BSG Urteil v. - B 12 KR 3/11 R

Krankenversicherung - freiwillig Versicherter - Verfassungsmäßigkeit von erhöhten Säumniszuschlägen auf Beitragsrückstände - Zahlung ab zweiten Monat der Säumnis

Leitsatz

1. Erhöhte Säumniszuschläge auf Beitragsrückstände freiwillig in der GKV Versicherter sind verfassungsgemäß.

2. Erhöhte Säumniszuschläge sind ab dem zweiten Monat der Säumnis zu zahlen.

Gesetze: § 24 Abs 1a SGB 4 vom , Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: SG Neuruppin Az: S 20 KR 26/08 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger wendet sich gegen die Forderung von Säumniszuschlägen von mehr als 1 vH auf ausstehende Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2Der Kläger, der vom bis bei einer Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse (im Folgenden vereinfachend: Beklagte) freiwillig versichert war, geriet mit seinen Beiträgen in Rückstand, woraufhin die Beklagte das Ende der freiwilligen Versicherung zum feststellte. Mit Bescheid vom forderte sie vom Kläger die Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom bis in Höhe von 685,08 Euro sowie - darauf bis dahin angefallene - Säumniszuschläge in Höhe von 136,50 Euro. Seinen dagegen eingelegten Widerspruch beschränkte der Kläger auf Säumniszuschläge in Höhe von 126,00 Euro: Er sei nur bereit, Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1 SGB IV in Höhe von 1 vH zu zahlen, da er die weitergehende Regelung des § 24 Abs 1a SGB IV für verfassungswidrig halte. Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom ) erhobene Klage hat das SG abgewiesen, weil § 24 Abs 1a SGB IV gesetzeskonform angewandt worden sei und die Höhe der Säumniszuschläge nach dieser Vorschrift noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsraums liege (Urteil vom ).

3Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung von "Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG, sowie Art. 19 in Verbindung mit Artikel 1 GG", ferner von "Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 1 GG". § 24 Abs 1a SGB IV begründe eine erhebliche, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des dort genannten Personenkreises gegenüber allen sonstigen Zahlungspflichtigen. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 24 SGB IV zum eine Gleichbehandlung mit dem Steuerrecht erreichen wollen, zumal die gesetzgeberische Intention der Säumniszuschläge bei in der Sozialversicherung Beitragspflichtigen und Steuerzahlern gleichartig sei (Druckfunktion und Kompensation eines staatlichen Einnahmeausfalls). Ein Säumniszuschlag von 5 vH der geschuldeten Beiträge im Monat (was 60 vH jährlich entspreche) bewege sich im Bereich des strafbaren Wuchers und widerspreche den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaats.

4In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte die Bescheide aufgehoben, soweit Säumniszuschläge auf die Pflegeversicherungsbeiträge geltend gemacht werden.

7Sie hält höhere Säumniszuschläge für den in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Personenkreis wegen des höheren Verwaltungsaufwands bei der Beitreibung der Beiträge, der geringeren Zahlungsmoral, der geringeren Schutzbedürftigkeit und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Einnahmeausfällen für sachlich gerechtfertigt und auch verhältnismäßig, zumal der erhöhte Säumniszuschlag gegenüber dem zuvor bei Beitragsrückstand eintretenden Ende der Mitgliedschaft freiwillig Versicherter das mildere Druckmittel sei. Bei gebotener monatlicher Betrachtung sei der Säumniszuschlag auch nicht überhöht, zumal es der Versicherte in der Hand habe, den ausstehenden Beitrag jederzeit auszugleichen.

Gründe

8Die zulässige Sprungrevision (§ 161 SGG) des Klägers ist unbegründet.

9Zutreffend hat das SG die allein auf die Forderung von Säumniszuschlägen von mehr als 1 vH beschränkte Klage (dazu unter 1) gegen den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom abgewiesen, weil diese Bescheide insoweit rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 24 Abs 1a SGB IV vom Kläger Säumniszuschläge für die bis geschuldeten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 5 vH erhoben (dazu unter 2); diese Regelung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (dazu unter 3).

101. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufgehoben hat, soweit darin Säumniszuschläge auf Pflegeversicherungsbeiträge geltend gemacht werden, sind Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die über 1 vH der rückständigen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung hinausgehenden Säumniszuschläge. Auf diesen Teil der Zuschläge zu den Krankenversicherungsbeiträgen hat der Kläger bereits Widerspruch und Klage in rechtlich zulässiger Weise beschränkt (vgl dazu auch - SuP 2012, 325, 327; BSGE 103, 8 = SozR 4-2500 § 229 Nr 8, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 309 Nr 1 RdNr 10).

112. Der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist im noch streitigen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte fordert von ihm zu Recht Säumniszuschläge in Höhe von 5 vH und nicht nur in Höhe von 1 vH auf die für die Zeit bis geschuldeten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung, mit denen er nach dem länger als einen Monat säumig war. Diese hat sie für die Zeit bis auch in zutreffender Höhe festgesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 Abs 1a SGB IV in der ab geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom (BGBl I 378). Danach haben ua freiwillig Versicherte abweichend zu § 24 Abs 1 SGB IV für Beiträge und Beitragsvorschüsse, mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 5 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen. Diese Voraussetzungen werden durch die Säumnis des Klägers erfüllt; die Beklagte hat die Säumniszuschläge auf die Krankenversicherungsbeiträge auch zutreffend ermittelt.

12a) § 24 Abs 1a SGB IV ist vorliegend anwendbar, denn er findet ab seinem Inkrafttreten am (vgl Art 46 Abs 1 GKV-WSG, BGBl I 2007, 378, 471) Anwendung auch auf sog Altschulden, also vor diesem Tag fällig gewordene Beiträge (zustimmend Mette in Beck'scher Online-Kommentar, § 24 SGB IV RdNr 7a, Stand Einzelkommentierung März 2012; aA Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 24 SGB IV RdNr 6). Dies folgt aus den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs- oder Überleitungsvorschriften - wie hier - zurückzugreifen ist (vgl zB BSG SozR 4-5910 § 111 Nr 1 RdNr 9). Danach ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13 mit zahlreichen Nachweisen).

13"Anspruchsbegründender Umstand" im Rahmen des § 24 Abs 1a SGB IV ist nicht das erstmalige Entstehen des Beitragsanspruchs bzw dessen Fälligkeit, sondern das Vorliegen der Säumnis "für jeden weiteren Monat", wodurch ein Anspruch auf zusätzliche Säumniszuschläge für diesen Monat erstmalig entsteht und ggf zur Summe der bereits in den Vormonaten abschließend entstandenen Säumniszuschläge zu addieren ist. In diesem Sinne wird der Sachverhalt der Säumnis mit jedem weiteren Monat jeweils neu verwirklicht. § 24 Abs 1a SGB IV ist daher auf alle Ansprüche auf (weitere) Säumniszuschläge anzuwenden, die nach dem entstanden sind bzw entstehen, ohne dass hierin eine unzulässige echte Rückwirkung oder auch nur eine - grundsätzlich zulässige - unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung (zu deren Voraussetzungen vgl zB BVerfGE 128, 90, 106 f = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 45, 47 mwN) läge.

14b) Der in der GKV freiwillig versicherte Kläger war mit den Beiträgen für die Zeit bis säumig, weil er diese nicht bis zum Ablauf des jeweiligen Fälligkeitstages gezahlt hat (vgl § 24 Abs 1a iVm Abs 1 S 1 SGB IV). Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 23 Abs 1 S 1 und 4 SGB IV (idF des Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom , BGBl I 1970) iVm § 22 Abs 1 S 1 der Satzung der AOK Brandenburg (vom idF des 17. Nachtrages vom ) jeweils zum Fünfzehnten des Folgemonats oder nach § 23 Abs 1 S 2 SGB IV bereits am drittletzten Bankarbeitstag des Monats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde, fällig geworden sind (vgl zum Streitstand: Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 23 SGB IV RdNr 8, Stand Einzelkommentierung November 2011 mwN). Denn die Beklagte ist von einer Fälligkeit zum 15. des Folgemonats und damit von der für den Kläger günstigeren Auslegung des § 23 SGB IV ausgegangen.

15c) Die Beklagte hat zu Recht Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs 1a SGB IV bereits ab dem zweiten und nicht erst ab dem dritten Monat der Säumnis (so gefordert von Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 24 RdNr 50, 52 f) erhoben (wie hier zB Seewald in Kasseler Komm, § 24 SGB IV RdNr 8, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008; Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 24 SGB IV RdNr 6; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 24 SGB IV RdNr 15, Stand Einzelkommentierung März 2007). Bereits der Wortlaut des § 24 Abs 1a SGB IV spricht dafür, dass der erhöhte Säumniszuschlag schon ab dem zweiten Monat der Säumnis zu erheben ist, was auch die Gesetzesmaterialien bestätigen.

16Nach § 24 Abs 1a SGB IV haben "abweichend zu Absatz 1" bestimmte Versicherte "für Beiträge und Beitragsvorschüsse, mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis" einen Säumniszuschlag von 5 vH zu zahlen. Zwar hat bei einer Säumnis "länger als einen Monat" der zweite Monat bereits begonnen, sodass zu diesem Zeitpunkt ein "weiterer" Monat der Säumnis erst nach Ende dieses Monats beginnt. Dem Satzteil "mit denen sie länger als einen Monat säumig sind" kommt innerhalb des Gesamtsatzes jedoch nicht die Funktion zu, den Beginn der Erhebung des erhöhten Zuschlags zu bezeichnen. Vielmehr bezieht er sich auf "Beiträge und Beitragsvorschüsse", wodurch der Anwendungsbereich des Abs 1a gegenüber dem des § 24 Abs 1 SGB IV über die personelle Abgrenzung im ersten Satzteil hinaus zusätzlich in gegenständlicher Hinsicht abgegrenzt wird. Demzufolge ist § 24 Abs 1a SGB IV auf Beitragsrückstände anzuwenden, die über die Grenze von einem Monat hinausgehen; bis zu dieser Grenze verbleibt es bei der Anwendbarkeit des Abs 1. Hieran knüpft die nur der Rechtsfolgenanordnung zuzurechnende Wendung "jeden weiteren angefangenen Monat" an, die sich damit auf jeden über den ersten Monat hinausgehenden Monat bezieht.

17Eine solche am Wortlaut orientierte Auslegung des § 24 Abs 1a SGB IV entspricht auch der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG (BT-Drucks 16/3100 S 182 <zu Art 5 Nummer 1a (§ 24)>). Diese verweist auf die Aufhebung des § 191 S 1 Nr 3 SGB V (in der bis zum geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 3022), wonach "bislang die freiwillige Mitgliedschaft" endete, "wenn zweimal am Zahltag die freiwilligen Beiträge nicht entrichtet wurden". Danach knüpft der Gesetzentwurf zum erhöhten Säumniszuschlag nicht an den Eintritt der Rechtsfolge des § 191 S 1 Nr 3 SGB V - "mit Ablauf des nächsten Zahltages" nach Säumnis für zwei Monate (vgl hierzu BSGE 76, 28 = SozR 3-2500 § 191 Nr 2) - an, sondern an das Tatbestandselement der Säumnis für zwei Monate; im Kontext des § 24 Abs 1a SGB IV entspricht dies dem Verstreichenlassen auch des auf den ursprünglichen Fälligkeitstermin folgenden Zahltags, sodass der erhöhte Zuschlag schon ab Beginn des zweiten Säumnismonats zu zahlen ist.

18d) Darüber hinaus hat die Beklagte die nach § 24 Abs 1a SGB IV geforderten Säumniszuschläge - was der Kläger nicht in Zweifel zieht - auch der Höhe nach zutreffend berechnet; insbesondere hat die Beklagte jeden einzelnen Monatsbeitrag vor Berechnung der Säumniszuschläge gesondert auf durch 50 teilbare Euro-Beträge abgerundet. Dass - entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut - keine Abrundung eines jeden Beitrags auf (nur) 50 Euro zu erfolgen hat, ergibt sich schon aus der gleichlautenden Formulierung in § 24 Abs 1 S 1 SGB IV und dem diese Regelung ergänzenden § 24 Abs 1 S 2 SGB IV, wonach der Säumniszuschlag bei einem rückständigen Betrag unter 100 Euro nicht zu erheben ist, sofern er gesondert schriftlich anzufordern wäre.

193. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 24 Abs 1a SGB IV, soweit freiwillig Versicherte - wie der Kläger - einen Säumniszuschlag in Höhe von 5 vH zu zahlen haben, auch nicht gegen höherrangiges Recht; insbesondere stellt dies keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (dazu unter a) dar. Auch sonstiges Verfassungsrecht wird dadurch nicht verletzt (dazu unter b), sodass die vom Kläger begehrte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 S 1 GG nicht in Betracht kam.

20a) Dass freiwillig Versicherte gemäß § 24 Abs 1a SGB IV in der ab dem geltenden Fassung des GKV-WSG vom (BGBl I 378) einen Säumniszuschlag in Höhe von 5 vH - und damit einen höheren Säumniszuschlag als andere Zahlungspflichtige - zu zahlen haben, verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (so im Ergebnis auch SG Darmstadt Urteil vom - S 13 KR 244/09 - Juris; SG Aachen Urteil vom - S 13 KR 234/10 - Juris; kritisch Seewald in Kasseler Komm, § 24 SGB IV RdNr 9 ff, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 24 SGB IV RdNr 14, Stand Einzelkommentierung März 2007).

21Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgibt, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Es gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nicht abstrakt, sondern nur nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher bestimmbar ist. Der Gesetzgeber unterliegt insbesondere dann einer strengeren Bindung, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, die für den Einzelnen nicht verfügbar sind. Relevant für das Maß der Bindung ist zudem die Möglichkeit der Betroffenen, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen (stRspr des BVerfG, vgl zB BVerfGE 129, 49, 68 f mwN und BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 83). Maßgeblich ist, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl BVerfGE 82, 126, 146; 88, 87, 97).

22aa) Entgegen der Ansicht des Klägers scheidet ein Vergleich der von ihm repräsentierten Gruppe beitragssäumiger freiwillig gesetzlich Krankenversicherter mit säumigen Steuerpflichtigen von vorneherein aus. Auch wenn die Neufassung des § 24 Abs 1 SGB IV durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (vom , BGBl I 1229) im Wesentlichen die Regelungen des § 240 Abgabenordnung übernahm (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches über den Schutz der Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften, BT-Drucks 12/5187 S 27 f und S 30 Zu Nummer 8 <§ 24> Zu Absatz 1), sind beide Gruppen nicht vergleichbar, da die sie treffenden Zahlungspflichten anderen rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (vgl zu diesem Aspekt der Vergleichbarkeit BVerfGE 40, 121, 139 f = SozR 2400 § 44 Nr 1 S 6 f mwN; BVerwGE 124, 178, 185). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln (BVerfGE 75, 78, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 468; BAGE 87, 180, 184).

23bb) Ausgehend von den eingangs genannten Grundsätzen ist bei dem Vergleich der in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Gruppe der säumigen freiwillig Versicherten - zu der der Kläger als Zahlungspflichtiger gehörte - mit der Gruppe der säumigen Zahlungspflichtigen, die nicht in § 24 Abs 1a SGB IV genannt sind und daher nur den niedrigeren Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1 SGB IV zu zahlen haben, ein über eine reine Willkürkontrolle hinausgehender Prüfungsmaßstab anzulegen, denn die an die Art der Mitgliedschaft anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungsmerkmale sind personenbezogen (vgl auch BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 S 184). Jedoch muss im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung auch der angesichts der hohen Bedeutung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigt werden (vgl BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 84 ff mwN). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die vorliegende Schlechterstellung der vom Kläger repräsentierten Personengruppe sachlich gerechtfertigt, weil sie legitimen Zwecken dient (hierzu (1)) und zu deren Erreichung als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen werden durfte (hierzu (2)).

24(1) Die Benachteiligung von säumigen freiwillig Versicherten gegenüber den säumigen Zahlungspflichtigen, die nicht in § 24 Abs 1a SGB IV genannt sind und daher nur den niedrigeren Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1 SGB IV zu zahlen haben, dient legitimen Zwecken.

25Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV sanktioniert die verspätete Beitragszahlung, indem durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrages einerseits zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt wird (BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 4 RdNr 15; BSGE 35, 78 = SozR Nr 1 zu § 397a RVO; - ZIP 1988, 984, 985), andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den durch die Nichtzahlung eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird (BSGE 92, 150, 152 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12; BSGE 88, 146, 152 = SozR 3-2400 § 24 Nr 4 S 15). Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt (BSGE 92, 150, 152 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12). In dieser "Doppelfunktion" dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung. Hierbei handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel (vgl BVerfGE 123, 186, 264 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233 mwN).

26Diesen legitimen Zwecken dient auch die Ergänzung des § 24 SGB IV um Abs 1a mit der Anordnung erhöhter Säumniszuschläge für freiwillig Versicherte. Die Anordnung erhöhter Säumniszuschläge in § 24 Abs 1a SGB IV ist Folge der mit Einführung einer Versicherungspflicht für Personen, die keinen anderen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben, erfolgten Aufhebung des bisherigen § 191 S 1 Nr 3 SGB V durch das GKV-WSG (zur Änderung des § 191 vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 159 zu Nummer 139 <§ 191>). Nach § 191 S 1 Nr 3 SGB V in der bis zum geltenden Fassung endete die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet worden waren. Durch die Aufhebung des § 191 S 1 Nr 3 SGB V bleiben nunmehr freiwillige Mitglieder dauerhaft in der GKV versichert, ohne dass die Nichtzahlung von Beiträgen die Mitgliedschaft beendet. Da die Beiträge nur im Wege der regulären Vollstreckung beizutreiben sind, sollte zur Durchsetzung der Verpflichtung der Beitragszahlung die schuldhafte Nichtzahlung der Beiträge künftig mit einem höheren Säumniszuschlag versehen werden. Dies sei schon allein deshalb erforderlich, weil Einnahmeausfälle von der Versichertengemeinschaft auszugleichen seien. Die Sanktion durch Säumniszuschläge in der bisherigen Höhe von 1 vH wurde als nicht ausreichend betrachtet (Gesetzentwurf zum GKV-WSG, aaO, S 182 zu Art 5 Nummer 1a <§ 24>). Die Erhöhung des Säumniszuschlags für die in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Personengruppen zielt somit auf eine gegenüber § 24 Abs 1 SGB IV verstärkte Druckfunktion, um die Säumigen zur Beitragszahlung zu bewegen, und gleichzeitig auf einen gegenüber § 24 Abs 1 SGB IV höheren pauschalierten Schadensausgleich für die durch die Nichtzahlung eingetretenen Nachteile der Versichertengemeinschaft. Auch § 24 Abs 1a SGB IV dient somit den legitimen Zielen der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung.

27(2) Gegen den erhöhten Säumniszuschlag für freiwillig Versicherte kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, er sei zur Erreichung dieser Zwecke nicht geeignet, nicht erforderlich und unangemessen.

28Der Gesetzgeber durfte nach Wegfall der Beendigung der Mitgliedschaft freiwillig in der GKV Krankenversicherter wegen Säumnis im Rahmen des ihm bei der Gestaltung des Sozialrechts zukommenden Spielraums (vgl BVerfG SozR 4-2600 § 68 Nr 2 RdNr 53; BVerfGE 75, 78, 101 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 464; BVerfGE 76, 220, 241 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 14; BVerfGE 100, 1, 37 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51) für die Gruppe der freiwillig Versicherten erhöhte Säumniszuschläge als geeignet und erforderlich ansehen, um auch für diese einen ausreichenden Ausgleich des mit der Beitreibung verspäteter Beiträge verbundenen Verwaltungsaufwandes und einen hinlänglichen Druck zur pünktlichen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sicherzustellen. Eine Erhöhung des Säumniszuschlags von 1 vH auf 5 vH ist hierzu geeignet, denn der Aufwand für die Beitreibung ausstehender Beiträge wird hierdurch stärker ausgeglichen. Gleichzeitig verstärkt sich der wirtschaftliche Anreiz zur pünktlichen Zahlung. Der erhöhte Säumniszuschlag durfte auch als erforderlich angesehen werden. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass der Verwaltungsaufwand bei der Beitreibung von Beiträgen der einzelnen Selbstzahler, zu denen auch die freiwilligen Mitglieder gehören (vgl § 250 Abs 2, § 252 Abs 1 S 1 SGB V), gegenüber beitragsabführenden Stellen (zB Arbeitgebern, die von § 24 Abs 1 SGB IV erfasst werden, vgl § 249, § 252 Abs 1 S 1, § 253 SGB V, §§ 28d, 28e Abs 1 S 1 SGB IV) idR deutlich höher ist, weil der einzelne Selbstzahler gesondert in Anspruch genommen werden muss, während Arbeitgeber als Beitragsschuldner für eine idR größere Anzahl von Versicherten angegangen werden können. Gleichzeitig durfte der Gesetzgeber auch eine geringere Zahlungsmoral freiwilliger Mitglieder unterstellen, wenn in den Materialien ausgeführt wird, dass die "schuldhafte" Nichtzahlung zu sanktionieren und dafür 1 vH nicht ausreichend sei (vgl Gesetzentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 182 zu Art 5 Nummer 1a <§ 24>). Insoweit bieten die seit steigenden Beitragsrückstände freiwillig Versicherter (vgl Stellungnahme der Sachverständigen Dr. Pfeiffer in der 21. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am , Protokoll Nr 17/21 S 9; Ergebnis der Besprechung des Fachausschusses Grundsatzfragen und Gesundheitspolitik des GKV-Spitzenverbandes vom , Die Beiträge 2010, 81, 82 und 88; Greß/Walendzik/Wasem, Auswirkungen der Regelungen des GKV-WSG auf Nichtversicherung im deutschen Krankenversicherungssystem, Expertise für die Hans-Böckler-Stiftung, Oktober 2008, S 20, abrufbar unter www.boeckler.de/pdf_fof/S-2007-980-4-1.pdf, unter Hinweis auf die Pressemitteilung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen vom , abrufbar unter www.dhv-ersatzkassen.de/presse08/kk2008q02/prkk802070.html, jeweils recherchiert im August 2012) einen überzeugenden Anhalt dafür, dass die Angabe der Beklagten zutrifft, wonach die Rückstandsquote unter freiwilligen Mitgliedern zwischen 13 vH und 17 vH, dagegen im Bereich der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur bei 6 vH bis 7 vH liegt.

29Die mit der Festlegung des erhöhten Säumniszuschlags von 5 vH anstelle eines solchen von 1 vH einhergehende Benachteiligung freiwillig Versicherter gegenüber dem von § 24 Abs 1 SGB IV erfassten Personenkreis ist auch noch angemessen; die vorstehend benannten Rechtfertigungsgründe hierfür stehen noch in einem angemessenen Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung (zu diesem Maßstab vgl BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 S 184 mwN). Die Folgen eines Beitragsrückstands wurden gegenüber der zuvor bestehenden Rechtslage sogar abgeschwächt (vgl Merten, DÄ 2007, A 1280, 1281: "sanfte Sanktionen"), da nunmehr im Falle eines Beitragsrückstandes Säumniszuschläge erhoben werden, während bisher Beitragsrückstände freiwillig Versicherter deren Mitgliedschaft beendeten, wodurch auch eine freiwillige Versicherung bei einer anderen Krankenkasse ausgeschlossen war (vgl § 191 S 1 Nr 3, S 2 SGB V in der bis geltenden Fassung).

30Auch der Höhe nach bedeutet der erhöhte Säumniszuschlag ab dem zweiten Monat der Säumnis jedenfalls typischerweise keine unangemessene Mehrbelastung, wie dies die vorliegend in Streit stehenden absoluten Beträge beispielhaft zeigen. So befand sich der Kläger bei Erlass des streitigen Bescheids am mit dreieinhalb Monatsbeiträgen in einer Gesamthöhe von 685,08 Euro im Rückstand, wobei Säumnis bezüglich der Beiträge für Dezember 2006 bereits seit , also seit mehr als einem halben Jahr bestand. Aufgrund des § 24 Abs 1a SGB IV waren auf die rückständigen Beiträge für Dezember 2006 ab Säumniszuschläge von monatlich 7,50 Euro (5 vH) anstelle des zuvor monatlich angefallenen Zuschlags von 1,50 Euro (1 vH) zu zahlen. Bei zutreffender Berechnung betrügen die vom Kläger bei ausschließlicher Anwendung des § 24 Abs 1 SGB IV am insgesamt angefallenen Säumniszuschläge 36,50 Euro anstelle der von der Beklagten - ab dem in ergänzender Anwendung des § 24 Abs 1a SGB IV - geforderten 136,50 Euro, sodass die aus der Neuregelung folgende Mehrbelastung des Klägers aufgrund seiner anhaltenden Säumnis genau 100,00 Euro beträgt.

31Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass selbst bei einem monatlichen Höchstbeitrag von 592,88 Euro (3825 Euro x 15,5 %) im Jahre 2012 durch § 24 Abs 1a SGB IV der Säumniszuschlag ab dem zweiten Monat lediglich von 5,50 Euro (550 Euro x 1 %) auf 27,50 Euro (550 Euro x 5 %) steigt, woraus sich eine Mehrbelastung von 22,00 Euro für den zweiten und jeden weiteren Monat der Säumnis ergibt. Diese Mehrbelastung ist zum Erreichen einer wirksamen wirtschaftlichen Motivation zur pünktlichen Beitragsentrichtung freiwillig Versicherter hinzunehmen. Denn bei zur Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Verpflichteten werden zu einem Termin regelmäßig Beiträge für eine größere Zahl von Versicherten fällig, sodass sich die hierauf zu entrichtenden Säumniszuschläge zu wirtschaftlich bedeutenden Summen aufaddieren. Demgegenüber haben freiwillig Versicherte bei Fälligkeit stets nur einen einzelnen Beitrag zu entrichten; auch der nunmehr verfünffachte Zuschlag je Einzelbeitrag entspricht nur dem wirtschaftlichen Nachteil eines säumigen Arbeitgebers mit fünf pflichtversicherten Arbeitnehmern.

32Eine auch in absoluten Zahlen deutlich spürbare Mehrbelastung ergibt sich allerdings bei einer längeren Säumnis, insbesondere wenn diese nicht einen einzelnen, sondern mehrere Monatsbeiträge betrifft, weil zB die Beitragszahlung über einen längeren Zeitraum vollständig unterbleibt. Insoweit hat der Gesetzgeber jedoch ausreichende Vorkehrungen getroffen, um auftretende Härten zu vermeiden bzw abzumildern. So sind Säumniszuschläge auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Eine kurzfristige Säumnis zieht auch bei freiwillig Versicherten noch keinen erhöhten Säumniszuschlag nach sich. Dieser fällt erst an, wenn die geschuldete Beitragszahlung nicht innerhalb eines Monats nach Fälligkeit nachgeholt wird und die Säumnis für mehr als einen Monat fortbesteht.

33Sofern ein freiwillig Versicherter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die fälligen Beiträge aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu tragen, besteht für ihn die Möglichkeit, Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu beantragen. Bei Bedürftigkeit und Leistungsbezug nach dem SGB II wäre der Kläger im hier zu betrachtenden Säumniszeitraum (16.1. bis ) in der GKV versicherungspflichtig geworden (§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB V idF durch Gesetz vom , BGBl I 2954). Gegenwärtig würden zumindest die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 26 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II bzw § 32 Abs 1 oder 2 SGB XII übernommen.

34In Härtefällen kann darüber hinaus eine zZ niedriger verzinste (vgl § 4 der Einheitlichen Grundsätze zur Erhebung von Beiträgen, zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass sowie zum Vergleich von Beitragsansprüchen - Beitragserhebungsgrundsätze - vom , Die Beiträge 2010, 269, 271; Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zur Erhebung von Beiträgen, Stundung, Niederschlagung und Erlass von Beitragsansprüchen, Die Beiträge 2010, 568, 569) oder ausnahmsweise sogar zinslose Stundung der Beitragsforderung in Betracht kommen (§ 76 Abs 2 S 1 Nr 1, S 2 SGB IV; vgl BSG SozR 2100 § 76 Nr 1). Auch durch Erlass und Niederschlagung (vgl § 76 Abs 2 S 1 Nr 2 und Nr 3 SGB IV) der Beitragsforderung (hierzu Beitragserhebungsgrundsätze, aaO; zur vorhergehenden Übung Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 7.5.4.1, S 132/1 ff, Stand Einzelkommentierung November 2005) oder nur der Säumniszuschläge (siehe dazu die Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom , Die Beiträge 1995, 99, 106 ff; dem folgend Marburger, DÖD 2012, 8, 11 f; Schmalor, Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag, 8. Aufl 2003, S 451 ff; siehe auch Sieben, aaO, 7.5.3.3.5, S 129, Stand Einzelkommentierung November 2006) kann auf Härtefälle reagiert werden.

35Wenn der Kläger den erhöhten Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1a SGB IV gleichwohl nicht mehr für rechtmäßig hält, weil sich ein "Verzugszins von 60 % per annum" im Bereich des "strafbaren Wuchers" bewege und "sich außerhalb des sozialen Rechtsstaats stelle" (Rüge der Verletzung von Art 3 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG), verkennt er, dass es sich beim Unterlassen der Zahlung geschuldeter und fälliger Beiträge zur Krankenversicherung nicht um die Inanspruchnahme eines privaten Kredits handelt. Vielmehr kann die termingerechte Beitragsentrichtung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der GKV nicht zur Disposition des einzelnen Beitragsschuldners stehen, weshalb es wirksamer Anreize zur pünktlichen Erfüllung der öffentlich-rechtlich begründeten Beitragszahlungspflichten bedarf. Zudem verbleibt dem Versicherten selbst bei nachhaltiger Beitragsverweigerung immer noch ein - wenn auch begrenzter - Leistungsanspruch gegen seine Krankenkasse (§ 16 Abs 3a S 2 SGB V).

36cc) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt auch nicht vor, soweit der Gesetzgeber andere Gruppen von Selbstzahlern - wie Studenten, Rentenantragsteller gemäß § 189 SGB V und Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs 2 SGB V erhalten bleibt (vgl § 250 Abs 1 Nr 3 iVm § 254 SGB V, § 250 Abs 2 SGB V) - nicht der Verpflichtung zur Zahlung erhöhter Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1a SGB IV unterworfen und damit gegenüber Personen wie dem Kläger privilegiert hat. Hierbei handelt es sich um Gruppen, deren Mitglieder idR für eine begrenzte und damit kürzere Zeit Selbstzahler sind als die Mitglieder der Gruppe der freiwillig Versicherten. Darüber hinaus sind diese Personen pflichtversichert (vgl § 5 Abs 1 Nr 9, § 189 Abs 1 S 1, § 192 Abs 2 SGB V; bzgl der Rentenantragsteller siehe Peters in Kasseler Komm, § 189 SGB V RdNr 9, Stand Einzelkommentierung April 2010), worin ein aus Sicht des Gesetzgebers gegenüber freiwillig Versicherten gesteigertes Schutzbedürfnis zum Ausdruck kommt. Mit Rücksicht hierauf ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Gruppe der pflichtversicherten Selbstzahler besser zu behandeln, als die der freiwillig in der GKV Versicherten, deren Schutzbedürfnis er als so gering ansieht, dass er ihnen den Weg der Absicherung gegen Krankheitsrisiken - freiwillige Mitgliedschaft in der GKV oder Wechsel zur privaten Krankenversicherung - nach Maßgabe des § 9 Abs 1 SGB V freistellt.

37b) Die Verpflichtung freiwilliger GKV-Mitglieder wie des Klägers zur Zahlung eines erhöhten Säumniszuschlags nach § 24 Abs 1a SGB IV stellt auch keinen Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG dar. Dabei kann offenbleiben, ob der Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG vorliegend überhaupt berührt ist. Anerkannt ist dies nur für den Fall, dass der Gesetzgeber durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt (BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 7; - SozVers 2002, 243, 245), wobei auch Regelungen, die das Sozialversicherungsverhältnis, vor allem die Beiträge der Versicherten und die Leistungen näher ausgestalten, am Maßstab des Art 2 Abs 1 GG zu messen sind (BVerfGE 115, 25, 42 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 19). Jedoch ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nur in den Schranken des Art 2 Abs 1 Halbs 2 GG gewährleistet. Es ist daher nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entsprechen (vgl BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 7 mwN; - SozVers 2002, 243, 245). Dies ist hier der Fall, denn die Erhebung eines erhöhten Säumniszuschlags von 5 vH von freiwillig Versicherten ist - wie oben dargestellt - verhältnismäßig: sie dient dem legitimen gesetzgeberischen Ziel der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung und durfte zur Erreichung dieses Ziels als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen werden (siehe oben unter 3 a). Sie verletzt - entgegen der insoweit nicht näher begründeten Rüge des Klägers - auch nicht das Prinzip rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes (vgl Art 20 Abs 3 GG). Zwar begrenzen Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Verfassungsrechtlich nicht geschützt ist jedoch die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen (BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 43 mwN). Weil § 24 Abs 1a SGB IV nicht an den Zeitraum anknüpft, für den Beiträge geschuldet werden, sondern an den Sachverhalt der (fortbestehenden) Säumnis, der mit jedem weiteren Monat jeweils neu verwirklicht wird, liegt in der Anwendung dieser Norm auch auf sog Altschulden keine unzulässige echte Rückwirkung oder auch nur eine - grundsätzlich zulässige - unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung (siehe oben unter 2 a).

38c) Die Verpflichtung freiwillig Versicherter, nach § 24 Abs 1a SGB IV bei Säumnis einen erhöhten Zuschlag zu zahlen, verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht.

39Insbesondere lässt sich vorliegend aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) - entgegen der Ansicht des Klägers - auch kein Differenzierungsverbot (iVm Art 3 Abs 1 GG) herleiten (siehe auch oben unter 3 a cc). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die objektive Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt indessen vornehmlich der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl BVerfGE 110, 412, 445; BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 66-67), und führt auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig - wie auch vorliegend - nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers (vgl auch BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 45); insbesondere kann es nicht zur Korrektur jeglicher hart oder unbillig erscheinenden Folgen von gesetzlichen Regelungen dienen (BVerfGE 69, 272, 314 f = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 135 f; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 20-21; BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 66-67).

40Soweit der Kläger ohne nähere Begründung eine Verletzung von Art 3 Abs 1 iVm Art 1 GG oder von Art 19 iVm Art 1 GG rügt, ist nicht erkennbar, inwieweit § 24 Abs 1a SGB IV und die darin begründete Verpflichtung zur Zahlung erhöhter Säumniszuschläge den Schutzbereich dieser Verfassungsnormen berührt.

414. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben hat, als Säumniszuschläge auf Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung geltend gemacht wurden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:290812UB12KR311R0

Fundstelle(n):
DStR 2013 S. 1135 Nr. 22
PAAAE-28960