BFH Urteil v. - IX R 50/10 BStBl 2011 II S. 704

Keine fortdauernde Einkünfteerzielungsabsicht bei der Veräußerung einer vermieteten Immobilie an eine die Vermietung fortsetzende - teilweise personenidentische - gewerblich geprägte KG

Leitsatz

Spricht es gegen die Einkünfteerzielungsabsicht, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs —von in der Regel bis zu fünf Jahren— seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert, so auch dann, wenn er seine vermietete Immobilie in einem entsprechenden Zeitraum an eine die Vermietung fortführende gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) veräußert, an der er selbst beteiligt ist (Ergänzung zum , BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580).

Gesetze: AO § 39 Abs. 2 Nr. 2EStG § 15 Abs. 1EStG Abs. 3 Nr. 2; § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; § 22 Nr. 2; § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in Bezug auf zwei Objekte mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, indem er zwar Mietverträge abgeschlossen hatte, die Objekte aber, kurz nachdem sie fertig gestellt waren, an eine gewerblich geprägte Kommanditgesellschaft veräußerte, an der er selbst maßgeblich als Gesellschafter beteiligt ist.

2Der Kläger war in den Streitjahren (1992 und 1993) als Notar tätig. Er erwarb mit notariellen Verträgen vom 10. und vom zwei unbebaute Grundstücke in C. Der Verkäufer dieser Grundstücke verpflichtete sich dem Kläger gegenüber, schlüsselfertige Reihenhausdoppelhälften zu errichten, die im September 1993 fertig gestellt wurden und die der Kläger ab diesem Zeitpunkt vermietete. Im Dezember 1993 verkaufte der Kläger die Grundstücke an eine Grundstücksgesellschaft mbH & Co. Betriebs KG (KG), die er am gegründet hatte. An der KG waren der Kläger mit einer Einlage von 416.000 DM, A mit einer Einlage von 213.000 DM, die beiden Söhne des Klägers mit einer Einlage von je 5.000 DM und S mit einer Einlage von 10.000 DM beteiligt. Komplementärin ist eine vom Kläger im August 1993 gegründete GmbH. Als Kaufpreis für die Grundstücke wurde exakt der Betrag vereinbart, den der Kläger zuvor selbst für die Objekte gezahlt hatte. Die KG vermietete die Objekte (jedenfalls zum Teil) aufgrund der bereits durch den Kläger abgeschlossenen Mietverträge weiter.

3Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte es letztlich ab, bei dem Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Kläger habe keine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt, weil er die Grundstücke kurz nach der Fertigstellung der Objekte und der Aufnahme der Vermietungstätigkeit wieder verkauft habe. Das lasse nach dem (BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580) auf fehlende Einkünfteerzielungsabsicht schließen.

4Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Kläger habe keine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt. Er habe das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Beweisanzeichen (Verkauf) nicht erschüttern können. Auf den Abschluss von langfristigen Finanzierungen und unbefristeten Mietverträgen komme es nicht an. Dass der Kläger die Grundstücke an die KG veräußert habe, an der er selbst maßgebend beteiligt sei, sei unerheblich.

5Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf Verletzung materiellen Rechts sowie auf Verfahrensfehler stützt. Bei einer Vermietung eines Objekts könne Einkünfteerzielungsabsicht auch dann typisierend angenommen werden, wenn das Objekt innerhalb von fünf Jahren an eine dieses Objekt weiter vermietende Personengesellschaft veräußert werde, an der der Veräußerer mehrheitlich beteiligt sei. Außerdem habe das FG verfahrensfehlerhaft geurteilt, nicht alle vorgetragenen Tatsachen berücksichtigt (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und durch Übergehen eines Beweisantrags (zur Tatsache der auf Dauer angelegten Vermietungsabsicht des Klägers) seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt.

6Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den Bescheid des FA über die Ablehnung des Antrags auf Änderung vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1992 und 1993 jeweils vom dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den streitigen Objekten in C im Jahr 1992 mit ./. 240.001 DM und im Jahr 1993 mit ./. 97.562 DM berücksichtigt werden, hilfsweise, die Sache an das Thüringer FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

7Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

8Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

91. Die geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch: Das FG hat die Tatsachen, dass der Kläger mehrheitlich an der KG beteiligt ist und dass die KG die Grundstücke weiterhin vermietet hat, in seinem Urteil berücksichtigt, allerdings anders als der Kläger gewürdigt. Die Folgerungen aus der fortbestehenden Vermietungsabsicht des Klägers —oder der KG— ist hier eine Rechtsfrage, so dass es auch auf die angebotenen Zeugenbeweise nicht ankommt.

102. Das FG hat in der Sache im Ergebnis zutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers verneint und deshalb § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht verletzt.

11a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei demjenigen, der seine Vermietungstätigkeit auf Dauer anlegt, grundsätzlich und typisierend —wenn also keine besonderen Umstände dagegen sprechen— davon auszugehen, dass er beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, und vom IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, m.w.N. insbesondere zu Ausnahmefällen). Von einer auf Dauer ausgerichteten Vermietung ist nur auszugehen, wenn sie nach den bei ihrem Beginn ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).

12b) Liegt danach ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz vor, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs —von in der Regel bis zu fünf Jahren— seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert (BFH-Urteil in BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580), so gilt dies auch, wenn der Steuerpflichtige seine vermietete Immobilie in einem entsprechenden Zeitraum an eine die Vermietung fortführende gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) veräußert, an der er selbst beteiligt ist.

13aa) Zwar erzielt der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der Vermietung weiterhin steuerbare Einkünfte. Indessen ist dies für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung regelmäßig ohne Bedeutung. Denn die Einkünfteerzielungsabsicht ist für jede Einkunftsart gesondert zu ermitteln (so auch das Bundesministerium der Finanzen —BMF— in seinem Schreiben vom , BStBl I 2004, 933 Rz 34; zur im Schrifttum diskutierten Ausnahme von diesem Grundsatz siehe unten unter c) bb), m.w.N.). Der Dualismus der Einkunftsarten und einkunftsspezifische Besonderheiten machen es erforderlich, zunächst die Einkunftsart zu klären, bevor die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen ist (, BFHE 195, 267, BStBl II 2002, 791). Eine die Einkunftsarten übergreifende Einkünfteerzielungsabsicht kennt das Gesetz nicht. Verwirklicht also die Personengesellschaft, an die der Gesellschafter seine bislang durch ihn vermieteten Objekte veräußert, als gewerblich geprägte Gesellschaft mit den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) eine andere Einkunftsart und werden diese Einkünfte dem Gesellschafter über § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Mitunternehmer zugerechnet, so knüpfen diese nicht mehr an die Nutzungsüberlassung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sondern an das gewerbliche Unternehmen der Personengesellschaft an und sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) im Sinne eines Betriebsvermögensvergleichs. Die Einkünfteerzielungsabsicht hat dementsprechend in ihrer spezifischen Form der Gewinnerzielungsabsicht gemäß § 15 Abs. 2 EStG eine ganz andere Zielrichtung (Steuerbarkeit der Vermögensebene) als die Überschusserzielungsabsicht. Deshalb kann die Gewinnerzielungsabsicht nicht als Fortsetzung der Überschusserzielungsabsicht angesehen werden.

14bb) Hierdurch unterscheidet sich der Fall einer die Vermietungstätigkeit fortsetzenden Personengesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb von dem Fall, in dem die Vermietung von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft fortgeführt wird. Bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist es zwar grundsätzlich die Personenmehrheit, die den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt, indem sie die Immobilie vermietet (vgl. dazu , BFH/NV 2010, 863). Sind aber die steuerrechtlich erheblichen Merkmale, welche die Personengesellschaft verwirklicht hat, ihren Gesellschaftern zuzurechnen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.b bb (3)) und deshalb die Einkünfte zunächst auf der Ebene der Gesellschaft zu ermitteln und sodann auf die Gesellschafter zu verteilen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 193, 460, BStBl II 2001, 789, und vom IX R 20/03, BFHE 206, 444, BStBl II 2005, 33), so muss auch die Einkünfteerzielungsabsicht sowohl auf der Ebene der Gesellschaft als auch auf der Ebene des einzelnen Gesellschafters gegeben sein. Damit werden sowohl der objektive wie auch der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, den die Personengesellschaft durch ihr auf Dauer ausgerichtetes Vermieten verwirklicht, den Gesellschaftern zugerechnet. Vermietet also die vermögensverwaltende Personengesellschaft die ihr vom Gesellschafter veräußerten Grundstücke weiter (tritt sie z.B. zivilrechtlich in die Mietverträge des Gesellschafters ein, § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), so erfüllt der Gesellschafter gemeinschaftlich mit anderen nach wie vor den objektiven und subjektiven Tatbestand der Einkunftsart der Vermietung und Verpachtung, den er zuvor allein verwirklicht hat. Er hat dann kontinuierlich Einkünfteerzielungsabsicht, vor der Veräußerung allein und nach der Veräußerung zusammen mit anderen. Diese Kontinuität wird unterbrochen, wenn die Personengesellschaft, die die Grundstücke weiterhin vermietet, gewerblich geprägt ist und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Hier richtet sich die nunmehr erforderliche Gewinnerzielungsabsicht —als „aliud” gegenüber der Überschusserzielungsabsicht— nicht mehr auf das Vermieten (als Rechtsverhältnis, argumentum ex § 24 Nr. 2 EStG), sondern umfasst die gesamte unternehmerische Tätigkeit einschließlich des Vermögens (der Personengesellschaft wie auch gegebenenfalls des Sonderbetriebsvermögens der Mitunternehmer).

15c) Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend in der Veräußerung der Grundstücke in C an die KG gerade einmal 13 Monate nach Erwerb ein Beweisanzeichen gesehen, das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers spricht.

16aa) Es hat im Ergebnis richtig die durch die KG fortgesetzte Vermietungstätigkeit nicht in die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers einbezogen. Es hat zwar explizit keine Prognose im Sinne des (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) angeschlossen. Indes geht das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, von einer von vornherein bestehenden Veräußerungsabsicht aus. Deshalb ist in diesem —dadurch verkürzten— Prognosezeitraum schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht von einem Totalüberschuss auszugehen.

17bb) Dies gilt auch dann, wenn man die von keinem Beteiligten berücksichtigte Erwägung anstellt, dass die Veräußerung der Grundstücke durch den Kläger den Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Diese Vorschrift ist im Streitfall einschlägig; denn es ist von einer Veräußerung der Grundstücke innerhalb der Veräußerungsfrist trotz gegebener —teilweiser— Beteiligungsidentität auszugehen; die mit der Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung verbundene bruchteilsmäßige Zuordnung der Grundstücke wird durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verdrängt (vgl. dazu , BFHE 206, 162, BStBl II 2004, 898).

18Im Schrifttum wird erwogen, einen Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG in die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht einzubeziehen (so z.B. Pezzer, Steuer und Wirtschaft 2000, 457; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 21 Rz 18; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz 71 a.E., m.w.N.; Heuermann, Deutsche Steuerzeitung 2002, 864, 867; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 933 Rz 34). Der Senat kann indes unerörtert lassen, welcher Auffassung zu folgen ist. Selbst wenn man einen steuerrechtlich erheblichen Zusammenhang der privaten Veräußerungsgeschäfte mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung annähme, würde sich dies im Streitfall nicht auswirken, weil der Veräußerungspreis mit den Anschaffungskosten identisch ist. Ohne selbst eine Gesamtwürdigung durchführen zu können, wäre deshalb aufgrund der Feststellungen des FG auch in diesem Fall ein Totalüberschuss nicht denkbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:



Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 704
BB 2011 S. 1173 Nr. 19
BB 2011 S. 1511 Nr. 24
BFH/NV 2011 S. 1064 Nr. 6
BFH/PR 2011 S. 256 Nr. 7
BStBl II 2011 S. 704 Nr. 14
DB 2011 S. 1026 Nr. 18
DB 2011 S. 6 Nr. 18
DStR 2011 S. 6 Nr. 18
DStR 2011 S. 909 Nr. 19
DStRE 2011 S. 655 Nr. 10
EStB 2011 S. 209 Nr. 6
FR 2011 S. 615 Nr. 13
GmbHR 2011 S. 184 Nr. 12
HFR 2011 S. 647 Nr. 6
KÖSDI 2011 S. 17459 Nr. 6
NJW 2011 S. 3535 Nr. 48
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2011 S. 1594
StB 2011 S. 177 Nr. 6
StC 2011 S. 8 Nr. 7
WPg 2011 S. 635 Nr. 13
DAAAD-82161