BFH Beschluss v. - X B 100/10

Rüge der Beweiswürdigung durch das FG begründet grundsätzlich keinen Verfahrensmangel; Antrag auf Tatbestandsberichtigung; Prognosezeitraum bei der Ermittlung des Totalgewinns bei Saisonbetrieben; Bestimmung der Gewinnerzielungsabsicht bei selbständigen Tätigkeitsbereichen

Gesetze: FGO § 76, FGO § 108, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 81, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, EStG § 2 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist im Hinblick auf den Zulassungsgrund der Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) bereits unzulässig, da die Beschwerdebegründung diesbezüglich nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO entspricht. Hinsichtlich der Rüge von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) und der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

2 1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Kläger) hat nicht schlüssig gerügt, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen ist.

3 Mit ihrem Vorbringen, das Finanzgericht (FG) habe die vorgetragenen Umstrukturierungsmaßnahmen von vornherein als ungeeignet für den Nachweis einer subjektiven Gewinnerzielungsabsicht gewürdigt und sei deshalb hierdurch von dem Senatsurteil vom X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) abgewichen, legt die Klägerin nicht ausreichend die Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dar.

4 Der Beschwerdeführer, der diesen Zulassungsgrund rügt, muss in der Beschwerdebegründung geltend machen, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung des BFH abgewichen ist. Er muss tragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des FG und in der Divergenzentscheidung des BFH so genau bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2010, 263, unter II.3.). Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Tatsächlich macht sie geltend, das FG habe den klägerischen Vortrag über die Umstrukturierungsmaßnahmen falsch gewürdigt. Durch einen —im Streitfall ohnehin nicht gegebenen— Fehler bei der Subsumtion von Tatsachen ist aber der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht schlüssig dargetan (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 19/07, BFH/NV 2008, 1342, unter 1.c).

5 2. Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht gegeben.

6 a) Die Rüge der Klägerin, das FG habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO) verletzt, da es die im Erörterungstermin angebotenen Zeugen nicht vernommen habe, die die Umstrukturierungsmaßnahmen näher hätten darstellen können, greift nicht durch. Auf eine Beweiserhebung kann ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichtet werden. Die unterlassene rechtzeitige Rüge hat den endgültigen Rügeverlust zur Folge (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 100, m.w.N.). Auf einen im Erörterungstermin gestellten Beweisantrag kommt es nicht an; vielmehr hätte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf ihrem Beweisantrag bestehen müssen (, BFH/NV 2009, 1644, unter II.2.b). Ein solches Bestehen ist aber aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom nicht ersichtlich.

7 Zudem kann das FG auf die beantragte Beweiserhebung verzichten, wenn das Beweismittel nicht entscheidungserheblich ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2007, 1089, unter 2.). Nähere Ausführungen zu den Umstrukturierungsmaßnahmen waren nicht notwendig, da —wie vom FG dargestellt— die durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen, zu denen sich die von der Klägerin genannten Zeugen, insbesondere der Zeuge X, äußern sollten, die Betriebe nicht in die Gewinnzone führen konnten.

8 b) Die Rüge der Klägerin, das Urteil des FG sei in der Sachverhaltsdarstellung fehlerhaft, da es nicht angegeben habe, dass die Klägerin bei den jeweils Pacht erzielenden Veranstaltungen das Catering durchgeführt und hierbei Umsätze von ca. 165.000 bis 170.000 € erzielt habe und das FG diesbezüglich den Sachverhalt von Amts wegen weiter hätte aufklären müssen (§ 76 FGO), führt nicht zum Erfolg. Eine mögliche fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung kann nur durch einen fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend gemacht werden (, BFH/NV 2008, 1690, unter 3.d). Einen solchen Antrag hat die Klägerin nicht gestellt. Im Übrigen war diese Tatsache vom materiellen Standpunkt des FG aus auch nicht entscheidungserheblich, da der Restaurantbetrieb trotz dieser Umsätze im Streitjahr defizitär war.

9 c) Schließlich ist die Rüge der Klägerin, das FG habe die vorgetragenen Umstrukturierungsmaßnahmen nicht dahingehend gewürdigt, dass hieraus auf eine subjektive Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden könne, unbegründet. Die Klägerin rügt hierdurch die Beweiswürdigung durch das FG. Damit kann aber ein Verfahrensmangel nicht begründet werden. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Beschwerde entzogen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende (materielle oder formelle) Rechtsanwendungsfehler aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2007, 1657, unter 1.a aa). Derartige Mängel sind im Streitfall nicht gegeben, da die Würdigung des FG nachvollziehbar ist.

10 d) Die Rüge der Klägerin, das FG habe nicht ausreichend ermittelt, aufgrund welcher persönlichen Neigungen oder wirtschaftlichen Vorteile die subjektive Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen sei, greift nicht durch. Bezüglich des nach § 76 FGO von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts kommt es auf den materiellen Standpunkt des FG an; es hat nur aufzuklären, was aus seiner Sicht entscheidungserheblich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2010, 52, unter 2.a). Hinsichtlich der subjektiven Gewinnerzielungsabsicht hat das FG aber dargelegt, dass es eine solche zum einen aufgrund des nicht marktgerechten Verhaltens der Klägerin verneine. Zum anderen mangele es an der Gewinnerzielungsabsicht, da nicht auszuschließen sei, dass die Klägerin den Verlustbetrieb fortführe, weil sie ein privates Interesse an der Erhaltung des historischen Familiensitzes habe. Dies ist eine nachvollziehbare und zumindest mögliche Sachverhaltswürdigung durch das FG; eine weitere Sachverhaltsaufklärung war daher aus Sicht des FG nicht mehr erforderlich.

11 3. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist nicht notwendig.

12 Da es sich bei dem Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision handelt, muss der Beschwerdeführer darlegen, dass eine konkrete abstrakte Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2010, 905, unter II.1.).

13 a) Die Klägerin trägt vor, die verschiedenen Einkunftstatbestände rund um den .betrieb seien dermaßen ineinander verzahnt, dass man sie hinsichtlich der Ermittlung einer Gewinnerzielungsabsicht nicht einzeln betrachten könne. Vielmehr müsse von einem einheitlichen Betätigungswillen ausgegangen werden und die Gewinnerzielungsabsicht müsse im Hinblick auf sämtliche Einkünfte geprüft werden. Verluste aus einer Einkunftsart würden nämlich zu Gewinnen oder Überschüssen bei einer anderen Einkunftsart führen. Zu einer derartigen Fallkonstellation liege bisher noch keine BFH-Rechtsprechung vor.

14 Mit diesem Vorbringen, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden, ist jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht ausreichend dargelegt. Hieraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (, BFH/NV 2010, 1487, unter 1.a). Im Übrigen ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass für die Bestimmung der Gewinnerzielungsabsicht selbständige Tätigkeitsbereiche, die nicht lediglich bloße Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer Haupttätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht sind, auch selbständig beurteilt werden (, BFH/NV 2006, 2059, unter 1.; , BFHE 178, 69, BStBl II 1995, 718). Die Rechtsfrage ist daher nicht mehr klärungsbedürftig.

15 b) Weiter bringt die Klägerin vor, dass eine Entscheidung des BFH zu der Frage erforderlich sei, wie genau Umstrukturierungsmaßnahmen vorgetragen werden müssten, wenn zum einen kaufmännische Kenntnisse fehlten, zum anderen aber der Steuerpflichtige aufgrund von konkreten Kaufangeboten davon ausgehen könne, dass spätestens bei Verkauf ein Totalgewinn erzielt werde. Damit wird jedoch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin stellt weder eine abstrakte Rechtsfrage heraus, noch legt sie dar, warum eine Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig ist. Das bloße Vorbringen, der BFH habe einen Fall noch nicht entschieden, reicht für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (vgl. oben unter 3.a).

16 c) Auch das klägerische Vorbringen, eine Entscheidung des BFH sei erforderlich zu den Fragen, ob bezüglich der Gewinnerzielungsabsicht auf eine einheitliche Gesamtveräußerung der einzelnen Einkunftsquellen und den erzielten Totalgewinn abgestellt werden müsse und ob es notwendig sei, einen Betrieb „am Leben” zu halten, um bei einem Verkauf einen Totalgewinn zu erzielen, führt nicht zur Zulassung der Revision wegen Fortbildung des Rechts. Da die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ein Spezialtatbestand der Grundsatzrevision ist, hätte die Klägerin schlüssig und substantiiert vortragen müssen, weshalb die für bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind (vgl. z.B. , BFH/NV 2011, 448). Im Übrigen wäre die aufgeworfene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren auch nicht mehr klärungsbedürftig. Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Gewinn- bzw. Einkünfteerzielungsabsicht für jede Einkunftsart gesondert zu ermitteln ist. Eine die Einkunftsarten übergreifende Gewinn- bzw. Einkünfteerzielungsabsicht kennt das Gesetz nicht (, BFHE 232, 527; so auch das Bundesministerium der Finanzen in seinem Schreiben vom , BStBl I 2004, 933, Rz 34). Bei einer Veräußerung des Gesamtobjekts könnte somit nur der auf den Gewerbebetrieb entfallende Veräußerungsgewinn in die Totalgewinnprognose einbezogen werden. Der dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnende Veräußerungsgewinn wäre bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen und Wertsteigerungen des vermieteten oder zu privaten Wohnzwecken genutzten Teils des Gesamtobjekts wären nicht steuerverhaftet.

17 d) Schließlich ist —entgegen der Auffassung der Klägerin— die Rechtsfrage, ob bei Saisonbetrieben der Prognosezeitraum bei der Ermittlung des Totalgewinns verändert werden müsse, nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat entschieden, dass nur bei einer deutlichen Abweichung (d.h. mindestens 25 %) von der normalen Nutzung eine Anpassung des Prognosezeitraums erforderlich ist (Urteil vom IX R 70/02, BFH/NV 2005, 1040, unter Hinweis auf das Urteil vom IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726). Eine derart deutliche Abweichung ist im Streitfall bis zum Streitjahr 2002 nicht ersichtlich, da nach den finanzgerichtlichen Feststellungen die Betriebe erst ab dem Winter 2006/2007 in den Wintermonaten geschlossen blieben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 2098 Nr. 12
EStB 2011 S. 400 Nr. 11
NAAAD-93739