BGH Beschluss v. - 4 StR 469/11

Verwerfung der Revision: Korrektur des Verwerfungsantrags des Generalbundesanwalts auf Anregung eines BGH-Senats; Ablehnungsantrag und Anhörungsrüge nach Verwerfung im Beschlussverfahren

Gesetze: § 24 StPO, § 25 Abs 2 S 2 StPO, § 349 Abs 2 StPO, § 356a StPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: LG Kaiserslautern Az: 4 Ks 6035 Js 16072/10

Gründe

1Der Senat hat mit Beschluss vom die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit seiner dagegen erhobenen Anhörungs- sowie einer "weiteren Grundrechtsrüge" beanstandet der Verurteilte unter anderem, dass das Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2, 3 StPO nicht durchgeführt werden durfte und das Anhörungsrügeverfahren gegen die Verfassung verstoße. Zugleich hat er den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann und Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

21. Die Befangenheitsanträge sind unzulässig.

3a) Ihnen liegt im Wesentlichen Folgendes zugrunde:

4Der Verteidiger des Verurteilten hatte das Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom , mit dem der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden war, mit mehreren Verfahrensrügen und der Beanstandung der Anwendung des materiellen Rechts begründet. In seiner Antragsschrift vom nahm der Generalbundesanwalt zu der Sachrüge ausführlich Stellung, zu den erhobenen Verfahrensrügen führte er indes lediglich aus, dass die Beanstandung, ein Beweisantrag sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, unzulässig sei, weil die Revision weder den Beweisantrag noch den daraufhin ergangenen Gerichtsbeschluss mitgeteilt habe.

5Dies war offensichtlich unzutreffend. Deshalb nahm der Berichterstatter des Senats fernmündlich Kontakt mit dem Leiter des zuständigen Referats des Generalbundesanwalts auf und teilte ihm mit, dass die Antragsschrift zu den Verfahrensrügen den Vortrag des Revisionsführers nicht ausschöpfe. Bundesanwalt         kündigte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme an, die am beim Senat einging; in "Ergänzung" des Antrags vom nahm der Generalbundesanwalt dort zu den vom Verteidiger des Verurteilten erhobenen Verfahrensrügen im Einzelnen Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass keine der Verfahrensrügen durchgreife. Zu der "Ergänzung" erklärte sich der Verteidiger des Verurteilten mit Schriftsatz vom . Ferner wurde ihm mit Schreiben des Berichterstatters vom mitgeteilt, dass er innerhalb zwei Wochen nach Zugang der "Ergänzung" durch den Generalbundesanwalt, also innerhalb der Frist, die § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO vorsehe, zu dieser Stellung nehmen könne. Nachdem innerhalb dieser Frist keine weitere Stellungnahme eingegangen war, verwarf der Senat mit Beschluss vom das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet.

6Mit seinen Befangenheitsanträgen macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass ein "Prozesshandlungshindernis für die Bundesanwaltschaft als Antragstellerin" in dem Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO bestanden habe, da der Sachbearbeiter der Bundesanwaltschaft durch die "grobe Panne", nämlich die offensichtlich unzutreffende Behauptung zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge in der Antragsschrift vom , befangen gewesen sei. Die abgelehnten Richter hätten ihre Pflicht verletzt, entweder auf die Ablösung des befangenen Staatsanwalts hinzuwirken oder - statt einen neuen Verwerfungsantrag zu bestellen - wegen "des Prozesshandlungshindernisses für den befangenen Staatsanwalt vom Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO abzuweichen" (S. 3 f. des Schriftsatzes des Verteidigers des Verurteilten vom ).

7b) Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO).

8Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier gemäß § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (, NStZ 2007, 709, 710; BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 425/06, NStZ 2007, 416; vom - 4 StR 657/09; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 25 Rn. 11 mwN).

9Dies in Frage zu stellen bietet der vorliegende Fall keinen Anlass. Denn dem Angeklagten war es nach Zustellung der "Ergänzung" des Antrags des Generalbundesanwalts vom und der erneuten Fristgewährung unter ausdrücklichem Hinweis auf § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO, aus dem deutlich zu erkennen war, dass der Senat eine Entscheidung im Beschlussverfahren in Erwägung zieht, unbenommen, seine Ablehnungsanträge schon vor der Entscheidung des Senats vom anzubringen.

10Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356a StPO verbunden wird, der sich, wie im vorliegenden Fall (siehe unten 2.) deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist. Denn § 356a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um hierdurch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Der Rechtsbehelf dient hingegen nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (BGH aaO; ferner Beschluss vom - 1 StR 180/06).

11Soweit der Verteidiger des Verurteilten die Befangenheitsanträge auf die "Überforderung" der abgelehnten Richter durch die Aufgabenzuweisungen in dem ab geltenden Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs stützt und meint, "ausnahmsweise rückwirkend" im Verfahren über die Anhörungsrüge diese Befangenheitsanträge anbringen zu können (S. 3 des Schriftsatzes vom ), verfängt auch dies nicht. Die dem zugrunde liegende Annahme des Verteidigers des - damals in Untersuchungshaft befindlichen - Verurteilten, der Senat habe am im Beschlusswege über die Revision entschieden, weil er ab dem und in einer erst dann möglichen Hauptverhandlung nicht mehr ordnungsgemäß besetzt sei, entbehrt jeder Grundlage. Es besteht daher kein Anlass, die vom Verteidiger im Schriftsatz vom angekündigte Stellungnahme zu den "Entscheidungen vom " (ersichtlich zur Besetzung des 2. und 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs) abzuwarten.

12c) Infolge der Unzulässigkeit der Ablehnungsanträge bedurfte es weder der Einholung dienstlicher Stellungnahmen durch die abgelehnten Richter (vgl. Meyer-Goßner aaO § 26 Rn. 14 mwN), noch schieden diese aus dem Spruchkörper, der über die Anträge nach der Geschäftsverteilung des Senats zu entscheiden hat, aus (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO).

132. Die Anhörungs- sowie die "weitere Grundrechtsrüge" des Verurteilten haben ebenfalls keinen Erfolg.

14a) Der Senat hat bei seiner Revisionsentscheidung weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor nicht gehört worden ist. Auch wurde weder zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung vielmehr das Revisionsvorbringen des Angeklagten bzw. seines Verteidigers in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber für nicht durchgreifend erachtet. Da sich der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom und der ergänzenden Stellungnahme vom sowohl zur Unbegründetheit der Sachrüge als auch zur Erfolglosigkeit der Verfahrensrügen geäußert hat, haben es weder Art. 103 Abs. 1 GG noch strafprozessuale Vorschriften geboten, im Rahmen der Entscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO diese Ausführungen zu wiederholen oder zu ihnen - auch bei Berücksichtigung des Vorbringens in dem außerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz vom - ergänzend Stellung zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 120/07; vom - 2 BvR 496/07; vom – 2 BvR 2556/07; ferner: , NJW 2011, 1497).

15Die "weitere Grundrechtsrüge" ist nicht statthaft. Sie hätte auch als Gegenvorstellung keinen Erfolg, zumal der Senat die Bedenken des Verteidigers des Verurteilten gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 356a StPO und § 211 StGB nicht teilt.

16b) Im Hinblick auf die Ausführungen des Verteidigers des Verurteilten in den Schriftsätzen vom 6. und bemerkt der Senat ergänzend:

17Es entbehrt jeder Grundlage, dass der Senat beim Generalbundesanwalt einen Antrag "bestellt" habe. Dies wird nicht nur durch den Vermerk des Berichterstatters über das Telefongespräch mit Bundesanwalt           vom belegt, sondern auch dadurch, dass der Generalbundesanwalt seinen Verwerfungsantrag bereits mit der Übersendung der Akten an den Senat gestellt und später nicht abgeändert hat. Das Verfahren, mit dem dem Generalbundesanwalt Gelegenheit zur Ergänzung seiner Antragsschrift und anschließend dem Verteidiger zur nochmaligen Stellungnahme gegeben wurde, diente allein der Gewährung umfassenden rechtlichen Gehörs vor der Entscheidung des Senats.

18c) Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO ( mwN).

Ernemann                                            Roggenbuck                                         Franke

                             Mutzbauer                                                Bender

Fundstelle(n):
KAAAE-03142