BGH Beschluss v. - 3 StR 277/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Krefeld vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Raubes, jeweils in Tateinheit mit Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige, wegen Diebstahls und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es bei dem Angeklagten sichergestellte Betäubungsmittel, circa ein Gramm Marihuana in einer Snaptüte und weitere 5,35 Gramm Marihuana, eingezogen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zur Entscheidung des Landgerichts über die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel ausgeführt:

"Bedenken bestehen gegen die Einziehung des Rauschgifts, soweit es die in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Snaptüte mit circa einem Gramm Marihuana betrifft. Die Einziehung kann insoweit nicht auf § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG gestützt werden. Voraussetzung der Einziehung nach dieser Vorschrift ist, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (vgl. BGH NStZ 2002, [438, 439]; [, [...] Rn. 10, insoweit nicht abgedruckt in] StV 2000, 613 [f.]; Körner BtMG 6. Aufl. § 33 Rdn. 12). Dies trifft für die am , also zwei Tage nach den Taten, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Rauschgiftmenge von etwa ein[em] Gramm Marihuana jedoch nicht zu; vielmehr hatte bereits die Staatsanwaltschaft mit Abschlussverfügung vom (Bd. I Bl. 168 d.A.) die Tat hinsichtlich des in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Rauschgifts im Hinblick auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe gemäß § 154 StPO eingestellt."

Dem schließt sich der Senat an. Da der Ausspruch über die Einziehung insoweit nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entscheidet der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem unter 1. a) der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entfällt.

2. Das Urteil hat weiter keinen Bestand, soweit das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Die Begründung, mit der das Landgericht einen Hang des Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und den Anlasstaten sowie die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt verneint hat, vermag die Ablehnung der Maßregelanordnung nicht zu tragen.

a) Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts ist der Angeklagte von Cannabis und Amphetaminen psychisch abhängig, so dass bei ihm entgegen der Annahme des Landgerichts ein Hang zu einem übermäßigen Genuss berauschender Mittel im Sinne des § 64 Satz 1 StGB besteht. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (, [...] Rn. 8; Beschluss vom - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5). Eine solche Disposition des Angeklagten ist nach den Feststellungen des Landgerichts gegeben.

b) Bei seiner Entscheidung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten ausgegangen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. , BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5).

So liegt es hier. Das Landgericht hat die aggressive Stimmung des bereits vor seiner Ankunft bei der Geschädigten unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Angeklagten bei Begehung der Anlasstaten, während derer der Angeklagte weitere Betäubungsmittel konsumierte, ausdrücklich auf die Kombination der von ihm genossenen Rauschmittel zurückgeführt. Soweit es im Zusammenhang mit der Prüfung einer Maßregelanordnung ausgeführt hat, "für die Gewalttätigkeiten des Angeklagten sei der Drogenkonsum nicht symptomatisch", steht diese Behauptung in Widerspruch zu den übrigen Feststellungen und trägt die Ablehnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht. Dass außer dem Hang weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen, steht dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang nicht entgegen (, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).

c) Schließlich durfte das Landgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen nicht von der Anordnung nach § 64 StGB mit dem Hinweis absehen, eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Die Wertung des Landgerichts, der Genuss von Betäubungsmitteln sei "nur eine Begleiterscheinung des kriminellen Lebenswandels", lässt sich mit den Feststellungen zu den Anlasstaten nicht in Einklang bringen. Sie widerspricht auch den Mitteilungen des Landgerichts über Vorverurteilungen des Angeklagten, denen wiederholt rechtswidrige Taten zur Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums des Angeklagten zugrunde lagen.

Im Übrigen stehen, was hier nicht festgestellt ist, für die Begehung von Straftaten mitursächliche Persönlichkeitsmängel der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB nur dann entgegen, wenn die Unterbringung ausschließlich der Besserung des Angeklagten dient, also sich nicht gleichzeitig günstig auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit auswirkt, und wenn bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung das Ausmaß seiner Gefährlichkeit nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten nicht deutlich herabgesetzt wird (, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 2; Beschluss vom - 4 StR 230/02, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 4). Der Erwartung, der Angeklagte werde außerhalb des Vollzugs (überhaupt) keine rechtswidrigen Taten mehr begehen, bedarf es nicht (, NStZ-RR 2005, 304, 305).

3. Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, § 246a StPO) neu verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (, NStZ-RR 2008, 74). Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen.

Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt oder eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.

Fundstelle(n):
YAAAD-93462