BZSt - St II 2 – S 0700 DA/12/00001 BStBl 2012 I S. 696

Familienleistungsausgleich; Änderung der Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamBuStra) und der dazugehörigen Statistik

Hiermit gebe ich die Neufassung der Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamBuStra) und der dazugehörigen Statistik bekannt. Sie ersetzt die im BStBl 1999 I S. 2 ff. abgedruckte Fassung. Wegen des Umfangs der Überarbeitung habe ich von einer Kennzeichnung der Änderungen abgesehen.

Die geänderte DA-FamBuStra berücksichtigt die rechtlichen Änderungen bis zum . Die geänderte DA-FamBuStra ist in allen noch nicht bestandskräftig festgesetzten Kindergeldfällen anzuwenden, soweit die zeitliche Anwendbarkeit nicht, beispielsweise durch Gesetz oder innerhalb der Dienstanweisung selbst, ausdrücklich eingeschränkt wird.

Die Neufassung der DA-FamBuStra wird auch auf den Internetseiten des Bundeszentralamtes für Steuern (http://www.bzst.de) unter der Rubrik Steuern National – Kindergeld (Fachaufsicht) – Familienkassen – Dienstanweisung veröffentlicht.

Anlage Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamBuStra) und der dazugehörigen Statistik

A. Allgemeines

1Mit der durch Art. 14 des Gesetzes zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze (Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996) vom (BGBl. 1995 I S. 1959) erfolgten Änderung der Abgabenordnung (AO) durch Einfügung des Wortes „Familienkassen” in § 6 Abs. 2 und § 386 Abs. 1 Satz 2 AO wird klargestellt, dass die als Familienkassen tätig werdenden Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit und der öffentlichen Arbeitgeber (§ 72 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) Finanzbehörden i. S. d. § 6 AO sind und insoweit mit Wirkung vom dem Anwendungsbereich der AO unterliegen. 2Die Änderung des § 386 Abs. 1 Satz 2 AO bedeutet, dass die Familienkassen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach dem EStG auch für die Verfolgung und Ahndung von Steuerstraftaten i. S. d. § 370 AO und Steuerordnungswidrigkeiten i. S. d. §§ 378, 379 AO zuständig sind. 3Ferner haben die Familienkassen im Strafverfahren im Zusammenhang mit Kindergeld nach dem EStG die gleichen Rechte und Pflichten wie die Finanzämter im Steuerstrafverfahren. 4Während das Bundeskindergeldgesetz (BKGG) weiterhin nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchzuführen ist (§ 7 Abs. 1 BKGG), werden die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit als Familienkassen nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) und die Familienkassen der öffentlichen Arbeitgeber funktional als Bundesfinanzbehörden tätig und unterliegen bei der Durchführung des steuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs nach dem EStG sowie der Verfolgung von Steuerstraftaten und der Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten der Fachaufsicht des Bundeszentralamtes für Steuern.

B. Dienstanweisung FamBuStra


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Inhaltsübersicht

1
Gesetzliche Grundlagen des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts
 
1.1
Vorschriften der Abgabenordnung
 
1.2
Verwaltungsanweisungen
2
Tatbestände des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts
 
2.1
Tatbestände des Steuerstrafrechts
 
2.2
Tatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts
 
2.3
Vorsatz, Leichtfertigkeit, Schuld
 
 
2.3.1
Vorsatz
 
 
 
2.3.1.1
Begriffsdefinition
 
 
 
2.3.1.2
Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum
 
 
2.3.2
Leichtfertigkeit
 
 
 
2.3.2.1
Begriffsdefinition
 
 
 
2.3.2.2
Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz
 
 
2.3.3
Schuld
 
 
 
2.3.3.1
Begriffsdefinition
 
 
 
2.3.3.2
Abgrenzung zum Verbotsirrtum
 
2.4
Versuchte Steuerhinterziehung
 
2.5
Vollendung und Beendigung der Tat
3
Täterkreis
4
Verfolgungsverjährung
 
4.1
Straftat
 
4.2
Ordnungswidrigkeit
5
Selbstanzeige
 
5.1
Allgemeines
 
5.2
Form und Inhalt der Selbstanzeige
 
5.3
Ausschlussgründe
 
5.4
Nachentrichtung des ungerechtfertigt bezogenen Kindergeldes
 
5.5
Sachbehandlung einer Selbstanzeige in der Familienkasse – Festsetzungsstelle –
 
 
5.5.1
Mitteilung des Betroffenen
 
 
5.5.2
Mitteilung von dritter Seite
 
 
5.5.3
Sonstige Ermittlungsgründe
 
5.6
Sachbehandlung einer Selbstanzeige in der Familienkasse – BuStra-Stelle –
 
5.7
Bußgeldbefreiende Selbstanzeige
 
5.8
Absehen von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit
6
Aussetzung des Verfahrens
7
Verfahren
 
7.1
Steuerstrafverfahren
 
 
7.1.1
Sachliche und örtliche Zuständigkeit
 
 
7.1.2
Selbständiges Ermittlungsverfahren
 
 
7.1.3
Ermittlungsverfahren mit der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens
 
 
7.1.4
Allgemeines zum Ermittlungsverfahren
 
 
7.1.5
Einleitung des Ermittlungsverfahrens
 
 
7.1.6
Gang des Ermittlungsverfahrens
 
 
7.1.7
Einstellung des Ermittlungsverfahrens
 
 
 
7.1.7.1
Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
 
 
 
7.1.7.2
Einstellung nach § 398 AO und §§ 153 ff. StPO
 
 
7.1.8
Antrag auf Erlass eines Strafbefehls
 
 
7.1.9
Hinterziehungszinsen
 
 
Verfahrenshindernisse
 
7.2
Verfahren bei Steuerordnungswidrigkeiten
8
Strafzumessung
9
Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
 
9.1
Allgemeines
 
9.2
Zumessungsgrundsätze
 
 
9.2.1
Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten i. S. d. § 378 AO
 
 
9.2.2
Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten i. S. d. § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO
10
Gebühren, Vollstreckung von Bußgeldbescheiden
11
Bußgeldlisten und Überwachungslisten für das Strafverfahren/Statistik

Anhänge

Die aktualisierten Vordrucke KGStB sind im Internet abrufbar (http://www.bzst.de) unter Steuern National – Kindergeld (Fachaufsicht) – Familienkassen – Formulare.

1 Gesetzliche Grundlagen des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts
1.1 Vorschriften der Abgabenordnung

Für den Bereich des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG (steuerlicher Familienleistungsausgleich) sind insbesondere folgende Vorschriften der AO von Bedeutung:

  1. 1Strafrecht:

    2Im Übrigen gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht und das Strafverfahren, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze bzw. die Vorschriften der AO nichts anderes bestimmen (§§ 369 Abs. 2, 385 AO), namentlich Strafgesetzbuch (StGB), Jugendgerichtsgesetz (JGG), Strafprozessordnung (StPO) und Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

  2. 1Ordnungswidrigkeitenrecht:

    • § 377 AO (Steuerordnungswidrigkeiten)

    • § 378 AO (Leichtfertige Steuerverkürzung)

    • § 379 AO (Vorsätzliche oder leichtfertige Steuergefährdung)

    • § 384 AO (Verfolgungsverjährung von Steuerordnungswidrigkeiten)

    • §§ 409 bis 412 AO (Bußgeldverfahren).

    2Für Steuerordnungswidrigkeiten gelten die Vorschriften des Ersten Teiles des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), soweit die §§ 409 bis 412 AO nichts anderes bestimmen (§ 377 Abs. 2 AO). 3Im Übrigen gelten die nach § 46 Abs. 1 OWiG sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der StPO, des GVG und des JGG. 4§ 410 Abs. 1 AO bestimmt darüber hinaus eine entsprechende Anwendung der dort näher bezeichneten strafrechtlichen Sonderbestimmungen der AO.

1.2 Verwaltungsanweisungen

1Soweit die Besonderheiten des steuerlichen Familienleistungsausgleichs dem nicht entgegenstehen, haben die Familienkassen auch die im Bundessteuerblatt 2011 I S. 1000 abgedruckten „Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) 2012 [AStBV (St)]” bzw. die jeweils im Bundessteuerblatt abgedruckten Aktualisierungen sinngemäß zu beachten. 2Im Hinblick auf die den Familienkassen im Rahmen des § 386 AO zugewiesene Zuständigkeit bei Steuerstraftaten sind auch die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ergänzend heranzuziehen.

2 Tatbestände des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts
2.1 Tatbestände des Steuerstrafrechts

(1)  1Für den Familienleistungsausgleich hat in der Praxis vor allem der Straftatbestand des § 370 AO (Steuerhinterziehung) Bedeutung, der als Sonderstrafrecht dem § 263 StGB (Betrug) vorgeht. 2In dieser Strafvorschrift sind im Einkommensteuerrecht auch nur die Straftatbestände des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen) und des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Pflichtwidriges Unterlassen einer Mitteilung über steuerlich erhebliche Tatsachen) beachtlich. 3Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln (§ 15 StGB). 4Sind neben dem Täter weitere Personen an der Straftat beteiligt, ist die Strafbarkeit unter Berücksichtigung der §§ 25 ff. StGB (Täterschaft und Teilnahme) zu untersuchen.

a)  1Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt es sich um ein Begehungsdelikt, das voraussetzt, dass der Täter im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 EStG vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch nicht gerechtfertigte Steuervorteile (Kindergeld als Steuervergütung) erlangt. 2Eine Steuerverkürzung liegt auch dann vor, wenn Steuern vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). 3Dies gilt auch, wenn Angaben des Berechtigten – etwa zu den Einkünften und Bezügen des Kindes – später überprüft werden sollen. 4Auf die Dauer des nicht rechtmäßigen Belassens der Vorteile kommt es nicht an.

b)  1Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, bei dem die vorsätzliche Verletzung der Handlungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. EStG (Unterlassen der Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind) zur Folge hat, dass die Kindergeldfestsetzung unrechtmäßig bestehen bleibt. 2Unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG kann auch ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, eine Steuerhinterziehung begehen. 3Zur Abgabe von Strafverfahren gegen Heranwachsende (§ 1 Abs. 2 JGG) vgl. Nr. 154 AStBV (St). 4Eine weitere Handlungspflicht kann sich aus § 153 AO (Berichtigungspflicht bei versehentlich falschen Angaben) ergeben.

(2)  1Der Versuch der Steuerhinterziehung ist strafbar (§§ 369 Abs. 2, 370 Abs. 2 AO i. V. m. § 23 Abs. 1 StGB). 2Ein strafbefreiender Rücktritt ist unter den Voraussetzungen des § 24 StGB möglich. 3In der Regel wird der Täter in diesen Fällen jedoch schon nach § 371 AO (Selbstanzeige) straffrei bleiben.

(3)  1Die Steuerhinterziehung ist nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch dann verwirklicht, wenn die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können oder der Steuervorteil aus anderen Gründen zugestanden hätte. 2Ob und in welchem Umfang ein Nachteil entstanden ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen der Steuer, die aufgrund der unwahren Angaben festgesetzt wurde, und der Steuer, die zu erheben gewesen wäre, wenn anstelle der unrichtigen die der Wahrheit entsprechenden Tatsachen zugrunde gelegt worden wären.

Beispiel:

Hat ein Kindergeldberechtigter für ein Kind, für das ihm Kindergeld zustünde, keinen Antrag gestellt, so kann er nicht geltend machen, dass das für ein anderes Kind zu Unrecht gezahlte Kindergeld hierdurch ausgeglichen werde.

3Stellt sich dagegen heraus, dass ein Kind, das die Lehre abgebrochen hat, ohne dass dies der Familienkasse mitgeteilt wurde, unmittelbar anschließend ein Studium aufgenommen hat oder aus anderen Gründen weiter zu berücksichtigen wäre, so liegt keine Steuerhinterziehung vor.

(4)  1§ 371 Abs. 1 AO bietet dem Steuerstraftäter die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige, der in den Fällen des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde (Familienkasse) berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, vgl. Nr. 132, 11, 77 Nr. 3 AStBV (St). 2Die strafbefreiende Wirkung erstreckt sich jedoch nur auf Steuerstraftaten. 3Zur Selbstanzeige bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vgl. DA 5.

(5)  1Nach § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO begeht eine Steuerstraftat, wer eine Person begünstigt, die eine andere Steuerstraftat begangen hat, also wer ihr Hilfe leistet, um ihr die Vorteile der Tat zu sichern (vgl. § 257 Abs. 1 StGB). 2Von der Beihilfe unterscheidet sich die Begünstigung darin, dass die Hilfe erst nach der Tat geleistet wird.

Beispiele für Begünstigungen:

1. Nachdem die Familienkasse aufgrund falscher Angaben zu den Werbungskosten in der getroffenen Prognose hinsichtlich der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu Beginn des Jahres Kindergeld festgesetzt und ausgezahlt hat, verlangt sie im Rahmen der abschließenden Prüfung Nachweise. Ein befreundeter Buchhändler stellt – obwohl keine Fachliteratur erworben wurde – Belege über den Erwerb von Fachliteratur aus, damit aufgrund der Höhe der Werbungskosten die Grenze der Einkünfte und Bezüge des Kindes (bis 2009: 7 680 €, ab 2010: 8 004 €) nicht überschritten wird.

2. Bei der Durchsicht der Akten erkennt ein Sachbearbeiter bei der abschließenden Prüfung, dass gefälschte Belege vorgelegt worden sind, und verwertet dies begünstigend, weil er mit dem Berechtigten befreundet ist.

2.2 Tatbestände des Steuerordnungswidrigkeitenrechts

(1)  1Im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld als Steuervergütung ist der Bußgeldtatbestand des § 378 AO (Leichtfertige Steuerverkürzung) relevant. 2Der objektive Tatbestand des § 378 AO entspricht hinsichtlich Tathandlung und Erfolg dem des § 370 AO (Steuerhinterziehung). 3Die Vorschriften unterscheiden sich in erster Linie im subjektiven Tatbestand. 4Während der Tatbestand der Steuerhinterziehung Vorsatz voraussetzt, genügt für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 378 AO Leichtfertigkeit. 5Zum Begriff der Leichtfertigkeit siehe DA 2.3.2.

(2)  1Wird vorsätzliches Handeln festgestellt, kann der Gesetzesverstoß (zunächst) nicht unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit, sondern grundsätzlich nur als Straftat verfolgt werden. 2Zur Verfolgung der Tat als Ordnungswidrigkeit nach Abschluss eines zunächst eingeleiteten Strafverfahrens vgl. DA 7.1.7.1.

(3)  1Im Bereich des Familienleistungsausgleichs kann ferner eine Anwendung der Vorschrift des § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO (Vorsätzliche oder leichtfertige Steuergefährdung durch Ausstellen unrichtiger Belege) in Betracht kommen. 2Damit wird bereits die Vorbereitungshandlung zur Steuerhinterziehung nach § 370 AO bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO mit Geldbuße bedroht. 3Die nur subsidiäre Anwendung dieser Vorschrift im Verhältnis zu § 378 AO (§ 379 Abs. 4 2. Halbsatz AO) hat im Zusammenhang mit dem Kindergeld keine Bedeutung, weil als Normadressat nicht der Kindergeldberechtigte, sondern nur der Aussteller von Bescheinigungen (z. B. Verdienst-, Lebens-, Haushalts- oder Studienbescheinigung) in Betracht kommt. 4Allerdings wird bei einvernehmlichem Handeln von Antragsteller bzw. Kindergeldberechtigtem und Aussteller einer Bescheinigung zu prüfen sein, ob auch der Aussteller wegen Beihilfe oder Anstiftung in die Strafverfolgung einzubeziehen ist (§§ 25 bis 29 StGB). 5Ausgestellt ist eine Bescheinigung, wenn sie durch den Aussteller oder mit dessen Einwilligung in den Verfügungsbereich der Familienkasse gelangt; maßgeblich ist hier der amtliche Eingangsstempel.

(4)  1Anders als nach § 378 AO werden Tathandlungen i. S. d. § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht nur im Falle der Leichtfertigkeit, sondern auch bei vorsätzlichem Handeln als Ordnungswidrigkeiten bewertet. 2Der Versuch einer Steuergefährdung kann nicht geahndet werden, vgl. § 13 Abs. 2 OWiG.

(5)  1§ 379 AO sieht im Gegensatz zu § 378 Abs. 3 AO eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nicht vor. 2Im Falle einer späteren Berichtigung der ursprünglich unrichtigen Bescheinigung über den Arbeitslohn bzw. die Ausbildungsvergütung oder unrichtigen Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte wird es jedoch in aller Regel geboten sein, im Rahmen von Opportunitätserwägungen (§ 47 Abs. 1 OWiG) von der Verfolgung einer an sich vorliegenden Ordnungswidrigkeit abzusehen.

2.3 Vorsatz, Leichtfertigkeit, Schuld
2.3.1 Vorsatz

2.3.1.1 Begriffsdefinition

(1)  1Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er weiß, dass er durch sein Verhalten sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 370 AO verwirklicht, und er dies will. 2Der Vorsatz muss damit auch auf die Verletzung steuerlicher Mitteilungspflichten, den ursächlichen Zusammenhang und den Eintritt des strafrechtlich missbilligten Erfolges (Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile) gerichtet sein.

(2)  1Vorsätzlich handelt nicht nur, wer die Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges direkt erstrebt (direkter Vorsatz), oder wer weiß oder als sicher voraussieht, dass er den Tatbestand verwirklicht, sondern auch derjenige, der die Verwirklichung des Tatbestandes nur für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). 2Bei den Steuerstraftaten des § 370 AO genügt bedingter Vorsatz.

Beispiel für bedingten Vorsatz:

Einem Berechtigten, der nicht mitteilt, dass sein Kind das Studium abgebrochen und eine Arbeit aufgenommen hat, kann unterstellt werden, dass er wegen der Hinweise auf Antrag, Bescheid und im Merkblatt weiß, dass eine Mitteilungspflicht besteht; kommt er ihr nicht nach, so nimmt er zumindest billigend in Kauf, dass er einen ungerechtfertigten Steuervorteil erhält. Daher kann i. d. R. vorsätzliches Handeln unterstellt werden. Durch die Hinweise auf das Kindergeld auf Kontoauszug oder Gehaltsmitteilung werden ihm diese Umstände jeweils wieder ins Bewusstsein gebracht.

2.3.1.2 Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum

(1)  1Nicht vorsätzlich handelt, wer tatsächliche Umstände, die den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO oder einer ausfüllenden steuerlichen Vorschrift (z. B. § 90 Abs. 1 AO oder § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG) begründen, nicht kennt (Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB). 2Weiß z. B. der Kindergeldberechtigte/-empfänger eines über 18 Jahre alten Kindes in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG nicht, dass dieses erhebliche Einkünfte und Bezüge i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hat, kann er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. 3Auch wer nicht weiß, dass ihm Mitwirkungspflichten auferlegt sind, handelt nicht vorsätzlich. 4Da die Kindergeldberechtigten aber regelmäßig auf die sich aus § 68 EStG ergebenden Pflichten hingewiesen werden, ist ein entsprechendes Vorbringen i. d. R. als Schutzbehauptung zu werten.

(2) Erfährt der Kindergeldberechtigte den erheblichen Sachverhalt später und erkennt er erst jetzt die Unrichtigkeit seiner ursprünglichen Angaben, macht er sich ab diesem Zeitpunkt wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung strafbar, wenn er die nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO erforderliche Berichtigung unterlässt.

2.3.2 Leichtfertigkeit

2.3.2.1 Begriffsdefinition

(1)  1Nicht jede pflichtwidrige Handlung bzw. Unterlassung begründet den Vorwurf der Leichtfertigkeit. 2Der Begriff der Leichtfertigkeit entspricht in etwa dem der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht, d. h. einem Handeln, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. 3Zu einem außergewöhnlichen Maß an Pflichtwidrigkeit muss sich die Verwirklichung des Tatbestands aufdrängen. 4Der für die Verwirklichung des Tatbestands nachzuweisende Vorwurf der Leichtfertigkeit erfordert gründliche Feststellungen zur Verletzung der Sorgfaltspflicht und gebietet daher auch die Aufklärung möglicher entlastender Umstände, soweit sie für die Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung bedeutsam sind (§ 160 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG). 5Jedenfalls wäre es rechtswidrig, von vornherein Leichtfertigkeit zu unterstellen.

(2)  1Da der objektive Tatbestand in § 378 AO mit dem in § 370 AO übereinstimmt, ist § 378 AO häufig dann anzuwenden, wenn zwar der Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht, der für die Verwirklichung des Straftatbestandes erforderliche Vorsatz (§ 15 StGB) aber nicht nachgewiesen werden kann, und die Voraussetzungen für Leichtfertigkeit vorliegen. 2Der Tatbestand des § 378 AO wird daher in der Praxis häufig als Auffangtatbestand in Erscheinung treten, und zwar immer dann, wenn die Durchführung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO letztlich daran scheitert, dass Vorsatz bei Beachtung strafrechtlicher Beweisgrundsätze nicht nachgewiesen werden kann. 3Zu Gunsten des Betroffenen ist nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten” zu entscheiden. 4Das Gleiche gilt, wenn eine Aufklärung aussichtslos erscheint oder mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. 5Die Ahndung als Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Begehung darf jedoch nicht automatisch Folge des nicht beweisbaren Vorsatzes sein, sondern bedarf einer eigenständigen Feststellung.

2.3.2.2 Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz

(1)  1Von wesentlicher Bedeutung für die richtige Rechtsanwendung ist die Unterscheidung zwischen einfacher Fahrlässigkeit (weder Straftat noch Ordnungswidrigkeit) und Leichtfertigkeit (Ordnungswidrigkeit) sowie zwischen Leichtfertigkeit (Ordnungswidrigkeit) und bedingtem Vorsatz (Straftat). 2Für die richtige Einordnung kommt es darauf an, neben dem objektiven Verstoß gegen Sorgfaltspflichten (gemessen an der für den durchschnittlichen Kindergeldempfänger vorhersehbaren Verwirklichung des Tatbestands) die individuelle Vorwerfbarkeit (d. h. die Bewertung des Verhaltens des Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles) nachzuweisen.

(2)  1Der Berechtigte ist verpflichtet, auch schwierige Formulare und Erläuterungen gewissenhaft zu lesen. 2Er ist außerdem bei Unsicherheit verpflichtet, sich zu erkundigen. 3Der Einwand des Kindergeldberechtigten, er habe von seiner Mitwirkungspflicht nicht gewusst oder den Umfang verkannt, entlastet ihn somit nicht von dem Vorwurf der Leichtfertigkeit. 4Von einer zumindest leichtfertigen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 68 EStG ist auszugehen, wenn dem Berechtigten ohne jede weitere Überlegung klar sein musste, dass eine mitzuteilende Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist. 5Je öfter der Berechtigte auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen wird – etwa durch die Abfrage der Einkünfte und Bezüge des Kindes –, desto weniger Überlegungen sind nötig, um zu erkennen, dass eine mitteilungspflichtige Tatsache vorliegt.

2.3.3 Schuld

2.3.3.1 Begriffsdefinition

1Schuld ist die Vorwerfbarkeit der rechtswidrigen Tat. 2Sie setzt die Fähigkeit des Täters voraus, das Unrecht der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln (§ 20 StGB), sowie seine Schuldfähigkeit (§ 19 StGB).

2.3.3.2 Abgrenzung zum Verbotsirrtum

1Weiß der Täter, dass sein Verhalten den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO erfüllt, hält er es aber irrtümlich für erlaubt, liegt ein Verbotsirrtum (Irrtum über die Rechtswidrigkeit) vor. 2Gleiches gilt für den Fall, dass der Täter die Pflicht nicht kannte, gegen die er verstoßen hat, also hier § 68 EStG. 3Der Verbotsirrtum lässt den Vorsatz unberührt, aber u. U. den Schuldvorwurf entfallen. 4Das ist der Fall, wenn der Irrtum nicht vermieden werden konnte (§ 17 Satz 1 StGB). 5Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums ist anhand der Umstände des Einzelfalles nach der Einsichtsfähigkeit des Täters bei der erforderlichen Anspannung seines Gewissens zu beurteilen. 6An die Erkundigungspflicht des Täters sind hohe Anforderungen zu stellen. 7Regelmäßig wird der Verbotsirrtum im Bereich des § 370 AO vermeidbar und § 17 Satz 2 StGB (mögliche Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB) zu beachten sein.

2.4 Versuchte Steuerhinterziehung

(1)  1Wenn der Täter den Steuervorteil für sich oder einen anderen nicht erlangt hat, kommt nur der Tatbestand der versuchten Steuerhinterziehung in Betracht (§ 23 Abs. 1 StGB, § 370 Abs. 2 AO). 2Hierfür ist nach § 22 StGB erforderlich, dass

  • der Täter die Tat vollenden will (= Vorsatz; bedingter Vorsatz genügt) und

  • er dementsprechend mit der Tatausführung begonnen hat.

3Letzteres ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht ist. 4Davor ist für die Abgrenzung von strafbarem Versuch und strafloser Vorbereitungshandlung darauf abzustellen, ob das Verhalten des Täters so weit fortgeschritten ist, dass das Rechtsgut – der staatliche Steueranspruch – unmittelbar gefährdet erscheint.

Beispiel für eine versuchte Steuerhinterziehung:

Ein Antragsteller legt neben seinem Antrag für ein über 18 Jahre altes Kind eine Studienbescheinigung vor, die so plump gefälscht ist, dass der Sachbearbeiter sie zurückweist.

5Der Versuch ist auch bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich. 6Unabhängig von der konkreten Gefährdung des Rechtsguts ist der Versuch auch dann strafbar, wenn lediglich nach der Vorstellung des Täters eine Rechtsgutsverletzung drohte (§ 23 Abs. 3 StGB).

(2)  1Die versuchte Tat wird nicht bestraft, wenn die Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB (Strafaufhebungsgrund) vorliegen. 2Danach muss der Täter entweder die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben (bei nicht beendetem Versuch) oder die Vollendung der Tat durch eigene Tätigkeit verhindert haben (bei beendetem Versuch). 3Für die Unterscheidung kommt es darauf an, ob der Täter seiner Meinung nach alles das getan hat, was seinerseits zur Vollendung der Tat erforderlich ist. 4Die Rücktrittsmöglichkeiten des § 24 StGB werden durch § 371 AO erweitert, so dass diese Norm vorrangig zu prüfen ist.

(3) Gelangt die Tat zur Vollendung, tritt Straflosigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 371 AO durch Selbstanzeige vor Entdeckung der Tat oder nach Entdeckung in der Zeit nicht zurechenbarer Unkenntnis des Täters von der Entdeckung der Tat ein, vgl. DA 5.

2.5 Vollendung und Beendigung der Tat

1Die Unterscheidung von Vollendung und Beendigung hat u. a. Konsequenzen für die Frage der Teilnahme an einer fremden Tat. 2So ist bis zur Beendigung noch eine Teilnahme (z. B. Beihilfe zur Steuerhinterziehung) möglich. 3Eine vorsätzlich begangene Tat ist vollendet, wenn der Täter alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat, z. B. einen fehlerhaften Antrag gestellt hat, und nach seiner Vorstellung keine weiteren Handlungen zur Sicherung des Erfolges notwendig sind. 4Tatbeendigung tritt so lange nicht ein, als zu Unrecht die Wirkung der Kindergeldfestsetzung fortbesteht, § 370 Abs. 4 Satz 2 AO. 5Nach § 78a Satz 2 StGB beginnt die Verjährungsfrist erst zu laufen, wenn der Taterfolg vollständig eingetreten ist. 6Für den Familienleistungsausgleich bedeutet dies, dass erst nach der letzten Auszahlung aufgrund einer auf einer strafbaren Handlung beruhenden Festsetzung die Tat beendet ist und die Verjährung beginnt.

3 Täterkreis

Normadressaten der Straf- bzw. Bußgeldandrohungen können insbesondere folgende Personenkreise sein:

  • Kindergeldberechtigter bzw. Empfänger von Kindergeld nach dem EStG;

  • Volljährige Kinder (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG);

  • Arbeitgeber, ggf. die für diese verantwortlich handelnden Personen (§§ 34, 35 AO);

  • Bevollmächtigte und Beistände im Sinne von § 80 AO;

  • Aussteller sonstiger relevanter Bescheinigungen (z. B. Lebens-, Haushalts- und Studienbescheinigungen).

4 Verfolgungsverjährung
4.1 Straftat

1Steuerstraftaten verjähren fünf Jahre nach ihrer Beendigung (§§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 78a StGB i. V. m. § 369 Abs. 2 AO). 2Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist, vgl. DA 2.5 Satz 6. 3Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 78a StGB). 4Bei konkludenter Bekanntgabe [1] der Festsetzung beginnt die Verjährung demnach mit der letzten Auszahlung des Kindergeldes. 5Danach können auch Taten verfolgt werden, die weit mehr als fünf Jahre zurückliegen. 6Bei Erteilung eines Bescheides beginnt die Verjährung mit dessen Bekanntgabe. 7Für die Verfolgungsverjährung gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 78 bis 78c StGB. 8Der in § 78c StGB abschließend aufgestellte Katalog der Unterbrechungshandlungen wird für den Bereich des Steuerrechts durch den Sondertatbestand des § 376 AO ergänzt.

4.2 Ordnungswidrigkeit

1Die Verfolgungsverjährung im Ordnungswidrigkeitenrecht ist in den §§ 31 bis 33 OWiG geregelt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 31 Abs. 2 OWiG). 2Eine solche abweichende gesetzliche Bestimmung enthält § 384 AO, der für die im Bereich des Familienleistungsausgleichs relevanten Ordnungswidrigkeiten generell eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht. 3Für die Berechnung gilt das oben Gesagte.

5 Selbstanzeige
5.1 Allgemeines

(1)  1§ 371 Abs. 1 AO bietet dem Steuerstraftäter die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige. 2Wer in den Fällen des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde (Familienkasse) in vollem Umfang berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei. 3Die Straffreiheit tritt nicht ein, wenn Ausschlussgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO vorliegen, vgl. DA 5.3. 4Des Weiteren tritt die Straffreiheit nur ein, soweit die hinterzogenen Steuern innerhalb der dem Steuerstraftäter gesetzten Nachentrichtungsfrist gezahlt werden, vgl. Nr. 132, 11, 77 Nr. 3 AStBV (St). 5Für Steuerordnungswidrigkeiten enthält § 378 Abs. 3 AO eigene Regelungen. 7Zur Selbstanzeige bei Ordnungswidrigkeiten vgl. DA 5.7.

(2)  1Die Straffreiheit bezieht sich nur auf steuerstrafrechtliche Taten. 2Liegen zugleich allgemeine Straftaten (z. B. Urkundenfälschung, im Bereich des öffentlichen Dienstes: Betrug zu Lasten des Dienstherrn durch den unrechtmäßigen Bezug des Familien- bzw. Ortszuschlages) vor, so ist die Sache trotz einer Selbstanzeige an die Staatsanwaltschaft abzugeben, vgl. DA 7.1.2.

5.2 Form und Inhalt der Selbstanzeige

1Die Selbstanzeige muss die Berichtigung unrichtiger, die Ergänzung fehlender oder die Nachholung unterlassener Angaben in vollem Umfang enthalten, so dass die Festsetzungsstelle der Familienkasse oder die Buß- und Strafsachenstelle der Familienkasse (BuStra) ohne langwierige eigene Nachforschungen zutreffende Anhaltspunkte über Grund und Ausmaß der vorangegangenen oder beabsichtigten nicht gerechtfertigten Erlangung von Steuervorteilen (Kindergeldüberzahlung) erhält. 2Die Selbstanzeige muss nicht als solche bezeichnet sein, auch muss sich der Täter nicht einer Straftat bezichtigen, es genügt, wenn er seine Angaben berichtigt bzw. vervollständigt. 3Seine Motive sind nicht beachtlich, er muss nicht freiwillig handeln. 4Auch hinsichtlich der Frage, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige vorliegt, gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten”. 5Wenn der Berechtigte selbst in irgendeiner Form Anlass gegeben hat, an seiner Berechtigung zu zweifeln, ist dies – soweit erforderlich, auch durch eine Klarstellung des Berechtigten – als Selbstanzeige zu werten. 6Der Täter muss die Berichtigung selbst vorgenommen oder zumindest veranlasst haben. 7Eine Form ist für die Berichtigung nicht vorgeschrieben, jedoch reicht die einfache Nachzahlung nicht. 8Die Selbstanzeige ist gegenüber einer Finanzbehörde i. S. d. § 6 Abs. 2 AO zu erstatten. 9Sie ist auch dann noch anzuerkennen, wenn eine unzuständige Stelle sie der zuständigen Finanzbehörde übermittelt, bevor ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO eingreift, vgl. DA 5.3.

5.3 Ausschlussgründe

(1) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn einer der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO vorliegt.

(2)  1Die Selbstanzeige ist u. a. nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht mehr möglich, wenn dem Betroffenen oder einem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen dieser Tat bekannt gegeben worden ist. 2Aus der Bekanntgabe muss hervorgehen, dass die Behörde einen konkreten Verdacht hinsichtlich der Tat, wegen der Selbstanzeige erstattet wird, hat und dass deshalb ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist. 3Anfragen zur Aufklärung des Sachverhaltes genügen nicht. 4Zu Vorermittlungen vgl. Nr. 13 AStBV (St). 5Die Tat muss genau bezeichnet sein. 6Eine Form ist für die Bekanntgabe nicht vorgeschrieben, allerdings muss sie amtlich erfolgen und im Zweifelsfall gerichtlich nachweisbar sein. 7Interne Maßnahmen der Familienkasse einschließlich der die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens anordnenden Aktenverfügung schließen eine wirksame Selbstanzeige noch nicht aus. 8Es kann sachdienlich sein zu veranlassen, dass dem Beschuldigten bereits im Zusammenhang mit der Anhörung gem. § 91 AO die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wird.

(3)  1Eine Entdeckung der Tat im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO liegt noch nicht vor, wenn ein Tatverdacht vorliegt, vielmehr muss der Entdecker zumindest einen Teil des wirklichen Tatgeschehens oder der Tatfolgen selbst unmittelbar wahrgenommen haben. 2Mitteilungen Dritter genügen nicht. 3Es muss so viel entdeckt sein – einschließlich der subjektiven Merkmale –, dass die zuständige Behörde die Strafverfolgung in Gang setzen kann. 4Es müssen also auch Kenntnisse vorliegen, die auf einen Vorsatz des Täters zur Steuerhinterziehung schließen lassen. 5Reichen die Umstände nur für einen Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO, so ist die strafbefreiende Selbstanzeige noch möglich, weil damit eine Straftat noch nicht entdeckt ist. 6Das Rechnenmüssen i. S. d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO stellt eine widerlegbare Beweisregel zuungunsten des Täters auf. 7Wenn Umstände bestehen, aus denen sich dem Täter die Überzeugung aufdrängen musste, dass seine Straftat entdeckt ist, muss er anderweitige Umstände dartun, weshalb er gleichwohl nicht damit rechnete. 8Maßgeblich sind die konkrete Person und die Situation, in der sich der Täter befunden hat. 9Nimmt der Täter irrtümlich an, er sei entdeckt, so nimmt das seiner Selbstanzeige nicht die strafbefreiende Wirkung.

(4) Übersteigt der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil (Kindergeld als Steuervergütung – 2.1) einen Betrag von 50 000 € je Tat, gibt es keine Strafbefreiung mehr (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Von der Strafverfolgung wird aber abgesehen, wenn der Täter zusätzlich zur Nachentrichtung der Steuern einen Geldbetrag in Höhe von fünf Prozent des Hinterziehungsbetrages an die Staatskasse zahlt (§ 398a AO).

5.4 Nachentrichtung des ungerechtfertigt bezogenen Kindergeldes

(1)  1Die straf- und bußgeldbefreiende Wirkung der Selbstanzeige hängt stets davon ab, dass der Betroffene die ungerechtfertigt erlangten Beträge innerhalb einer bestimmten Frist zurückzahlt (§ 371 Abs. 3 bzw. § 378 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 371 Abs. 3 AO). 2Bei dieser Frist handelt es sich um eine strafrechtliche Frist, die zu steuerlichen Zahlungsfristen nicht in notwendiger Abhängigkeit steht. 3Im Hinblick auf den Zweck einer möglichst zeitnahen Wiedergutmachung des angerichteten Vermögensschadens muss die Frist für die Erstattung des zu Unrecht erlangten Kindergeldes – grundsätzlich in einem Betrag – relativ kurz gesetzt werden. 4Die Frist muss allerdings so bemessen sein, dass eine Begleichung des zu erstattenden Betrages nicht von vornherein außerhalb der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen liegt. 5In der Regel ist die Aufnahme eines Kredites zur Tilgung des geschuldeten Betrages zumutbar.

(2)  1Eine Belehrung über die strafrechtlichen Folgen einer Fristversäumung muss die Fristsetzung nicht enthalten, sie ist jedoch üblich und angebracht. 2Versäumt der Täter die Frist, so verwirkt er mit Fristablauf die Möglichkeit auf Straffreiheit; auf sein Verschulden kommt es dabei nicht an. 3Die Frist kann aber auch nachträglich verlängert werden. 4Die Fristsetzung ist ein anfechtbarer Bescheid; der Anfechtung kommt jedoch keine aufschiebende Wirkung zu. 5Es ist der ordentliche Rechtsweg (also zu den Straf-, nicht zu den Finanzgerichten) gegeben.

(3)  1Für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ist die Art der Nachentrichtung unerheblich. 2Die Finanzbehörde hat zur Tilgung der festgesetzten Schuld innerhalb der gesetzten strafrechtlichen Frist – aber nicht vor Ablauf der steuerlichen Zahlungsfrist – stets von der Möglichkeit der Aufrechnung Gebrauch zu machen (vgl. DA-FamEStG 75.1 Abs. 2 Satz 2); die Aufrechnung kann auch durch den Betroffenen erklärt werden. 3Wer die Schuld tilgt, spielt keine Rolle.

5.5 Sachbehandlung einer Selbstanzeige in der Familienkasse – Festsetzungsstelle –

(1)  1Neben verspäteten Änderungsmitteilungen können auch Mitteilungen, die eine Person im Rahmen einer Anhörung (außerhalb des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Straf- und Bußgeldverfahrens) macht, als Selbstanzeige anzusehen sein. 2Erhält die Familienkasse von dritter Seite oder auf anderem Wege Hinweise, die die Annahme einer unberechtigten Kindergeldfestsetzung/-zahlung rechtfertigen, ist zu unterscheiden, ob zur Sachverhaltsaufklärung noch Ermittlungen beim Betroffenen erforderlich sind. 3Sind noch Ermittlungen zur Sachverhaltserklärung erforderlich, können Äußerungen des Betroffenen im Rahmen der Anhörung nach § 91 AO als Selbstanzeige gewertet werden. 4Die im Rahmen einer Überprüfung des Anspruchs durch die Familienkasse von einem Berechtigten getätigte Äußerung zum Sachverhalt kann als Selbstanzeige anzusehen sein. 5Teilt z. B. ein Berechtigter im Rahmen einer Überprüfung des Anspruchs durch die Familienkasse zum Ende der Ausbildung mit, dass das Kind die Ausbildung bereits ein Jahr zuvor abgebrochen hat, kann dies als Selbstanzeige gewertet werden.

(2) Für die Behandlung von Selbstanzeigen sind daher die Fallgestaltungen „Mitteilung des Betroffenen”, „Mitteilung von dritter Seite” und „Sonstige Ermittlungsgründe” zu unterscheiden, vgl. DA 5.5.1, 5.5.2 und 5.5.3.

5.5.1 Mitteilung des Betroffenen

(1)  1Geht bei einer Familienkasse eine verspätete Änderungsmitteilung ein, so fordert sie das überzahlte Kindergeld unverzüglich unter Setzung einer Frist von maximal vier Wochen zurück. 2Auf DA 5.4 Abs. 3 wird verwiesen.

(2)  1Ist der objektive Tatbestand einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit gegeben, so hat die Familienkasse den Berechtigten anzuschreiben und auf die strafrechtlichen Konsequenzen einer schuldhaften Verspätung und auf die Voraussetzungen der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige bei Zahlung innerhalb der in Abs. 1 genannten Frist hinzuweisen (vgl. Vordruck KGStB 1). 2Bei fristgemäßem Zahlungseingang ist der Fall als wirksame Selbstanzeige abzuschließen und nicht an die BuStra-Stelle abzugeben. 3Bei nicht fristgerechter Zahlung ist der Fall an die BuStra-Stelle abzugeben. 4Die Bundesagentur für Arbeit kann in ihrem Zuständigkeitsbereich die Bearbeitung von Selbstanzeigen auf die BuStra-Stellen übertragen.

(3)  1Wird gegen den Rückforderungsbescheid Einspruch bzw. Klage erhoben, ist die BuStra-Stelle hiervon unverzüglich zu unterrichten. 2Gleiches gilt, wenn nach Abgabe an die BuStra-Stelle Zahlungen des Täters erfolgen.

5.5.2 Mitteilung von dritter Seite

(1)  1Geben Mitteilungen von Seiten Dritter Anlass, das Vorliegen einer Straftat in Betracht zu ziehen, so hängt es von der Stärke des Verdachts ab, ob die Familienkasse zunächst beim Berechtigten nachfragt und ihm so Gelegenheit gibt, noch eine Selbstanzeige mit straf- bzw. bußgeldbefreiender Wirkung zu erstatten, oder die Sache an die BuStra-Stelle abgibt. 2Daher ist zu prüfen,

  • ob die vorliegenden Erkenntnisse auf zuverlässigen Quellen basieren,

  • ob die äußeren Umstände erfahrungsgemäß den Schluss zulassen, dass zu Unrecht Kindergeld gezahlt worden ist.

(2)  1Ergibt die Prüfung, dass der objektive Tatbestand einer Steuerstraftat nach § 370 Abs. 1 AO erfüllt und der Sachverhalt für die Rückforderung des Kindergeldes hinreichend bekannt ist, gibt die Familienkasse den Fall an die BuStra-Stelle zur Prüfung der Einleitung des Strafverfahrens ab, vgl. DA 7.1.5. 2Ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach DA 5.3 ist eine Selbstanzeige nicht mehr möglich. 3Äußerungen des Kindergeldberechtigten in der nach diesem Zeitpunkt von der Familienkasse vor dem Erlass des Aufhebungsbescheids durchzuführenden Anhörung nach § 91 AO können nicht mehr als Selbstanzeige gewertet werden. 4Die Familienkasse hebt die Kindergeldfestsetzung auf und fordert das überzahlte Kindergeld unverzüglich unter Setzung einer Frist von maximal vier Wochen zurück. 5Von der Möglichkeit der Aufrechnung nach § 75 EStG ist gem. DA 5.4 Abs. 3 stets Gebrauch zu machen. Die BuStra-Stelle ist über alle zwischenzeitlichen Vorgänge in der Familienkasse zu informieren.

(3)  1Ist der Sachverhalt aufgrund der Mitteilung von dritter Seite noch nicht hinreichend bekannt, ist der Berechtigte zu einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer zu setzenden Frist (i. d. R. drei bis vier Wochen) aufzufordern. 2Die Stellungnahme des Berechtigten kann als Selbstanzeige gewertet werden, wenn durch die Stellungnahme der Sachverhalt vollständig aufgeklärt wird, ohne dass weitere Nachfragen erforderlich sind.

a) Ergibt die Sachverhaltsermittlung, dass kein Kindergeld ungerechtfertigt bezogen wurde, ist nichts weiter zu veranlassen.

b)  1Ergibt die Sachverhaltsermittlung hingegen, dass Kindergeld nicht gerechtfertigt bezogen wurde, fordert die Familienkasse das überzahlte Kindergeld unverzüglich zurück. 2Sofern die Stellungnahme des Berechtigten als Selbstanzeige zu werten ist, ist gemäß DA 5.5.1 Abs. 2 zu verfahren. 3Liegt keine Selbstanzeige vor, ist der Fall an die BuStra-Stelle abzugeben.

(4) Wird gegen den Rückforderungsbescheid Einspruch bzw. Klage eingelegt, ist die BuStra-Stelle hiervon unverzüglich zu unterrichten.

5.5.3 Sonstige Ermittlungsgründe

1Erlangt ein Bediensteter der Familienkasse oder einer anderen Dienststelle im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit begründen, so hat er, sofern der Sachverhalt nicht bereits aktenkundig ist, hierüber einen Aktenvermerk zu fertigen. 2Die Nr. 130 bis 133 AStBV (St) bezüglich der Unterrichtungspflicht gegenüber BuStra-Stellen gelten mit der Maßgabe, dass eine Weitergabe an die BuStra-Stelle unterbleibt, wenn der Entscheidungs- bzw. Anordnungsbefugte zweifelsfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Betroffenen allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. 3Wer wider besseren Wissens die BuStra-Stelle nicht unterrichtet, macht sich u. U. selbst nach § 258 oder § 258a StGB wegen Strafvereitelung oder nach § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO wegen Begünstigung strafbar.

5.6 Sachbehandlung einer Selbstanzeige in der Familienkasse – BuStra-Stelle –

(1)  1Wird ein Fall gemäß DA 5.5 an die BuStra-Stelle abgegeben, so prüft diese, ob der subjektive Tatbestand des § 370 AO oder des § 378 AO erfüllt ist und ob die Voraussetzungen des § 371 AO vorliegen; hierbei ist Nr. 11 AStBV (St) zu beachten. 2Liegen die Voraussetzungen des § 371 AO vor, so teilt die BuStra-Stelle dem Täter oder Teilnehmer mit (Vordruck KGStB 4), dass seine Berichtigung als Selbstanzeige gilt und er

  • straffrei bleibt, weil seine Zahlung bereits eingegangen ist, bzw.

  • straffrei bleiben kann, wenn er bis zu der von der Familienkasse gesetzten Frist zahlt.

3In der Regel ist diese Frist schon abgelaufen, so dass die BuStra-Stelle das Ermittlungsverfahren einleitet und eine kurze Nachfrist setzt, die die strafrechtliche Frist verlängert. 4Im Allgemeinen dürften ein oder zwei Wochen genügen, da dem Täter seine Zahlungsverpflichtung bereits bekannt ist. 5Im Falle der Zahlung innerhalb der von der BuStra-Stelle gesetzten Frist ist das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO wieder einzustellen. 6Erfolgt keine Zahlung oder bleiben auch nach den Ermittlungen der BuStra-Stelle (vgl. Nr. 11 AStBV (St)) die Angaben des Berechtigten unvollständig, so ist das Ermittlungsverfahren fortzuführen.

(2) Eine „verunglückte” Selbstanzeige kann Anlass sein, das Verfahren nach §§ 153 ff. StPO einzustellen oder die Strafe zu mildern.

(3) Eine teilweise Erstattung und eine fehlgeschlagene Selbstanzeige sind bei der Zumessung der Strafe bzw. Geldbuße zu berücksichtigen, vgl. DA 5.4 Abs. 3 Satz 4.

5.7 Bußgeldbefreiende Selbstanzeige

1Es gelten die Ausführungen zur strafbefreienden Selbstanzeige entsprechend. 2Im Gegensatz zu § 371 AO ist es für die Wirksamkeit der Selbstanzeige nach § 378 Abs. 2 AO unschädlich, wenn die Tat schon ganz oder teilweise aufgedeckt war und der Betroffene bei Erstattung der Selbstanzeige damit rechnen musste.

5.8 Absehen von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit

Über ein Absehen von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit aus Opportunitätserwägungen (vgl. Nr. 104 AStBV (St)) entscheidet allein die BuStra-Stelle.

6 Aussetzung des Verfahrens

1Hängt die Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung oder als leichtfertige Steuerverkürzung davon ab, ob nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt sind, so kann das Straf- bzw. Bußgeldverfahren ausgesetzt werden, bis das Erstattungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (§§ 396, 410 Abs. 1 Nr. 5 AO). 2Außerdem kann das Verfahren nach einer Selbstanzeige und einer daraufhin gesetzten Frist zur Rückzahlung bis zum Ablauf der Frist ausgesetzt werden. 3Während der Aussetzung des Verfahrens ruht die Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bzw. des § 384 AO.

7 Verfahren

1Für die Bearbeitung von Bußgeld- und Strafsachen ist bei den Familienkassen eine Buß- und Strafsachenstelle (BuStra-Stelle) einzurichten. 2Tritt bei einer Familienkasse der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit auf, so ist die vollständige Kindergeldakte über den Leiter der Familienkasse an die BuStra-Stelle abzugeben. 3In der Abgabenachricht sind die Gründe für die Abgabe anzuführen. 4Zum Verfahren bei Vorliegen einer Selbstanzeige vgl. DA 5.5 und 5.6. 4Die BuStra-Stelle sichtet die gesamte Akte. 5Handelt es sich um einen laufenden Zahlfall, so fertigt die BuStra-Stelle Kopien von den wesentlichen Aktenstücken und sendet die Akte an die Familienkasse zurück. 6Sie unterrichtet die Familienkasse vom Ausgang des Verfahrens, indem sie ihr eine Durchschrift der abschließenden Entscheidung übersendet.

7.1 Steuerstrafverfahren
7.1.1 Sachliche und örtliche Zuständigkeit

1Sachlich zuständig ist nach §§ 386 Abs. 2, 387 Abs. 1 AO die Familienkasse, soweit sie das Kindergeld als Steuervergütung festzusetzen hat, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt. 2Für die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit hat das Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 387 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und des § 409 Satz 2 i. V. m. § 387 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AO die Zuständigkeiten der dort genannten BuStra-Stellen mit der Familienkassenzuständigkeitsverordnung vom (BGBl. 2006 I S. 1309) geregelt. 3Die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse im Strafverfahren richtet sich nach §§ 386 Abs. 1 Satz 2, 388 AO. 4Durch § 389 i. V. m. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO wird die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse erweitert, wenn Straftaten in einem Zusammenhang i. S. d. § 3 StPO stehen. 5U. a. bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit greift § 390 AO ein. 6Nach § 390 Abs. 1 AO ist die Familienkasse, die das Strafverfahren zuerst eingeleitet hat (siehe dazu § 397 Abs. 1 und 2 AO), vorrangig zuständig. 7Unter den Voraussetzungen des § 390 Abs. 2 AO hat eine zunächst nachrangig zuständige Familienkasse die Strafsache zu übernehmen. 8Ob die Übernahme der Strafsache sachdienlich ist, richtet sich nach den Umständen der vorzunehmenden Ermittlungen. 9Lassen sich der Ermittlungsaufwand (auch hinsichtlich der Kosten) vermindern und die Verhandlungen erleichtern und beschleunigen, ist die Übernahme sachdienlich.

7.1.2 Selbständiges Ermittlungsverfahren

(1)  1Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 386, 397 AO, 160 Abs. 1 StPO) nehmen die BuStra-Stellen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr, wenn die Tat ausschließlich Steuerstrafgesetze verletzt (§§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO). 2Als solche kommen im Bereich des Familienleistungsausgleichs die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervergütungen infolge pflichtwidrigen Verhaltens (§ 370 AO) und die sachliche Begünstigung in Betracht, § 369 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AO. 3In diesem selbständigen Ermittlungsverfahren muss die BuStra-Stelle die für die Staatsanwaltschaft geltenden Grundsätze der Verfahrenseinleitung, der Verfahrensdurchführung und des Beweises beachten (§§ 385 Abs. 1, 399 Abs. 1 AO).

(2)  1Von der Befugnis, auch in den Fällen nach § 386 Abs. 2 i. V. m. § 399 Abs. 1 AO die Steuerstrafsache an die Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO), ist nur nach pflichtgemäßem Ermessen und nur ausnahmsweise Gebrauch zu machen. 2Wegen der Fälle, in denen die Abgabe angezeigt ist, wird auf Nr. 22 AStBV (St) verwiesen. 3Amtsträger der Finanzverwaltung i. S. d. Nr. 22 Abs. 1 Nr. 7 AStBV (St) sind nur die nach Geschäftsverteilungsplan in der Familienkasse Beschäftigten und ihre weisungsbefugten Vorgesetzten.

(3) Werden gegenüber einer Familienkasse des öffentlichen Dienstes vorsätzlich falsche Angaben gemacht, so liegt hinsichtlich des überhöhten Familien- bzw. Ortszuschlages und ggf. des Beihilfeanspruchs i. d. R. auch ein Betrug zu Lasten des Dienstherrn vor, so dass im Verdachtsfall die Sache regelmäßig an die Staatsanwaltschaft abzugeben ist, vgl. DA 7.1.3.

(4)  1Mit der Abgabe erlischt die selbständige Ermittlungszuständigkeit der Familienkasse. 2Die Staatsanwaltschaft kann die Strafsache nur im Einvernehmen mit der Familienkasse wieder an diese zurückgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 3 AO).

7.1.3 Ermittlungsverfahren mit der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens

(1)  1Treffen im Rahmen des einheitlichen Tatgeschehens i. S. d. § 264 StPO Steuerstraftaten mit anderen Straftaten außerhalb des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO zusammen, z. B. mit einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB oder einem Betrug nach § 263 StGB (DA 7.1.2 Abs. 3), ist die Staatsanwaltschaft und nicht die Familienkasse Herrin des Ermittlungsverfahrens (§§ 160 Abs. 1 StPO, 386 Abs. 2 Nr. 2 AO). 2Dasselbe gilt bei § 386 Abs. 3 AO (Haft- bzw. Unterbringungsbefehl gegen den Beschuldigten). 3Bei Zweifeln über die Zuständigkeitsfrage empfiehlt sich eine Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, vgl. Nr. 17 AStBV (St).

(2)  1Der Begriff der Tat im § 386 AO ist strafverfahrensrechtlicher Natur und im Sinne von § 264 StPO zu verstehen. 2Er meint einen ggf. aus mehreren sachlich-rechtlich selbständigen Tathandlungen (§§ 52 und 53 StGB) bestehenden einheitlichen Lebenssachverhalt, der im Falle getrennter Verfolgung und Aburteilung der Tathandlungen unnatürlich aufgespalten würde.

(3)  1Gleichwohl hat die BuStra-Stelle auch in diesen Fällen beim Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu ermitteln (§ 386 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 397 Abs. 1 AO). 2Sie hat in dem dann von der Staatsanwaltschaft zu führenden Ermittlungsverfahren die Rechte und Pflichten einer Polizeibehörde wahrzunehmen (§§ 402 Abs. 1, 399 Abs. 2 Satz 2 AO; 163 StPO). 3Das bedeutet auch, dass die BuStra-Stelle den Weisungen der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren Folge zu leisten hat (§ 167 StPO). 4Andererseits ist sie hinsichtlich der Steuerstraftat befugt, sich an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei zu beteiligen (§ 403 Abs. 1 AO). 5Die BuStra-Stelle gibt der Staatsanwaltschaft Anlass und Ergebnis ihrer Ermittlungen unverzüglich bekannt (§§ 386 Abs. 1 Satz 1, 402 Abs. 1 AO, 163 Abs. 2 Satz 1 StPO).

7.1.4 Allgemeines zum Ermittlungsverfahren

(1)  1Nach dem Legalitätsprinzip (vgl. Nr. 14 AStBV (St)) ist die Familienkasse in den Fällen des § 399 Abs. 1 AO verpflichtet, wegen verfolgbarer Steuerstraftaten, die sich auf die Durchführung des Familienleistungsausgleichs beziehen, einzuschreiten, wenn dafür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (zureichender Anfangsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO). 2Die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte umschreiben den Verdacht einer Straftat im Sinne von § 160 Abs. 1 StPO. 3Die (nach Aktenlage) vorhandenen Umstände müssen auf die Begehung einer Straftat hindeuten. 4Dafür muss eine gewisse, wenn auch zweifelhafte, Wahrscheinlichkeit sprechen.

(2)  1Das Ermittlungsverfahren der BuStra-Stelle ist wie dasjenige der Staatsanwaltschaft darauf gerichtet, den Sachverhalt dahingehend zu klären, ob genügender Anlass gegeben ist, die öffentliche Klage zu erheben (§§ 400 AO, 170 Abs. 1 StPO). 2Dies ist der Fall, wenn die Ermittlungen ergeben haben, dass der Beschuldigte einer Steuerstraftat hinreichend verdächtig ist (§§ 203, 408 Abs. 2 StPO). 3Nach dem Ergebnis der Ermittlungen muss also eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch sein.

7.1.5 Einleitung des Ermittlungsverfahrens

(1)  1Das Ermittlungsverfahren ist bei zureichendem Anfangsverdacht, der sich auf eine Selbstanzeige, eine Strafanzeige, auf eigene Wahrnehmungen der ermittelnden Behörde oder auf Mitteilungen anderer Behörden (vgl. § 116 AO) gründen kann, einzuleiten. 2Es wird durch einen ersten, objektiv erkennbaren Akt mit dem Ziel der Strafverfolgung gegen den der Straftat Verdächtigen eingeleitet (§ 397 Abs. 1 AO, Vordruck KGStB 3). 3Gibt die Familienkasse den Vorgang an die BuStra-Stelle mit der Bitte ab, zu prüfen, ob ein Bußgeld- oder Strafverfahren einzuleiten ist (Vordruck KGStB 2), liegt darin noch keine Einleitung. 4Das Ermittlungsverfahren ist hingegen eingeleitet, wenn aus Sicht der Familienkasse ein hinreichender Anfangsverdacht besteht und sie den Vorgang mit einer entsprechenden Feststellung an die BuStra-Stelle abgibt.

(2)  1Der tatsächliche Beginn des strafrechtlichen Einschreitens (§ 397 Abs. 1 AO) ist in den Akten zu vermerken (§ 397 Abs. 2 AO, Vordruck KGStB 3). 2Gleichzeitig ist – sofern nicht die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige vorliegen – die für das Verwaltungsverfahren örtlich zuständige Familienkasse (im Hinblick auf § 393 Abs. 1 AO) von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens zu unterrichten. 3Im Einleitungsvermerk sind der Beschuldigte und der ihm gemachte Vorwurf möglichst konkret zu bezeichnen.

(3)  1Spätestens, wenn der Beschuldigte bei Ermittlungshandlungen zur Mitwirkung herangezogen wird, ist ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitzuteilen (§ 397 Abs. 3 AO); dabei ist er über sein Recht, die Aussage zu verweigern (§§ 163a Abs. 3, 136 Abs. 1 StPO), die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers (§§ 163a, 168c, 137, 138 StPO, 392 AO) und über die fehlende Erzwingbarkeit von Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren (§ 393 Abs. 1 Satz 2 bis 4 AO) zu belehren. 2Auf die Nr. 16, 29 bis 31 und 49 der AStBV (St) wird hingewiesen; siehe auch Vordrucke KGStB 5 und 6.

(4)  1Nach der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an den Beschuldigten scheidet eine strafbefreiende Selbstanzeige aus (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO). 2Mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (§ 397 Abs. 1 AO) wird der Tatverdächtige als Beschuldigter bezeichnet (§ 397 Abs. 3 AO, § 163a StPO). 3Die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an den Beschuldigten unterbricht die Verfolgungsverjährung der Straftat (§§ 376 AO, 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB).

7.1.6 Gang des Ermittlungsverfahrens

1Der Ablauf des Ermittlungsverfahrens ist im Einzelnen nicht vorgegeben, vgl. § 161 StPO. 2Gegenstand und Umfang des Ermittlungsverfahrens werden durch den Zweck des Verfahrens (§ 160 Abs. 1 StPO) bestimmt. 3Die Ermittlungen haben sich auch auf den Täter entlastende Umstände, die Beweiserhebung und -sicherung (§ 160 Abs. 2 StPO) sowie ggf. auf solche Umstände zu erstrecken, die für die Festsetzung der Rechtsfolgen der Tat (Strafzumessung) bedeutsam sind (§ 160 Abs. 3 Satz 1 StPO). 4Hierzu ist – falls keine strafbefreiende Selbstanzeige vorliegt – unter Verwendung des Vordrucks BRZ 4 eine uneingeschränkte Auskunft beim Bundesamt für Justiz – Dienststelle Bundeszentralregister – (§ 41 Bundeszentralregistergesetz) einzuholen. 5Der Vordruck ist dort erhältlich; die Anschrift lautet: 53094 Bonn. 6Die Art und Weise des Vorgehens ist unbedingt an rechtsstaatlichen Grundsätzen auszurichten, vgl. Nr. 2 bis 6 AStBV (St). 7Die Ermittlungen sind auf das Wesentliche, d. h. auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, soweit sie für die Klärung der Umstände der Tat und derjenigen in der Person des Täters von Bedeutung sind. 8Im Strafverfahren der BuStra-Stelle werden jedenfalls regelmäßig die Aktenunterlagen der Familienkasse beizuziehen sein und häufig die mit dem Verwaltungsverfahren befassten Mitarbeiter der Familienkasse als Zeugen (§§ 161, 161a StPO, Vordrucke KGStB 7 und 9) wie auch der Beschuldigte zu vernehmen sein (§§ 163a Abs. 1 und 3, 133 bis 136a StPO, Vordruck KGStB 6 und 8). 9Darüber hinaus kommen zur Aufklärung des Sachverhalts z. B. Auskünfte des Arbeitgebers eines über 18 Jahre alten Kindes in Betracht.

7.1.7 Einstellung des Ermittlungsverfahrens

1Über den Abschluss der Ermittlungen ist in jedem Fall ein Abschlussvermerk zu fertigen, vgl. § 169a StPO (Vordruck KGStB 10). 2Dieser muss neben der Feststellung, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind, deren Verlauf und Ergebnis (erhobene Beweise und deren Wertung) sowie das daraus resultierende weitere Vorgehen enthalten. 3Insbesondere eine beabsichtigte Einstellung des Verfahrens ist hinreichend zu begründen.

7.1.7.1 Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO

1Stellt sich im Verlauf des Verfahrens heraus, dass die Ermittlungen keinen ausreichenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten, hat die BuStra-Stelle das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO einzustellen. 2Das wäre z. B. der Fall, wenn sich im Ermittlungsverfahren ergeben hätte, dass der Beschuldigte nicht vorsätzlich gehandelt hat (vgl. Nr. 81 Abs. 2 AStBV (St)) oder strafbefreiend Selbstanzeige erstattet hat. 3Auf Nr. 81 Abs. 1 und 3 AStBV (St) wird verwiesen. 4Unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 2 Satz 2 StPO ist dem Beschuldigten Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens zu machen (vgl. Nr. 80 Abs. 2 AStBV (St), Vordruck KGStB 14). 5Die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO entfaltet keine Rechtskraft, d. h., das Verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden. 6Es muss geprüft werden, ob es geboten ist, die Tat unter dem Gesichtspunkt einer Steuerordnungswidrigkeit zu verfolgen. 7Ergeben die Ermittlungen, dass Leichtfertigkeit vorliegt, so ist ein Bußgeldverfahren zu eröffnen. 8Zu beachten ist bei einer solchen Überleitung, dass der zuvor Beschuldigte nunmehr den Status eines Betroffenen hat, d. h., dass er sich in einem anderen Verfahren befindet und damit Anspruch darauf hat, dass ihm erneut rechtliches Gehör bzw. Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wird, vgl. DA 9.

7.1.7.2 Einstellung nach § 398 AO und §§ 153 ff. StPO

1Trotz hinreichenden Tatverdachts kann die BuStra-Stelle das Ermittlungsverfahren nach Maßgabe des § 398 AO oder der §§ 153 ff. StPO durch Einstellung abschließen. 2Die Entscheidung hierüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsstelle (Opportunitätsprinzip).

a)  1Nach § 398 AO und § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO kann die Verfolgungsstelle das Ermittlungsverfahren auch ohne Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts einstellen, wenn

  • der erlangte Steuervorteil (Kindergeld) nur geringwertig ist,

  • die Schuld nach den bereits ermittelten tatsächlichen Anhaltspunkten als gering anzusehen wäre und

  • kein öffentliches Interesse an der (weiteren) Strafverfolgung besteht.

2Ziel ist die Entkriminalisierung u. a. von Verstößen gegen § 370 Abs. 1 AO mit Bagatellcharakter. 3Im Hinblick auf Höhe und Zahlungszeitraum des Kindergeldes (§ 66 Abs. 1 und 2 EStG) kann von Geringwertigkeit ausgegangen werden, wenn die Summe der überzahlten Beträge drei Monatsbeträge für ein Kind nicht überschreitet. 4Die vorausschauende Annahme, dass die Schuld des Täters gering wäre, setzt das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und die insoweit hinreichend gesicherte Prognose über das Vorhandensein der Schuld und ihrer Geringfügigkeit voraus. 5Die Schuld des Täters muss nach den für und gegen ihn sprechenden Umständen des Einzelfalles (vgl. Nr. 77 AStBV (St)) erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Verstöße liegen, so dass sich die Strafzumessung im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen würde, vgl. DA 8. 6Gemeint sind regelmäßig Fälle, in denen eine niedrige Strafe, d. h. eine Geldstrafe von 6 bis 8 Tagessätzen, zu verhängen wäre. 7Ist die Schuld des Täters danach gering, wird regelmäßig das öffentliche Interesse an der (weiteren) Strafverfolgung fehlen, weil die weitere Ermittlung außer Verhältnis zum Tatcharakter stünde und/oder Gründe der General- oder Spezialprävention eine Bestrafung nicht fordern werden. 8Vgl. hierzu Nr. 82 AStBV (St).

b) Wegen der Voraussetzungen einer Einstellung des Verfahrens bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen ohne und mit Zustimmung des zuständigen Gerichts (§ 391 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 AO) nach § 153a Abs. 1 StPO wird auf Nr. 83 AStBV (St) Bezug genommen (siehe auch Vordrucke KGStB 15 und 15–1).

c)  1Der Beschuldigte ist bei seiner ersten Vernehmung nach Vorstrafen und anderen gegen ihn anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu befragen. 2Ergibt sich daraus oder aus der Anfrage beim Bundeszentralregister (vgl. 7.1.6 Sätze 4 und 5), dass gegen den Beschuldigten wegen anderer Taten Strafen verhängt oder zu erwarten sind, so kommt eine Einstellung nach § 154 StPO in Betracht. 3Zu den Einzelheiten siehe Nr. 39 AStBV (St).

7.1.8 Antrag auf Erlass eines Strafbefehls

(1)  1Bieten die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, schließt die BuStra-Stelle das Ermittlungsverfahren durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei der für Steuerstrafsachen bestimmten Abteilung des Amtsgerichts (§§ 24, 25 GVG, 391 Abs. 3 AO) ab, wenn die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet erscheint (§ 400 1. Halbsatz AO, Vordrucke KGStB 11 und 12). 2Örtlich zuständig für die Entscheidungen nach § 408 StPO ist das in § 391 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmte Amtsgericht.

(2)  1Die Strafsache eignet sich zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht erforderlich erscheint (§ 407 Abs. 1 Satz 2 StPO). 2Sie ist nicht erforderlich, wenn die für die Beurteilung der Tat und ihrer Rechtsfolgen wesentlichen Umstände vollständig aufgeklärt sind und Gründe der General- oder Spezialprävention der Behandlung im Strafbefehlsverfahren nicht entgegenstehen (vgl. Nr. 84 Abs. 3 AStBV (St)). 3Unter den genannten Voraussetzungen sollen nach pflichtgemäßem Ermessen Strafbefehle beantragt werden, wenn eine der in § 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO genannten Strafen verhängt werden soll. 4Eignet sich die Strafsache nicht zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren (vgl. Nr. 84 Abs. 3 AStBV (St)), ist sie an die Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen oder zur Anklageerhebung abzugeben (§ 400 2. Halbsatz AO).

(3)  1Vor Stellung des Strafbefehlsantrages bzw. vor der Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft hat die Verfolgungsstelle den Abschluss ihrer Ermittlungen in den Steuerstrafakten zu vermerken (§ 169a StPO, DA 7.1.7.1 Abs. 2). 2Nach dem Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen ist einem Verteidiger des Beschuldigten auf sein Verlangen unbeschränkte Akteneinsicht zu gewähren (Schlussfolgerung aus § 147 Abs. 2 StPO) und des Weiteren dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu äußern (§ 163a Abs. 1 StPO).

(4)  1Im Strafbefehlsantrag ist das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen darzustellen und es sind die in § 409 StPO vorgegebenen Angaben zu machen. 2Der Antrag muss insbesondere auch bestimmte Rechtsfolgen enthalten (§§ 407 Abs. 1 Satz 3, 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 408 Abs. 3 Satz 2 StPO). 3Auf die Nr. 87, 75 ff. AStBV (St) und Nr. 176 Abs. 2 RiStBV wird verwiesen.

(5)  1Durch den Eingang des Strafbefehlsantrags bei Gericht wird die öffentliche Klage erhoben (§§ 407 Abs. 1 Satz 4, 170 Abs. 1 StPO). 2Das Strafverfahren wird bei Gericht anhängig. 3Die Verfahrensherrschaft geht auf das Gericht über; das Gericht entscheidet in eigener Zuständigkeit abschließend über die Strafsache. 4Auf das gerichtliche Verfahren hat die Finanzbehörde keinen Einfluss. 5Im gerichtlichen Verfahren wirkt die Verfolgungsstelle nach Maßgabe der §§ 406, 407 AO mit. 6Die Verfolgungsverjährung wird mit der Einreichung des Strafbefehlsantrags bei Gericht unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB).

7.1.9 Hinterziehungszinsen

1Hinterzogene Steuern sind nach § 235 AO zu verzinsen, um dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung den steuerlichen Vorteil der Gewährung oder Belassung von Steuervorteilen zu nehmen. 2Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus (, BStBl 1992 II S. 9). 3Die Zinspflicht ist unabhängig von einem Steuerstrafverfahren zu prüfen. 4Hinterziehungszinsen sind demnach auch festzusetzen, wenn

  • wirksam Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet worden ist,

  • der Strafverfolgung Verfahrenshindernisse entgegenstehen (z. B. Tod des Täters oder Strafverfolgungsverjährung),

  • das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (z. B. nach §§ 153, 153a StPO; § 398 AO) oder

  • in anderen Fällen die Strafverfolgung beschränkt oder von der Strafverfolgung abgesehen wird (z. B. nach §§ 154, 154a StPO).

5Auf die AEAO zu § 235 AO wird verwiesen. 6Die Zinsen sind wie Stundungszinsen zu verbuchen, vgl. Weisung vom ( BStBl 1997 I S. 1018).

 Verfahrenshindernisse

1Ein Strafverfahren ist unzulässig, wenn ein Verfahrenshindernis vorliegt. 2Ist etwa bereits die Verfolgungsverjährung eingetreten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB), ist das Ermittlungsverfahren nicht einzuleiten bzw. einzustellen. 3Das gilt auch bei fehlender Verfolgbarkeit der Tat (im prozessualen Sinne), wenn diese bereits anderweitig rechtshängig ist oder rechtskräftig entschieden worden ist (siehe Art. 103 Abs. 3 GG). 4Nach § 84 Abs. 2 OWiG steht das rechtskräftige Sachurteil über eine Tat als Ordnungswidrigkeit ihrer Verfolgung als Straftat entgegen, nicht aber der rechtskräftige Bußgeldbescheid (§ 84 Abs. 1 OWiG).

7.2 Verfahren bei Steuerordnungswidrigkeiten

(1)  1Für das Steuerordnungswidrigkeitenverfahren gelten grundsätzlich die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (§§ 35 ff. OWiG). 2Diese allgemeinen Verfahrensvorschriften treten jedoch zurück, wenn und soweit die AO etwas anderes bestimmt (vgl. §§ 409 bis 412 AO). 3Besonders bedeutsam ist der Katalog der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Steuerstrafrechts (§ 410 Abs. 1 AO). 4Bezüglich der im Bußgeldverfahren anzuwendenden Vorschriften wird im Übrigen auf Nr. 100 bis 103 AStBV (St) verwiesen; bezüglich des Abschlusses des Verfahrens auf Nr. 113 und 116 AStBV (St) sowie auf Vordruck KGStB 13. 5Zu den für die Familienkassen bedeutsamen Vorschriften werden folgende Hinweise gegeben:

(2)  1Ein schwerwiegender Unterschied zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist der, dass nicht das Legalitäts-, sondern das Opportunitätsprinzip herrscht. 2Dies bedeutet, dass hier die Einleitung des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht und sie es nach pflichtgemäßem Ermessen auch wieder einstellen kann (§ 47 Abs. 1 OWiG). 3Was unter pflichtgemäßem Ermessen zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. 4Beachtliche Gesichtspunkte sind u. a.

  • Wiederholungsgefahr,

  • Häufigkeit derartiger Taten,

  • Verschulden und Verhalten des Betroffenen sowie

  • Zweck der Ahndung.

5Stehen solche Gesichtspunkte nicht entgegen, so kann nach Nr. 104 Abs. 3 AStBV (St) von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit abgesehen werden, wenn der verkürzte – bzw. zu Unrecht bezogene – Betrag insgesamt weniger als 5 000 € beträgt. 6Handelt es sich um einen Wiederholungsfall, so kann nur unter den Voraussetzungen von einer Verfolgung abgesehen werden, unter denen ein Strafverfahren nach § 153 StPO eingestellt werden könnte, also wenn der zu Unrecht bezogene Betrag geringer als der Zahlbetrag für vier Monate für ein Kind ist, vgl. DA 7.1.7.2 Buchstabe a.

(3)  1Sachlich zuständige Verwaltungsbehörde i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sind die BuStra-Stellen (§§ 409 Satz 1, 387 Abs. 1, 386 Abs. 1 Satz 2 AO). 2Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (etwa für Einsprüche gegen Bußgeldbescheide) folgt aus § 410 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 391 AO. Danach ist – abweichend von § 68 OWiG – das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat (§ 391 Abs. 1 Satz 1 AO).

(4)  1Aus § 410 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. § 407 AO ergeben sich für die Familienkasse stärkere Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte als im allgemeinen Verfahrensrecht. 2Abweichend von § 76 Abs. 2 OWiG ist z. B. das Gericht nicht befugt, die Familienkasse von einer Hauptverhandlung oder einem Vernehmungstermin auszunehmen.

(5)  1Nach § 67 OWiG kann gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch bei der Finanzbehörde eingelegt werden. 2Der Einspruch muss nicht begründet werden und darf keine Bedingung oder Beschränkung auf einzelne Punkte enthalten. 3Auf einen Einspruch hin überprüft die Finanzbehörde ihre Entscheidung (§ 69 OWiG). 4Sie kann den Bescheid zurücknehmen und das Verfahren einstellen oder einen neuen Bescheid erlassen, der auch eine Verschlechterung darstellen darf. 5Will sie an dem Bescheid festhalten, so muss sie die Sache der Staatsanwaltschaft vorlegen. 6Unterstützt diese die Auffassung der Finanzbehörde, so legt sie die Akten dem zuständigen Amtsgericht vor (§ 69 Abs. 4 OWiG).

8 Strafzumessung

(1)  1Gemäß § 369 Abs. 2 AO gelten für Steuerstraftaten grundsätzlich die allgemeinen Gesetze über das (materielle) Strafrecht. 2Danach sind insbesondere auch die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB (§§ 1 bis 79b) anzuwenden, die u. a. die Rechtsfolgen der Tat beschreiben. 3Hauptzweck der Strafe ist es, der Begehung von (Steuer-)Straftaten entgegenzuwirken und die Rechtsordnung zu verteidigen (Generalprävention, vgl. §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 StGB). 4Sie bezweckt darüber hinaus, den Täter von weiteren Straftaten abzuschrecken und auf ihn sozial positiv einzuwirken (Spezialprävention, vgl. §§ 46 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 1 StGB). 5Bei der Strafzumessung sind diese Strafzwecke zu beachten. 6Grundlegend für die Bemessung von Freiheits- und Geldstrafe ist auch im Steuerstrafrecht § 46 StGB. 7Für die Strafzumessung ist danach die Schuld des Täters wichtigster Gesichtspunkt (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). 8Damit ist nicht die Schuld als Bestandteil der Straftat, sondern der Umfang des Vorwurfes gemeint, der den Täter für seine Tat trifft.

(2)  1Bei den Straftaten des § 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO im Bereich des Familienleistungsausgleiches sind als Auswirkungen der Tat insbesondere die Höhe der zu Unrecht erlangten Steuervergütungen und der Zeitraum, für den die Steuervergütung aufgrund des Verhaltens des Täters zu Unrecht bezogen worden ist, zu berücksichtigen. 2Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt (§ 40 Abs. 1 StGB) wobei die Anzahl der Tagessätze von der Schuld abhängig ist, ihre Höhe von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (§ 40 Abs. 2 StGB). 3Anhaltspunkt der Strafzumessung ist, dass je Monat und Kind, für die zu Unrecht Kindergeld bezogen worden ist, grundsätzlich zwei Tagessätze zu verhängen sind; im Übrigen wird auf Nr. 75 ff. AStBV (St) verwiesen.

(3)  1Auf Freiheitsstrafe unter einem Monat darf nicht erkannt werden (§ 38 Abs. 2 StGB). 2Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters vorliegen, die gegen den Täter sprechen, und die Strafe zur Abschreckung (aus spezial- oder generalpräventiven Gründen) erforderlich ist (§ 47 Abs. 1 StGB). 3Sind die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB nicht erfüllt, ist anstelle einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur auf Geldstrafe zu erkennen.

(4) Wegen der Folgen einer versuchten Steuerhinterziehung (Steuervorteilserlangung) wird auf die §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 StGB hingewiesen.

9 Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
9.1 Allgemeines

(1)  1Hinsichtlich der Zumessung der Geldbuße enthält die AO grundsätzlich keine ausdrücklich vom OWiG abweichenden Vorschriften, so dass § 17 OWiG entsprechend anzuwenden ist (§ 410 AO). 2Im Hinblick auf die materiell-rechtlichen Bußgeldvorschriften der AO und die Besonderheiten des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG (insbesondere die nach § 66 EStG vom traditionellen Steuerrecht abweichende monatliche Zahlung einer Steuervergütung in Form von Kindergeld) ist jedoch in wesentlichen Punkten auch abweichendes Recht zu beachten bzw. im Rahmen des Opportunitätsprinzips (§ 47 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO) eine von der Ahndungspraxis der sonstigen Finanzverwaltung abweichende Sachbehandlung angebracht.

(2)  1Gesetzliche Grundlagen für die Verfolgung und Ahndung solcher Verstöße bilden die Blankettnormen der AO mit der zentralen Vorschrift des § 370 AO. 2Unstimmig erscheinende Ergebnisse (insbesondere die im Vergleich mit dem BKGG für den Bereich des steuerlichen Familienleistungsausgleichs hohe Bußgelddrohung von 50 000 € in § 378 Abs. 2 AO) können durch die Anwendung des Opportunitätsprinzips weitgehend vermieden werden.

(3)  1Die Anwendung des bußgeldrechtlichen Instrumentariums soll spezial- und generalpräventiv wirken. 2Die Betroffenen sollen zu einem für die Aufgabenerfüllung der Familienkassen günstigen Verhalten veranlasst und damit eine möglichst rationelle Aufgabenerledigung erreicht werden.

(4)  1Ob ein Bußgeldverfahren trotz konkreten Tatverdachts nicht einzuleiten ist oder ein bereits eingeleitetes Ermittlungsverfahren aus Opportunitätserwägungen eingestellt wird (§ 47 Abs. 1 OWiG), entscheidet allein die BuStra-Stelle. 2DA 7.2 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. 3Sprechen in Zweifelsfällen besondere Gründe dagegen, die Sache auf sich beruhen zu lassen (z. B. Häufung von derartigen Verstößen), kann eine förmliche Verwarnung mit oder ohne Verwarnungsgeld nach § 56 OWiG angebracht sein (hierzu Vordruck KGStB 16). 4Ist der Betroffene mit der Verwarnung nicht einverstanden, muss ein Bußgeldverfahren durchgeführt werden.

9.2 Zumessungsgrundsätze

Die nachstehenden Zumessungsgrundsätze sollen eine möglichst einheitliche Sachbehandlung gewährleisten.

9.2.1 Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten i. S. d. § 378 AO

(1)  1Ausgangsbasis für die Zumessung der Geldbuße ist die Hälfte der Geldstrafe, die dem Betroffenen bei vorsätzlichem Handeln auferlegt worden wäre. 2Von dem auf diese Weise ermittelten Betrag der Geldbuße braucht dann nicht abgewichen werden, wenn die Tatumstände weder auffällig schwer noch verhältnismäßig unbedeutend sind, Leichtfertigkeit von mittlerem Gewicht vorliegt und von nicht extrem nach oben oder nach unten aus dem Rahmen fallenden wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden kann. 3Damit eine gegenüber dem förmlichen Bußgeldverfahren vereinfachte und raschere Ahndung möglich ist, soll bis zu einem Steuervorteil von 600 € grundsätzlich eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld, bei einem Steuervorteil bis 1 500 € eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld in Höhe von 35 € erteilt werden.

(2)  1Beispiele für Ermäßigungsgründe, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Minderung bis zu 50 v. H. der im Regel- bzw. Durchschnittsfall verwirkten Geldbuße zulassen:

  • unverzügliche Wiedergutmachung des Schadens (evtl. auch bei unwirksamer Selbstanzeige),

  • ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse,

  • fehlende Wiederholungsgefahr.

2Bei gesteigertem Schuldvorwurf soll die an sich verwirkte Geldbuße mindestens um 50 v. H. erhöht werden. 3Das gilt z. B., wenn gegen den Betroffenen innerhalb der letzten zwei Jahre wegen eines gleichartigen Verstoßes Sanktionen verhängt worden sind.

(3)  1Die Frage der Zumessung der Geldbuße stellt sich allerdings erst, wenn nach Aktenlage und ggf. nach dem Ergebnis ergänzender Ermittlungen keine Straftat vorliegt, eine Ordnungswidrigkeit erwiesen ist, Verfolgungshindernisse nicht bestehen und auch keine Einstellung des Verfahrens angezeigt ist. 2Im Übrigen setzt das o. a. Ahndungsschema immer voraus, dass aufgrund von Zumessungserwägungen hinsichtlich Tatbedeutung und Tätervorwurf – und grundsätzlich auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen – die konkrete Ordnungswidrigkeit als Regel- bzw. Durchschnittsfall eingestuft und damit schon die Umstände des Einzelfalles ausreichend bedacht und gewürdigt worden sind. 3Liegen dagegen besondere, d. h. über den Durchschnittsfall hinausgehende Umstände in der Tat oder der Person des Betroffenen vor, so ist aufgrund der im Einzelfall gebotenen Zumessungserwägungen zu entscheiden. 4Eine vom Durchschnittsfall abweichende Ahndung ist im Bußgeldvorgang kurz zu begründen. 5Auch der Bußgeldbescheid soll die insoweit entscheidungserheblichen Gründe erkennen lassen.

9.2.2 Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten i. S. d. § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO

(1)  1Während für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 378 AO der Eintritt eines konkreten Schadens vorausgesetzt wird, erfasst § 379 AO lediglich Vorbereitungshandlungen, die es ermöglichen (d. h. abstrakt geeignet sind), nicht gerechtfertigte Steuervorteile in Form von Kindergeld zu erlangen (vgl. auch DA 2.2 Abs. 3). 2Falls die unrichtige Bescheinigung für die unrechtmäßige Kindergeldfestsetzung/-zahlung ursächlich war, kann im Einzelfall die Schadenshöhe ein Indiz für die Bedeutung und das Ausmaß der Ordnungswidrigkeit sein und deshalb zu einer verschärften Ahndung führen.

(2)  1Ausgangsbasis für die Zumessung der Geldbuße ist ein Betrag von 500 €. 2Eine hiervon abweichende Sanktion ist geboten, wenn erschwerende (insbesondere vorsätzliches Handeln, Wiederholungsfall, hoher Schadensbetrag) oder mindernde (z. B. leichtfertiges Handeln am unteren Bereich der Schwere-Skala, besonders ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen) Umstände vorliegen. 3Der Bußgeldrahmen für ein leichtfertiges Handeln reicht bis 5 000 € (§ 379 Abs. 4 AO i. V. m. § 17 Abs. 2 OWiG).

10 Gebühren, Vollstreckung von Bußgeldbescheiden

(1) Die Gebühr für den Bußgeldbescheid bemisst sich nach der Höhe des verhängten Bußgelds; sie beträgt fünf Prozent von dessen Summe, mindestens aber 20 € (§ 107 Abs. 1 OWiG).

(2)  1Für die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden der BuStra-Stellen gelten abweichend von § 90 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 2 OWiG nicht die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, sondern die Vorschriften des Sechsten Teiles der AO über die Vollstreckung von Verwaltungsakten der Finanzbehörde (§§ 249 ff. AO). 2Im Übrigen gelten die Vorschriften des OWiG über die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden (§§ 89 ff. OWiG).

11 Bußgeldlisten und Überwachungslisten für das Strafverfahren/Statistik

(1)  1Die Buchungsordnung für die Finanzämter (BuchO) einschließlich ihrer vorgegebenen Muster ist sinngemäß anzuwenden. 2Für das Führen von Bußgeldlisten und Überwachungslisten zum Strafverfahren ist der im BStBl 1996 I S. 1057 abgedruckte Auszug aus der BuchO zu beachten. 3Eine Überprüfung durch die zuständigen Dienstvorgesetzten hat halbjährlich zu erfolgen. 4Zur statistischen Auswertung und Mitteilung an das Bundeszentralamt für Steuern ergehen weitere Weisungen.

(2)  1Die Straf-/Bußgeldakte ist getrennt von der Kindergeldakte zu führen. 2Sie kann der Kindergeldakte vorgeheftet werden. 3Nur die Straf-/Bußgeldakte ist erforderlichenfalls an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht zu übersenden. Daher muss sich alles für das BuStra-Verfahren Relevante aus dieser Akte ergeben. 4Der Vorgang ist mit einem eigenen Aktenzeichen zu versehen; dieses lautet für Strafsachen: StrL/ÜL – Ifd. Nr./Jahr – und für Bußgeldsachen BL/ÜL – Ifd. Nr./Jahr –; einzufügen ist die laufende Nummer der Überwachungsliste.

BZSt v. - St II 2 – S 0700 DA/12/00001

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2012 I Seite 696
AAAAE-15408

1Konkludente Bekanntgabe bis ; vgl. DA 70.2 der DA-FamEStG 2004 vom (BStBl I S. 742).