BAG Urteil v. - 10 AZR 549/10

(Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD - Bemessungsgrundlage)

Gesetze: § 20 Abs 2 TVöD

Instanzenzug: Az: 11 Ca 3640/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der Jahressonderzahlung für 2008.

Die Klägerin ist seit 1984 für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Dieser regelt den Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung wie folgt:

3Die Klägerin war seit dem in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a Teil I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert und erhielt nach Überleitung in den TVöD gem. Anlage 2 zum TVÜ-Bund ein Vergleichsentgelt aus der Entgeltgruppe 9. Mit Änderungstarifvertrag vom wurde der Bewährungsaufstieg nach § 8 TVÜ-Bund neu geregelt. Am erließ das Bundesministerium des Inneren Hinweise für die Umsetzung dieses Tarifvertrags, die am durch Erlass des Bundesministeriums für Verteidigung für den Geschäftsbereich der Klägerin umgesetzt wurden. Mit Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erfülle mit Wirkung ab die tariflichen Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 Teil I der Anlage 1a zum BAT, und setzte das sich gem. § 8 Abs. 2 und 3 TVÜ-Bund ergebende Vergleichsentgelt ab diesem Tag neu fest. Die Beklagte zahlte die monatlichen Differenzbeträge nach, eine Neuberechnung der Jahressonderzahlung 2008 erfolgte nicht.

4Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Differenzbetrags zwischen der gezahlten und der sich auf Grundlage des höheren Vergleichsentgelts ergebenden Jahressonderzahlung. Die Sonderzahlung sei nach der tariflich zustehenden und nicht der unmittelbar in den Referenzmonaten gezahlten Vergütung zu berechnen.

Die Klägerin hat beantragt,

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Maßgeblich für die Bemessung der Jahressonderzahlung sei das tatsächlich in den Referenzmonaten Juli, August und September 2008 gezahlte Entgelt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Sprungrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Gründe

8I. Die nach § 76 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat aus § 20 Abs. 2 Satz 1 TVöD Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag zur geleisteten Jahressonderzahlung für das Jahr 2008. Grundlage der Berechnung der Jahressonderzuwendung ist das „für“ die Referenzmonate durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt und nicht das unmittelbar „in“ den Referenzmonaten gezahlte Entgelt. „Für“ die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen sind bei der Bemessung der Jahressonderzahlung zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

91. Der Wortlaut, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 14, ZTR 2011, 491) führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 20 Abs. 2 TVöD stellt ab auf das „in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt“. Dies deutet darauf hin, dass Bemessungsgrundlage der Jahressonderzahlung tatsächlich geleistete Zahlungen sein sollen. Bei einem engen Verständnis des Wortlauts kann darin auch eine Beschränkung auf den bloßen Zahlvorgang „in“ den Referenzmonaten gesehen werden. Näherliegend ist aber, dass es auf das „für“ die Referenzmonate tatsächlich gezahlte Entgelt ankommen soll. Bei einem solchen Tarifverständnis fließen für die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen in die Berechnung mit ein.

102. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist weitgehend unergiebig, im Zweifel gebührt aber derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr.,  - Rn. 21). Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Bemessung der Jahressonderzahlung trotz denkbarer Irrtümer bei der Zahlung oder möglicher Verzögerungen bei der Abwicklung der Zahlung ausschließlich an das tatsächlich in den Referenzmonaten zugeflossene Entgelt anknüpfen. Es ist auch nicht sachgerecht, die Höhe der Jahressonderzahlung von der Dauer der Umsetzung einer Tarifänderung abhängig zu machen. Bei einer zeitnahen Umsetzung des Änderungstarifvertrags vom wäre in den Referenzmonaten bereits das höhere Vergleichsentgelt gezahlt und auf dieser Grundlage die Jahressonderzahlung berechnet worden. Ein Tarifverständnis, nach dem die Berechnung der Jahressonderzahlung trotz identischer Eingruppierung und identischem Anspruch auf Vergleichsentgelt je nach dem Zeitpunkt einer tatsächlichen Zahlung zu einer Ungleichbehandlung führen kann, begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlichen Bedenken (zur verfassungskonformen Auslegung von Tarifverträgen vgl.  - aaO). Wird ein Arbeitnehmer rückwirkend höhergruppiert und wird für die Referenzmonate nachträglich weiteres Entgelt gezahlt, so fließt dieses Entgelt in die Berechnung der Jahressonderzahlung mit ein.

113. Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NAAAD-99338