BMF - IV C 6 - S 2176/07/10004 :001 BStBl 2011 I S. 1247

Betriebliche Altersversorgung; Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG; Anerkennung unternehmensspezifischer und modifizierter biometrischer Rechnungsgrundlagen

Bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG sind die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden (§ 6a Absatz 3 Satz 3 EStG). Die Finanzverwaltung erkennt hierfür allgemein anerkannte biometrische Rechnungsgrundlagen ohne besonderen Nachweis der Angemessenheit an (vgl. z. B. BStBl I S. 1054, zum Übergang auf die „Richttafeln 2005 G“ von Professor Klaus Heubeck). Soweit unternehmensspezifische Verhältnisse die Anwendung anderer oder modifizierter biometrischer Rechnungsgrundlagen erfordern, setzt deren Berücksichtigung nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder u. a. die Einhaltung folgender Grundsätze voraus:

1. Notwendiges Datenmaterial

1 Die Herleitung vollständig neuer unternehmensspezifischer biometrischer Rechnungsgrundlagen kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Das den Berechnungen zugrunde liegende Datenmaterial muss in der Regel über die Daten des betreffenden Unternehmens deutlich hinausgehen.

2 Wird dabei auf Datenmaterial zurückgegriffen, das als aussagekräftige Basis für die Herleitung von biometrischen Rechnungsgrundlagen angesehen werden kann, ist darzulegen, dass diese größere Datenbasis den Verhältnissen des Unternehmens noch gerecht wird. Als aussagekräftige Datenbasis können ggf. unternehmensübergreifende Untersuchungen der gleichen Branche in Frage kommen.

3 Werden signifikante Abweichungen von den allgemein anerkannten biometrischen Rechnungsgrundlagen nachgewiesen, kommt deren Modifikation nur unter Berücksichtigung der in den Randnummern 4 bis 11 dargelegten Grundsätze in Betracht. Abweichungen sind als signifikant anzusehen, wenn mathematisch-statistische Tests auf einem Signifikanzniveau von mindestens 95 % (Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %) bestätigen, dass die im untersuchten Datenbestand über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren beobachteten Häufigkeiten im Hinblick auf mindestens eine Ausscheideursache (z. B. Aktiven- bzw. Altersrentnertod) von den allgemein anerkannten biometrischen Rechnungsgrundlagen abweichen.

2. Prüfung des gesamten Bestandes der Pensionsverpflichtungen

4 Die Angemessenheit einer Modifikation ist für den gesamten Bestand der Pensionsverpflichtungen zu prüfen und nachzuweisen. Weicht ein Teilbestand signifikant vom gesamten Bestand des Unternehmens ab und werden für diesen Teilbestand die biometrischen Rechnungsgrundlagen modifiziert, ist für den Komplementärbestand zu diesem Teilbestand eine gegenläufig wirkende Modifikation zu den für den gesamten Bestand angemessenen biometrischen Rechnungsgrundlagen vorzunehmen.

5 Bei Konzernen im Sinne von § 18 des Aktiengesetzes (AktG) ist grundsätzlich auf den gesamten Bestand der Pensionsverpflichtungen der inländischen Konzerngesellschaften des jeweiligen Konzerns abzustellen.

3. Überprüfung aller Grundwerte

6 Bei der Prüfung modifizierter Rechnungsgrundlagen sind alle Grundwerte zu überprüfen. Allgemein anerkannte versicherungsmathematische Zusammenhänge zwischen den Grundwerten – beispielsweise zwischen der Sterblichkeit und der Invalidität – sind zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu schätzen.

4. Sicherheitsniveau und Projektivität

7 Das Sicherheitsniveau muss demjenigen der allgemein anerkannten biometrischen Rechnungsgrundlagen entsprechen. Dabei ist auf Erwartungswerte ohne besondere Sicherheitszuschläge abzustellen. Art und Umfang der verwendeten Projektivität sind zu begründen.

5. Bestätigung modifizierter biometrischer Rechnungsgrundlagen

8 Zur Verifizierung von Modifikationen ist mittels mathematisch-statistischer Tests zu bestätigen, dass die aus dem untersuchten Datenbestand abgeleiteten modifizierten biometrischen Rechnungsgrundlagen nicht signifikant von den dort beobachteten Häufigkeiten abweichen.

6. Typisierende Modifikationen

9 Soweit von der Finanzverwaltung typisierende Modifikationen der allgemein anerkannten biometrischen Rechnungsgrundlagen bei Erfüllung bestimmter Kriterien (z. B. Branchenzugehörigkeit oder Art der Beschäftigung) anerkannt werden, können diese bei Vorliegen der jeweiligen Kriterien im gesamten Bestand des Unternehmens ohne besonderen Nachweis der Angemessenheit angewendet werden.

7. Überprüfung modifizierter biometrischer Rechnungsgrundlagen

10 Die nach den Randnummern 1 bis 9 modifizierten biometrischen Rechnungsgrundlagen sind in regelmäßigen Abständen, spätestens jedoch nach fünf Jahren, zu überprüfen. Auch bei Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns (insbesondere bei Veräußerung oder Hinzuerwerb von Konzerngesellschaften) ist spätestens zum nächsten regulären Überprüfungszeitpunkt nach Satz 1 eine Untersuchung nach Maßgabe der Randnummern 4 und 5 für den nunmehr vorliegenden gesamten Bestand der Pensionsverpflichtungen durchzuführen.

11 Unabhängig davon ist eine Überprüfung auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Rechnungsgrundlagen vorzunehmen, auf die sich die Modifikation bezieht.

BMF v. - IV C 6 - S 2176/07/10004 :001


Fundstelle(n):
BStBl 2011 I Seite 1247
BB 2012 S. 186 Nr. 3
DB 2011 S. 2887 Nr. 51
DStR 2011 S. 2461 Nr. 51
DStZ 2012 S. 93 Nr. 4
EStB 2012 S. 18 Nr. 1
FR 2012 S. 95 Nr. 2
GmbHR 2012 S. 23 Nr. 2
StB 2012 S. 103 Nr. 4
WPg 2012 S. 106 Nr. 2
b&b 2012 S. 10 Nr. 2
QAAAD-98391