäftsführung, sondern der gerichtlich eingesetzte Sonderliquidator ist vertretungs- und entscheidungsbefugt. Nach Art. 14 A Nr. 5 und Nr. 6 des Gesetzes 3429/2005 hat der Sonderliquidator die Aktiva des Unternehmens zu verwerten oder das Unternehmen zu veräußern. Das macht deutlich, welche Insolvenzzwecke die Regelung des Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 verfolgt. Nach Art. 14 A Nr. 20 des Gesetzes 3429/2005 sind für eine Zeit von 18 Monaten alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und Sicherungsmaßnahmen gegen das in Sonderliquidation befindliche Unternehmen ausgesetzt.

190cc) Die deutschen Gerichte sind deshalb jedenfalls nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO gebunden.

191dd) Ungeachtet der Anerkennungswirkung findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Teil des deutschen Arbeitsrechts ist auch die Verkürzung der Kündigungsfrist bei Insolvenzkündigungen (vgl.  - Rn. 96; - 6 AZR 608/11 - Rn. 96; - 6 AZR 253/11 - Rn. 66).

192D. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
ZIP 2013 S. 1982 Nr. 41
YAAAE-39448