Vergütungsfestsetzung für den vorläufigen Insolvenzverwalter: Notwendige Anhörung des Schuldners; Beginn der Frist für die sofortige Beschwerde
Leitsatz
1. Der Schuldner muss im Verfahren der Vergütungsfestsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters angehört werden.
2. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen die Festsetzung der Vergütung beginnt regelmäßig bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung im Internet und nicht erst mit einer späteren persönlichen Zustellung, auch wenn der Schuldner zuvor nicht angehört wurde.
Gesetze: § 9 Abs 3 InsO, § 64 Abs 2 InsO
Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 19 T 266/08vorgehend AG Darmstadt Az: 9 IN 7/08
Gründe
I.
1Die Schuldnerin beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am folgenden Tag bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Nachdem die Schuldnerin ihren Eröffnungsantrag am zurückgenommen hatte, hob das Insolvenzgericht die Bestellung des weiteren Beteiligten am auf und entschied, dass die Schuldnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.
2Auf den Antrag des weiteren Beteiligten hat das Insolvenzgericht dessen Vergütung mit Beschluss vom auf 81.322,27 € und die zu erstattenden Auslagen auf 750 € festgesetzt, jeweils zuzüglich 19 vom Hundert Umsatzsteuer. Es hat dabei einen Gesamtzuschlag von 85 vom Hundert zur Regelvergütung des vorläufigen Verwalters gewährt. Der Beschluss wurde am im Internet öffentlich bekannt gemacht und der Schuldnerin am persönlich zugestellt. Am hat die Schuldnerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde erhoben mit dem Ziel, eine Herabsetzung der festgesetzten Vergütung mindestens auf die Regelvergütung zu erreichen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
3Die nach §§ 6, 7, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
4Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kommt es nicht an, weil die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts bereits unzulässig war.
51. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei der Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO, ob die Berufung zulässig war, weil es andernfalls an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Revisionsgericht fehlt (st. Rspr., vgl. IVb ZR 86/86, BGHZ 102, 37, 38; vom - VIII ZR 321/99, ZIP 2000, 2222). Entsprechendes gilt bei der Rechtsbeschwerde gemäß der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinsichtlich der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde (, WM 2004, 198; vgl. auch , WM 2009, 1582 Rn. 5 ff; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 557 Rn. 8 und § 577 Rn. 2; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 557 Rn. 15 und § 577 Rn. 3).
62. Die am beim Insolvenzgericht per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom , durch den die Vergütung des weiteren Beteiligten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter festgesetzt wurde, war verfristet. Die Notfrist von zwei Wochen, innerhalb der die sofortige Beschwerde nach § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzulegen war, begann gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 InsO zwei Tage nach der am erfolgten öffentlichen Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung im Internet, mithin mit Ablauf des , und endete am . Der Umstand, dass der Festsetzungsbeschluss der Schuldnerin nach der Bekanntmachung im Internet auch noch persönlich zugestellt wurde, hat auf den Lauf der Frist keinen Einfluss (, ZInsO 2009, 2414 Rn. 9).
7Die Anknüpfung des Fristlaufs an die öffentliche Bekanntmachung im Internet ohne Veröffentlichung der festgesetzten Beträge (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO) verletzt nicht den Anspruch der Schuldnerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4, Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. dazu , WM 2011, 2374 Rn. 16 ff). Die Schuldnerin musste mit der Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Verwalters rechnen, nachdem sie ihren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am zurückgenommen und das Insolvenzgericht mit Beschluss vom - der Schuldnerin persönlich zugestellt am - die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters aufgehoben und die Kosten des Verfahrens der Schuldnerin auferlegt hatte. Zwar hätte ihr das Insolvenzgericht vor der Festsetzung der Vergütung Gelegenheit geben müssen, zu dem Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters Stellung zu nehmen (, ZInsO 2010, 397 Rn. 5). Auch ohne Anhörung hatte die Schuldnerin aber Anlass, die Insolvenzveröffentlichungen im Internet zu verfolgen (zum Fall des angehörten Schuldners vgl. , WM 2004, 394; vom , aaO Rn. 6).
8Im Übrigen erteilte die Schuldnerin unter dem Datum des ihrem Verfahrensbevollmächtigten eine Vollmacht "in Sachen GmbH/Insolvenzverfahren wegen Beschwerde und Akteneinsicht". Dies kann nur damit erklärt werden, dass sie eine Vergütungsfestsetzung erwartete. Schließlich erlangte die Schuldnerin noch mehrere Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist tatsächliche Kenntnis von der Vergütungsfestsetzung durch die persönliche Zustellung des Festsetzungsbeschlusses. Auch deshalb war es für sie nicht unzumutbar erschwert, Rechtsschutz gegen die Vergütungsfestsetzung zu erlangen, selbst wenn die Frist für die sofortige Beschwerde, was sie in Rechnung stellen musste, bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung im Internet zu laufen begann.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2012 S. 10 Nr. 40
NJW 2012 S. 8 Nr. 39
WM 2012 S. 1876 Nr. 39
ZIP 2012 S. 1779 Nr. 36
NAAAE-16004