BGH Beschluss v. - IV ZR 41/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Hannover, 23 O 81/08 vom OLG Celle, 8 U 241/09 vom

Gründe

Die Klägerin, die bundesweit über ein Netz von etwa 40 Filialen Lebensmittel vertreibt, verlangt von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unternehmen der HEROS-Gruppe (im Folgenden: HEROS-Gruppe) mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung" , deren Bedingungen auszugsweise im Senatsurteil vom (IV ZR 117/09 - Geldtransport I HEROS I - VersR 2011, 918 Rn. 1) und im Senatsbeschluss vom (IV ZR 38/09 - Geldtransport II HEROS II - VersR 2011, 1563 Rn. 1) wiedergegeben sind.

Die Klägerin ist Versicherte dieses Vertrages. Sie behauptet Sch ä-den aus Bargeldentsorgungen aus der Zeit vom 16. bis in Höhe von insgesamt 360.205 €. Mit diesen Geldtransporten war die HEROS Transport GmbH aufgrund eines mit der Klägerin im Januar 2001 geschlossenen Rahmenvertrages beauftragt.

Die Versicherer der Police Nr. 7509 übersandten der Klägerin unter dem eine "Versicherungsbestätigung", welcher der Abschluss der Versicherung für die HEROS -Gruppe, ferner unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung zu entnehmen waren.

Im Februar 2006 kam es zum Zusammenbruch der HEROS -Gruppe. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin, wurde den HEROS-Gesellschaften Mitte Februar zur Entsorgung überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig) auf ihren Konten gutgeschrieben. Nachdem im April 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der HEROS-Gruppe eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsvertrag im Januar 2007 wegen arglistiger Täuschung an.

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob dies e Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die HEROS Transport GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die zuletzt auf Zahlung von 136.515,67 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Kosten gerichtete Klage abgewiesen, da die Klägerin e inen Versicherungsfall nicht habe nachweisen können und der Versicherungsvertrag außerdem wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten sei. Die Revision ist nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Zulassung der Revision war schon im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geboten, so dass es auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Übrigen hier nicht ankommt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter 2 m.w.N.).

1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage unter anderem darauf gestützt, dass die Beklagte ihre Annahme des Versicherungsvertrages mit der Policennummer 7509 wirksam nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Insoweit ist ein Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben.

a) Zwar hat der Senat in der Sache IV ZR 38/09 (aaO), in der die Klage einer anderen Versicherten vom Berufungsgericht ebenfalls mit der Begründung abgewiesen worden war, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag mit der HEROS-Gruppe wirksam angefochten, die Revision mit Beschluss vom (Geldtransporte II HEROS II aaO) zugelassen. Alleiniger Zulassungsgrund war dort jedoch, dass das Berufungsgericht einen Beweisantritt auf Vernehmung zweie r Zeugen zur Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund übergangen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen hatte (aaO Rn. 12 ff.). Der Senat hat deshalb das dortige Berufungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO im Beschlusswege aufgehoben und die S ache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Einen solchen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensfehler des Berufungsgerichts hat die Beschwerdeführeri n hier nicht in der nach den §§ 544 Abs. 2 Satz 3, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO gebotenen Form darlegen können.

aa) Nach § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassungsgründe darzulegen. Will sich der Beschwerdeführer darauf stützen, das Gericht habe bei Erlass der angefochtenen Entscheidung mittels eines Verfahrensfehlers das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, so müssen für die Darlegung die gleichen Anforderungen gelten, wie sie die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO aufgestellt hat (vgl. dazu , BGHZ 14, 205, 209 f.; BGH, Beschlüsse vom VII ZR 101/02, NJW 2003, 831 f. unter II 2 b bb; vom XI ZR 153/02, NJW -RR 2003, 1003 f. unter 1; vom IX ZR 56/04, [...] unter 1 f., jeweils m.w.N.). Demzufolge sind in der Beschwerdebegründung die Tatsachen anzugeben, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergibt. W ill die Beschwerde geltend machen, das Gericht habe einen Beweisantritt des Beschwerdeführers übergangen, so ist es nicht nur geboten, das betreffende Beweisthema und das angebotene Beweismittel genau zu bezeichnen, sondern auch anzugeben, zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme geführt hätte. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Vielmehr ist die genaue Angabe der vorinstanzlichen Fundstelle des übergangenen Beweisantrags erforderlich. Befindet sie sich in einem umfangreichen Schriftsatz, ist dessen Seitenzahl zu benennen. Darüber hinaus muss sich aus dem Beschwerdevorbringen ergeben, inwieweit das Unterbleiben der Beweisaufnahme für die angefochtene Entscheidung erheblich war und dem Beweisantritt berücksichtigungsfähiges Vorbringen von ausreichender S ubstanz zugrunde lag (vgl. , NJW 2008, 540 unter B II 1 c bb (3) (a). § 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO dient der Entlastung des Revisionsgerichts, indem letzteres davor geschützt werden soll, den gesamten Akteninhalt selbst daraufhin zu erforschen, welche Tatsachen, insbesondere auch Behauptungen und Beweisantritte, den Gegenstand einer Verfahrensrüge bilden sollen (BGHZ aaO S. 210).

bb) Soweit es um die Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund und die Beweisantritte der Klägerin dazu geht, vermag die Nichtzulassungsbeschwerde den genannten Anforderunge n nicht zu genügen.

(1) Die Klägerin hat insbesondere in der Berufungserwiderung und dem Schriftsatz vom umfangreich und unter zahlreichen Beweisantritten zu der Frage vorgetragen, was die Beklagte, insbesondere durch ihren Prokuristen S . , über die wirtschaftlichen Verhältnisse und das Geschäftsgebaren der HEROS-Gruppe wusste. Dabei beziehen sich die Behauptungen der Klägerin s owohl auf Vorgänge während der 1990er Jahre als auch nach dem Jahre 2000. Inhaltlich geht es zum einen darum, ob die Beklagte aus einzelnen Vorfällen schon während der 1990er Jahre den Schluss gezogen hat oder ziehen konnte, dass es bei der HEROS-Gruppe zu Unregelmäßigkeiten gekommen war oder Zahlungsunfähigkeit drohte. Zum anderen geht es um die Frage, ob die Beklagte mit Blick auf die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB nicht jedenfalls bis zum Jahre 2005 von dem Schneeballsystem der HEROS-Gruppe Kenntnis hatte. Zu entsprechenden Kenntnissen der Beklagten im Jahre 2001 bei Abschluss der Police Nr. 7509 fehlt jedoch jeglicher Vortrag.

(2) Die Beschwerde macht geltend, die Klägerin habe diese Kenntnis der Beklagten vom Schneeballsystem unter Beru fung auf die Zeugen W. , S. und Frau T. unter Beweis gestellt. Den dazu angegebenen Fundstellen der Gerichtsakte ist indes ein für die Voraussetzungen der Arglistanfechtung entscheidungserheblicher und unter Beweis gestellter Vortrag nicht zu entnehmen, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hätte.

Soweit die Beschwerdebegründung auf die Seiten "18 ff." der 71 Seiten umfassenden Berufungserwiderung verweist, findet sich dort zunächst ein Beweisantritt, demzufolge die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit im Besitz von Unterlagen über die Zahlungsunfähigkeit der HEROS-Gruppe gewesen sein soll. Es schließen sich Tatsachenbehauptungen und Beweisantritte zu Vorgängen der Jahre 2004 und 2005 an.

Auf den weiter von der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Seiten 14 und 15 des Schriftsatzes vom werden die Zeugen S. , W. und T. lediglich zum Beweis dafür aufgeboten, dass der Prokurist S. bei der Beklagten für die Betreuung der HEROS-Gruppe zuständig war und "seit langem" gewusst habe, dass es "zu Schadensfällen und Unregelmäßigkeiten bei HEROS" gekommen war.

Das Berufungsgericht hat entsprechenden Klägervortrag insoweit als wahr unterstellend umfangreich dargelegt, dass es weder aus der von der Klägerin behaupteten Freundschaft der Zeugen W . und S. noch aus Vorfällen, die sich während der 1990er Jahre zugetragen hatten, insbesondere den Begleitumständen eines Ermittlungsverfahrens der Polizei in Pinneberg und Prämienrückständen von HEROS, hinreichende Anhaltspunkte dafür gewonnen hätte, dass der Beklagten das tatsächliche Ausmaß des von der HEROS-Gruppe betriebenen Schneeballsystems im Jahre 2001 bekannt gewesen sei. Einen Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör deckt die Beschwerde nicht auf. Das Berufungsgericht hat aus diesem Vortrag, den es mithin zur Kenntnis genommen und erörtert hat, lediglich nicht die von der Klägerin gewünschten Schlüsse gezogen.

b) Soweit die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör jedenfalls im Rahmen der Feststellung verletzt, dass die Klägerin die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB gewahrt habe, erschöpft sich das Beschwerdevorb ringen in einem unbehelflichen Versuch, die tatrichterliche Würdigung der maßgeblichen Indizien durch eine vermeintlich bessere Würdigung zu ersetzen. Die Beschwerde räumt letztlich selbst ein, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Erörterungen zum Kenntnisstand der Beklagten den Klägervortrag als wahr unterstellt hat.

c) Keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, inwieweit die Arglistanfechtung in Ziffer 13.4 der Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen werden konnte. Der Bundesgerichtshof hat einen vergleichbaren vertraglichen Anfechtungsausschluss bereits mit Urteil vom (VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 Rn. 18) für unwirksam erachtet. Ergänzend wird dazu auf den Senatsbeschluss vom (aaO Rn. 27-33) verwiesen, in dem sich der erkennende Senat dieser Auffassung angeschlossen hat.

d) Darin hat der Senat allerdings im Rahmen eines Hinweises für die neue Verhandlung (aaO Rn. 53-59) die Begründung beanstandet, mit der das Berufungsgericht wie auch im vorliegenden Rechtsstreit verneint, dass die Arglistanfechtung über den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. 7509 hinaus auch die zeitgleiche einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt. Ein damit etwa verbundener Rechtsfehler gebietet die Zulassung der Revision nicht.

An einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es schon deshalb, weil die allein auf Umständen des Einzelfalles beruhende Entscheidung nur für die beiden zwischen der HEROS-Gruppe und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungspolicen und die dazu erklärte Arglistanfechtung bedeutsam ist. Zwar ist mittelbar eine Reihe Versicherter dieser beiden Verträge mit behaupteten Schäden von mehreren Millionen Euro betroffen, doch handelt es sich sämtlich um ehemalige Auftraggeber der Versicherungsnehmerin (HEROS-Gruppe) und damit um einen abgeschlossenen Kreis von Geschädigten, weshalb sich die vom Berufungsgericht entschiedene Rechtsfrage nicht in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 191; vom V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223). Einen verallgemeinerungsfähigen falschen Rechtssatz hat das Berufungsgericht be i Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB nicht aufgestellt. Seine Entscheidung steht deshalb nicht in Divergenz zum (VersR 2007, 1681), so dass die Zulassung der Revision auch nicht zur Sicherun g einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen muss (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin bei Prüfung des § 139 BGB verletzt hätte, ist nicht ersichtlich.

e) Auch die weiteren gegen die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Arglistanfechtung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Insoweit verweist der Senat ergänzend auf seinen Beschluss vom (IV ZR 38/09, VersR 2011, 1563 Rn. 19-24 und 34-44).

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Versicherungsbestätigungen, die die Beklagte den Versicherten übersandt hat, keine weitergehenden Rechte der Beklagten in Bezug auf die Arglistanfechtung entnehmen können. Das Berufungsgericht hat diese Bestätigungen zu treffend als lediglich deklaratorische Informationsschreiben angesehen, die dazu dienten, die Versicherten über den Abschluss einer Versicherung zwischen der Beklagten und der HEROS-Gruppe zu unterrichten und den Inhalt dieses Vertrages zusammenzufassen. E ine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten folgt daraus nicht (vgl. Senatsbeschluss vom aaO Rn. 33). Die Beklagte hat mit den Bestätigungen keinen über die Regelungen des Versicherungsvertrages hinausgehenden Sicherungszweck verfolgt (anders zu einem Kfz-Sicherungsschein: Senatsurteil vom IV ZR 183/77, VersR 1979, 176 unter 1; , BGHZ 40, 297, 302 f.; vgl. Brand in Bruck/ Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 30, 32). Sie war deshalb nicht gehalten, diese Bestätigungen gesondert anzufechten.

3. Die weiteren Rügen zur Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft. Sie greifen nicht durch. Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Auf die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat, und die dazu erhobenen Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es nicht mehr an.

Fundstelle(n):
AAAAE-02276