Betrug: Feststellung des Vermögensschadens; gutgläubiger Eigentumserwerbs des getäuschten Käufers
Gesetze: § 263 StGB
Instanzenzug: Az: 98 KLs 8/10 - 3141 Js 71006/10 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit "Urkundenfälschung" (aus den Gründen ergibt sich: in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung) in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Weiter hat es der Angeklagten zur Auflage gemacht, 400 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe abzuleisten. Es hat festgestellt, dass die Angeklagte aus den Taten 39.700 € erlangt hat, dem Verfall von Wertersatz aber Ansprüche Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der auf eine Verfahrensrüge und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
21. Das Landgericht hat die Verurteilung der Angeklagten auf folgende Feststellungen gestützt:
3Der Ehemann der Angeklagten hatte sich entschlossen, sich in den Besitz von Kraftfahrzeugen gehobener Fahrzeugklassen zu bringen, um sie unter Vorlage unechter Urkunden zu veräußern.
4In Ausführung dieses Entschlusses mietete er am durch Vorspiegeln seiner tatsächlich nicht vorhandenen Absicht, das Kraftfahrzeug ordnungsgemäß zurückzugeben, bei einem gewerblichen Vermieter einen Pkw der Marke Daimler Benz 350S im Wert von 55.000 €. Er ließ sich von einem Dritten passende unechte Zulassungsbescheinigungen auf gestohlenen Blankoformularen herstellen. Am verkaufte er das Fahrzeug weiter. Die Angeklagte unterstützte ihren Ehemann in Kenntnis der Herkunft des Kraftfahrzeugs bei den Verkaufsgesprächen, indem sie dem Käufer und dessen Ehefrau suggerierte, sie und ihr Ehemann lebten in guten finanziellen Verhältnissen und seien rechtmäßig im Eigenbesitz des Fahrzeugs. Der Käufer, dem sie den Pkw überließen, zahlte einen Kaufpreis in Höhe von 39.100 €.
5Der Ehemann der Angeklagten mietete in weiterer Umsetzung seines Tatentschlusses am ein Kraftfahrzeug der Marke Porsche Carrera im Wert von 68.550 €. Am verkaufte er den Pkw an einen Dritten. Die Angeklagte, die über den Tatentschluss ihres Ehemanns informiert war, unterstützte ihn bei den Verkaufsverhandlungen, indem sie dem Käufer im Verein mit ihrem Ehemann zunächst am Telefon und anschließend anlässlich einer persönlichen Begegnung vorspiegelte, der zweite Schlüssel des Kraftfahrzeugs könne dem Käufer nicht überlassen werden, weil sie ihn zuhause vergessen habe. Der Käufer, dem der Pkw übergeben wurde, zahlte einen Kaufpreis von 57.000 €.
62. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei Fällen nicht; sie sind zum objektiven Tatbestand der Betrugstaten unzureichend. Es fehlen Angaben zu Art und Höhe des den Käufern der Kraftfahrzeuge entstandenen Schadens. Eine Schädigung der Käufer in Höhe des vollen von ihnen entrichteten Kaufpreises, auf den das Landgericht jeweils Bezug nimmt, setzte voraus, dass sie im Gegenzug kein Eigentum an den Kraftfahrzeugen erlangten. Dazu, insbesondere zu den Voraussetzungen des § 932 Abs. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Gutglaubenserwerbs von Kraftfahrzeugen bei Vorlage unechter Zulassungsbescheinigungen (, BB 1966, 720 f.; , juris Rn. 20 ff.; MünchKommBGB/Oechsler, 5. Aufl., § 932 Rn. 56), legt das Landgericht nichts dar.
7Dies entzieht nicht nur dem Strafausspruch, sondern bereits dem Schuldspruch die Grundlage. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann dieser nicht deswegen bestehen bleiben, weil bei den Käufern auch im Falle ihres gutgläubigen Eigentumserwerbs wegen des nicht unerheblichen Prozessrisikos jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung ein Betrugsschaden eingetreten sei (, JR 1990, 517, 518; Beschluss vom - 5 StR 525/02, wistra 2003, 230 f.). Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, die in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens nach § 263 Abs. 1 StGB relevant ist, ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich, eigenständige Feststellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betruges hinreichend deutlich abzugrenzen. Nur so lässt sich auch eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen der vom Opfer erlittenen Vermögenseinbuße und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil treffen. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen bedeutet dies, dass der Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen ist ( u.a., BVerfGE 126, 170, 211 f.).
8Daran fehlt es hier. Weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in dem Bestehen eines zivilrechtlichen Prozessrisikos liegen kann, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Strafverfahren feststeht oder nicht ausschließbar ist, dass der getäuschte Käufer gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines solchen Schadens erkennbar.
93. Aufgrund der unzureichenden Feststellungen unterliegt das landgerichtliche Urteil der Aufhebung, soweit es die Angeklagte betrifft, ohne dass es noch auf die Rügen der Revision betreffend die Anwendung der § 17 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 1 JGG und den Angriff gegen die der Revision unterliegende (, BGHSt 55, 62 Rn. 7 ff.) Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO ankäme. Auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wird insoweit hingewiesen. Von der Aufhebung nicht betroffen ist die in den Gründen des landgerichtlichen Urteils enthaltene Entscheidung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 bis 4 StPO, die einer Überprüfung lediglich auf sofortige Beschwerde zugänglich (, BGHSt 54, 30 ff.) und nicht Gegenstand der Revision der Angeklagten ist. Eine Erstreckung der Aufhebung auf den wegen anderer Taten verurteilten Mitangeklagten scheidet aus, § 357 Satz 1 StPO.
10Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO das Landgericht nicht hindert, aufgrund der neu zu treffenden Feststellungen zu einer Verschärfung des Schuldspruchs zu gelangen. Das Landgericht wird - gegebenenfalls nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO - das der Angeklagten zur Last gelegte Tun unter dem Gesichtspunkt der Hehlerei nach § 259 Abs. 1 StGB in der Variante der Absatzhilfe zu untersuchen haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
wistra 2011 S. 387 Nr. 10
BAAAD-88342