EStR R 6.6 (Zu § 6 EStG)

Zu § 6 EStG

R 6.6 Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung

Allgemeines

(1) 1Die Gewinnverwirklichung durch Aufdeckung stiller Reserven kann in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden. 2Voraussetzung ist, dass

  1. ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen >Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet,

  2. innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt wird, auf dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden, und

  3. das Wirtschaftsgut wegen der Abweichung von der Handelsbilanz in ein besonderes laufend zu führendes Verzeichnis aufgenommen wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Höhere Gewalt – behördlicher Eingriff

(2) 1Höhere Gewalt liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut infolge von Elementarereignissen wie z. B. Brand, Sturm oder Überschwemmung sowie durch andere unabwendbare Ereignisse wie z. B. Diebstahl oder unverschuldeten Unfall ausscheidet; eine Mithaftung auf Grund Betriebsgefahr ist unschädlich. 2Fälle eines behördlichen Eingriffs sind z. B. Maßnahmen zur Enteignung oder Inanspruchnahme für Verteidigungszwecke.

Übertragung aufgedeckter stiller Reserven

(3) 1Bei einem ausgeschiedenen Betriebsgrundstück mit aufstehendem Gebäude können beim Grund und Boden und beim Gebäude aufgedeckte stille Reserven jeweils auf neu angeschafften Grund und Boden oder auf ein neu angeschafftes oder hergestelltes Gebäude übertragen werden. 2Soweit eine Übertragung der bei dem Grund und Boden aufgedeckten stillen Reserven auf die Anschaffungskosten des erworbenen Grund und Bodens nicht möglich ist, können die stillen Reserven auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes übertragen werden. 3Entsprechendes gilt für die bei dem Gebäude aufgedeckten stillen Reserven.

Rücklage für Ersatzbeschaffung [1]

(4) 1Soweit am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist, noch keine Ersatzbeschaffung vorgenommen wurde, kann in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven eine steuerfreie Rücklage gebildet werden, wenn zu diesem Zeitpunkt eine Ersatzbeschaffung ernstlich geplant und zu erwarten ist. 2Die Nachholung der Rücklage für Ersatzbeschaffung in einem späteren Wirtschaftsjahr ist nicht zulässig. 3Eine Rücklage, die auf Grund des Ausscheidens eines beweglichen Wirtschaftsgutes gebildet wurde, ist am Schluss des ersten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn bis dahin ein Ersatzwirtschaftsgut weder angeschafft noch hergestellt worden ist. 4Die Frist von einem Jahr verlängert sich bei einer Rücklage, die auf Grund des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes i. S. d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG gebildet wurde , auf vier Jahre; bei neu hergestellten Gebäuden verlängert sich die Frist auf sechs Jahre . 5Die Frist von einem Jahr kann im Einzelfall angemessen auf bis zu vier Jahre verlängert werden, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten ist, aber aus besonderen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte. 6Eine Verlängerung auf bis zu sechs Jahre ist möglich, wenn die Ersatzbeschaffung im Zusammenhang mit der Neuherstellung eines Gebäudes i. S. d. Satzes 4 zweiter Halbsatz erfolgt. 7Zur Erfüllung der Aufzeichnungspflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG ist bei der Bildung der steuerfreien Rücklage der Ansatz in der Steuerbilanz ausreichend. 8 Im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung ist die Rücklage durch Übertragung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsgutes aufzulösen. 9 Absatz 3 gilt entsprechend.

Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG [2]

(5) 1Die vorstehenden Grundsätze gelten bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung sinngemäß. 2Ist die Entschädigungsleistung höher als der im Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht abgesetzte Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, kann der darüber hinausgehende Betrag im Wirtschaftsjahr der Ersatzbeschaffung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsgutes sofort voll abgesetzt werden. 3Fließt die Entschädigungsleistung nicht in dem Wirtschaftsjahr zu, in dem der Schaden entstanden ist, ist es aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden, wenn der Stpfl. den noch nicht abgesetzten Betrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes in dem Wirtschaftsjahr berücksichtigt, in dem die Entschädigung geleistet wird. 4Wird der Schaden nicht in dem Wirtschaftsjahr beseitigt, in dem er eingetreten ist oder in dem die Entschädigung gezahlt wird, ist es aus Billigkeitsgründen auch nicht zu beanstanden, wenn sowohl der noch nicht abgesetzte Betrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes als auch die Entschädigungsleistung erst in dem Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden, in dem der Schaden beseitigt wird. 5Voraussetzung ist, dass die Anschaffung oder Herstellung eines Ersatzwirtschaftsgutes am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Schadensfall eingetreten ist, ernstlich geplant und zu erwarten ist und das Ersatzwirtschaftsgut bei beweglichen Gegenständen bis zum Schluss des ersten, bei Wirtschaftsgütern i. S. d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG bis zum Schluss des vierten und bei neu hergestellten Gebäuden bis zum Schluss des sechsten Wirtschaftsjahres, das auf das Wirtschaftsjahr des Eintritts des Schadensfalles folgt, angeschafft oder hergestellt oder bestellt worden ist. 6Absatz 4 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen

(6) Wird der Gewinn nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG ermittelt, sind das zwangsweise Ausscheiden von Wirtschaftsgütern und die damit zusammenhängenden Entschädigungsleistungen auf Antrag nicht zu berücksichtigen, wenn eine Ersatzbeschaffung zeitnah vorgenommen wird; die Fristen in Absatz 4 Satz 3 bis 6 gelten entsprechend.

Beschädigung [3]

(7) 1Erhält der Stpfl. für ein Wirtschaftsgut, das infolge höherer Gewalt oder eines behördlichen Eingriffs beschädigt worden ist, eine Entschädigung, kann in Höhe der Entschädigung eine Rücklage gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut erst in einem späteren Wirtschaftsjahr repariert wird. 2Die Rücklage ist im Zeitpunkt der Reparatur in voller Höhe aufzulösen. 3Ist die Reparatur bei beweglichen Gegenständen am Ende des ersten und bei Wirtschaftsgütern i. S. d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG Ende des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres noch nicht durchgeführt , ist die Rücklage zu diesem Zeitpunkt aufzulösen. 4Absatz 4 Satz 5 und 7 gilt entsprechend.

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EAAAE-15625

1Die in Abs. 4 Satz 3 bis 6 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung verlängern sich jeweils um zwei Jahre, wenn sie in einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1.2023 endenden Wj. ablaufen würden (>BMF vom 20.9.2022 – BStBl I S. 1379).

2Die in Abs. 5 Satz 5 und 6 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung verlängern sich jeweils um zwei Jahre, wenn sie in einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1.2023 endenden Wj. ablaufen würden (>BMF vom 20.9.2022 – BStBl I S. 1379).

3Die in Abs. 7 Satz 3 und 4 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung verlängern sich jeweils um zwei Jahre, wenn sie in einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wj. ablaufen würden. Sie verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1.2023 endenden Wj. ablaufen würden (>BMF vom 20.9.2022 – BStBl I S. 1379).