BFH Beschluss v. - VIII R 29/09

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist bei fehlerhafter Adressierung der Revisionsschrift durch die Bürokraft

Leitsatz

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist kommt nicht in Betracht, wenn ursächlich für die Versäumung die vom Prozessbevollmächtigten bei Unterzeichnung der Revisionsschrift nicht bemerkte fehlerhafte Adressierung durch seine Bürokraft war.

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Gegen das gegen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ergangene und am zugestellte haben deren Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom Revision eingelegt.

2 Die Revision war adressiert an „Bundesfinanzhof Postfach 86 02 40 70013 Stuttgart” und wurde am Freitag, den zur Post gegeben. Die Revision ging nach Ermittlung der zutreffenden Anschrift des Bundesfinanzhofs (BFH) durch die zuständige Postdienststelle erst am und damit nach Ablauf der Revisionsfrist am Montag, den bei dem BFH ein.

3 Nach Hinweis des Gerichts auf die eingetretene Fristversäumnis haben die Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist mit der Begründung beantragt, der Prozessvertreter habe die Fehladressierung bei Absendung nicht bemerkt. Sie hätte auch bei angemessener Zeitspanne für die Deutsche Post AG zur Ermittlung der richtigen Adresse zu einer rechtzeitigen Weiterleitung an den BFH führen müssen. Abgesehen davon hätte die Deutsche Post AG sie informieren müssen, um ihnen Gelegenheit zur rechtzeitigen erneuten Übersendung eines Revisionsschreibens zu geben.

4 Sie beantragen Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist sowie in der Sache den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2005 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus der streitigen Lebensversicherung nur in Höhe von . € der Besteuerung unterworfen werden.

5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6 II. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Revisionsfrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt wurde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO nicht vorliegen.

7 Nach dieser Vorschrift ist Wiedereinsetzung nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist —wie hier die Frist zur Einlegung der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO)— einzuhalten.

8 a) Im Streitfall war die Revision vom FG zugelassen worden. Die Revisionsfrist lief mithin am Montag, den , ab (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der ZivilprozessordnungZPO— und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Mit Ablauf dieses Tages war die Revisionsschrift nicht —wie es nach § 120 Abs. 1 FGO erforderlich gewesen wäre— beim BFH eingegangen.

9 b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) sind nicht gegeben, weil das Fristversäumnis nach eigenem Vorbringen auf einem schuldhaften Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht, das diesen nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

10 aa) Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes darf ein Prozessbevollmächtigter die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift auch geschultem Büropersonal nicht eigenverantwortlich überlassen. Er hat vielmehr das Arbeitsergebnis jeweils sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist (vgl. z.B. , BFHE 92, 307, BStBl II 1968, 535; , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 307).

11 bb) Auf dieser Grundlage ist der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die fehlerhafte Adressierung bei Unterzeichnung der Revisionsschrift nicht bemerkt hat, als ihm allein (und nicht seiner Bürokraft) zuzurechnendes Verschulden anzusehen, das eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 FGO ausschließt (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV R 32/91, BFH/NV 1991, 761; vom IX R 23/90, BFH/NV 1993, 366).

12 Der Einwand der Kläger, die Deutsche Post AG habe in vorwerfbarer Weise mehr als neun Tage für die Weiterleitung der fehladressierten Revisionsschrift benötigt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

13 Die Zeitspanne zwischen Absendung am Freitag, den und Ablauf der Revisionsfrist am Montag, den ist derart eng, dass nicht mehr mit einer rechtzeitigen Zustellung der fehlerhaft adressierten Revisionsschrift zu rechnen war. Entscheidend ist daher die Ursächlichkeit des Fehlers der Bevollmächtigten für die Nichteinhaltung der Frist bis zum (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom V B 228/91, juris; vom XI R 76/95, BFH/NV 1997, 497: Keine Wiedereinsetzung, wenn „nicht auszuschließen ist, dass der verspätete Zugang ... auf fehlerhafte Adressierung und daher auf ein Verschulden des Revisionsklägers zurückzuführen ist”).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
StBW 2012 S. 410 Nr. 9
OAAAE-03560